Brief an Aussenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier, die mittelfristige Finanzplanung sieht angeblich bis 2010 eine Steigerung der »Verteidigungs«-Ausgaben auf rund 29,5 Milliarden Euro vor. Die Kosten für die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes bezifferte die Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2006 auf rund 460 Millionen Euro. Für den »Tornado-Einsatz« wurden 35 Millionen Euro veranschlagt. Die Experten - auch bei der Bundeswehr - sind sich inzwischen einig: Weit über 50 Millionen Euro seien wesentlich wahrscheinlicher. Der Sprit macht den Tornado-Einsatz teurer als geplant. Das Kerosin muss in Tanklastzügen über eine 2.500 Kilometer lange Strecke aus Karatschi in Pakistan herangeschafft werden; mit allen Sicherheitsrisiken (Quelle: www.tagesschau.de).

»Wir haben einiges erreicht« sollen Sie mit Blick auf den Wiederaufbau des Landes seit dem Sturz der Taliban gesagt haben (Quelle: AFP vom 29.9.2007). Sehr geehrter Herr Steinmeier: Wenn Sie in einem zielorienterten  Unternehmen arbeiten müssten und angesichts obengenannter Ausgaben und der Bilanz von 21 getöteten Bundeswehr-Soldaten anlässlich einer Leistungsbeurteilung den Satz loslassen würden »wir haben einiges erreicht», würden Sie mitsamt dem Team (in diesem Falle Frau Merkel und Herr Jung) sofort rausfliegen. 

Der Verteidigungsminister sowie die Kanzlerin besitzen wenigstens noch die Frechheit und präsentieren dem Volk, welches das alles finanziert, so ungeheuerliche Lügen wie: »80 Prozent der afghanischen Bevölkerung bekommen wieder eine medizinische Grundversorgung. Fünfmal so viele Schüler wie vor sechs Jahren gingen in die Schule, darunter viele Mädchen. Das Einkommen der Afghanen hat sich verdoppelt, die Infrastruktur verbessert (Angela Merkel in ihrer am 15. 9.2007 veröffentlichten Video-Botschaft). Sie setzte noch eins drauf: bei der Verlängerung des Afghanistan-Mandats „gehe es nicht nur um das Wohl der afghanischen Bevölkerung, sondern es gehe auch um die Sicherheit in Deutschland.« Verstehe das, wer will. 

Sandra Petersmann, »Deutsche Welle« aus Kabul berichtet in einer Reportage aus einem afghanischen Flüchtlingslager »Wir essen Staub«  

(Quelle: www.tagesschau.de). 

In der Financial Times Deutschland  ist hierzu am 21.9.2007 lesen: »Indessen zog die afghanische Frauenrechtlerin und Abgeordnete im afghanischen Parlament, Malalai Joya, eine vernichtende Bilanz des Einsatzes der internationalen Truppen in ihrem Land seit dem Sturz des Taliban-Regimes. „Ihr Land sei in einer katastrophalen Lage, dass ein Abzug der ausländischen Soldaten einen Bürgerkrieg zwischen Taliban und Nord-Allianz - die Fortsetzung der Militäreinsätze jedoch eine weitere Gewaltspirale und die Unterdrückung der Bevölkerung bedeuten würde.« Sie, Herr Steinmeier, haben jetzt die Schwierigkeit, sich eine der beiden Möglichkeiten auszusuchen. 

In Afghanistan selbst wird Hilfe von den Besatzungstruppen nicht mehr erwartet. Bereits im Mai hat ein in London ansässiger Thinktank („The Senlis Council“) die Ergebnisse einer Umfrage publiziert, die das Scheitern der westlichen Besatzungspolitik offenbaren würden, wäre es jemals darum gegangen, die Lebenssituation der Bevölkerung zu verbessern (Senlis Afghanistan: On a Knife Edge. Rapid Assessment FIeld Survey Southern and Eastern Afghanistan, London/Kabul/Ottawa/Paris/Brüssel, März 2007). Die Umfrage basiert auf Gesprächen mit rund 17.000 Afghanen in zufällig ausgewählten Distrikten im Süden und Osten Afghanistans. »Die Umfrage zeigt, wie schnell sich die Lage in diesen Gebieten verschlechtert«, schreiben die Autoren. Demnach ist die Quote derjenigen, die zugaben, die Taliban zu unterstützen, schon im März auf einen Wert von 26,8 Prozent gestiegen. Mehr als 80 Prozent hatten Schwierigkeiten, sich und ihre Familien zu ernähren. »Die überwiegende Mehrheit der afghanischen Bevölkerung«, heißt es in der Studie, »spürt als Ergebnis der internationalen Präsenz im Lande keine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, weder bei der Sicherheit noch in humanitärer Perspektive. Stattdessen hat sich die Situation ständig verschlechtert. Eine alarmierende Anzahl von Menschen lebt heute in extremer Armut und hat nichts zu essen.« (Quelle: www.german-foreign-policy.com/de). 

Und für zahlreiche Menschen ist das auch egal: ihr Schicksal ist längst entschieden. Als Bush junior sagte: »Wir werden sie ausräuchern«, machte er sein Versprechen wahr, indem er das Leben für die Ungeborenen zu einer unerreichbaren und für die Lebenden zu einer nicht auszuhaltenden Realität machte und so das afghanische Volk und seine zukünftigen Generationen zu einem vorbestimmten Tod verurteilte. »Nachdem die Amerikaner unser Dorf zerstört und viele von uns getötet haben, haben wir auch unsere Häuser verloren und nichts zu essen. Dennoch hätten wir die Qualen ertragen und uns sogar damit abgefunden, wenn die Amerikaner uns nicht alle zum Tode verurteilt hätten. Als ich meinen entstellten Enkel sah, begriff ich, dass meine Hoffnungen für die Zukunft für immer verschwunden sind, anders als die Hoffnungslosigkeit unter der russischen Barbarei, obwohl ich damals meinen ältesten Sohn Shafigullah verlor. Diesmal aber weiß ich, dass wir Teil des unsichtbaren Genozids sind, den Amerika über uns gebracht hat, eines stillen Todes, von dem ich weiß, dass wir ihm nicht entkommen werden.« (Jooma Khan aus der Laghman-Provinz, März 2003). Und: »Ich erkannte diesen langsamen«, aber sicheren Tod, als ich Blut in meinem Urin sah und sich starke Schmerzen in meinen Nieren entwickelten, zusammen mit Atembeschwerden, die ich nie vorher gehabt hatte. Viele meiner Familienmitglieder klagten über Verwirrtheit, und schwangere Frauen erlitten Fehlgeburten, während andere behinderte Babys gebaren.« (Akbar Khan aus der Provinz Paktika, Februar 2003). So beginnt eine Studie von Dr. Mohammed Daud Miraki unter dem Titel »Amerikas Massenvernichtungswaffen und der stille Genozid an den Afghanen.« Er berichtet von tödlichen Uranoxid-Partikeln, ein Staub, der sich über das Land legt, wenn die Amerikaner ihre Bomben mit abgereicherten Uran abwerfen. 

So sieht die Leistungsbilanz Ihrer Schwarz-Roten Regierung aus, Herr Steinmeier. Sie haben tatsächlich einiges erreicht! 

Ich gratuliere zum Erfolg,
Ihr
 
Dietrich Hyprath

Apartado 46
07830 Sant Josep
Ibiza (Spanien)                                                                                                                           24. September 2007
E-Mail: hyprath@terra.es

   
Kopie:            Dr. Angela Merkel

                        Dr. Franz Josef Jung

                        General Wolfgang Schneiderhan

                        Generalmajor Karlheinz Viereck

                        Oberst Bernhard Gertz

                        SPD-Parteivorstand