Dauerthema EU und anderes

Der Widerstand einzelner Mitgliedländer gegen die immer diktatorischeren und unverständlicheren »Verwaltungsmassnahmen« der EU-Kommission nimmt zu 1. Nachdem der Oberste Europäische Gerichtshof in Luxemburg Österreich nach jahrelangem Rechtsstreit verboten hat, eine gentechnikfreie Zone in Oberösterreich einzurichten, hat die EU-Kommission nun auch Frankreich beim Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen einen Dämpfer erteilt.

Der von Präsident Sarkozy angekündigte Anbaustopp für Genpflanzen verstosse gegen europäisches Recht, sagte die für Umweltfragen zuständige Sprecherin Barbara Helfferich in Brüssel. Frankreich droht damit ein Verfahren aus Brüssel, an dessen Ende hohe Strafen stehen könnten. Sarkozy hatte Ende Oktober angekündigt, den Anbau von Genpflanzen bis Anfang 2008 aussetzen zu wollen. Dann tritt ein neues Gesetz mit schärferen Bestimmungen in Kraft. Nach starkem Druck aus der USA erlaubt die EU den Anbau von Genpflanzen unter strengen Auflagen. Hat ein gentechnisch verändertes Produkt die Zulassungshürden der EU-Kommission genommen [wo hier die ‚Hürden’ sein sollen, ist schwer erkennbar, da sich die Kommission im allgemeinen doch offensichtlich den Vorgaben der USA zu beugen pflegt; Anm. von politonline], können die EU-Staaten nach Sicht der Kommission den Anbau nicht mehr einseitig untersagen. Und Brüssel verordnet, reglementiert, genehmigt und schreibt weiter vor, auch die sinnlosesten Dinge, wie zum Beispiel die Beschränkung der Lautstärke in Konzertsälen, Bekleidungsvorschriften für Kellnerinnen, bis hin zu sinnlosen Subventionen ohne entsprechende Kontrolle. Manchmal fragt man sich, mit welcher Unverfrorenheit EU-Politiker das Wort »Demokratie« im Zusammenhang mit der EU verwenden. Da wird die von Frankreich und den Niederlanden eindeutig abgelehnte EU-Verfassung in »Reformvertrag« umgetauft und - als ob nie etwas abgelehnt worden wäre - den EU-Bürgern in einer Mogelpackung wieder angedreht. Es ist einfach unglaublich, mit welcher Frechheit Politiker nun jede Mitbestimmung der Bevölkerung über die Inkraftsetzung des Reformvertrags von vornherein ausschliessen, indem sie lediglich die Parlamente »abstimmen« und ratifizieren lassen. Nun könnte man sich über eine solche Vorgehensweise der bestens versorgten »Volksvertreter« einfach nur ärgern und zur Tagesordnung übergehen, wäre da nicht die Tatsache, dass dieser Reformvertrag eine weitgehende Entmachtung der nationalen Parlamente vorsieht und konkrete Ansätze zu diktatorischen Massnahmen beinhaltet. Der Reformvertrag wird von der EU-Kommission jährlich mit fast 30 Millionen € »beworben«. Allein seit 2004 gab die Kommission für »Überzeugungsarbeit« mehr als 85 Millionen € an Steuergeldern aus. Die EU-Bürger finanzieren also sozusagen die eigene Manipulation. Der Reformvertrag umfasst mehr als 3000 Seiten, nach denen die EU-Bürger zu leben haben [und die sie vermutlich überhaupt nicht kennen resp. nicht gelesen haben; Anm. von politonline]. Alle darin enthaltenen Bestimmungen sind für sämtliche EU-Bürger verbindlich und können jederzeit von allen EU-Behörden und Gerichten durchgesetzt werden, denn: EU-Recht geht vor nationalem Recht. Über ein solches Konvolut, bei dem sich schon Experten kaum noch auskennen, könne man den einfachen EU-Bürger nicht abstimmen lassen, so die EU-»Volksvertreter«. Das mag schon stimmen, kennen sie sich doch selbst kaum noch aus. Ehrlich: Würden Sie, der Leser, einen Vertrag, den Sie nicht durchschauen, mit Ja unterzeichnen? Sicherlich nicht. Aber unsere Politiker machen das, immer im Namen des Bürgers, und das fast einstimmig: alle Parteien, fast alle Abgeordneten. Wer da wohl im Hintergrund die Fäden zieht? Da die Politiker bei einer Volksabstimmung mit einem Nein rechnen, wird gleich gar nicht abgestimmt. Das ist dann die gelebte Demokratie. Man ist erneut an ein Zitat von Jean Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, erinnert: »Wir beschliessen etwas, stellen das in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein grosses Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter, Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.«

In Ergänzung zu den obigen Gedankengängen seien hier einige der in dem vom Schiller-Institut herausgegebenen Informationsblatt Strategic Alert wiedergegeben Fakten zitiert 2. So heisst es hier, dass der neue Europäische Vertrag die britische Herrschaft über die EU bedeute. Der neue Reformvertrag würde bei Inkrafttreten jegliche Abwehrmassnahmen im Stile Roosevelts gegen den heraneilenden Finanzkollaps und die Wirtschaftsdepression untersagen. Ohne die souveräne Macht der Nationalstaaten [und die Aushebelung dieser Macht ist ganz klar im Gange; Anm. von politonline] würden die Europäer in einer elenden, von den Briten beherrschten finanziellen Sklaverei leben. So behauptet auch der ehemalige französische Präsident Giscard D’Estaing, dass der Text des Reformvertrags 95 % des Verfassungsvertrages, den er selbst ausgearbeitet hatte, enthalte. Die schockierendsten Vorschriften des letzteren wurden von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Unterstützung durch Nicolas Sarkozy Satz für Satz in den jetzigen neuen Vertrag übernommen. Mindestens 50 neue Befugnisse in den Bereichen Energie, Justiz, Polizei, Einwanderung, Asyl, Umwelt, Aussenpolitik, etc., werden aus den Händen der souveränen Staaten genommmen und in die der EU gelegt. Wie inzwischen bekannt, ist die Grundrechte-Charta für Großbritannien nicht bindend, d.h., London kann die Zusammenarbeit in Fragen der Justiz und des Strafvollzugs verweigern. Die wichtigste Neuerung ist die Wahl eines Europäischen Präsidenten durch eine qualifizierte Mehrheit der Regierungschefs für eine 30monatige Amtszeit. Dieser Präsident wird die Macht haben, politische Massnahmen einzuleiten oder sein Veto gegen diese einzulegen. Gemäss dem neuen Vertrag werden die Posten des Hohen Repräsentanten und des Europäischen Kommissars für Auswärtige Beziehungen zum »Hohen Repräsentanten der Union für Auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik« zusammengelegt; letzterer wird durch eine qualifizierte Mehrheit bestimmt; ferner wird - unter Umgehung der Mitgliedstaaten - ein einziger europäischer diplomatischer Dienst geschaffen. Die höchst unbeliebte Vorschrift des »freien und fairen Wettbewerbs« wurde aus dem Hauptteil des Vertragstextes sorgfältig herausgehalten, findet sich aber in einem »Wettbewerbsprotokoll«, das genau die gleichen stark umstrittenen Formulierungen enthält, die schon im Artikel 3(1)(g) des Verfassungsvertrages standen. Dieser Text wurde von Experten ausgekocht, die weit entfernt von den Normalbürgern sind. Der jetzt in Lissabon unterzeichnete Reformvertrag soll also in wenigen Wochen durch die nationalen Parlamente gepeitscht werden, um Debatten über ihn möglichst zu vermeiden. Diese Entscheidung enthüllt den wahren Charakter des Vertrages: Er ist eine Waffe gegen die Völker und Vaterländer.

politonline: Angesichts all dieser Umstände ist ersichtlich, dass die lange geplante Entnationalisierung der Staaten, d.h. der Verlust der Souveränität der EU-Länder,  fortschreitet. Es bleibt die bereits öfters gestellte Frage, wieso die regierenden Spitzen der EU-Länder keinen wirklichen Widerstand leisten und einen derartigen Vertrag dennoch unterzeichnet haben.

Nahostkonferenz in Annapolis am 27. 11. 07
Nach Aussage mehrerer hochrangiger Washingtoner Politiker ist eine der wichtigsten Errungenschaften von Annapolis, dass US-Vizepräsident Dick Cheney und andere Falken in der Regierung Bush auf dieser Konferenz keine Gelegenheit erhielten, auf einen sofortigen Krieg gegen den Iran zu drängen 3. Cheney habe darauf gesetzt, dass die Gespräche erfolglos bleiben und die Aussenministerin Condoleezza Rice dadurch diskreditiert würde. Nun aber, wie es einer formulierte, »ist Annapolis nicht gescheitert, und Cheney schäumt vor Wut«. Darüber hinaus machte der saudische Aussenminister in einem weithin veröffentlichten Interview am Vorabend der Konferenz deutlich, dass sein Land an einem neuen Krieg in der Region, auch gegen den Iran, nicht interessiert ist. Insofern sollte man nicht überrascht sein, wenn Rice, die auch an ihrem eigenen »Erbe« interessiert ist, beträchtliche Rückendeckung einiger Vertrauter von Bush sen. erhielt, so von Brent Scowcroft und Ex-Aussenminister James Baker III. Gleiches gilt dafür, dass die russische Regierung unter Wladimir Putin eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung des Friedensvorstosses spielte. Aussenminister Sergej Lawrow kündigte in Annapolis an, Russland habe mit der US-Regierung über eine Nachfolgekonferenz in Moskau Anfang 2008 verhandelt, dabei solle ein syrisch-israelisches Friedensabkommen im Vordergrund stehen. Ein kleiner, doch vielleicht wichtiger Schritt ist getan. Entwicklungen der letzten Woche bestätigen die Einschätzung, dass die Anwesenheit Syriens in Annapolis die Dynamik in Südwestasien entscheidend verändert hat 4. Bei den israelisch-palästinensischen Verhandlungen kann Syrien als Brücke zwischen Palästinenserpräsident Abu Masen und »Hardlinern« dienen, die - wie die Hamas - Büros in Damaskus haben. Dem Libanon hilft Syrien wesentlich, aus der politischen Sackgasse herauszugelangen, und es dient als Brücke zum Iran. Derweil wächst die Unterstützung für eine Folgekonferenz in Moskau mit einer syrisch-israelischen Einigung als Hauptthema. Der syrische Vizeaussenminister Faisal Migdad flog nach der Rückkehr aus Annapolis am 2.12. nach Teheran, um die iranische Staatsführung zu informieren. Er traf sich mit Aussenminister Manouchehr Mottaki und übergab einen Brief von Präsident Baschar Assad an den iranischen Präsidenten Ahmadinejad. Die arabische Zeitung Asharq Al-Awsat zitierte iranische Quellen, wonach in dem Schreiben die Gründe für Syriens Teilnahme an dem Gipfel erläutert werden und die allgemeine Lage in Südwestasien, besonders im Libanon und im Irak, behandelt wird. In einer anschliessenden Pressekonferenz forderte Migdad die Wiederaufnahme arabischer Friedensgespräche mit Israel. Sein Besuch widerlegte die Spekulationen über einen möglichen Bruch zwischen dem Iran und Syrien wegen dessen Beteiligung in Annapolis. Später verschob Teheran eine »Anti-Annapolis-Konferenz« mit palästinensischen Oppositionsgruppen wie Hamas, Dschihad und PFLP auf unbestimmte Zeit. Am 3.12. traf der frühere palästinensische Regierungschef Ahmed Kurei in Damaskus Aussenminister Walid Al Moallem sowie Nadschef Hawatmeh von der Volksfront zur Befreiung Palästinas, einen Anführer der »Anti-Fraktion«. In einer gemeinsamen Erklärung sagten beide eine koordinierte Friedensanstrengung mit Syrien und anderen arabischen Ländern zu und unterstützten den Plan einer Konferenz in Moskau.

Wird das »Grosse Spiel« der Briten den 3. Weltkrieg auslösen?
Zu keinem Zeitpunkt seit dem Zweiten Weltkrieg wurden so viele Regionen der Welt zur gleichen Zeit von Chaos, Kleinkrieg und Wirtschaftszerfall erschüttert wie jetzt 5. Da das Weltfinanzsystem gleichzeitig faktisch schon funktionsunfähig ist, wächst die Gefahr, dass diese Kombination scheinbar isolierter regionaler Konflikte und Destabilisierungen in einen allgemeinen asymmetrischen Dritten Weltkrieg mündet. Wie die Ermordung von Erzherzog Ferdinand in Sarajevo 1914 den Ersten Weltkrieg auslöste, so kann heute jeder dieser regionalen Konflikte einen Weltkrieg auslösen. Doch damals wie heute sind britische geopolitische Operationen die eigentliche Kriegsursache. Ein wesentlicher Unterschied ist nur, dass die USA heute viel weiter unter der Kontrolle der geopolitischen britischen Drahtzieher steht und der kulturellen Krankheit des anglo-holländischen liberalen Denkens viel mehr verfallen ist. Agenten wie der britische Arabienexperte Bernard Lewis, der synarchistische Bankier George Shultz und der Apparat der Neokonservativen verwandelten die Regierung Bush in ein beinahe perfektes Werkzeug für den langjährigen britisch-oligarchischen Plan, die USA zur Selbstzerstörung zu verleiten und damit das Ende der im Westfälischen Frieden von 1648 begründeten Weltordnung souveräner Nationen einzuleiten. Gut positionierte US-Geheimdienstquellen beschreiben die gegenwärtige britische Strategie als »verwaltetes Chaos« - d. h. als Ziel, immer mehr Länder des Entwicklungssektors in »gescheiterte Staaten« zu verwandeln, gleichzeitig aber den Ausbruch eines grossen Krieges auf Weltebene zu vermeiden. Daneben verstärken britische Energie- und Rohstoffkartelle ihren Griff nach Hegemonie, was durch den Dollarfall und die relative Stärke des britischen Pfunds gefördert wird. Doch solche vermeintlich sorgfältig austarierten Spiele können auch leicht zum Weltkrieg führen, so wie 1914. Vom Horn von Afrika und dem Nahen Osten bis nach Süd- und Mittelasien und dem Kaukasus brechen scheinbar »lokale« Krisen mit nie dagewesener Wucht auf: Grenzüberschreitende Angriffe der kurdischen Terrorgruppe PKK von Basen im kurdischen Nordirak aus auf die türkische Armee schüren einen Krieg an der Grenze zwischen der Türkei und dem Irak. Militär und Regierung der Türkei sind davon überzeugt, dass die PKK-Operationen von der USA und der NATO gedeckt werden, weil die PKK auch grenzüberschreitende Angriffe im Iran ausführt, was von der Regierung Bush-Cheney im Rahmen ihrer Politik für einen »Regimewechsel« in Teheran unterstützt wird.Das Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan steht in Flammen, und beide Länder laufen Gefahr, zu »gescheiterten Staaten« zu werden. Gleichzeitig hat sich Afghanistan zu einem Drogenstaat entwickelt, dessen Opiumbarone zwischen 75 % und 90 % des Heroins auf der Welt liefern. Die ganze Region am Horn von Afrika steht kurz vor der Explosion, wobei die kleinste Instabilität im Sudan automatisch nach Ägypten überschwappt. […..] Die grösste Gefahr bildet jedoch der Vorstoss von US-Vizepräsident Cheney für einen Krieg gegen den den Iran. Militärschläge der USA könnten einen regionalen Flächenbrand auslösen, der sich wahrscheinlich zu einem jahrzehntelangen weltweiten Religionskonflikt ausweiten würde.  

Blick auf Frankreich
Sarkozy steht unter starkem Druck, etwas gegen den enormen Rückgang der Kaufkraft im Land zu unternehmen, weil die vielen verschiedenen sozialen Proteste sich unter diesem Banner vereinigen könnten. Immer wieder werden in der Öffentlichkeit die untragbaren Preissteigerungen bei Dingen des täglichen Bedarfs wie Nahrung, Miete und Dienstleistungen angeprangert. Aber der Präsident machte in seiner Fernsehansprache zu den beiden Themen am 29.11. deutlich, dass er den Franzosen nichts mehr anzubieten hat, weil nach den Steuergeschenken von 13 Mrd. € an die Reichen, die er gleich nach der Wahl verteilte, die Kassen leer sind.

1 Interinfo Linz, Folge 347, November 2007
2 Jahrg. 21, Nr. 44 vom 1. November 2007; http://www.schiller-institut.de/
3 Jahrg. 21, Nr. 49 vom 6, Dezemer 2007
4 Jahrg. 21, Nr. 50 13. Dezember 2007
5 Jahrg. 21, Nr. 46 15. November 2007