Wie wir preisgegeben werden

politonline d.a. Die nachfolgenden Beiträge machen deutlich, dass man im Zuge der Überwachung kaum mehr vor etwas zurückzuschrecken scheint. Was einem bei der Einreise in die USA alles blühen kann, das hat Interinfo Linz aufgezeichnet [1]. Der US-Zoll darf Notebooks und Handys von Reisenden durchsuchen, persönliche Daten kopieren und Geräte beschlagnahmen. Da ist der US-Zoll nicht zimperlich, wenn es um die Durchsuchung elektronischer Geräte bei der Ein- und Ausreise geht. Die zuständige Behörde, Customs and Border Protection (CBP), steht auf dem Standpunkt, dass ein Notebook dem klassischen Aktenkoffer gleichzusetzen sei.

Reisende können daher angewiesen werden, den Computer hochzufahren und den Zollbeamten Zugriff auf die Daten zu gewähren. Vertrauliche Geschäftsunterlagen von Unternehmen, Anwälten und persönliche Informationen fallen somit in die Hände der US-Behörden. Wonach US-Behörden bei ihren »Massnahmen gegen den Terror« suchen, ist jedoch nicht so genau bekannt, weil das Department of Homeland Security entsprechende Anfragen bisher noch nie beantwortet hat. Grosse Konzerne reagieren bereits auf diese Sachlage und untersagen ihren Leuten, vertrauliche Informationen auf Notebooks über die US-Grenzen zu transportieren. »Wir greifen auf unsere Informationen über das Internet zu.« Die Risiken durch Hacker seien denen, die bei einer staatlichen Durchsuchung gegeben sein können, vorzuziehen. US-Zoll- und Grenzebeamte benötigen keine Beweise, um Notebooks und andere elektronische Geräte zu durchsuchen. Es gibt keine Wahrung der Privatsphäre: Kameras, MP3-Player, USB-sticks, Notebooks, Mobiltelefone und DVD-Player, persönliche Fotos, Bankunterlagen, Dokumente aus Unternehmen sowie e-mails werden kontrolliert. Die Rückgabe beschlagnahmter Geräte ist ungewiss. Daten zum online-banking. Password-Listen und ganz persönliche Informationen, schreibt Interinfo, sollten Sie vorher auf Ihrem Computer löschen. US-Behörden sitzen immer am längeren Hebel. Als Terrorverdächtiger verschwinden Sie ohne Anwalt auf unbestimmte Zeit in einem Gefängnis. Lassen Sie sich nicht über den Sinn oder die Berechtigung dieser Massnahmen in eine Diskussion ein. Fragen Sie lediglich, warum Ihr Gerät kontrolliert resp. konfisziert wurde und verlangen Sie explizit eine Quittung über beschlagnahmte Geräte. Seien Sie aber darauf vorbereitet, dass man Ihnen alles wegnehmen kann - bei der Ein- und Ausreise.
 
Datenautobahn zur CIA - Von Ulla Jelpke
Die US-Regierung soll künftig gewaltige Datenmengen über deutsche Bürger erhalten 2. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) unterzeichneten am 11. 3. 08 trotz Warnungen des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar ein Abkommen mit US-Regierungsvertretern, das darauf hinauslaufen soll, den Datenschutz für Millionen Bundesbürger faktisch auszuhebeln. Am selben Tag rügte das Bundesverfassungsgericht zum wiederholten Mal staatliche Verstöße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und erklärte die automatische Erfassung von Autokennzeichen für verfassungswidrig. Das Regierungsabkommen, das Schäuble und Zypries mit US-Heimatschutzminister Michael Chertoff und Justizminister Michael B. Mukadey unterschrieben, sieht einen Datenaustausch vor, der zunächst auf Terrorabwehr beschränkt sein soll - was aber auf beiden Seiten ein dehnbarer Begriff ist. So sollen z.B. Erkenntnisse über »Gefährder« ausgetauscht werden - also unbescholtene Personen, denen Geheimdienste vorwerfen, sie könnten eventuell Straftaten begehen. Außerdem sollen DNS-Spuren sowie - ausdrücklich auch präventiv - Fingerabdrücke ausgetauscht werden. Nach dem Willen beider Regierungen soll das aber nur ein erster Schritt sein. Die Vertragspräambel sieht vor, daß sich sämtliche EU-Staaten dem Abkommen anschließen und dabei den »Prümer Vertrag« zugrunde legen. Der sieht vor, daß die EU-Staaten unter sich praktisch sämtliche gespeicherten Daten austauschen bzw. gegenseitig auf die nationalen Datenbanken zugreifen können.
 
Im Deutschlandfunk erläuterte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, was das bedeuten würde: Es gehe nicht nur um Daten von Schwerverbrechern, sondern um sämtliche Angaben über Asylbewerber, Visumantragsteller, »aber auch Personen, die ohne Fahrschein aufgegriffen worden sind und deren Personalien man sicherstellen will oder auch Demonstranten in Gorleben, die gegen die Atomkraft sind«. Von Demonstranten, die bei Demos gegen US-Militäreinrichtungen oder Folter erfaßt werden, ganz zu schweigen. Schaar wies darauf hin, daß die USA zwar ein Datenschutzgesetz haben, das gelte aber erstens nicht für Ausländer und sei zweitens auf unterem Niveau. Damit ist die Bundesregierung Vorreiterin beim Grundrechteabbau. Dafür erhält sie ihrerseits Daten aus den USA. Daß diese Daten unter Umständen unter Folter zustande gekommen sind und demzufolge in deutschen Strafverfahren gar nicht verwendet werden dürften, scheint weder Schäuble noch Zypries zu stören. Der Vertrag muß noch vom Bundestag bestätigt werden.
 
Das Bundesverfassungsgericht hat gestern indessen an einer anderen Front wieder einmal staatliche Angriffe auf den Datenschutz abgewiesen. Die automatische Speicherung von Autokennzeichen per Videokamera, die zur Zeit in acht Bundesländern betrieben werde, sei grundrechtswidrig, konstatierten die Richter. Es müsse sichergestellt werden, daß erhobene Daten unmittelbar abgeglichen und bei Negativtreffern sofort gelöscht werden, eine Speicherung für »Ermittlungen ins Blaue« sei unverhältnismäßig. Der Datenschutzexperte der Linksfraktion Jan Korte sprach von einem »erneuten Dämpfer für Überwachungsfanatiker.«
 
1 Interinfo Linz, Folge 351, März 2008
2 http://www.jungewelt.de/2008/03-12/059.php 12. 3. 08