Was uns sonst noch bevorstehen kann

politonline d.a. Bereit zum totalen Krieg - Die in dem nachfolgenden Artikel »NATO-Generäle planen den Ernstfall« [1] zum Ausdruck gelangende, mit einer absoluten Verächtlichkeit gepaarte Überheblichkeit gemahnt an die Willkür des Kolonialzeitalters. Der Begriff totaler Krieg zeugt in unseren Augen nicht nur von einer menschenverachtenden Vermessenheit, sondern in Anbetracht der heutigen Einsatzmöglichkeit alles vernichtender Waffen von einer wahnwitzigen und tödlichen Dummheit. Die Strategien der NATO beschäftigen offensichtlich zahlreiche Stellen, so auch die Zeitung Neue Solidarität, was in deren Beitrag »NEIN zum europäischen Empire!« zum Ausdruck gelangt. Laut Strategic Alert sollte der NATO-Gipfel in Bukarest das Bündnis in eine imperiale globale Organisation transformieren.

Die treibende Kraft dahinter sei die »Finanzoligarchie des britischen Empire, die ihre Hauptgegner ins Chaos stürzen will. Dazu gehört die inszenierte gewalttätige Kampagne gegen China ebenso wie die unerbittliche britische Kampagne gegen Russland und Präsident Putin persönlich, wie auch der Versuch, Simbabwe wieder unter koloniale Kontrolle zu bringen. Auf dem NATO-Gipfel in Bukarest wurde die gesamte imperiale Tagesordnung von allen NATO-Mitgliedern unterstützt. Dazu gehört die Aufnahme Kroatiens und Albaniens ebenso wie die Reintegration Frankreichs in die NATO, die Stationierung von Raketenabwehrsystemen und Radaranlagen in Polen und der Tschechischen Republik, die Verstärkung der NATO-Truppen in Afghanistan um 700 französische Soldaten und die Integration der militärischen Strukturen der NATO und der EU gemäß den Direktiven des Vertrags von Lissabon. Putin warf der NATO vor, Unklarheiten über die künftige Rolle des Bündnisses nicht auszuräumen, sowie die Absicht zu hegen, zu einem weltweiten Akteur zu werden, der weit über das Territorium seiner Mitgliedstaaten hinausreicht.«
 
NATO-Generäle planen den Ernstfall - Von Matthias Hartmann
Während in der Bundesrepublik Deutschland immer noch betont naiv über allerlei friedenstiftende Maßnahmen und »Aufbauhilfen« sowie über »Exit-Strategien« diskutiert wird, haben hohe NATO-Generäle - die immerhin etwas von ihrem Fach verstehen - ganz andere Sorgen. In Kreisen der NATO und der EU wird derzeit ein Papier von 152 Seiten diskutiert, das die tatsächlichen Interessen und Absichten erfreulich deutlich definiert. Verfaßt haben es die ehemalige NATO-Offiziere Klaus Naumann, John Sahikashvili (USA), Peter Inge (GB), Jacques Lanxade (Frankreich) und Henk van den Bremen (NL). Es trägt den Titel »Towards a grand strategy in an uncertain world« und soll den großen strategischen Rahmen für eine einheitliche politisch-militärische Interessensvertretung »des Westens« definieren. Offiziell beschlossen ist es zwar noch nicht, doch dürften die Grundlinien ziemlich genau das zusammenfassen, was in der politischen und militärischen Führung gedacht wird. Grundlage ist die Definition der eigenen Interessen, bei denen zwar, dem offiziellen Diskurs entsprechend, wiederholt auf die steigende Terrorgefahr angespielt wird, letztlich aber doch deutlich wird, daß es um die Bereitschaft geht, die eigenen Interessen, den eigenen »way of life« weltweit durchzusetzen. Dieser »way of life« - gern auch als »westliche Werte« bezeichnet - ist im Kern nichts anderes als das herrschende Wirtschaftssystem. Dabei wird vor allem die Sicherstellung der Rohstoffe als zwingend angesehen und »harte Verteilungskämpfe« prognostiziert. Dies gilt vor allem für Öl, Gas und Uran. Von daher gesehen lassen sich auch die militärischen Interventionen gerade im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Afrika, leichter verstehen als auf Grund der arglosen Werte-Definitionen, wie sie im Bundestag vorgenommen werden.
 
Als strategische Gegner werden mittelfristig vor allem Rußland, die VR China, Indien, kurzfristig vor allem der Iran, ins Auge gefaßt. Der Iran würde - wenn Atommacht - gegen internationale Sanktionen »immun« werden. Man müsse daher mit »großer Geduld, Nervenstärke und Hartnäckigkeit« vorgehen und die ganze Palette der Eskalationsmöglichkeiten im Auge haben - sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche. Letztlich müsse man auch die Bereitschaft zum »totalen Krieg« aufbringen. Ein wichtiges Mittel der Eskalationsstrategie ist auch die Bereitschaft zum atomaren Erstschlag, um die »Verbreitung von Massenvernichtungswaffen« zu verhindern. Dabei seien auch Mandatierungen durch die UNO - da sie von Gegner blockiert werden könnten - nicht zwingend erforderlich. Man müsse, um die so definierten Interessen durchzusetzen, auch bereit sein »hart mit militärischer Kraft« zuzuschlagen. Die Strategie umfaßt dabei alle Optionen: von politischer Destabilisierung bis zu einer Art Dritten Weltkrieg in gesteigerter Potenz. Durch die neue EU-Verfassung (sogenannter EU-Grundlagenvertrag) werden dafür bereits wesentliche Voraussetzungen geschaffen. Die Überlegungen der fünf NATO-Generäle lesen sich dazu wie fachliche Ausführungsbestimmungen.
 
Anmerkung politonline: Die als Option in Betracht gezogene »politische Destabilisierung« dürfte vor allem im ressourcenreichen Afrika zum Tragen kommen und die sattsam bekannten Krisen auslösen. Dies selbstverständlich in dem Bewusstsein, dass der über die Internationale Gemeinschaft vereinnahmte Steuerzahler des Westens die daraus resultierenden Schäden finanziell zu schultern hat. In diesem Zusammenhang seien hier einige statements des ehemaligen Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses und Bundeswehr-Generalinspekteurs a.D. Klaus Naumann - eifriger Befürworter von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und Mitglied der Atlantik-Brücke* - zitiert, die allerdings keines Kommentars bedürfen.
 
Naumann kritisierte Mitte Januar die Beschränkungen für den deutschen Militäreinsatz in Afghanistan. Die Bundesregierung müsse das Mandat für die derzeit rund 3200 Soldaten auf den umkämpften Süden des Landes ausweiten. »Die Pflicht endet nicht in bestimmten Regionen«, so Naumann. Bei dem NATO-geführten Einsatz am Hindukusch gehe es um das »Teilen von Risiken, Lasten und Gefahren«. Und: »Deutschland muß entscheiden, ob es ein verläßlicher Bündnispartner sein will. Wir können uns nicht hinter unserer Geschichte verstecken.« Wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, daß sich die Bundeswehr bereits auf einen Kampfeinsatz im Norden Afghanistans vorbereitet 1. In Wirklichkeit geht es in Afghanistan darum, dass die NATO-Operationen nicht darauf abzielen, die [von der USA, dem CIA, Saudiarabien und Pakistan zuvor für ihre eigenen Zwecke aufgebauten] Taliban zu erobern, sondern »sie zu zerstören«, das heisst, sie als Bevölkerungsgruppe auszulöschen [2]. Was den Libanon-Einsatz der deutschen Marine 2006 betrifft, so hatten hochrangige deutsche Militärs diesen als Kampfauftrag verstanden. Alles andere, so Naumann, wäre »ein ziemlich halbweiches Produkt« 2. Naumann ferner: »Landesverteidigung im bisherigen Sinn ist passé, weil die Verhältnisse sich wahrscheinlich nicht so dramatisch ändern werden, dass wir noch einmal auf deutschem Boden Krieg führen müssen.« Die beste Sicherheitsvorsorge für Deutschland sei es, die Risiken auf Distanz zu halten. »Und dazu muss man interventionsfähig sein.« 3
 
Die »Battlegroups« der EU sind laut Battlegroup-Konzept vom Februar 2004 »bestimmt für, aber nicht begrenzt auf, den Gebrauch für zusammenbrechende oder zusammengebrochene Staaten (von denen sich die meisten in Afrika befinden).« Anlässlich der von der EU auf Grund der Wahlen im Kongo 2006 durchgeführten Intervention hiess es, dass das deutsch-französische EU-Führungstandem mit diesem EU-Militäreinsatz seine Einheit demonstrieren und den Militärs ein möglichst anspruchsvolles Einsatzgebiet zur praktischen Erprobung ihrer Stabstrockenübungen bieten könne. (!) Damit kommt die EU ihrem erklärten Ziel, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch zu einem globalen Akteur zu werden, einen weiteren Schritt näher. Diese Einschätzung wird auch durch die Aussage von Naumann unterstrichen. Dieser fand den »einzigen und entscheidenden Grund« für diesen Einsatz darin, zu zeigen, »daß Europas Sicherheitspolitik beginnt, handlungsfähig zu werden«. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Motiv: Die Bevölkerungen der EU-Staaten sollen auf diese Weise an die Militarisierung der Union gewöhnt werden 4.
 
Strategic Alert Jahrg. 22, Nr. 15 vom 10. April 2008 [auszugsweise]
[1] Berliner Umschau vom 4. April 2008 Bereit zum totalen Krieg - NATO-Generäle planen den Ernstfall Von Matthias Hartmann
http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=04042008ArtikelPolitikHartmann1
1 http://www.jungewelt.de/2008/01-18/064.php  18.1.08
Kampftruppen für ganz Afghanistan - Exgeneralinspekteur der Bundeswehr kritisiert Beschränkungen bei deutschem Kriegseinsatz - Von Rüdiger Göbel
2 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56510 vom 13. 9. 06
3 Welt am Sonntag vom 18. Jan 2004 - Strucks Weltstreitmacht -  Von Jens Krüger und Günther Lachmann
4 http://www.jungewelt.de/2006/06-02/002.php 2. 6. 06 Berlin und Paris zeigen Flagge - Mit der Intervention im Kongo will die EU militärische Handlungsfähigkeit in der Weltpolitik demonstrieren - von Lühr Henken
[2] http://www.voltairenet.org/article155633.html  2. 3. 08 Au regard du droit international, l’OTAN perpètre un crime de «génocide» en Afghanistan par Ali Khan, Docteur en droit de l’université de Lahore, Professeur à la Washburn University School of Law (Kansas, USA). Chercheur à l’Organisation de la conférence islamique (Jeddah, Arabie saoudite). Avocat au barreau de New York (USA)
 
* Die 1952 gegründete Atlantik-Brücke ist im übrigen einer der Versuche, von privater Seite in den politischen Raum hineinzuwirken
Siehe auch Grand Strategy - Erstschläge mit Atomwaffen auf politonline, http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=871