Irak: Kriegsziel erreicht

politonline d.a. Dem nachfolgenden Artikel seien die Worte des Kolumnisten des englischen Guardian, Simon Jenkins, vorangestellt; dieser schrieb am 25. 10. 2006, dass »der Irak von den beiden mächtigsten Nationen der Welt zum schlimmsten Platz, in eine »Hölle auf Erden« verwandelt geworden sei. Die ausländischen Truppen hätten statt Demokratie und Fortschritt nur Blutvergiessen und Elend ins Land gebracht und die Situation sei dort heute schlimmer als zu Zeiten der Diktatur.« Der in unseren Augen zweifelsohne perverseste Aspekt des Ganzen ist Bushs Doktrin einer sogenannten weltweiten »Demokratisierung« mittels Präventivkriegen, eine Doktrin, die die Neocons wesentlich mitformuliert hatten.

Inzwischen ist laut einer Mitteilung von Topic vom Mai 08 »die grösste Botschaft der Welt fertiggestellt. Seit Mitte 2004 wurde an dieser kräftig gebaut. Ursprünglich hatte die US-Regierung knapp eine Milliarde € vorgesehen, doch der Kongress strich die Kosten auf 450 Millionen € zusammen. Sie befindet sich mitten in Bagdads Hochsicherheitsgebiet, der grünen Zone, am Tigris. Die neue US-Botschaft ist so gross wie die Vatikanstadt. 5 000 Menschen sollen auf dem Areal, das zum Teil durch 4.5 m dicke Mauern geschützt ist, arbeiten. Sie schliesst Schulen, Sportanlagen, Geschäfte und Werkstätten ein, und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität soll zu 100 % vom Stadtgebiet Bagdads unabhängig sein.« Darin lässt sich kaum anderes als die Absicht der USA, ihre Präsenz im Irak auf Dauer auszubauen, erkennen. In diesem Zusammenhang sei an die von Lewis Paul Bremer III, seinerzeitiger Zivilverwalter für den Irak, am 19. September 2003 erlassene Order 39 erinnert, die die Privatisierung der irakischen Staatsunternehmen verfügt. Diese erlaubt es ausländischen Unternehmen bis zu 100 % der Anteile an irakischen Banken, Minen und Fabriken zu übernehmen, sowie 100 % der künftigen Profite ausser Landes zu schaffen. Bremers Order 39 steht in eindeutigem Widerspruch zum Haager Abkommen von 1907 und der auch von der USA ratifizierten Genfer Konvention von 1949, die die Rechte und Pflichten von Besatzungsmächten regeln. Wie die Demokratiebringer das Land ausplündern geht detailliert aus dem Artikel von Joachim Guilliard hervor. Absolut verwerflich ist ferner, dass all diese das irakische Volk zutiefst schädigenden Vorgänge von unseren Regierungen weitgehend mit Stillschweigen bedeckt werden. Für Spekulanten jedenfalls bleibt das Land ein Paradies und die Bevölkerung hat dafür die Zeche zu zahlen. Laut Ihsan Hamawandi, der in Kirkuk versucht, als Augenarzt wieder Fuss zu fassen, ist der Irak ein Eldorado für Grosskapitalisten: »Internationale Konzerne pumpten das Land mit ihren Produkten voll, bauten Hotels oder Einkaufszentren und brächten ihre Gewinne wieder ins Ausland. Glauben Sie denn, einer, der in Düsseldorf Aktien des Sheraton Hotels in Erbil gekauft hat, wird hier ein Haus bauen? Er nimmt die Erträge mit, das ist Weltkapital, das ist Globalisierung
 
Kriegsziel erreicht - Von Arnold Schölzel
Kurz vor Ende seiner Amtszeit kann US-Präsident George W. Bush doch noch »Auftrag erfüllt« im von ihm proklamierten »Krieg gegen den Terror« melden 1. Am 19.6.08 berichtete die New York Times, daß vier westliche Ölkonzerne kurz vor dem Abschluß von Vertragsverhandlungen mit dem Marionettenregime in Bagdad stehen. Vor 36 Jahren hatte der Irak Exxon Mobil, Shell, Total und BP die Konzessionen entzogen und die Ölförderung nationalisiert. Das bedeutete das faktische Ende des westlichen Kolonialismus in dem Land und bildete die Grundlage für seinen relativen Wohlstand bis zum Irak-Krieg der USA 1991. Es bedurfte eines Embargos von mehr als zehn Jahren, permanenter Bombardierung und eines zweiten Krieges ab 2003, d. h. der Tötung von weit über einer Million Iraker, um jetzt endlich die »natürliche« Weltordnung des Westens wieder einführen zu können.
 
Die vier Konzerne bildeten seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Iraq Petroleum Company, die Großbritannien seinem damaligen »Mandatsgebiet« aufzwang und mit Monopolstatus versah, d.h. mit einer Lizenz zum Plündern. Die Rechte und damit die Gewinne teilten Briten, Niederländer, Franzosen und USA zu gleichen Teilen unter sich auf. Sie sind seit Jahrhunderten demokratisch legitimiert, die Zivilisation zu retten. Die vier Gesellschaften, die derzeit dringend nach neuen Ölquellen suchen, erhalten laut New York Times am 30. Juni ihr »Eigentum« zurück. Verhandelt werde außerdem mit dem US-Konzern Chevron und kleineren Ölfirmen - alles ohne Ausschreibung. NYT-Autor Andrew E. Kramer hebt in seinem Artikel hervor, daß das in der Branche ungewöhnlich« sei. Es habe insgesamt 46 Angebote gegeben, darunter von Gesellschaften aus Rußland, China und Indien. Leitende Angestellte der Firmen, die nun zum Zug kommen, erklärten, es gehe um den Wiederaufbau der irakischen Ölindustrie. *   
 
Das von den US-Besatzern fürsorglich betreute Regime in Bagdad hat sich zum Ziel gestellt, die Ölförderung von derzeit 2,5 Millionen Faß um eine halbe Million Faß Öl täglich zu steigern. Nach Auffassung von Experten kann die irakische Ölförderung auf sechs Millionen Faß täglich erhöht werden, was die gegenwärtigen Preise auf dem Weltmarkt drücken könnte. Ein Fachmann äußerte gegenüber dem Blatt, es handle sich nicht um Serviceverträge. Es gehe darum, den »legislativen Stillstand zu umgehen«, d. h. zu handeln, bevor das irakische Ölgesetz verabschiedet werde. Angestellte der Firmen, die aufgrund der neuen Verträge in den Irak kommen, leben voraussichtlich gefährlich. Am 19. Juni begannen US-Armee und irakische Hilfstruppen im Süden des Landes einen neuerlichen Einsatz gegen »schiitische Milizen«, wie es im Besatzerjargon heißt. Die Finanzierung solcher Feldzüge, die stets einer unbekannten Zahl von Zivilisten das Leben kosten, ist seit dem 18.6. weiterhin gewährleistet. Demokraten und Republikaner im US-Repräsentantenhaus einigten sich, für die Kriege im Irak und in Afghanistan 165 Milliarden US-Dollar bereitzustellen - das entspricht fast komplett den Wünschen von Bush. Im US-Nachrichtenmagazin Newsweek pries übrigens der frühere Exxon-Chef Lee Raymond im vergangenen Herbst den Ölreichtum des Irak und wies auf das Know-how seiner Gesellschaft aus der Zeit hin, »als wir im Grunde das ganze Land besaßen«.
 
1 http://www.jungewelt.de/2008/06-20/062.php 20. 6. 08
* Kämen die Verträge zur Privatisierung von Kontrolle und Ausbeutung der Ölfelder zustande, entstünden der irakischen Volkswirtschaft Verluste von bis zu 194 Milliarden US-$. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsam von den drei britischen Organisationen Platform, der New Economics Foundation und War on Want erstellte Studie: Crude Designs: Der Ausverkauf des irakischen Ölreichtums; taz Berlin Nr. 7827 vom 23.11.2005