Anmerkungen zum Georgienkrieg

politonline d.a. Nachfolgende Fakten sind einem Artikel von F. William Engdahl entnommen [1]: »Bei den laufenden parlamentarischen Anhörungen am 11. September im US-Senat und Repräsentantenhaus über den kürzlichen Krieg in Georgien haben hohe Vertreter des Außen-und Verteidigungsministeriums zum ersten Mal zugegeben, daß Georgiens labiler Präsident Michail Saakaschwili am Abend des 8. August den militärischen Angriff auf Südossetien befahl, um die Kontrolle über die umstrittenen Gebiete Südossetien und Abchasien wiederzuerlangen.

Die Äußerungen signalisieren eine merkliche Zurücknahme der Rhetorik des Kalten Krieges, die in den ersten Tagen nach Kriegsbeginn von US-Außenministerin Condoleezza Rice und der Bush/Cheney-Administration zu hören waren. Während der Zeugenanhörung gaben diese hochrangigen Beamten tatsächlich zu, daß Tiflis die Feindseligkeiten mit einem Angriff auf Südossetien begonnen hatte. Bei den Anhörungen, die in der Öffentlichkeit kaum Beachtung fanden, hat Washington praktisch den Ablauf der Ereignisse so zugegeben, wie ihn Rußland als real dargestellt hat.« Vermutlich ist es auch gar nicht beabsichtigt, den tatsächlichen Hergang im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu verankern, da damit von Rice geäusserte und Rußland angreifende Erklärungen relativiert würden. Engdahl hält u.a. die Aussage Eric. S. Edelmans - für politische Fragen zuständiger Verteidigungsstaatssekretär -  fest: »Die Entscheidung der georgischen Führung, im Konfliktgebiet Gewalt anzuwenden, war unklug. Der Beschuß von Städten und Gebieten in der Nähe von russischen Einheiten zur Friedenssicherung mit Artillerie und Mehrfach-Raketenwerfer-Systemen ist beklagenswert und wir dulden diese Aktionen nicht.« Damit, so Engdahl, hat die USA zum ersten Mal auf hoher Ebene anerkannt, daß Georgien die Feindseligkeiten in Südossetien begonnen hat. In demselben Hearing erklärte Edelman jedoch auch: »Die USA bekundet Unterstützung für Georgiens Sicherheit, Unabhängigkeit und territoriale Integrität. Es ist die Politik der USA, Rußland zu demonstrieren, daß seine aggressiven Aktionen nicht seinem nationalen Interesse dienen, nicht toleriert werden und auch ihren Preis haben.« Inwieweit sich Rußland aggressiver Verhaltensweisen schuldig gemacht hätte - da der Angriff doch einzig und allein von Georgien ausging - läßt er selbstverständlich offen. »Dana Rohrabacher, republikanischer Kongressabgeordnete erklärte: »Alle von mir kontaktierten Geheimdienstquellen bestätigen, daß die kürzlichen Feindseligkeiten in Georgien und seinen abtrünnigen Provinzen von Georgien ausgingen. Das Ganze wurde von Georgien angefangen. Die Russen haben dem ein Ende gesetzt.« Aus der Sicht dieses Abgeordneten »haben die USA die Sache so arrangiert, um Rußland als Aggressor darzustellen und dem Iran in die Arme zu treiben«, was Howard L. Berman, den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses, dennoch nicht davon abhielt, Rußland zu beschuldigen, Georgien in den Monaten vor dem 8. August provoziert zu haben.«Wie Engdahl ferner darlegt, »gibt es Anzeichen dafür, daß es möglicherweise Vizepräsident Cheney und sein Kreis von neokonservativen Kriegsfalken waren, die Saakaschwili insgeheim zu dem Angriff auf Südossetien ermuntert hatten.« »Sergej Markow, ein Berater des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, hatte vor kurzem erklärt, daß dieser Krieg Teil eines Komplotts von Dick Cheney sei, um John McCain bei der US-Präsidentschaftswahl zu unterstützen. US-Medienberichte lassen vermuten, daß US-Regierungsbeamte, darunter auch Außenministerin Condoleezza Rice, Georgiens Präsidenten Saakaschwili gewarnt hatten, keinen Konflikt mit Rußland vom Zaun zu brechen. Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain, wird von einem Kreis führender neokonservativer Kriegsfalken beraten, an deren Spitze Randy Scheunemann steht, ein früheres Mitglied des neoimperialen Project for the New American Century *. Wie ich [Engdahl] in meinem Buch Apokalypse jetzt! * erkläre, war Cheney einer der Führer der US-Kriegsfalken seit er unter Bush senior eine Konfrontationspolitik mit Rußland verfolgte. Cheney, Verteidigungsminister während der Bush-Administration in den Jahren 1988 bis 1992, also beim Ende des Kalten Krieges, hatte seinen damaligen Staatssekretär, den  Neokonservativen Paul Wolfowitz beauftragt, eine  Neufassung der globalen Militärstrategie zu entwerfen. Ergebnis davon war u.a. der katastrophale Irakkieg, den Wolfowitz als Vize des damaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld konzipiert hatte.« Auch wenn, wie Engdahl ausführt, Rice Georgiens Präsidenten Saakaschwili davor gewarnt hätte, einen Konflikt mit Rußland vom Zaun zu brechen, so bleiben ihre Rußland betreffenden Aussagen dennoch von unverminderter Arroganz. So erklärte sie am 5. September 08, »daß Rußland für sein Verhalten bezahlen müsse.« 2 Wir sind es natürlich gewöhnt, daß die USA selbst nie, aber auch zu keinem Zeitpunkt, je für ihre eigene Aggressivität Rechenschaft ablegen, geschweige denn bezahlen muss.
 
»Mittlerweile«, schrieb Engdahl am 26. 8. 3,  »gibt es aber vermehrt Anzeichen dafür, daß Saakaschwili durch Washington in diesen Krieg gelockt wurde, da man mit dieser Klappe mehrere strategische Fliegen schlagen wollte. Eine davon ist die, den Bush-Klon John McCain im November ins Weiße Haus zu hieven, damit Washington seine globale Militärstrategie namens Full Spectrum Dominanceweiter betreiben kann. Georgiens Militärhaushalt ist seit Saakaschwilis Amtsübernahme nach der von Washington gelenkten Rosen-Revolutionzu Beginn des Jahres 2004 förmlich explodiert. Die Ausgaben sind von 205 Millionen $ im Jahr 2005 auf inzwischen schätzungsweise mehr als 950 Millionen $ gestiegen - ein Anstieg um über 400 % für das winzige, verarmte Land von rund 4 Millionen Einwohnern, von denen über 60 % weniger als 4 $ pro Tag verdienen.«
 
In einem Bericht des polnischen Journalisten Pawel Reszka von der Zeitung Dziennik findet sich, wie Engdahl ausführt, folgender Abschnitt, der eine strategisch höchst wichtige Frage anschneidet: »Zwei Flugplätze in Südgeorgien sind für die Nutzung israelischer Militärflugzeuge vorgesehen, die von dort aus einen Angriff auf ausgewählte Ziele im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprojekt beginnen können. Diesem Angriff hat Präsident Bush in einer Vereinbarung mit der israelischen Regierung zugestimmt, die am 4. Juli 2006 in Washington unterzeichnet wurde. Jetzt wird angenommen, daß die Russischen Spezialeinheiten mehrere dieser israelischen Drohnen und, noch wichtiger, ihre Fernsteuerungseinrichtungen, unversehrt erbeutet haben [..…]; außerdem haben Einheiten der russischen Luftwaffe die israelischen Basen in Zentralgeorgien und in der Umgebung der Hauptstadt Tiflis bombardiert. Sie haben auch die Startbahnen und Versorgungsstationen der beiden georgischen Luftwaffenbasen zerstört, von denen aus israelische Luftwaffeneinheiten einen Überraschungsangriff auf den Iran starten sollten.« 4 Wie Reszka weiter ausführt, ist es in diesem Licht bemerkenswert, daß »der georgische Verteidigungsminister Khazasvili israelischer Staatsbürger ist und offenbar nach Georgien ›delegiert‹ wurde, um dort ›die Friedensmission für die kleinen Länder‹ zu organisieren«. Laut Berichten befanden sich zum Zeitpunkt des georgischen Angriffs vom 8. 8. 08 etwa 1.000 israelische Militärberater in Georgien und einige hundert amerikanische Militärberater. Das veranlaßt zu der Frage, ob Saakaschwili geködert wurde, diesen Angriff zu lancieren, in der Hoffnung, diese beiden abtrünnigen Provinzen zurückzuerobern, wie er es bei seiner jüngsten Wahlkampagne versprochen hatte.«
 
»Ganz sicher«, schreibt Engdahl, »weiß Washington seit 2004, was es in Georgien tut. Die USA haben Saakaschwili an die Macht gebracht und die »Rosen-Revolution« zu diesem Zweck finanziert. Es ist eindeutig, daß die Ereignisse vom 8. August in Georgien Teil eines größeren und viel gefährlicheren geopolitischen Spiels sind. Georgien spielt im Rahmen des globalstrategischen Ansatzes der USA namens »Full Spectrum Strategic Dominance« in Eurasien eine Schlüsselrolle; das Gleiche gilt für die Ausschaltung von Rußland und China als mögliche Gegenpole der US-Politik, da sie eine Politik in Gang setzen könnten, die alle Pläne für eine »Neue Weltordnung« - wie George W. Bushs Vater die globale US-Dominanz am Ende des Kalten Krieges genannt hatte - durchkreuzen könnte. Georgien ist als Transitweg für die Ölpipeline, die von Baku über Tiflis nach Ceyhan in den türkischen Mittelmeerhafen, also in ein NATO-Land, führt und von British Petroleum (BP) sowie verschiedenen US-Ölmultis betrieben wird, strategisch außerordentlich wichtig. Im Zuge der langfristigen militärischen Pläne der USA hat Georgien aber noch eine weit größere strategische Bedeutung, weil es zusammen mit der Ukraine als NATO-Land eine direkte Bedrohung Rußlands darstellen würde. Dieser Frage müssen wir genau nachgehen, wenn es darum geht, wer »Sieger« sein wird.«

   
1 http://info.kopp-verlag.de/news/beamte-der-us-regierung-geben-zu-daß-saakaschwili-den-kaukasus-krieg-begonnen-hat.html  30. 9. 08 Beamte der US-Regierung geben zu, daß Saakaschwili den Kaukasus-Krieg begonnen hat; von F. William Engdahl
2 http://www.focus.de/politik/ausland/kaukasus/condoleezza-rice-Rußland-muss-fuer-sein-verhalten-bezahlen_aid_331363.html 5.9.08
3 http://info.kopp-verlag.de/news/haben-cheney-und-bush-georgien-zum-krieg-ermuntert-um-mccain-gross-ins-spiel-zu-bringen.html 26. 8. 08; Haben Cheney und Bush Georgien zum Krieg ermuntert, um McCain groß ins Spiel zu bringen? Von F. William Engdahl
4 http://www.tbrnews.org/Archives/a2867.htm
* Siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=962
Kontrollierte Plünderung - Die Ökonomie des Irak-Krieges Von Joachim Guilliard
Apokalypse jetzt! Siehe Bücherliste auf politonline