Bolivien - Kein Ende der Einmischung

politonline d.a. Der Versuch der Einmischung in die Politik des an Erdgas reichen Boliviens ist auch Teil von Bemühungen seitens der Bundesrepublik Deutschland. Wie German Foreign Policy berichtet, setzt das deutsche Entwicklungsministerium seine heftig umstrittenen Aktivitäten in der bolivianischen Wasserbranche fort [1]. Vor wenigen Tagen hat Berlin für La Paz neue Gelder im Umfang von 48 Millionen Euro genehmigt, die - zweckgebunden - in verschiedene Wasserprojekte des Landes fließen sollen.

In den vergangenen Jahren hatten deutsche Stellen derlei Mittel mit der Forderung nach einer Privatisierung des Geschäfts mit dem Grundlebensmittel Wasser verbunden - und waren auf massive Proteste sozialer Bewegungen gestoßen. Diesen gelang es, gewinninteressierte Investoren trotz deutscher Interventionen zum Rückzug aus der bolivianischen Wasserversorgung zu zwingen. Die aktuelle Vergabe neuer Berliner Entwicklungsgelder erfolgt in einer äußerst angespannten Lage in La Paz. Die Zentralregierung ist von Autonomiebewegungen in den reichen Departements im Osten des Landes bedroht, die sich auf Kontakte in mehrere westliche Industriestaaten stützen. Das Milieu der Autonomisten, deren Verbindungen auch nach Deutschland reichen, umfaßt Gewalttäter, Faschisten und Putschisten. Die mit der Abwicklung der Wasserprojekte in Bolivien bis zum Jahr 2013 betraute bundeseigene Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) war, ebenso wie die deutsche Botschaft in La Paz, in den vergangenen Jahren in schwere Auseinandersetzungen um die bolivianische Wasserversorgung verstrickt. 2007 erzwang die Regierung von Präsident Evo Morales den Rückzug des privaten Wasserversorgers Aguas del Illimani, an dem der französische Suez-Konzern beteiligt war. Damit kam sie jahrelangen Protesten nach, mit denen soziale Organisationen gegen die Auswirkungen der Privatisierung von Wasser angegangen waren. Im Verlauf der Konflikte hatte unter anderem die GTZ eindeutig Position bezogen - für eine Beibehaltung privater profitinteressierter Investoren in der bolivianischen Wasserversorgung. Die deutsche Botschaft in La Paz hatte damals sogar die Drohung lanciert, im Weigerungsfalle künftige Kredite an die bolivianische Regierung nicht mehr zu gewähren. »Für uns waren diese Handlungen schwerwiegende Provokationen«, kritisiert ein bolivianischer Aktivist im Gespräch mit dieser Redaktion. Schließlich habe das Berliner Vorgehen die Souveränität der Bevölkerung Boliviens verletzt. Am 2. Oktober haben nun der Außenminister Boliviens, David Choquehuanca, und der Botschafter Berlins in La Paz, Erich Riedler, einen Vertrag unterzeichnet, der zum einen eine Anleihe in Höhe von 12 Millionen € vorsieht, die in Bewässerungsprogramme der Städte Cochabamba, Santa Cruz, Sucre und Tarija fließen sollen. Die Laufzeit des Kredits erstreckt sich über 40 Jahre bei einem Zinssatz von weniger als 1 % . Zudem erhält Bolivien eine Summe von 36 Millionen €, deren Verwendung ebenfalls für Wasserprojekte vorgesehen ist. Davon gehen 23 Millionen in Trinkwasser- und Kanalisationsprogramme; 2,6 Millionen sind für Notmaßnahmen in der Stadt Trinidad im Departement Beni eingeplant. Wie bereits dargelegt, ist die Regierung Morales starkem Druck seitens der Autonomiebewegung in den rohstoffreichen östlichen Tieflanddepartements, die jegliche bundesstaatliche Umverteilung ihrer Einkünfte an die westbolivianischen Armutsregionen verweigern, ausgesetzt. Maßgebliche Organisationen der Autonomiebewegung werden aus den westlichen Industriestaaten unterstützt - auch aus Deutschland. Wie unter Bolivien - Versuchter Staatsstreich [2] bereits dargelegt, erfolgte kürzlich die Ausweisung des US-Botschafters. Dieser hatte, wie GFP ausführt, jahrelang Erfahrungen im zerfallenden Jugoslawien gesammelt und dort laut Berichten auch an Destabilisierungsmaßnahmen der USA teilgenommen, um, wie es damals auch Deutschland tat, die Sezession jugoslawischer Teilrepubliken und der Provinz Kosovo zu fördern. Sezessionsförderliche deutsch-amerikanische Beziehungen unterhält unter anderem die bolivianische Organisation Fulide (Fundación Libertad y Democracia). Fulide steht mehreren konservativen US-Polit-Stiftungen nahe und setzt sich für die Autonomie der Ost-Departements ein; außerdem gehört sie einer Partner-Organisation der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) an: dem lateinamerikanischen Netzwerk Relial (Red Liberal de América Latina). Relial wurde 2003 auf eine Initiative der Naumann-Stiftung hin gegründet und kooperiert bis heute eng mit ihr. Der Naumann-Vertreter bei Relial äußerte sich zufrieden, als im Mai 2007 der Direktor von Fulide, Walter Justiniano, vor dem Netzwerk über die ostbolivianischen Autonomiebestrebungen berichtete. Mit seinem Vortrag ermögliche es der Fulide-Chef Relial, »auf eine direktere Art in die Situation in dem südamerikanischen Land einzugreifen«, liess der Naumann-Repräsentant verlauten.


Hakenkreuze - Dabei gehört Fulideeine der umstrittensten Figuren der Autonomiebewegung an: der Großgrundbesitzer Branko Marinkovic. Marinkovic, Sprecher von Fulide, ist zugleich Präsident des Comité pro Santa Cruz, einer Vereinigung autonomiebefürwortender Großgrundbesitzer, deren Jugendorganisation als gewalttätig und faschistisch beschrieben wird. Das Zeigen von Hakenkreuzsymbolen auf ihren Polit-Kundgebungen ist mehrfach dokumentiert. Bolivianische Beobachter erinnern daran, daß das Hakenkreuz in Bolivien einer eigenen Geschichte nicht entbehrt. Eine Reihe von Nazis flohen nach 1945 in das Land, darunter der NS-Massenmörder Klaus Barbie, der mehreren bolivianischen Diktatoren in der Aufstandsbekämpfung zu Diensten war. Barbie hielt zu mehreren faschistischen Zirkeln Kontakt. Zeitgleich mit ihm waren auch NS-Kollaborateure aus der kroatischen Ustascha-Bewegung nach Bolivien geflohen, darunter einige, deren Familien zu den Befürwortern einer Autonomie zählen. Medienberichten zufolge entstammte der Vater des heutigen Großgrundbesitzers und Autonomisten-Präsidenten Branko Marinkovic, der kurz nach Kriegsende in Bolivien eingetroffen war, ebenfalls der kroatischen Ustascha.


 

Putschversuch- Bolivianische Sicherheitsbehörden bringen sogar einen Putschversuch, den sie in der vergangenen Woche aufdecken konnten, mit Kreisen um Marinkovic in Verbindung. Während deren Kampf gegen die kürzlich per Referendum mit Zweidrittelmehrheit bestätigte Regierung Morales anhält - mit Hilfe der Kontakte, die nach Deutschland weisen - führt die Bundesregierung ihre stille Einflußarbeit mit Mitteln sogenannter Entwicklungspolitik fort. Inwieweit sich die Privatisierungsziele durchsetzen lassen, die Berlin nicht nur in Bolivien, sondern auch andernorts verfolgt, hängt nicht zuletzt von der Regierung in La Paz und von ihrer Stärke in der Abwehr auswärtiger Einmischung ab. Der Ausgang des Kampfes um die Autonomie der bolivianischen Ostdepartements besitzt deshalb auch für Berlin unmittelbare Bedeutung.


 

[1] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57364 vom 14.10.2008

Profit und Autonomie [2] http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1041 11. 10. 08

Zur Friedrich-Naumann-Stiftung siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=905 12. 4. 2008 Tibet: Wie alles gesteuert wird - nicht ohne das Zutun der Stiftungen