Zum Atomstreit mit dem Iran

politonline d.a. Die »Financial Times Deutschland« veröffentlichte am 17. Februar einen Artikel, dessen Inhalt, schliesst man die zahllosen Fälle ein, in denen die Geheimdienste die politischen Weichen stellten, indem sie ohne Skrupel in fremden Staaten agierten, in keiner Weise abwegig erscheinen kann.

Mysteriöse Unglücksfälle iranischer Atomwissenschaftler, heisst es dort, schüren den Verdacht, dass der Mossad einen Geheimkrieg gegen Teheran führt. So starb Ardashir Hosseinpour, die internationale Autorität für Elektrodynamik, im Jahr 2007 mit 45 Jahren an einer durch einen defekten Ofen ausgelösten Gasvergiftung. Die offizielle Version: Unfall. Dennoch lassen ein paar Tatsachen seinen Tod nicht mehr ganz so zufällig erscheinen. Hosseinpour war Experte für elektrische Felder, die bei Atomexplosionen entstehen. Er arbeitete in einer Nuklearanlage - in Isfahan. Und er blieb nicht der einzige iranische Atomphysiker, der plötzlich verstarb. Jedenfalls, schreibt die FTD, hält sich das Gerücht, »dass die eigentliche Todesursache eine andere war: der israelische Geheimdienst Mossad.« »Schon lange wird unter Berufung auf westliche Geheimdienstquellen berichtet, Israel versuche mit Sabotage das iranische Nuklearprogramm zu behindern, vor allem, indem es den Mullahs fehlerhafte Geräte unterjubelt.«
 
Unter Berufung auf US-Geheimdienstquellen schreibt der in London erscheinende Daily Telegraph laut FTD von einem systematischen Geheimkrieg Israels gegen das iranische Atomprogramm. »Der Mossad setze Mordanschläge, Sabotage, Doppelagenten und Deckfirmen ein, um den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern.« Letzteres Ziel wird dem   Iran ohne Unterlass angelastet, auch wenn hierfür kein Beweis angetreten werden kann und ein solches vom Iran selbst auf höchster religiöser Ebene verneint wird. Somit wäre man bei dem alten Verfahren, dessen Saat auch im Irak aufging: mit furchtbaren Folgen. Man schafft einen Vorwand, um damit die Möglichkeit zu haben, die Verbündeten Washingtons auch dieses Mal auf einen Krieg einzustimmen. Gelernt haben diese aus dem Vorgehen hinsichtlich Afghanistans und des Iraks anscheinend nichts: Sarkozy und Merkel zogen auf der Sicherheitskonferenz in München unverändert die Verschärfung von Sanktionen in Betracht, obwohl sie sich darüber im klaren sein müssen, dass ihre eigenen Wirtschaftsbeziehungen zum Iran dadurch noch mehr beeinträchtigt würden, was wiederum die eigene Bevölkerung zum Leidtragenden macht *.   
 
Wie die FTD ferner berichtet, schreibt der auf Geheimdienste spezialisierte US think tank Stratfor, bei dem viele ehemalige CIA-Leute arbeiten, dass »sich die Taktik, ein feindliches Nuklearprogramm mittels Anschlägen auf Schlüsselfiguren zu attackieren, als effektiv erwiesen hat.« Auch drei irakische Nuklearwissenschaftler starben unter ungeklärten Umständen, bevor sich Israel 1981 für einen Luftangriff auf Saddam Husseins Osirak-Reaktor entschied. Der Daily Telegraph zitiert einen ehemaligen CIA-Mitarbeiter: »Das Ziel ist Verzögerung, Verzögerung, Verzögerung - bis eine andere Lösung oder ein anderer Ansatz gefunden wird«; Sabotage sei eine gute Alternative zu einem Militärschlag, der »wahrscheinlich inakzeptable Risiken birgt«, und dem die neue US-Regierung unter Obama kaum zustimmen würde. Der Bericht der FTD schliesst wie folgt: »Sollte Israel tatsächlich immer weniger Chancen für einen Militärschlag sehen - könnte Obamas Offerte an die Mullahs für die iranischen Atomwissenschaftler verhängnisvoller werden, als es die Drohungen von George W. Bush je waren.« Denn Washington hat, wie bekannt, dem Iran jetzt erstmals seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen vor 30 Jahren einen Dialog angeboten, so dass Israel befürchtet, der Iran könnte dadurch Zeit gewinnen. Dem unabhängigen australischen Blatt Rebel News vom 16. 2. 09 ist hierzu folgendes zu entnehmen: Ein Bericht zur israelischen Verteidigungsstrategie für 2009, der auch Verteidigungsminister Ehud Barak vorgelegt wurde, beauftragt das Militär, einleitende Vorbereitungen für einen Krieg gegen den Iran zu treffen. Der Jahresarbeitsplan für die Verteidigung beschreibt den Iran als »die Bedrohung Nummer eins, für die sich die israelischen Verteidigungsarmee (IDF) nun wappnet«; er fordert u.a. die Erhöhung der strategischen Kapazität der Luftwaffe sowie »infrastrukturelle Investitionen in die Geräteausrüstung für Geheimdienst und Kommunikation.« Desgleichen wird eine Verbesserung der Bodentruppenbereitschaft verlangt, was durch vermehrtes Training der Armee und der Reservetruppen erzielt werden soll. Der Bericht stützt sich auf seit längerem immer wieder aktualisierte Gespräche, die einen Militärschlag gegen den Iran beinhalten. Israel, der einzige Staat im mittleren Osten, der nukleare Waffen besitzt, behauptet seit geraumer Zeit, dass der Iran, der immerhin das Abkommen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen unterzeichnet hat, genügend spaltbares Material besitzt, um Ende 2009 eine Atommacht darzustellen. Auf Grund dieser Sicht wird argumentiert, dass ein Angriff eine legitime Wahl darstelle, um die nuklearen Anlagen des Irans zu eliminieren.
 
Tauschhandel
Laut Rebel News war von Seiten der USA Mitte Februar der Vorschlag an Russland ergangen,  die Schritte zur Aufstellung der umstrittenen Raketenabwehrsysteme in Polen und Tschechien hinauszögern zu wollen, erhielte man im Austausch hierfür die russische Hilfe im Falle des Irans 3. Ein Kompromiss dieser Art ist von Russland jedoch brüskiert worden. Der russische Aussenminister Sergei Lavrov machte folgendes klar: »Wir haben bereits wiederholt öffentlich erklärt, dass das Nuklearprogramm des Irans nach Ansicht unserer Sachverständigen und gemäss unserer unverrückbaren Überzeugung nichts mit dem Raketenabwehrsystem zu tun hat.« Diese Erklärung erfolgte im Anschluss an eine Äusserung eines leitenden US-Beamten, der angedeutet  hatte, dass das Weisse Haus seine diesbezüglichen Pläne drosseln  könnte, erklärte sich Russland dazu bereit, den Iran dazu zu bringen, sein nukleares Programm aufzugeben. Lavrov legte ferner dar, dass das Raketenabwehrsystem das strategische Arsenal der Russischen Föderation direkt bedrohe. Dennoch erklärte er gegenüber dem Spiegel, dass der Kreml ein von der neuen Administration ausgesandtes Zeichen, einen neuen Beginn zu wagen, begrüssen würde. »Es ist noch nicht zu spät. Wir könnten uns an den Verhandlungstisch setzen und die Situation erörtern.« Unter Bush hatte das Weisse Haus erklärt, dass das Abwehrschild notwendig sei, um Bedrohungen durch Schurkenstaaten wie dem Iran zu entgegnen.
 
Wie Engdahl in »Africom« festhält 4, war es Andrew Marshall, der Rumsfeld und Cheney 2001 davon überzeugte, dass die Stationierung von Anlagen zur strategischen Raketenabwehr an den Grenzen Russlands der USA die langersehnte atomare Vorherrschaft verschaffen würde, also die Fähigkeit, einen atomaren Erstschlag gegen Russland zu führen und die russische Verteidigung auszuschalten. Die Kriegstreiber der USA - Cheney und Rumsfeld - hatten seinerzeit argumentiert, dass Raketenabwehrsysteme angesichts der angeblichen iranischen Nuklear- und Raketenbedrohung nötig seien. Als Gegenleistung würde es Washington möglich sein, den Bau einer Erdgas- und Erdölverbindung von Zentralasien nach Polen zu unterstützen, um dadurch die Abhängigkeit Polens von russischen Energielieferungen zu vermindern. Der ehemalige Leiter der Nationalen Verteidigungsakademie Polens, General Boleslaw Balcerowicz, hatte hierzu erklärt, dass die Abwehrraketen zwar die Sicherheit der USA erhöhten, aber nicht die Polens. Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1065, Schacher für den Krieg.
 
Gleich zu Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz hatte der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani klargemacht, dass sein Land hinsichtlich des Atomprogramms nicht zu einem Kurswechsel bereit sei. Er sprach der USA und dem Westen jedes Recht ab, hierauf Einfluss zu nehmen. Die USA sei für Krieg, Tod und Unterdrückung im Nahen Osten verantwortlich. Während der Iran für seine Atompolitik verurteilt werde, hätte die USA mit Israels Nuklearprogramm oder den Atomtests in Pakistan und Indien keine Schwierigkeiten. Gegen diese Länder gebe es keine Sanktionen.
 
Stimmen gegen den Krieg  
Während sich John McCain und Barack Obama letztes Jahr mit Drohungen gegen den Iran gegenseitig zu überbieten suchten, warnten wenigstens zwei ehemalige US-Sicherheitsberater  vor dem leichtfertigen Gerede über eine Bombardierung des Irans. Brent Scowcroft, früherer Sicherheitsberater der Präsidenten Gerald Ford und George Bush sen., sagte: »Fragt nicht, bombardieren wir den Iran jetzt oder bombardieren wir, nachdem sie dort die Bombe entwickelt haben. Das ist nicht der Punkt.« Damit werde die Sache »in den völlig falschen Kontext« gestellt und »das Problem militarisiert«. Zbigniew Brzezinski, früher praktisch der Leiter der Regierung Carter, erklärte, dass sich in der Öffentlichkeit nicht die Idee verbreiten dürfe, dass ein Angriff auf den Iran gerechtfertigt wäre. »Ein vorbeugender Angriff auf den Iran würde mit grosser Sicherheit eine Katastrophe verursachen.« Er sei dagegen, »alle Optionen auf dem Tisch zu lassen«, da dies den Verhandlungsprozess störe. Die Iraner würden sich dadurch bedroht fühlen; sie würden in eine nationalistischere, dogmatische Haltung gedrängt und gegen die USA vereint. Das beiläufige Gerede über Bombardierungen legitimiere Gewaltanwendung, was Israel in Versuchung führe, noch mehr Gewalt anzuwenden. Ein Krieg mit dem Iran würde für die USA einen Vierfrontenkrieg bedeuten, wahrscheinlich über zwei Jahrzehnte, in Iran, Irak, Afghanistan und Pakistan, so Brzezinski. Auch der Chef des Vereinten Generalstabs, Admiral Mike Mullen, sieht keinen Weg, wie die USA einen Krieg gegen den Iran erfolgreich führen könnte. »Eine militärische Option macht ….. einen sehr instabilen Teil der Welt potentiell noch instabiler. Und ich mache mir Sorgen über die ungewollten Konsequenzen.« 5 Bleibt zu hoffen, dass wenigstens diese Worte rechtzeitig auf einen fruchtbaren Boden fallen.
 
1 http://www.ftd.de/politik/international/:Irans-Atomprogramm-Tod-eines-Physikers/475913.html  17.2.09 Tod eines Physikers von Silke Mertins
* siehe http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1138
2 http://www.rebelnews.org/politics/middle-east/sirens-go-off-in-israel-for-war-on-iran-200902161338/ 16.2.09 Sirens go off in Israel for war on Iran
3 http://www.rebelnews.org/politics/europe/russia-snubs-us-plea-for-iran-compromise-200902161343/  Russia snubs US-plea for Iran compromise 16. 2. 09  
4 http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1066
Siehe auch Irans Atomprogramm http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1080
5 Quelle: Strategic Alert Jahrg. 22, Nr. 31 vom 31. Juli 2008