Zum Thema Schweizer Bankgeheimnis

»Das Arzt-, Anwalts- und Bankgeheimnis sind Schutzrechte des Bürgers gegen Dritte und einen übermächtigen Staat. Jede Frau, jeder Mann und jedes Kind ist darauf angewiesen, eine Privatsphäre zu haben und zu bewahren.«

Mit diesen Worten wird das von Marek Schönfeld an alle Volksvertreter von Gemeinden, Kantonen und Bund gerichtete offene Schreiben, das wir nachfolgend leicht gekürzt veröffentlichen, eingeleitet.   
   
Prädiktatorische Geschäftsgebaren zur Aufhebung des Bankgeheimnisses auch für nicht ›Vermögende‹
Wer von sich alles offenbart, muss sich nicht wundern, wenn er früher oder später wie ein Schaf auf der Weide von einem Rudel Wölfe gerissen wird. Niemand möchte in seinen beruflichen Möglichkeiten bereits im Jugendalter eingeschränkt werden, weil man eine Veranlagung hat, die mit 40 zu einer frühen Berufsunfähigkeit und Invalidität führen wird! Arbeitgeber, die von einer solchen Veranlagung Kenntnis haben, könnten eine Berufsausbildung verhindern, Banken eine Kreditvergabe für eine Ausbildung verweigern, Versicherungen bestimmte Versicherungen nicht gewähren. Jeder, der sich eines Anwalts bedient, um vor Gericht sein Recht einzufordern - etwa im Rahmen einer Klage oder einer Verteidigung - möchte vermeiden, dass die Gegenpartei über Faktenlage und Strategie informiert wird. Die Gegenpartei kann auch eine Behörde sein. Warum soll das, was bei einem Arzt oder Anwalt legitim ist, gerade beim Vermögensverwalter illegitim sein?
 
Bankdaten sind in vielerlei Hinsicht aufschlussreich. Sie geben über persönliche Kontakte, Hobbys und Bewegungsradius Aufschluss. Wer erleben möchte, was es für arme Menschen bedeutet, ohne Bankgeheimnis zu leben, soll einmal fünf Jahre nach Deutschland ziehen und dort als Arbeitsloser, Hartz-IV- oder Sozialhilfeempfänger leben. Obwohl laut Gesetz jede Behörde nur die Kontostammdaten - also Adresse, Name, Kontoeröffnungsdatum und Kontonummer bei der jeweiligen Bank automatisiert erfahren können sollte - ist es dort gang und gäbe, Kontobewegungen am Behördencomputer vom Schreibtisch aus abzuprüfen und den Empfänger sozialer Leistungen darauf anzusprechen. So werden schon 100 €, welche die Oma ihrem Enkel schenkt, auf dem Sparbuch des Enkels zu einem Problem….  
 
Leider sind diese Information bei unseren Sozialdemokraten und Grünen noch nicht angekommen, denn diese scheinen hier ausschliesslich eine Problematik von reichen Gaunern und Ganoven zu sehen und für rechtsstaatliche Erwägungen blind zu sein. Wer sein kleines oder grosses Vermögen einem Dritten anvertraut, muss damit rechnen dürfen, dass die daraus gewinnbaren Informationen nicht ohne wichtigen Grund und nur auf rechtsstaatlicher Grundlage weitergegeben werden. Das Bankgeheimnis dient der Kodifizierung dieser Auffassung und macht eine fehlbare Verhaltensweise einklagbar. Verletzungen führen zu Strafverfahren und Schadensersatzansprüchen. Wer das Bankgeheimnis aufheben will, will den Rechtsstaat beseitigen. Die Missachtung der Schutzwürdigkeit persönlicher Daten und die Forderung nach automatischem Abgleichen von Daten mit Banken und Behörden von Drittstaaten ist eine Aushöhlung von Freiheitsrechten und kann schnell zu Missbrauch führen.
 
Die EU verfügt mit dem sogenannten EU-Haftbefehl - ein den Gegebenheiten eines diktatorischen Staates gleichkommendes Mittel - über eine Möglichkeit, Staatsbürger eines Staates ohne Rekursmöglichkeit und unter Einziehung ihrer finanziellen Mittel in einen anderen Staat zu deportieren. Ein Bürger, der sein Geld in Staaten ohne Bankgeheimnis deponiert hat, wird somit jeder Möglichkeit beraubt, finanzielle Ressourcen vorzuhalten, die es ihm erlauben, sich im Anklägerstaat eines unabhängigen Übersetzers, Anwalts oder Gutachters zu bedienen. Er ist auf fremde Hilfe angewiesen, selbst wenn er vermögend war. Auch in anderen Staaten bedient man sich gerne der finanziellen Exekution von Regimegegnern oder Angeklagten. Rechtsstaatlich wäre, die finanziellen Mittel nach einem Prozess durch ein Urteil zu beschlagnahmen; Unrecht ist, dies zuvor prophylaktisch zu tun. Die Schweizer Justiz hat keinerlei Möglichkeit, verschwiegene Beweise des antragstellenden Staates zu eruieren. Bei der Aufhebung des Bankgeheimnisses kann somit allein mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung anstatt des Steuerbetrugs oder mittels eines automatischen Kontenabgleichs eine Beweislage konstruiert werden, welche die Schweizer Justiz in einen Handlungsdruck bringt, der letztendlich in die Beschlagnahmung von Vermögenswerten münden kann. Um einen Steuerbetrug nachzuweisen, bedarf es eingehender Beweise: Stöberern mit dem Vehikel des Steuerhinterziehungsvorwurfs ist also ein Riegel vorgeschoben.
 
Sozialdemokraten, Grüne und andere Linke sollten wissen, dass selbst Fidel Castro in einem seiner Interviews der letzten Jahre sagte, dass viele fortschrittliche Ideen und Entwicklungen aus dem Mittelstand kommen bzw. unternehmerischen Ursprung haben (Zeitung Gramma International). Der Mittelstand und private Unternehmer stehen oft im Widerspruch zur Finanzoligarchie vieler Staaten. Das Vermögen dieser Kreise zu beschlagnahmen, heisst auch, sie ihrer Mittel für politische Aktivitäten zu berauben. Ein Staat mit einem starken Bankgeheimnis hingegen würde solches verunmöglichen. Diktatoren und ihre Helfershelfer bekämpfen deshalb die Möglichkeit einer von ihnen ausserhalb ihres Herrschaftsgebietes  nicht kontrollierbaren Vermögensverwaltung mit allen Mitteln. Durch unser heutiges Bankgeheimnis ist in vielen Fällen (bis auf indirekte Steuerhinterziehung mit der EU) eine längere rechtsstaatliche Verfahrensdauer garantiert, insoweit sie unser Bundesrat nicht mittels Notrecht aushebelt. Sie ermöglicht es jedem nicht Verurteilten, mit seinem Vermögen zu disponieren und seine Verteidigung gegebenenfalls mit Hilfe seines Schweizer Bankkontos zu bezahlen und zu organisieren. Jeder Staat, der ein ordentliches Bankgeheimnis garantiert, hütet somit auch die Rechtsstaatlichkeit.
 
Verurteilten Straftätern wird im Rahmen internationaler Rechtshilfe und der Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsurteilen im Falle doppelter Strafbarkeit (in dem um Rechtshilfe ersuchenden Staat und in der Schweiz) auch in der Schweiz der Zugriff auf die Konten entzogen, insoweit das rechtlich notwendig ist und verlangt wird. Die Schweiz schützt also mit dem Bankgeheimnis niemals Straftäter, sondern lediglich Beklagte. Und das ist auch gut so, gilt es doch einen Beklagten solange als unschuldig anzusehen, bis er verurteilt ist. Würden wir dem Druck der internationalen Strippenzieher nachgeben, würde dies bedeuten, dass wir auch unsere eigenen nationalen Regeln verändern müssten, wenn wir nicht grundsätzlich den gläsernen Bankkunden wollen. Auch in der Schweiz müsste dann strafbar sein, was heute nur ein Vergehen ist.
 
Der Vorwurf der Steuerhinterziehung ist leicht konstruierbar. Er würde es auch dem Schweizer Staat erlauben, mit geringen gesetzlichen Hürden auf Bankkonten zugreifen zu können, würde auch in der Schweiz die finanzielle Exekution des Bürgers vereinfachen. Der Staat würde noch mächtiger werden, der Bürger noch schwächer. Zusammen mit allen anderen laufenden Veränderungen in unserem Land, aber auch um uns herum - wozu die immer weitergehende Einbindung in das Strafrecht der EU (Schengen) gehört - zeigt die mit Druck und Hektik an den Tag gelegte Bombardierung unseres Bankgeheimnisses durch eine mafiose und halblegale Steuerbehörde IRS, wie dramatisch sich die Entwicklung in Richtung Unfreiheit, zunehmender präventiver Kontrolle und Ausbau der Macht des Staates in der westlichen Welt vollzieht. In der Schweiz gilt es zu erkennen, dass nicht wir daran Schuld sind, dass dieser Druck momentan Dimensionen ungekannten Ausmasses erreicht, sondern dass sich die Welt verändert und wir uns durchaus die Frage stellen sollten - und eigentlich müssen - inwieweit es in der USA oder in vielen Staaten der EU noch rechtstaatlich zugeht. Wir müssen uns bewusst werden, dass vieles darauf hindeutet, dass sich nicht wenige dieser Staaten in einer prädiktatorischen Phase befinden.
 
In diese dürfen wir uns nicht hineinziehen lassen, wir müssen den Kurs halten und dem wehren, was hier auf uns und die Welt zukommen könnte. Von einer üblen Diktatur spricht man in der Geschichte oft erst dann, wenn sich diese überlebt hat, selten während der Zeit, in der man diese erlebt. Eine solche Haltung würde uns in die Lage versetzen, selbstbewusster zu erkennen, worum es bei allem, was derzeit auf der politischen Agenda steht, geht: nämlich um  mehr Kontrolle, mehr Herrschaft. Von Demokratien werden Geheimnisse weder gestohlen noch erpresst. Denn in der Demokratie herrscht Gewaltenteilung und Machtbalance. Es wird deshalb Zeit, Abkehr von Selbstkritik und Selbstzerfleischung zu nehmen und sich darum zu kümmern, wie wir uns gesetzlich, institutionell und technisch besser vor den Begehrlichkeiten der Prädiktatoren schützen, anstatt ihnen nachzugeben und Asche auf unsere Häupter schütten zu lassen. Es war erfreulich zu hören, dass selbst Herr Darbellay inzwischen verstanden hat, was es bedeutet, mit den Angreifern auf unser Bankgeheimnis gemeinsame Sache zu machen.
 
Marek Schönfeld, Winterthur, den 21. 2. 2009
email@marek-schoenfeld.ch