Kann der IWF die Welt retten?

politonline d.a. Aus dem nachfolgenden Artikel geht klar hervor, dass es immer wieder dieselben Länder sind, die auf die Dauer gesehen ohne IWF-Kredite offensichtlich nicht überleben können.

Fragen, wo die eigentlichen Gründe hierfür liegen und wieso diese Situation ewig gleich bleibt, werden von Seiten des IWF offenbar nicht gestellt. Der Artikel hinterlässt nicht den Eindruck, als würde die Tragweite dieses Leerlaufs und die damit einhergehende Verschuldung überhaupt registriert. Als wenig vertrauenserweckend ist die Aussage zu werten, dass der IWF die Sonderziehungsrechte, die SZR, in Zukunft womöglich »nach Belieben« auflegen könnte, zieht man die Definition von Michael Mross in Betracht 1: »Durch die Hintertür will der IWF eine neue Weltwährung schaffen. Das Kunstgebilde heisst Sonderziehungsrechte. Was sich allerdings hinter dem Wortungetüm verbirgt, ist mehr als explosiv. Der Daily Telegraph meldet, dass der IWF im Rahmen des Global quantitative EasingMilliarden von $ drucken will. Sonderziehungsrechte stellen praktisch die Kunstwährung des IWF dar. Es ist Geld, das quasi aus dem Nichts geschaffen wird und sich aus den Weltleitwährungen zusammensetzt. Und das macht die Aktion brisant. Das Sonderziehungsrecht ist eine künstliche Währungseinheit, die nicht auf den Devisenmärkten gehandelt wird und 1969 vom IWF eingeführt wurde.« So heisst es unter anderem, dass das Aufstocken der IWF-Mittel für die osteuropäischen Staaten nicht ausreiche; die Sicht, dass dies durchaus an der in diesen Ländern unglaublich hoch verbreiteten Korruption liegen könnte, wird nicht ausgesprochen. Allein bezüglich des Kosovos heisst es in einer Meldung des Südwestrundfunks ganz nüchtern, dass es dort quasi keine Produktion gebe und die einzigen Einkommensquellen mit Gewinnchancen der Menschenhandel, Drogenschmuggel und die Korruption seien. Man soll es auch nicht für möglich halten, dass bereits wieder von einem generell steigenden Risikoappetit die Rede ist. Auch die Prognose, dass die Schwellenländer infolge der IWF-Entscheidung die grossen Gewinner sein werden, dürfte die Steuerzahler der sich verschuldenden Industrieländer wenig erfreuen.
 
Wiederentdeckte Institution - Kann der IWF die Welt retten? Von Christine Mai und Tobias Bayer
 
Ende der Sinnkrise: Die wichtigsten Staaten der Welt wollen den Internationalen Währungsfonds zur obersten Aufsicht und Krisenfeuerwehr machen. Die Mittel werden kräftig aufgestockt. Die Financial Times Deutschland, FTD, zeigt die neue Rolle des IWF - und die ungelösten Fragen. Noch vor wenigen Jahren fragten Kritiker boshaft, wozu die Welt eigentlich noch den IWF brauche. Wenig hatte die Organisation zu tun, Bedeutung und Mitarbeiterzahl schrumpften. Im vergangenen Herbst ließ die Finanzkrise den IWF dann blitzartig wieder in den Mittelpunkt des Geschehens rücken. Island, Ungarn und andere gebeutelte Staaten mussten um Hilfe bitten. Nun soll der wiederentdeckte Fonds gleich eine Fülle von Aufgaben wahrnehmen. Die weltweit 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer beschlossen vergangene Woche, den IWF zu einer Art Superwaffe gegen die jetzige und mögliche künftige Krisen zu machen. Skeptiker sehen aber noch eine Reihe ungelöster Fragen und Probleme. Die FTD zeigt, welche Rolle der IWF künftig spielen soll und wo die Grenzen der G-20-Beschlüsse liegen.
 
In welcher Form hat der IWF in der Kreditkrise eingegriffen?
In den vergangenen sechs Monaten reichte der IWF 55 Mrd. $ an in Schieflage geratene Staaten aus. Die Ukraine, Ungarn und Lettland erhielten jeweils über 10 Mrd. $, Weißrussland, Pakistan und Island zwischen 2,1 und 7,6 Mrd. $. Mexiko kündigte vergangene Woche an, eine Kreditlinie von 48 Mrd. $ beim IWF in Anspruch zu nehmen. Auch die Türkei führt Gespräche mit der in Washington ansässigen Institution. Ein Durchbruch bei den Gesprächen wurde aber noch nicht erzielt.

Welche Rolle soll der IWF künftig übernehmen?
Nach den Beschlüssen der G-20 wird der Fonds eine Art Krisenwarnsystem und Feuerwehr in einem. Gemeinsam mit dem neu zu schaffenden Financial Stability Board (FSB) soll er makroökonomische Risiken erspähen (Anmerk. politonline: als ob sich diese nicht jeweils Monate im voraus ankündigen würden…) sowie Praktiken identifizieren und anprangern, die zu einer neuen Krise führen könnten. Das FSB ist eine Weiterentwicklung des Financial Stability Forum (FSF), in dem Vertreter von Notenbanken und Finanzministerien sitzen. Das neue FSB, in dem alle G-20-Staaten repräsentiert sein sollen, soll Regulierungsstandards entwickeln und die Kooperation zwischen Aufsehern und Regierungen verbessern. Gleichzeitig soll der IWF den Großteil der versprochenen 1100 Mrd. Dollar gegen die Krise verteilen, mit denen unter anderem der Welthandel angekurbelt werden soll.

Welche Mittel stehen ihm zur Verfügung?
Die Mittel des IWF sollen auf 750 Mrd. $ verdreifacht werden. Allerdings wird nur ein Teil der hinzukommenden 500 Mrd. $ sofort zur Verfügung stehen. Dazu gehören die jeweils 100 Mrd. $, die Europa und Japan geben, sowie 40 Mrd. $ aus China. Die 100 Mrd. $, die die USA beitragen, sind beispielsweise Teil einer größeren Fazilität und werden erst später bereitgestellt. Rund 150 Mrd. $ müssen noch von anderen IWF-Mitgliedern gestemmt werden. Hinzu kommen Sonderziehungsrechte (SZR) im Volumen von 250 Mrd. $. Die SZR sind in erster Linie eine buchhalterische Währung. Sie wurden 1969 geschaffen, um als Reservewährung das System der fixen Währungskurse zu unterstützen. Heute schwanken Währungen größtenteils frei - und die SZR haben nur noch eine untergeordnete Bedeutung als Reservemittel. Seit 1973 bemisst sich der Wert der SZR an einem Währungskorb, der aus dem US-$, dem €, dem Yen und dem britischen £ besteht. Der Wert eines SZR wird täglich vom IWF festgelegt und basiert auf den Wechselkursen dieser Währungen.

Wie weit trägt das neue Finanzierungskonzept?
Die Aufstockung der IWF-Finanzmittel stößt auf große Zustimmung. »Das sollte gemeinsam mit den neuen Fazilitäten die Liquiditäts- und Solvenzrisiken der Schwellenländer verringern«, schreiben die Asienstrategen der Credit Suisse. Sebastian Mallaby, Forscher beim Council on Foreign Relations, hegt sogar Hoffnung auf eine neue globale Finanzarchitektur: »Wenn das Geld ausreichen sollte, dann befinden wir uns in einer neuen Welt. Es könnte der Anfang einer Balance zwischen Ländern mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen einerseits und Ländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten andererseits darstellen.«

Experten geben allerdings zu bedenken, dass die SZR hauptsächlich den größten Anteilseignern des IWF - der USA und Japan - zugute kommen.
»Das Aufstocken der IWF-Mittel hilft einigen wenigen Ländern, aber für die osteuropäischen Staaten reichen sie nicht aus. Es macht also keinen entscheidenden Unterschied«, sagte Mallaby. Andere Experten fordern eine weitergehende Reform der IWF-Finanzierung. Guillermo Calvo, Professor an der Columbia University, schlägt vor, den IWF mehr wie eine Zentralbank arbeiten zu lassen. Die Organisation könne dann nach Belieben SZR auflegen. »Anstatt im voraus etwas willkürliche und möglicherweise politisch motivierte Obergrenzen für IWF-Kredite einzuziehen, könnten die G-20 die Politik des IWF nachträglich beurteilen und falls gewünscht seine Vorgehensweise ändern.«

Wie soll der IWF krisengebeutelten Ländern helfen?
Neben den traditionellen Notprogrammen hat der IWF ein neues aufgelegt, die sogenannte Flexible Credit Line (FCL). Besonders dabei: Länder können sich beim IWF Geld leihen, bevor sie in Schwierigkeiten geraten - und bleiben von den sonst üblichen drakonischen Auflagen verschont. Offen steht die FCL allerdings nur Staaten, die grundsätzlich gesund sind und eine aus Sicht des IWF vernünftige makroökonomische Politik verfolgen, nun aber durch die Krise in Schwierigkeiten geraten. Auf ihrem Gipfel segneten die G-20 den Ansatz ab. Der IWF hofft, dass die Staaten nun zu ihm kommen, bevor die Situation ganz verfahren ist - und dass die Hilfe durch den Fonds ihr Stigma verliert. Viele Länder sperren sich bislang aus Angst vor Stigmatisierung gegen den Gang zum IWF, zumal wenn sie - wie Entwicklungs- und die meisten Schwellenländer - keinen Einfluss auf die Politik des Fonds haben.

Wie sollen IWF-Kredite ihr Stigma verlieren?
Mit Mexiko hat der IWF einen ersten Abnehmer für das neue Kreditprogramm gefunden. Die sogenannte Flexible Credit Line (FCL) wird präventiv in Anspruch genommen und ist nicht mit Auflagen verbunden. Das Land hat sich einen Kredit über 47 Mrd. $ gesichert, um für weitere Auswirkungen der Krise gewappnet zu sein. Weitere Kandidaten sind nach Einschätzung der Experten von Barclays Capital Polen, Kolumbien und Peru. Auch Brasilien, Südafrika, Tschechien und Indonesien kämen theoretisch in Frage. »Wir halten es für durchaus möglich, dass Polen Mexiko bald folgt. Das Land ist auf Finanzierung aus dem Ausland angewiesen. Die großen Summen lassen eine Versicherung durch den IWF sinnvoll erscheinen", urteilen die Barclays Capital-Experten. Skeptiker bezweifeln allerdings, dass Mexiko viele Nachahmer finden wird. Die FCL hatte einen Vorläufer, der ähnlich angelegt war - den aber in den nur fünf Monaten seiner Existenz kein einziges Land nutzte: eine Linie für kurzfristige Liquidität, die im vergangenen Oktober aufgelegt worden war. Der IWF argumentiert, die Kreditvolumen seien zu gering, die Rückzahlungsfristen zu kurz gewesen. Die FCL löse dieses Problem, da es bei den Kreditsummen keine Begrenzung mehr gibt und die Laufzeiten deutlich verlängert wurden. Das größte Problem wurde aus Sicht vieler Kritiker aber nicht gelöst: das mit IWF-Hilfe verbundene Stigma. Dies sei ein Grund gewesen, warum Regierungen in Fernost nach der Asienkrise 1997/98 ihre Währungsreserven aufstockten, um im Notfall nicht den Währungsfonds um Hilfe bitten zu müssen, sagte Philip Levy, Forscher am amerikanischen Think Tank American Enterprise Institute (AEI): »Selbst Kredite, die ohne harte Auflagen vergeben werden, sind schwer an den Mann zu bringen. Es wird wahrscheinlich Nachfrage aus osteuropäischen Ländern geben. Nur kann eben aus einer Verdopplung der IWF-Mittel nicht auf eine Verdopplung der Wirkungskraft geschlossen werden.« Es werde keinen Ansturm auf den IWF geben, prognostiziert auch Arvind Subramanian vom Peterson Institute for International Economics. Grund sei die fehlende Bereitschaft der Industriestaaten, konkrete Vorschläge für eine IWF-Reform zu machen, die den Schwellenländern deutlich mehr Macht geben würde. »Es gibt immer noch keinen ernsthaften Versuch, das Stigma-Problem des IWF zu lösen«, so Subramanian, früher selbst Ökonom beim IWF. Länder wie Brasilien und asiatische Staaten wollten daher weiter kein Geld annehmen. Der mangelnde Reformwillen sei auch Grund dafür, dass China nicht mehr als 40 Mrd. $ in die IWF-Kasse einzahle - wenig gemessen an seinen Möglichkeiten.

Was bedeutet die Reform für die Finanzmärkte?
Marktbeobachter halten es für wahrscheinlich, dass die Aktienmärkte und Währungen von Schwellenländern durch die IWF-Entscheidung profitieren. »Die Schwellenländer sind die großen Gewinner«, schreiben die Experten von Unicredit. Ähnlich argumentieren die Währungsanalysten der Commerzbank. Die Devisen der Schwellenländer würden in zweifacher Hinsicht Auftrieb durch die Londoner Beschlüsse gewinnen: »Zum einen profitieren die Länder über die gesunkene Ausfallwahrscheinlichkeit ihrer Sovereigns, zum anderen über einen generell steigenden Risikoappetit.« Goldman Sachs empfiehlt den Investoren ein stärkeres Engagement in Schwellenländern. Die Währungen Brasiliens, Mexikos, Südafrikas, Russlands und  Indonesiens seien attraktiv. »Wir beobachten  das klare internationale Bekenntnis, Schwellenländern in Not mit Liquidität zu versorgen. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass Schwellenländer-Währungen schlechter abschneiden als die Währungen von Industrieländern. Wir sehen große Aufwertungspotential«, sagt Goldman-Sachs-Währungsstratege Thomas Stolper.
 
Quelle: http://www.ftd.de/politik/international/:Wiederentdeckte-Institution-Kann-der-IWF-die-Welt-retten/497903.html  7.4.09 Wiederentdeckte Institution - Kann der IWF die Welt retten? Von Christine Mai und Tobias Bayer
1 http://www.mmnews.de/index.php/200903162526/MM-News/Neue-Weltwahrung.html 16.3.09 Neue Weltwährung kommt Von Michael Mross