Pressemanipulation - NATO-Gipfel Strassburg und Irak

Wie German Foreign Policiy ausführt, wurde die Berichterstattung über den NATO-Gipfel Anfang April zentral gesteuert und in Absprache mit den staatlichen Repressionsbehörden koordiniert.

Dies geht aus Aussagen von Mitarbeitern des Südwestrundfunks (SWR) hervor. Erklärtes Ziel der Berichterstattung war es laut dem Koordinator im Planungsstab NATO-Gipfel des SWR, Georg Weisenberger, dafür zu sorgen, daß nicht die gegen den Gipfel gerichteten Demonstrationen die öffentliche Wahrnehmung dominierten, sondern daß die »offiziellen Bilder« zu den »prägenden Bildern« gemacht wurden. Die bei der NATO akkreditierten Journalisten waren durch einen ausgebildeten  Kriegsberichterstatter in Zusammenarbeit mit der baden-württembergischen Polizei auf ihre Tätigkeit vorbereitet worden. Der hierfür Verantwortliche leitet ein privates Sicherheitsunternehmen, das Manager deutscher Firmen für Aufenthalte in Kriegsgebieten trainiert und nach eigener Aussage Angehörige von Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs zu seinen Ausbildern zählt. Der SWR erstellte das sogenannte Weltbild, das zentrale Filmmaterial, mit dem Fernsehstationen rund um den Globus beliefert wurden. Nach Angaben des Senders waren insgesamt 400 Mitarbeiter mit der Berichterstattung über die NATO-Veranstaltungen befaßt; zum Einsatz kamen eigens zu diesem Zweck aufgestellte Motorradstaffeln und Satellite News Gathering Teams. Nach Aussage von Weisenberger verlief die Zusammenarbeit mit der Polizei ausgezeichnet. Auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei Bruchsal trainierten mehr als hundert Journalisten u.a. das Verhalten im Falle eines Bewurfs mit Molotow-Cocktails. Klaus Pietsch, der Leiter der Einsatzabteilung der Bereitschaftspolizei Bruchsal, führte die Schulungsteilnehmer in Polizeitaktiken und entsprechende Begrifflichkeiten ein und bereitete sie auf ›rustikale‹ Interventionsmaßnahmen der staatlichen Repressionskräfte gegen Störer und Blockaden vor 1.
 
Anmerkung d.a.: Unter »rustikal« darf man vermutlich zumindest »robust« oder Schlimmeres verstehen! Von einer Verurteilung dieses bezüglich der für uns erstellten Fakten bestehenden Hintergrundszenariums - etwa durch das EP in Strassburg - war nichts zu vernehmen. Und daß eine solche vom Bundestag oder anderen Stellen nicht zu erwarten ist, dürfte inzwischen klar sein. Siehe auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1185 »Barack Obama als Kriegsherr«.  
 
Die jetzt veröffentlichten Pentagon-Papiere bestätigen die massive Medienmanipulation der US-Regierung, was F. William Engdahl wie folgt zusammenfaßt 2:
Etwa 8000 Seiten geheimer US-Regierungsdokumente über das »Military Analyst Program« (MAP) des Pentagons sind nach einem entsprechenden Antrag jetzt freigegeben und auf der Internetseite des Pentagons veröffentlicht worden. Im Vorfeld hatte bereits die New York Times einen Sensationsbericht des Journalisten David Barstow darüber veröffentlicht. Die Papiere zeigen, auf welch schockierende Weise das Pentagon bewußt Medienberichte manipuliert hat und noch manipuliert, und das nicht nur bezüglich des Irakkriegs, sondern auch hinsichtlich Afghanistans und anderer Bereiche von strategischer Bedeutung. Die Dokumente belegen das Ausmaß, in dem die Regierung Bush-Cheney illegale und manipulative Techniken unterstützt hat, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. George Orwell würde vor Neid erblassen. Das »Military Analyst Program« wurde 2002 ins Leben gerufen, um die öffentliche Meinung zugunsten des Irakkriegs zu beeinflussen. Anfang 2002 begann »die detaillierte Planung für eine mögliche Invasion des Iraks«, und die damalige Abteilungsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit im Pentagon, Victoria Clarke, initiierte ein Programm zur Rekrutierung »einflußreicher Schlüsselleute«, um eine argwöhnische amerikanische Öffentlichkeit auf den Krieg einzustimmen, so Barstow von der New York Times. Clarke und ihr langjähriger Assistent Brent Krueger rekrutierten über 75 pensionierte Offiziere, die in Nachrichtensendungen des Fernsehens und im Radio als Militäranalysten auftraten oder Meinungsbeiträge und Kolumnen für Zeitungen schrieben. Das Pentagon bezeichnete die Militäranalysten als »Nachrichtenverstärker« oder »Stellvertreter« und veranstaltete wöchentliche Treffen mit ihnen, die auch heute noch abgehalten werden. Scott McLellan, langjähriger Regierungssprecher von Präsident George W. Bush, veröffentlichte vor kurzem seine Memoiren, in denen er unverblümt bestätigt, daß Bush das Volk belogen und die Nation in den Irakkrieg hineinmanipuliert hatte, wobei damals behauptet wurde, daß die Bürger der USA vor Terroranschlägen, die Saddam Hussein mit seinen Massenvernichtungswaffen plane, geschützt werden müßten. Alarmierend im Zusammenhang mit den Enthüllungen von McLellan ist allerdings die Tatsache, daß dessen Aussage und die sich aus ihr ergebenden Implikationen nur einen Tag lang in einer kurzen Pressemitteilung zu finden waren und danach als Thema völlig von der Bildfläche verschwanden.
 
Einer Meldung von BBC zufolge 3, hat Gary Volesky, der oberste Befehlshaber in der Region Mosul, Mitte April erklärt, daß die US-Truppen möglicherweise auch nach dem für Juni angekündigten Rückzugstermin in Mosul und in den umliegenden Städten, die durch Al bedroht wären, stationiert blieben, insofern hierzu eine Aufforderung von der irakischen Regierung erginge. Mosul wird als der letzte Hauptstützpunkt der Al Kaida im Irak beschrieben. Es ist erstaunlich, wie Al Kaida bezüglich diverser, uns hinsichtlich politischer Fakten verdummender Aussagen immer wieder als Urheber allen und jedes im Zentrum steht. Auch Ryan Crocker, vormaliger US-Botschafter im Irak, hatte diesen Januar verlauten lassen, daß Al Kaida noch immer eine Bedrohung darstelle und ein überstürzter Abzug der US-Truppen eine äußerst ungünstige Wirkung auf die Iraker haben würde. Die US-Armee und Vertreter der irakischen Regierung machen Al Kaida für die in den letzten Wochen besonders in schiitisch bewohnten Vierteln verübten Bombenanschläge verantwortlich, eine Erklärung, die von der irakischen Bevölkerung noch nie ernst genommen wurde. Diese werden von vielen der Baath-Partei angelastet, die mit Verhandlungen einerseits und Terror andererseits die Iraker in ihre Richtung drängen wolle 4. Ministerpräsident Maliki versucht derzeit, Bündnisse mit der Baath-Partei zu schmieden. Es sei Zeit für Versöhnung, so Maliki: denjenigen, die unter Zwang mit der Baath-Partei gearbeitet und keine Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübt hätten, müsse vergeben werden. Viele Iraker sehen die Annäherung weniger als Zeichen einer Versöhnung, sondern vielmehr als Wahlkampfstrategie, um sich möglichst viele Stimmen bei den nächsten Wahlen zu sichern. Besonders unter den Kurden und bei vielen Schiiten ist das Mißtrauen groß, daß die Baath-Partei sich nicht wirklich erneuert hat, wie dies ihre Anhänger versichern.
 
Die verheerenden Kriegsfolgen, unter denen der Irak zu leiden hat, faßte die junge Welt kürzlich wie folgt zusammen 5:
Der Irak gilt als eines der am stärksten mit Minen und nicht explodierter Munition verseuchten Länder weltweit. Es handelt sich dabei um die Folgen verschiedener Kriege seit den 60iger Jahren, als die irakische Armee Landminen einsetzte, um die aufständischen Kurden im Norden zu stoppen. Während des Iran-Irak-Kriegs (1980–1988) nahm die Zahl von Minen zu, vor allem entlang der Grenze zum Iran. In den von der USA gegen den Irak geführten Kriegen wurden ebenfalls Minen eingesetzt: 117634 Landminen, davon 27967 Antipersonenminen und 89667 Minen gegen Fahrzeuge, soll die US-Armee allein während des Krieges 1991 verlegt haben. Hinzu kamen Streubomben der US-Luftwaffe, der Marine und von Spezialeinheiten. Eine Gefahr geht auch von einer Reihe unkontrollierter Munitionslager aus. Eine Untersuchung von UNO-Organisationen und des irakischen Verteidigungsministeriums (2006) kam zu dem Ergebnis, daß es in 13 der 18 Provinzen etwa 4000 verseuchte Gebiete gibt. Am meisten betroffen sind landwirtschaftliche Nutzgebiete und die Dattelpalmenhaine entlang den Grenzen zum Iran und zu Saudi-Arabien, sowie die Ölfelder im Süden und Norden des Landes. Das irakische Verteidigungsministerium geht von etwa 20 Millionen Minen und mehr als 50 Millionen Streubomben aus, die geräumt werden müssen. Wieviel davon Uranmunition ist, die das Land auf Dauer verseucht und schwere gesundheitliche Schäden verursacht, ist nicht bekannt. Rund 1,6 Millionen Iraker leben in den betroffenen Gebieten, etwa ein Drittel davon sind Kinder. Im Februar 2008 unterzeichnete die irakische Regierung den Ottawa-Vertrag zum Verbot von Landminen; seitdem wurden nach offiziellen Angaben 20 Quadratkilometer von Minen geräumt, und 276658 Personen nahmen an Aufklärungsprogrammen teil. Im kurdischen Nordirak gab es schon zur Zeit der UNO-Sanktionen (1991–2003) umfangreiche Aufklärungs- und Räumprogramme internationaler Hilfsorganisationen. In den übrigen Landesteilen war ihnen die Arbeit untersagt, weil die irakische Regierung ein Einschleusen von ausländischen Agenten fürchtete. Nach dem Sturz von Saddam Hussein begannen Räumung und Aufklärung im ganzen Land. Wegen der anhaltenden Gewalt gibt es allerdings kaum Fortschritte. Eine zuverlässige Opferstatistik gibt es nicht. Die irakische Regierung geht von bis zu 8000 Personen aus, die seit 1991 durch Minen getötet oder verstümmelt wurden, mehr als 2000 von ihnen sind Kinder. Die Zahl des durch Minen getöteten Nutzviehs wird auf 24000 Tiere geschätzt.
 
Anmerkung d.a.: Man muß sich vor Augen halten, daß Bush in einer Rede zum Jahrestag des Irakkriegs im März 2008 offen erklärte, daß »dieser Kampf edel, notwendig und gerecht« sei. Während Anti-Kriegdemonstranten »Irak den Irakern« skandierten, verteidigte Präsident Bush den Einmarsch als »richtige Entscheidung«, der möglicherweise einen Völkermord verhindert habe. Als ob das von ihm entfachte Inferno, dem Abertausende von Zivilisten zum Opfer fielen, einen solchen nicht mit einschlösse. »Mit Ihrem Mut wird der Krieg mit einem Sieg enden. Gott segne Sie«, sagte Bush zu den Mitarbeitern im Pentagon 6. Dies angesichts einer Anfang Mai 2008 verzeichneten Anzahl von 1.206.950 toten Irakern und der Unsumme von 519,278,900,847 US-$ an Kosten für den Krieg und die Besatzung.
 
Man kann den Regierenden nur immer wieder dafür gratulieren, wie sie die Länder zerstören, ohne daß für uns die Möglichkeit existierte, sie davon abzuhalten.
 
 
1 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57514 Presse-KSK vom 23. 4. 2009
2 http://info.kopp-verlag.de/news/pentagon-papiere-bestaetigen-massive-medien-manipulation-der-us-regierung.html  13.5.08
3 http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/7998814.stm  14. 4. 09
4 http://www.jungewelt.de/2009/04-09/052.php Ein Land im Chaos; Irak: Al-Maliki versucht, den Eindruck von Normalität zu vermitteln, aber es gelingt ihm nicht. Versöhnung und Wiederaufbau weit entfernt
5 http://www.jungewelt.de/2009/04-09/054.php Kriegsfolgen - Übersät mit Minen und Munition
6 http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=3300896/1n941s8/index.html
SWR2 19.3.08 Bush-Rede zum Jahrestag des Irakkriegs: Dieser Kampf ist edel, notwendig und gerecht'