Das schmutzige Geschäft der Palmöl-Mafia

Dem vor kurzem von der Schweiz mit Kolumbien abgesegnete Freihandelsabkommen war offensichtlich eine grössere Debatte im Nationalrat vorausgegangen.

Dazu gehörte die Warnung von Nationalrat Joe Lang, derzufolge Kolumbien weltweit »das gefährlichste Land für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sei.«  Seit der Machtübernahme Uribes seien 500 »sindicalistas« umgekommen. Von Seiten der Ökoliberalen Angelina Tiana Moser war verlangt worden, im Bereich Menschenrechte und Umweltschutz verbindliche Mindeststandards - wie durch die USA, Kanada und Norwegen geschehen - in den Vertrag integrieren. Bundesrätin Doris Leuthard hingegen war hier anderer Ansicht: »Die Regierung Uribe hat 2002 eine Politik der ‹demokratischen Sicherheit› eingeleitet, um das Vertrauen und die soziale Kohäsion wiederherzustellen und die Menschenrechte besser zu schützen«, versicherte sie. Hier stellt sich immer wieder dieselbe Frage, nämlich nach dem Wissensstand unserer Entscheidungsträger.   
 
Schweizer ist lebendes Schutzschild im Regenwald
Ein Dokumentarfilm, »Der Palmölkrieg - Energiepflanzen vertreiben Kolumbiens Kleinbauern«, den das Schweizer Fernsehen kürzlich ausstrahlte, beweist das Gegenteil. Der Genfer Filmemacher Frank Garbely ist dafür mit dem Schweizer Pater Josef Schönenberger in den Urwald Kolumbiens gereist. Schönenberger versucht dort mit anderen Missionaren seit Jahren, Bauern vor der Palmöl-Mafia zu schützen. »Es ist eine Tragödie, welche sich da im Regenwald Kolumbiens abspielt«, sagt Frank Garbely. »Mit dem Film will ich die Hintergründe aufzeigen.« Pater Schönenberger stammt aus dem Toggenburg. Kolumbien ist seine zweite Heimat geworden. Zwanzig Jahre lang war er im Süden des Landes tätig, seit 2006 steht er in der Provinz Chocó im Einsatz. Dort wohnt er als lebendes Schutzschild in Dörfern, die von Paramilitärs oder der Guerilla bedroht werden. »Ich begleite immer wieder Gemeinschaften zurück in ihre Dörfer und wohne dann eine gewisse Zeit mit ihnen«, erzählt der Missionar. Oder er besuche Dörfer, um zu sehen, ob es Menschenrechtsverletzungen gebe.
 
Ölplantagen werden von internationalen Unternehmen aufgekauft
In der Provinz Chocó wird der Anbau der Ölpalme besonders radikal und rücksichtslos vorangetrieben. Wo früher Urwald stand, breiten sich heute Ölpalm-Plantagen aus, die zunehmend von internationalen Unternehmen und Finanzgesellschaften aufgekauft werden. Das Palmöl wird nach Europa und in die USA ausgeführt, dort zu Agrosprit weiterverarbeitet, aber auch zu Produkten der Nahrungsmittelindustrie oder zur Herstellung von Seifen, Kosmetika und Farbstoffen. Denn Kolumbien will zu einem der grössten Produzenten von Agrotreibstoffen aufsteigen, hinter der USA und Brasilien. Auch für die Schweiz dürfte der Import von Agrosprit aus Kolumbien schon bald zum Thema werden. Im Film kommen auch Politiker zu Wort, die den kolumbianischen Politiker Uribe für die Situation verantwortlich machen, wie beispielsweise Senator Gustavo Petro. »Für Präsident Uribe ist die Produktion von Agrosprit die wichtigste, ich würde sogar sagen, die einzige Zielsetzung seiner Landwirtschaftspolitik«, sagt er. Auch deshalb ist seit zehn Jahren im Chocó ein eigentlicher Plünderungskrieg im Gange. Von der Armee unterstützte Paramilitärs vertreiben die Bevölkerung gewaltsam, zerstören ihre Dörfer und eignen sich ihr Land an, das sie an Palmölproduzenten weiterverkaufen. Dabei gehen sie mit unbeschreiblicher Grausamkeit vor: Lynchmorde, Massaker, Folter und Entführungen sind an der Tagesordnung. »Das Geschäft mit der Ölpalme ist typisch für die Paramilitärs und die Drogenmafia. Es führt dazu, dass der Einfluss der Mafia in der Landwirtschaft und auf dem Land ständig zunimmt«, erzählt Petro. Er widerspricht damit indirekt auch Leuthard, die im Parlament erklärt hat, in Kolumbien sei unter Präsident Uribe ein Demobilisierungsprozess der paramilitärischen Truppen im Gange.
 
Drogengelder werden mit Agrotreibstoffen gewaschen
Petro behauptet stattdessen, dass der Präsident die Ölpalm-Industrie mit Geldern der Drogenmafia fördere. »Investitionen in Palm-Plantagen und der Handel mit Agrosprit erlaubt es ihnen, kriminelle Gelder - vor allem aus dem Drogenhandel - auf den Weltmärkten zu waschen.« Sie investieren das Geld aus dem Kokainhandel in Palmöl-Plantagen und durch den legalen Verkauf des Agrosprits waschen sie die illegalen Gelder. Das Einzige, was Paramilitärs und Guerillas aber noch abschrecken kann, sind Zeugen wie die Missionare und die internationale Aufmerksamkeit. Aber dieser Schutz wirkt nicht immer. In den letzten Jahren wurden im Chocó fünf Missionare ermordet. Das Drama könnte sich andernorts schon bald wiederholen: in der Karibik und im Amazonasgebiet, in Nigeria und in Kamerun, auch in Südostasien. Denn je knapper das Erdöl wird, umso mehr und radikaler wird die Produktion von Agro-Energie vorangetrieben werden.
 
Die Provinz Chocó - mit 46'530 Quadratkilometer etwas grösser als die Schweiz - liegt an der Pazifikküste im Nordwesten Kolumbiens; sie zählt knapp eine halbe Million Einwohner. wovon 85 % Schwarze sind. Chocó ist extrem reich an Bodenschätzen und verfügt über eine einmalige Biodiversität: 80 % der Landesfläche sind Regenwald, der zweitgrösste Südamerikas, der bezüglich der Artenvielfalt sogar den des brasilianischen Amazonas übertrifft 1.
 
Kolumbien ist keine wirkliche Demokratie, kaum ein Rechtsstaat.  Die städtischen Eliten, die das Land seit Menschengedenken regieren und mit ihren Kastenfehden überziehen, haben die Landbevölkerung wirtschaftlich, sozial und politisch an den Rand gedrängt. Wenn man bedenkt, dass die Schweiz schon im April 2004 an der laufenden Session der UNO-Menschenrechtskommission in Genf intervenierte, um die Regierung Kolumbiens dazu aufzurufen, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und jetzt konstatiert, dass die Lage unverändert ist, so ist die totale Ohnmacht dieses UNO-Organs einmal mehr bewiesen. Aus der Sicht der Schweiz wurde vor allem kritisiert, dass das Militär nun mittels eines Anti-Terror-Status Aufgaben der Kriminalpolizei übernehmen soll. Zudem sollen dem Militär gar juristische Befugnisse zugestanden werden. Auch das UNHCHR hatte darauf hingewiesen, dass der Gesetzesentwurf den Empfehlungen der UNO zuwiderläuft. Uribe hat indes seine militärisch abgestützte Sicherheitspolitik der Verfassung und dem internationalen Recht übergeordnet. Ein jüngst veröffentlichter Bericht des UNHCHR zur Lage in Kolumbien stellt weiterhin eine systematische Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts fest und beklagt eine Zunahme der Klagen über willkürliche oder illegale Verhaftungen, Verschwindenlassen und aussergerichtliche Hinrichtungen. Was die EU betrifft, so hatte diese im Jahr 2000 165 Millionen Franken zur Förderung des Friedensprozesses in den Kriegsgebieten zugesagt und 2001 200 Millionen $ für denselben Zweck gespendet. Diese Steuergelder werden ganz einfach zur Verfügung gestellt, ohne dass zuvor Garantien gegeben werden, die Misstände zu beseitigen. Es ist offensichtlich, dass die hierfür Verantwortlichen, die den Ertrag unserer Arbeitskraft kontinuierlich in den Sand setzen, nicht nur keiner Kontrolle unterliegen können, sondern auch keine Rechenschaft darüber abzulegen haben, was mit diesen Mitteln erreicht wurde 2.
 
»Über die Wurzeln des Konflikts wird nicht geredet«
Das nachfolgende Gespräch bezüglich der Haltung der Regierung Kolumbiens, die sich auf eine militärische Lösung gegenüber der Rebellenorganisation FARC versteift, führte Johannes Schulten mit Sergio Salazar, dem Mitglied der nationalen Koordination der Jugendorganisation der kolumbianischen Linkspartei »Polo Democrático Alternativo«.
 
Seit Jahrzehnten kämpft die kolumbianische Rebellenorganisation FARC gegen den reaktionären Staatsapparat. Ist eine friedliche Lösung noch denkbar?
Mein Land durchlebt momentan einen bewaffneten Konflikt von historischem Ausmaß, die Regierung von Álvaro Uribe Vélez setzt alternativlos auf eine militärische Lösung des Konflikts mit der Guerilla. Das spiegelt sich nicht zuletzt in den beträchtlichen Investitionen in den staatlichen Sicherheitsapparat wider. Gleichzeitig wird die Neoliberalisierung großer Teile der Gesellschaft massiv vorangetrieben. Zur Zeit leben 68 % der Bevölkerung in Armut.
 
Uribes Vorgänger Pastrana, ebenfalls ein Konservativer, hatte 2002 versucht, mit der FARC in den Dialog zu kommen.
Dieser Versuch ist gescheitert. Pastrana redete zwar viel vom Frieden, trieb aber dennoch die Militarisierung des Staates voran. Uribe brach dann alle noch bestehenden Kontakte zu den Rebellen ab. Heute wird nicht einmal mehr darüber geredet, daß dieser Konflikt seine Wurzeln darin hat, daß seit Jahrzehnten große Teile der Bevölkerung sozial und politisch ausgegrenzt werden. Der Versuch der jetzigen Regierung, den Konflikt militärisch zu lösen, hat auch direkte Auswirkungen auf die Bevölkerung. Wohl kaum ein anderes Land erlebt zur Zeit derartige humanitäre Dramen: Mehr als 10 % der Einwohner werden umgesiedelt, weil sie in Konfliktgebieten leben. Aus Angst vor Repressalien durch Polizei, Militär oder paramilitärische Banden sind bis heute schon Tausende von Menschen ins Exil gegangen.
 
Welche gesellschaftlichen Gruppen trifft die Repression am stärksten?
Besonders Gewerkschaften sind der staatlichen und halbstaatlichen Gewalt ausgesetzt. Neun von zehn Morden an Gewerkschaftern in der ganzen Welt werden in Kolumbien verübt. Neu ist, daß es seit einiger Zeit in der Hauptstadt Bogotá zu massiven Übergriffen auf Jugendliche kommt. Viele von ihnen wurden einfach ermordet. Allein 2008 wurden 1.493 Fälle dokumentiert. Warum diese Morde geschehen? Die Regierung will zeigen, daß sie mit der Guerilla fertig wird - wozu sie gefallene Rebellen braucht. Die Ermordeten werden also in FARC-Uniformen gesteckt, um sie medienwirksam als getötete Guerilleros zu präsentieren.
 
Welche Möglichkeiten hat die parlamentarische Linke?
Im Dezember 2005 wurde der Polo Democrático Alternativo gegründet. Schon bei den Wahlen im Jahr darauf erreichten wir 22 % der Stimmen. In wenigen Monaten ist es also gelungen, uns als wichtigste politische Kraft der Opposition zu etablieren.
 
Welche gesellschaftlichen Kräfte repräsentiert das Bündnis?
Unser Spektrum reicht von Sozialdemokraten bis hin zu Sozialisten. Der Polo hat ein klares, auf gesellschaftliche Veränderung ausgerichtetes, antiimperialistisches Programm. Wir stehen für eine friedliche Lösung des Bürgerkriegs und treten für die regionale Integration im Bündnis mit den progressiven Regierungen Lateinamerikas ein.
 
Vor etwa zwei Wochen kündigte die Regierung Uribe an, den Bau von fünf US-Militärstützpunkten zu genehmigen. Wie wird diese Entscheidung im Lande diskutiert?
Das Stützpunkte-Abkommen zwischen Uribe und US-Präsident Barack Obama unterläuft die nationale Souveränität. Leider ist es für uns sehr schwer, diese Bewertung in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Die führenden Medien behandeln das Thema lediglich unter dem Gesichtspunkt der nationalen Sicherheit. Sie stellen das Abkommen als effektive Maßnahme gegen den Terrorismus dar.
 
Wie schätzen Sie die Situation der Polo vor den Präsidentenwahlen im Mai 2010 ein?
Im Februar haben wir auf unserem zweiten Parteitag entschieden, mit eigenem Programm und eigenem Kandidaten anzutreten. Wer das sein wird, ist allerdings noch offen. Nach Umfragen der offiziellen Medien kämen wir auf 8 % - unabhängig davon, mit welchem Spitzenkandidaten wir antreten 3.   
 
Anmerkung politonline d.a.: Im übrigen hatte der Südwestrundfunk Baden-Baden, vermutlich als einziger, in seiner Sendung vom September 1998 bereits auf die im Departement Chocó mit äusserster Brutalität betriebene systematische Vertreibung und Ermordung der dort ansässigen Bevölkerung hingewiesen. Denn dort, an der Grenze zu Panama, lagern Gold, Platin, Silber, Bauxit, Mangan, radioaktives Kobalt, Zinn, Chrom, Nickel, Kupfer und Edelhölzer; ferner gibt es dort grosse Fischbestände. Wie es damals hiess, sollte das Gebiet in Zusammenarbeit mit internationalen Firmen in eine Wirtschaftszone verwandelt werden. Insgesamt lebt die im Schussfeld der Paramilitärs stehende Bevölkerung des Gebietes zwischen Atlantik und Pazifik, es gilt als eines der ärmsten, vorwiegend von Agrarprodukten. 70 % der Bevölkerung hatten zum Zeitpunkt der Reportage keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und die durchschnittliche Lebenserwartung betrug nur 55 Jahre, wobei die Situation der Gemeinschaften im Departement Chocó, deren Bewohner zu Hunderten an heilbaren Krankheiten sterben, die schlimmste ist. Von daher gesehen waren resp. sind sie mit Sicherheit auch die wehrlosesten. Die in den obigen Berichten dargelegten Zustände dürften, zumindest nehme ich das an, sämtliche Davoser WEF-Apostel insgesamt mit hoher Wahrscheinlichkeit als durch die Globalisierung gerechtfertigt betrachten. Andernfalls hätte bereits eine Umkehr stattgefunden.
 
 
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=593
Demokratische Mörder - Kolumbien ist fest in der Hand des Paramilitarismus - trotz ihrer angeblichen Demobilisierung - Von Harald Neuber
1 http://bazonline.ch/ausland/amerika/Das-schmutzige-Geschaeft-der-PalmoelMafia/story/23546595   15. 6. 09 Hubert Mooser
2 http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=593  2. 12. 2006
Demokratische Mörder - Kolumbien ist fest in der Hand des Paramilitarismus - trotz ihrer angeblichen Demobilisierung - Von Harald Neuber
3 http://www.jungewelt.de/2009/07-30/040.php
»Über die Wurzeln des Konflikts wird nicht geredet«