Strategien

politonline d.a. Einen weiteren Einblick in das, was Gehirne in unserem weitgehend entmenschten Jahrhundert auszubrüten imstande sind, erschliesst sich dem Leser in dem folgenden, von GFP erstellten Bericht:

Internationaler Klassenkrieg
Die Europäische Union plant eine Ausweitung militärischer Sperr- und Kampfoperationen zur Abschottung Europas gegen Armutsflüchtlinge aus dem Süden. Dies geht aus einer aktuellen Studie des offiziellen außen- und sicherheitspolitischen Think Tanks der EU (EU Institute for Security Studies, EUISS) hervor. Demnach müsse zur Stabilisierung der »globalen Klassengesellschaft« das »gesamte Spektrum hochintensiver Kampfmaßnahmen« zur Anwendung kommen. Die dazu nötigen Aufrüstungsmaßnahmen beschreibt der deutsche Leiter der EU-Verteidigungsagentur wie folgt:
 
Aufbau einer Helikopterflotte zur Aufstandsbekämpfung in den Entwicklungsländern, neue Schritte zur totalen Überwachung der Weltmeere, Einsatz von Drohnen, den unbemannten Kampfflugzeugen. Wie es beim EUISS heißt, erhält die Bereitstellung zivilen Know hows für militärische Anwendungen bei der Umsetzung des Rüstungsprogramms einen zentralen Stellenwert. Wie das EUISS in einer aktuellen Studie schreibt, würden die Kriege der Zukunft nicht mehr zwischen Staaten geführt, sondern zwischen »ungleichen sozioökonomischen Klassen der Weltgesellschaft« (unequal global socio-economic classes of the society). Auf der einen Seite dieser hierarchischen Klassengesellschaft stehe dabei eine metropolitane Elite, die sich aus transnational operierenden Konzernen, den Staaten der OECD und den aufstrebenden Wirtschaftsmächten Indien, China und Brasilien zusammensetze. Diese werde von Seiten der weltweiten Armutsbevölkerung mit »zunehmend explosiven Spannungen« konfrontiert, heißt es. Um einen Zusammenbruch des globalen Wirtschaftssystems zu vermeiden, fordert das Institut, gegen die »untere Milliarde« der Menschheit, der bottom billion, das »gesamte Spektrum hochintensiver Kampfmaßnahmen in Anschlag zu bringen«.
 
Sperroperationen
Als »zentrale militärische Aufgabe« beschreibt das EUISS die Abwehr von Elendsflüchtlingen aus den Ländern des Südens. Groß angelegte Sperroperationen, heißt es, müßten den reichen Teil der Welt vor den »Spannungen und Problemen der Armen schützen«. Laut EUISS ist davon auszugehen, daß der Anteil der von Perspektivenlosigkeit und Armut betroffenen Menschen an der Weltbevölkerung weiter zunehmen wird [Anmerk. politonline: wobei man nicht fehlgehen dürfte, wenn man den größten Teil der Schuld für einen solchen  Niedergang, träte er denn wirklich ein, den der angeblichen Elite zugehörenden Konzernen anlasten würde]. Daher sei es unumgänglich, das bereits außerordentlich rigide Regime an den Außengrenzen der EU drastisch zu verschärfen.
 
Universelle Schätze
Das EUISS setzt die Abwehr von Armutsflüchtlingen in direkte Beziehung zum globalen ökologischen Krisenmanagement. So könnten durch den Klimawandel verursachte Naturkatastrophen zu plötzlichen Migrationsströmen in die EU führen, die mit Hilfe des Militärs gesteuert werden müßten. Darüber hinaus sollten die reichen Länder des Nordens natürliche Ressourcen wie tropische Regenwälder oder Fischgründe in den südlichen Armutszonen militärisch gegen unerwünschten Zugriff absichern, fordert das Institut: Es handle sich dabei um universelle Schätze, die der Verfügungsgewalt einzelner Staaten zu entziehen seien. Die für die projektierte globale Interventionsstrategie notwendigen rüstungstechnischen Erfordernisse beschreibt in der vorliegenden EUISS-Studie der Deutsche Alexander Weis. Weis leitet seit 2007 die Europäische Verteidigungsagentur der EU (European Defence Agency, EDA); zuvor hatte er die Hauptabteilung Rüstung im  Bundesverteidigungsministerium geführt. Seiner Auffassung nach stehen zahlreiche konkrete Arbeiten bei der Entwicklung von Waffensystemen an, wobei der Aufbau einer Helikopterflotte zur Aufstandsbekämpfung in den Entwicklungsländern vorrangig sei. Zwar verfügten die Staaten der EU über insgesamt 1.700 Kampfhubschrauber; allerdings seien diese oft nicht für den Einsatz über anspruchsvollem Gelände wie Wüsten oder Gebirgszüge geeignet. Weiteren Nachholbedarf sieht Weis auf dem Gebiet des Lufttransports zur Verlegung von Truppen und Kriegsmaterial in die EU-Interventionsgebiete und bei der Überwachung der Weltmeere. Um die eigenen Streitkräfte zu schonen und hohe Verluste unter den Soldaten zu vermeiden, sollen bei den Interventionskriegen der Zukunft nach Weis' Vorstellungen außerdem vermehrt Drohnen zum Einsatz kommen. Besonderen Wert legt Weis auf den Ausbau von weltraumgestützten Spionagesystemen. Daher sei die zivil-militärische Kooperation mit der Europäischen Weltraumagentur (European Space Agency, ESA) zu forcieren. Dies habe jedoch nichts mit der Militarisierung ziviler Projekte zu tun, behauptet Weis: Vielmehr müsse der dual use, die Verwendung bestimmter Technologien für zivile wie militärische Zwecke, verstärkt werden, um zu verhindern, daß »Geld zweifach ausgegeben wird«.
 
Strategische Position
Das EUISS, in dessen Auftrag Weis zu seinen Erkenntnissen gelangt, wurde Anfang 2002 in Paris gegründet und arbeitet nach eigener Aussage als autonome Agentur an Plänen für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Deutschland hat innerhalb des Instituts eine strategische Position besetzt: Die Politologin und Osteuropa-Expertin Sabine Fischer, vormalige Mitarbeiterin der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, untersucht hier die Beziehungen zu Russland. Moskau wird beim EUISS zugleich als Gegner und als möglicher Partner im projektierten internationalen Klassenkrieg betrachtet.
 
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57603 vom 4.09.2009 Internationaler Klassenkrieg; eigener Bericht von GFP [von uns leicht gekürzt]