Repressionswelle in Chiapas - Von Luz Kerkeling

d.a. Anfang Februar dieses Jahres erklärte BR Leuthard anlässlich Ihres Besuches in Mexiko, dass eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Mexiko beiden Ländern Vorteile bringen solle.

Es war gleichzeitig die Rede davon, zwei Seminare zu organisieren, um die Unternehmen über sich bietende Chancen zu informieren. Das ganze Elend, das die Einwohner der Provinz Chiapas im Südosten Mexikos seit Jahren zu vergegenwärtigen haben, kam offenbar mit keiner Silbe zur Sprache. Wie wäre das auch von unserer Obrigkeit zu erwarten, das widerspräche doch der political correctness, auf Grund der es inzwischen fast unmöglich geworden ist, in zahlreichen Belangen Klartext zu reden. Im Gegensatz hierzu legt der nachfolgende Artikel von Luz Kerkeling die Verhältnisse sehr wohl dar:
 
Paramilitärs attackieren linke Organisationen - Brandanschlag auf Frauenzentrum
Im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas eskaliert die paramilitärische und staatliche Gewalt gegen linke Organisationen. Am 30. September wurde José Manuel Hernández Martínez in der Gemeinde 28 de Junio von Sicherheitskräften, die sich als Arbeiter der staatlichen Elektrizitätskommission CFE verkleidet hatten, festgenommen. Hernández alias  »Chema« ist eine historische Führungspersönlichkeit der Bäuerlichen Organisation Emiliano Zapata (OCEZ) im Kreis Venustiano Carranza, die dort seit den 80er Jahren Ländereien besetzen und zahlreiche Projekte für ihre Basis durchsetzen konnte. Bei der Operation wurde das OCEZ-Mitglied Jordán López erschossen, mindestens drei weitere Bauern wurden verletzt, als sie sich ihrer Verhaftung widersetzen wollten. »Chema« wird vorgeworfen, der marxistischen Guerilla Revolutionäres Volksheer (EPR) anzugehören, was von der OCEZ vehement zurückgewiesen wird. Die Kampffront für den Sozialismus (FNLS), zu der die OCEZ gehört, fürchtet, daß »Chema« - wie viele soziale Aktivisten - spurlos »verschwinden« könnte und macht Gouverneur Juan Sabines von der sozialdemokratischen PRD direkt für die Repression verantwortlich.
 
Kurz vor der Verhaftung am 26. September war ein Brandanschlag auf die neuen Räumlichkeiten der Frauenorganisation Kinal Antsetik in San Cristóbal verübt worden. Die unabhängige Gruppierung fördert Bildungsprojekte und Kooperativen in Chiapas. Es gelang den indigenen Frauen, die auf dem Gelände leben, den Brand zu löschen. Kinal Antsetik sorgt sich nun um die körperliche Unversehrtheit ihrer Angehörigen und besonders der Mitarbeiterin Yolanda Castro. Mexikanische Behörden ermittelten gegen sie wegen des Vorwurfs, Angehörige bewaffneter Gruppen zu sein. Kinal Antsetik geht davon aus, daß der Staat ihre Arbeit als Menschenrechtsverteidigerin kriminalisieren will. In der Menschenrechtsarbeit habe Castro jüngst eine besondere Rolle eingenommen, da sie immer wieder Angehörige von Gefangenen und verschwundenen Personen juristisch begleitete. Bereits am 18. September attackierten etwa 60 Personen mit Steinen, Stöcken und Schußwaffen den Anwalt Ricardo Lagunes, als dieser sich nach einer Besprechung in der indigenen Gemeinde Jotolá auf den Heimweg machen wollte. Der Anwalt, der für das international renommierte Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas arbeitet, wurde schwer zusammengeschlagen und entging nur knapp einem Lynchmord, da ihm Gemeindemitglieder zu Hilfe eilten. Bei der Befreiungsaktion eröffneten Paramilitärs das Feuer und verletzten Carmen Aguilar aus San Sebastian Bachajón schwer. Thomas Zapf, Mitarbeiter des Internationalen Friedensdienstes (SIPAZ) in San Cristóbal, bezeichnete in einem Interview die jüngsten Attacken als »Ausdruck einer neuen Qualität von Repression«. Es sei besorgniserregend, daß in Chiapas selbst vor Angriffen auf Menschenrechtsaktivisten nicht mehr zurückgeschreckt würde. Hintergrund der Auseinandersetzungen sind neben der Angst der Oligarchie vor einer weiteren Stärkung linker Basisbewegungen Landstreitigkeiten und Entwicklungsprojekte in der Region. Sowohl die Regierung Chiapas als auch die mexikanische Bundesregierung unter Präsident Felipe Calderón von der konservativ-neoliberalen Partei der Nationalen Aktion (PAN) fördern Monokulturen, Autobahnen und Tourismusprojekte in Zusammenarbeit mit multinationalen Konzernen, ohne die jeweils betroffenen Gemeinden zu konsultieren.
 
 
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/10-06/063.php
Zur Situation in Mexiko siehe auch
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1195
IWF - NEIN zu 10 Milliarden $ für den Internationalen Währungsfonds