Haiti - Schon streiten sich die USA, Frankreich und Brasilien um die Vorherrschaft in diesem bitterarmen Land

politonline d.a. Den Grund hierfür dürfte der bislang wenig publik gemachte Fakt sein, demzufolge Haiti von Erdöl sozuagen überquillt.

Damit erklärt sich im Prinzip auch die starke Präsenz der US-Tuppen. Zugunsten der USA tritt der Fakt hinzu, dass die durch die Katastrophe überforderte Regierung von Präsident René Préval die Hoheit über den Flughafen in Port-au-Prince inzwischen an die USA abgetreten hat, wodurch US-Truppenflüge bevorzugt Landeerlaubnis in Haiti erhalten und Flugzeuge von Hilfsorganisationen aus anderen Ländern vielfach in die Dominikanische Republik umgeleitet werden mussten. »Man kann hier«, so der Autor Artur P. Schmidt, »mit Fug und Recht von einer Annexion des haitianischen Flughafens durch die USA sprechen. Sicherlich trug zum Chaos auf der Insel auch bei, dass die UNO-Friedensmission im entscheidenden Moment führungslos war, da deren Leiter Hédi Annabi und sein Stellvertreter Luiz Carlos da Costa bei dem Beben getötet wurden. Jedoch hätte die UNO schneller reagieren und Führungskräfte von aussen in dasLand bringen müssen. Schliesslich ist die Insel seit 2004 de facto ein UNO-Protektorat und schon deshalb muss die UNO die Hilfe koordinieren und nicht die USA, deren Hilfsabsichten sich womöglich als trojanisches Pferd zur Sicherung des amerikanischen Einflusses entpuppen können. Wer glaubt den amerikanischen Lügenbaronen ihr humanitäres Gesäusel, wenn die Hilfe so schleppend und unprofessionell verläuft wie in den letzten Tagen.« 1. Und wer wäre angesichts der jüngeren Geschichte Haitis noch geneigt, den Worten von Ministerpräsident Jean-Max Bellerive und Staatschef Préval zu glauben, dass die US-Truppen auf ihre Bitte hin und nur deswegen im Land seien, um »uns in Sicherheitsangelegenheiten und humanitären Dingen und zu helfen.« Es bleibt zu hoffen, dass die von dem französischen Minister für Zusammenarbeit mit den frankophonen Ländern, Alain Joyandet, ausgesprochene Forderung, dass es jetzt wichtig sei, Haiti zu helfen und nicht, es einzunehmen, Gehör findet.  
 
Wenig Bekanntes zu den Ressourcen des Landes
Bereits im Januar 2008 lag der Bericht der Wissenschaftler Daniel et Ginette Mathurin vor, demzufolge der Boden Haitis reich an Kohlenwasserstoffen und fossilen Brennstoffen ist, die sowohl von den eigenen als auch von fremden Experten erfasst sind 2. »Wir haben 20 Erdöllagerstätten festgestellt«, so Daniel Mathurin, wovon 5 von Spezialisten und Politikern als ungemein wertvoll eingestuft werden. Dazu gehören hauptsächlich die Region Thomonde in der Zentralhochebene, dann die als Cul-de-sac (Sackgasse) bezeichnete Ebene und die Bucht von Port-au-Prince, die von Erdöl überfliessen. Mathurin fügt hinzu, dass die Erdölreserven von Haiti bedeutender als die Venezuelas sind und erklärt hierzu: »Man stelle ein Glas Wasser neben ein olympisches Schwimmbecken, um die Bedeutung des Erdölvorkommens Haitis mit dem von Venezuela  zu vergleichen.« Mathurin deckt auf, dass es die Untersuchungen mehrerer vorheriger Regierungen ermöglicht haben, das Vorhandensein dieser Erdöllagerstätten zu verifizieren und erinnert daran, dass ein Dokument der Fanmi Lavalas-Partei, die 2004 an der Macht war, die zahlreichen Vorkommen von Kohlenwasserstoffen genau angibt. Auch das Seengebiet mit Städten wie Thomazeau und Cornillon schliesst bedeutende Erdöllager ein. Hinsichtlich der Frage, weshalb diese Vorkommen bislang nicht ausgebeutet wurden, präzisiert Ginette Mathurin, dass diese zu strategischen Reserven der Vereinigten Staaten erklärt wurden; wörtlich: »Interrogée sur la non-exploitation de ces sites, Ginette Mathurin a précisé que ces gisements sont déclarés réserves stratégiques des Etats Unis d’Amérique.« All diese Entscheidungen, sei angemerkt, werden wie üblich hinter dem Rücken des Volkes getroffen und setzen praktisch voraus, dass die regierende Schicht und vermutlich auch die Oberschicht des Landes hieran aktiv beteiligt sein müssen. Indem Ginette Mathurin darlegt, dass eine derartige Situation für sie selbst unverständlich ist  - wie auch für jeden von uns - ruft sie in Erinnerung, dass die Karibik als der Hinterhof der USA betrachtet wird. Gleichzeitig erinnern die beiden Wissenschaftler daran, dass die USA im Jahr 2005 die Exploration der strategischen Reserven der USA autorisiert hatte. Diese Öffnung, fügt Daniel Mathurin hinzu, muss von den Politikern Haitis dazu genutzt werden, um Verhandlungen mit US-amerikanischen Konzernen anzubahnen, damit die Möglichkeit der Ausbeutung der eigenen Lagerstätten in Angriff genommen werden kann. Von Seiten der  Experten wird behauptet, dass die Regierung von Jean-Claude Duvalier das Vorhandensein von Erdöl in der Bucht von Port-au-Prince kurz vor dessen Sturz überprüft hatte. Darüber hinaus haben Daniel und Ginette Mathurin aufgedeckt, dass in mehreren Regionen Vorkommen von Uran 238 und Zirconium existieren, hauptsächlich in Jacmel.  
 
Mit anderen Worten: Haiti sitzt auf ungeahnten, nicht erschlossenen Schätzen, während die Mehrheit der Bevölkerung seit Jahrzehnten darbt. Aus dem Ganzen lässt sich folgern, dass das Land bislang offensichtlich daran gehindert worden sein muss, diese für die Haitianer zu erschliessen. Es wäre nicht die einzige schreiende Ungerechtigkeit, die trotz zahlloser kostenverschlingender Sitzungen des Menschenrechtsrats, der in meinen Augen bislang wenig bis nichts ausgerichtet hat, zu konstatieren ist.
  
Noch am 21. 1. hatte die britische Tageszeitung The Telegraph gemeldet, dass das US-Militär, dessen Luftstreitkräfte wie bereits vermerkt den Flughafen unter Kontrolle haben, während die US-Marines zentrale Posten wie die Krankenhäuser besetzt halten, keine von anderen Ländern gesandten Hilfsgüter durchlassen 3. Die Ärzte ohne Grenzen gaben bekannt, dass die US-Soldaten ihrer Maschine mit einem mobilen Spital an Bord die Landeerlaubnis verweigert hatten, so dass diese in der Dominikanischen Republik landen musste, was die für das Spital bestimmte Lieferung um fast 48 Stunden verzögerte und eine unbekannte Anzahl von Leben kostete. Über die US-Soldaten haben sich auch Vertreter Brasiliens, Frankreichs und anderer Staaten beschwert, schreibt der Telegraph. Nachdem einer französischen Maschine mit Hilfsgütern die Landung in Port-au-Prince verweigert wurde, äusserte der französische Aussenminister Bernard Kouchner am Vorgehen der USA Kritik. Man würde gerne erfahren, ob er gewillt ist, diese Kritik auch in Davos an der Versammlung der von der Presse vorzugsweise als illustreWEF-Mitglieder bezeichneten Führungspersonen aus Politik und Wirtschaft vorzutragen. Die Anwesenheit von derzeit 12.000 US-Soldaten, die um weitere 4.000 Mann aufgestockt werden sollen, begründet die US-Regierung mit einem akuten Bedarf Haitis an Militär. Wenigstens hatte Boliviens Präsident Evo Morales wissen lassen, dass seine Regierung eine Dringlichkeitssitzung in der UNO verlange, um, wie er sagt, »die militärische Okkupation Haitis durch die US-Streitkräfte« zu verurteilen.
 
Mark Weisbrot 4 schreibt im britischen Guardian offen: Die US hat nie gewollt, dass sich Haiti selbständig regiert und die für sie im Brennpunkt stehende Sicherheit hat die Erdbebenhilfe behindert; die US-Hilfe in Form von Wasser und Nahrung setzte erst sechs Tage nach dem Beben ein. Wie er u.a. berichtet, erklärte Jarry Emmanuel, Logistik-Offizier des UN World Food Programme, am 17. 1., dass jeden Tag 200 Flüge nach und von Haiti erfolgten, was für ein Land wie Haiti eine unglaubliche Zahl darstellt….. Aber die meisten Flüge sind für das US-Militär. Um die Obsession der US-Regierung mitSorgen um die Sicherheit zu begreifen, schreibt Weisbrot ferner, ist es nötig, die jüngste Geschichte von Washingtons Verwicklung in Haiti zu betrachten. Schon lange vor dem Erdbeben war Haitis Elend mit dem vieler Obdachloser in den Strassen der USA vergleichbar: zu arm und zu schwarz, um die gleichen verfassungsmässigen Rechte wie andere Bürger ihr eigen nennen zu können. Als ein von der USA unterstützter Militärcoup die gewählte Regierung Venezuelas im Jahr 2002 vorübergehend stürzte, reagierten die meisten Regierungen in der Hemisphäre rasch und halfen, die Rückkehr der Demokratie zu erzwingen. Als jedoch zwei Jahre später der demokratisch gewählte Präsident Haitis, Jean-Bertrand Aristide, von der USA entführt und ins Exil nach Afrika geflogen wurde, war die Reaktion hierauf gedämpft. Dieser Staatsstreich trug sich also gerade vor 6 Jahren zu und kann nicht als »ehemalige Geschichte« Haitis abgetan werden. Zusammen mit Kanada und Frankreich konspirierte die USA vier Jahre lang offen, um Haitis gewählte Regierung zu stürzen; sie schnitten fast die gesamte internationale Hilfe für das Land ab, um die Wirtschaft zu zerstören und das Land unregierbar zu machen. Darin waren sie erfolgreich. Für diejenigen, die sich wundern mögen, warum es in Haiti keine Regierungsinstitutionen gibt, die Erdbebenhilfe leisten könnten, sei dies als relevanter Grund angeführt. Für solche, die sich die Frage stellen, warum 3 Millionen Leute in der Region, wo das Erdbeben erfolgte, zusammengepfercht sind, gibt es folgende Antwort: Weil die US-Politik über die Jahre hinweg dazu beigetragen hat, auch die Landwirtschaft Haitis zu zerstören, indem sie zum Beispiel den Import von subventioniertem Reis aus der USA erzwang und so die Existenz von Tausenden von haitianischen Reisbauern zunichte machte.
 
Aristide war 1991 gerade nach sieben Monaten durch Militäroffiziere gestürzt worden; später wurde entdeckt, dass die Todesschwadronen im Sold der CIA standen. Jetzt möchte Aristide in sein Land zurückkehren, was die Mehrheit der Bevölkerung Haitis schon seit seinem Sturz gefordert hat. Aber die USA möchte ihn dort nicht haben. Und die Regierung von René Préval, vollständig der USA verpflichtet, hat entschieden, dass es der Partei Aristides nicht erlaubt wird, sich an den (ursprünglich für nächsten Monat vorgesehenen) Wahlen zu beteiligen. Die Angst der USA vor der Demokratie kann somit eine Erklärung dafür sein, warum die USA nun 10.000 Mann nach Haiti sendet und der Sicherheit den Vorrang vor anderen Notwendigkeiten einräumt. Die militärische Besatzung wird, je nachdem, wie lange sie anhält, weitere Bedenken in der dortigen Hemisphäre auslösen, so wie auch die kürzlich in Kolumbien erfolgte Expansion der US-Militärpräsenz auf grosse Unzufriedenheit und Misstrauen gestossen ist.
 
Wie Weisbrot abschliessend schreibt, bleibt die Frage offen, ob »Washington dazu ermutigen wird, die Errichtung einer funktionierenden Regierung zu vollziehen, oder ob es eine solche aus Gründen seiner lange bestehenden Opposition gegen ein sich selbst regierenden Haiti verhindern wird, indem es die (finanzielle) Hilfe über die NGOs kanalisiert und diverse Funktionen selbst übernimmt. Wenig vertrauenserweckend erscheint mir die Aussage von US-Aussenministerin Hillary Clinton: Bei einem Blitzbesuch auf dem Flughafen betonte sie, dass die USA auf Einladung der haitianischen Regierung hier sei: »Wir sind heute hier, wir werden morgen hier sein und in der Zeit, die vor uns liegt.« Dies dürfte genau dem entsprechen, was Wayne Madsen, ehemaliger Mitarbeiter der National Security Agency der USA, soeben erklärt hat 5: Die US-Truppen befinden sich in Haiti, um die Rückkehr von Aristide zu verhindern, was durch den Entscheid, Aristides Partei nicht zu den Wahlen zuzulassen, womöglich so gut wie abgesichert ist.
 
Die vielversprechender Erklärung Hillary Clintons zur US-Präsenz sei durch einen kurzen Rückblick auf die grauenhaften Verhältnisse in Haiti ergänzt, wie ihn John Pilger in seinem Buch Verdeckte Ziele festgehalten hat: Der haitianische Diktator General Prosper Avril liess die übel zugerichteten Opfer seiner Folterungen gern im Fernsehen vorführen. Als er gestürzt wurde, flog ihn die US-Regierung eilends nach Florida aus. Der berüchtigte Anführer der haitianischen Todesschwadronen, Emanuel Constant, dessen Schlägertruppen Haiti terrorisierten und ihre Opfer mit Macheten zu verstümmeln pflegten, lebt unbehelligt in New York, was zumindest eine Phase der zurückliegenden Partnerschaft der USA mit Haiti charakterisiert. Gregory Palast notiert recht drastisch 6: Es gibt keine natürliche Katastrophe: 200.000 Haitianer wurden durch Slumsiedlungen und Spar-Pläne des Internationalen Währungsfonds ermordet. Wie konnte Haiti in diesen wirtschaftlich geschwächten Zustand geraten, mit einer Infrastruktur, die, von Krankenhäusern bis zur Wasserversorgung, ruiniert oder nicht existent ist, also dermassen brüchig, dass das Land nur mehr darauf wartete, von der Natur fertiggemacht zu werden?  Doch an diesem Sterben und all dieser Zerstörung ist keineswegs die Mutter Natur schuld. Diese Schande geht an Papa Doc und Baby Doc, die Diktatur der Duvaliers, die die Nation 28 Jahre lang ausplünderten und geschätzte 80 % aller Entwicklungshilfe in ihre eigenen Taschen steckten - in Komplizenschaft mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die froh war, die Duvaliers und ihre Voodoo-Miliz Tonton Macoutes als Verbündete im Kalten Krieg auf ihrer Seite zu haben. [Der Krieg wurde leicht gewonnen: die Mordkommandos der Duvaliers töteten an die 60.000 Gegner des Regimes] Was die Duvaliers nicht zugrunde  richteten, erledigte der IWF mit den genannten Spar-Plänen. Ein Sparplan ist eine Form des Voodoo, von Wirtschaftswissenschaftern betrieben, die von dem Irrglauben zombifiziert sind, dass die Einschränkung der öffentlichen Dienste einem Land irgendwie helfen wird, sich gut zu entwickeln.     
  
 
1 http://www.mmnews.de/index.php/201001194714/MM-News/Haiti.html   19.1.10
Haiti: Die Hilfe-Katastrophe - Von Dr.-Ing. Artur P. Schmidt
2 http://www.metropolehaiti.com/metropole/full_une_fr.php?id=13439 28. Januar 2998
Haïti regorge de pétrole affirment Daniel et Ginette Mathurin 3http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=21012010ArtikelPolitikRIA2   21. 1. 10
4 http://www.countercurrents.org/weisbrot210110.htm   21.1.10 THE GUARDIAN
Haiti Needs Water, Not Occupation By Mark Weisbrot
5 http://onlinejournal.com/artman/publish/article_5481.shtml   19. 1. 2010 U.S. troops in Haiti to prevent Aristide’s return By Wayne Madsen
6 http://zmag.de/artikel/der-rechte-hoden-der-hoelle-geschichte-eines-haitianischen-voelkermords   17.1.2010 Der rechte Hoden der Hölle: Geschichte eines haitianischen Völkermords - Blackwater vor Trinkwasser - von Gregory Palast
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=5 und
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1405
John Pilger Verdeckte Ziele, Verlag Zweitausendeins Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-86150-632-7