Die Internationale Gemeinschaft - wiederum gut für alles - Von Doris Auerbach

Afghanistan fährt fort, die Taschen des Steuerzahlers in einem von mir als nicht mehr vertretbar betrachteten Ausmass zu belasten,

zumal allein die Verschuldung der EU-Staaten rasant um sich greift und die Regierungschefs diesen mehr als makabren Fakt bei derartigen Zusagen offenbar jeweils aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen scheinen. Denn in Tat und Wahrheit wäre es ihre vordringlichste Verpflichtung, die eigenen Bürger von dem Joch ihrer Verschuldung schrittweise zu befreien, zumal die Arbeitslosigkeit in der EU derzeit ein Rekordhoch erreicht hat; Schätzungen zufolge waren letzten Dezember in der gesamten EU 23.012 Millionen Menschen arbeitslos, die alle ernährt sein wollen.
 
Wie nicht anders zu erwarten, wurde Afghanistan auf der in London abgehaltenen Konferenz dennoch erneut mit einem von uns zu erarbeitenden Geldsegen bedacht. Bis Ende 2010 sollten es rund 8,7 Milliarden Euro sein 1. Nicht umsonst zeigten Londoner Demonstranten Schilder mit der Aufschrift: Your taxes pay for war! Und dieser Krieg kostet heute jede Woche eine Million US-$. Gleichzeitig ergeht sich die UNO in Wehklagen ob des steigenden Hungers auf diesem Globus. Auch wenn Macht der UNO, uns Gesetze aufzuerlegen, ungebrochen ist, so ist es dennoch jenseits ihrer Macht und der des ebenfalls anwesenden  Generalsekretärs Ban Ki Moon, eine unmittelbare Beendigung dieses mörderischen Kriegs  durchzusetzen, wie es die Vernunft diktierte.
 
Weitere Ziele sind der Aufbau einer nationalen afghanische Armee mit bis zu 70 000 Soldaten, die Entwaffnung der illegalen Milizen und die Schaffung einer soliden Grundlage für die Wirtschaft, die uns mit Sicherheit zusätzliche finanzielle Opfer abverlangen wird. Noch Mitte 2008 hatte der UNO-Sonderbeauftragte Kai Eide erklärt, die Afghanistan-Konferenzen dürften nicht blosse Veranstaltungen sein, auf denen Geberstaaten Geld versprechen, woraufhin vereinbart wurde, die Afghanen stärker zur Verantwortung zu ziehen. Es sieht dennoch absolut nicht so aus, als würde dieser Aufforderung Folge geleistet. Insgesamt gibt man sich optimistisch. Bezüglich der angestrebten Reintegration der Talibankämpfer, die ausnahmsweise einmal ihrer üblichen Bezeichnung als Terroristen entgingen, ist geplant, die unteren Ränge und Mitläufer mittels eines Entwicklungsfonds für Unruhegebiete zu erreichen. Dieser Versöhnungsfonds wird etwa 500 Millionen $ schwer sein. 15 % dieser Summe wird die deutschen Bundesregierung bereitstellen, ungeachtet des Fakts, dass diese ihre Bürger gleichzeitig mit einer Neuverschuldung belasten muss, die schlussendlich die Unsumme von annähernd 100 Milliarden € erreichen wird. Damit errechnen sich 2010 für jedermann, vom Kleinkind bis zum Greis, knapp 25.000.- €, mit denen man in der Kreide steht. Dies hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel keineswegs von ihrer Ankündigung ab, »mehr Soldaten und Polizisten nach Afghanistan zu schicken und die Entwicklungshilfe ungefähr zu verdoppeln«, was von Gastgeber Gordon Brown selbstverständlich ausdrücklich begrüsst wurde. Eine Begrüssung, die sich zu Hause mitnichten wiederholen dürfte. Es ist ohnedies schon lange nicht mehr ersichtlich, wo hier noch eine Verhältnismässigkeit herrschen soll.
 
Das Dauerübel, die Korruption
Hinsichtlich derselben, die längst Unsummen der uns auferlegten Spenden schonungslos verschlungen hat, und dies nicht nur in Afghanistan, sondern, um sich zeitgemäss auszudrücken, global, wäre im Zuge des Konferenz-Portraits noch das eine oder andere festzuhalten: So ernannte Präsident Karsai soeben eine der berüchtigsten Figuren der afghanischen Politik, den Warlord Abdul Rahid Dostum, zum Generalstabschef, womit sein Karriereknick beendet ist. Zumindest vorläufig! Dieser war 2008 wegen massiver Korruption entlassen worden, hatte sich aber letztes Jahr offenbar mit Nachdruck für die Wiederwahl Karsais eingesetzt und massgeblich zu dessen Sieg beigetragen. General Dostum, ein Tadschike, war mit seiner Elitetruppe über Jahre hinweg eine der Hauptstützen der kommunistischen Regierungen unter Babrak Karmal und Mohammed Nadschibullah gewesen. Als die Zeichen schlechter wurden, lief er im Jahre 1992 zu den Fedayin über und verursachte damit den Sturz der zur Volksfront gewandelten Regierung Nadschibullahs, der vier Jahre später beim Einzug der Taliban in Kabul von diesen bestialisch gelyncht wurde. Dostum ging für Jahre ins Exil, u.a. in die Türkei, diente sich aber nach 2001 den neuen Herren an. Um das Jahr 2000 herum längst auf der Gehaltsliste der CIA, wurde er eine der Stützen Karsais und widmete sich ansonsten seinen Geschäften, vor allem im Drogenanbau und im Abgreifen ausländischer Wirtschaftshilfe. 2008 hatte er es aber mit allen verdorben. Auch jetzt stösst seine erneute Berufung seitens der Besatzungsmächte auf Widerspruch. Der britische Aussenminister David Miliband kündigte an, Druck auf Hamid Karsai ausüben zu wollen, bis dieser seine Berufung wieder zurücknähme. Auch die örtlichen US-Kommandeure haben ihr Missfallen ausgedrückt 2. Inwieweit diese Interventionen von Einfluss sein werden, muss sich jedoch erst noch erweisen .
 
Was den Mohnanbau betrifft, so findet sich eine erschöpfende, unverändert aktuelle Übersicht auf http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1028 in dem Artikel Afghanistan: Drogen. Karsai entgegnete in London auf die Kritik an dem schleppenden Kampf gegen die Opiumwirtschaft, »dieser werde noch mindestens zehn bis fünfzehn Jahre dauern. Er sei zu naiv gewesen, als er vor drei Jahren das Präsidentenamt angetreten habe.« Es ist schon erstaunlich, mit welcher Kaltblütigkeit uns eine Sichtweise wie diese dargelegt wird. Von Naivität kann schon gar keine Rede sein, zieht man in Betracht, dass »Karsai ja ein Produkt der Neocons war und ein Agent der CIA ist, auf deren Gehaltsliste er stand«, wie dies der an den Universitäten Marburg, Kassel und Giessen internationale Politik lehrende Afghane Dr. Matin Baraki erklärt hat 3. Wie hiess es doch in einer angeblich von Osama Bin Laden stammenden Meldung Ende September letzten Jahres, in der er die Europäer dazu drängte, ihre Truppen aus Afghanistan zurückzuziehen, was angesichts des Wahnsinns des dort fast täglich vernichteten Lebens, für immer verstümmelter Kriegsopfer und körperlich und seelisch gebrochener Folteropfer das einzig richtige wäre. »Ein intelligenter Mensch«, so Bin Laden, »vergeudet sein Geld und seine Söhne nicht für eine Bande Krimineller in Washington
 
Ahmad Wali Karsai, der in Drogengeschäfte verwickelte Bruder des Präsidenten, ist, wie Matin Baraki im Mai letzten Jahres schrieb 4, Vorsitzender des Rates der Provinz Kandahar und kassiert jährlich 20 Millionen US-Dollar Schutzgelder von den Heroinhändlern. Ein weiterer Bruder Karsais, nämlich Abdul Qaium Karsai, gehört zu den mächtigsten Politikern im Süden Afghanistans. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dort ohne die Brüder Karsai keine Entscheidung fällt. Dementsprechend sieht auch ihr Einkommen aus: Es setzt sich aus Drogen-, Schutz- und Erpressungsgeldern zusammen. Die US-Administration macht den Präsidenten persönlich für die ins Stocken geratene Zerstörung afghanischer Mohnplantagen verantwortlich. Kein Wunder, denn die Drogenbauern werden vorab über die Einsätze informiert, auch von ganz weit oben. Und ganz weit oben sitzt bekanntlich Präsident Karsai. »Jeder Bewohner von Kabul kann Ihnen zeigen, wo Drogenbarone leben; sie haben die grössten und schönsten Häuser in der Stadt«, schreibt Richard Holbrooke. Erst seit der Besetzung des Landes im Jahre 2001 wird in allen 32 Provinzen Afghanistans Mohn angebaut, zuvor nur in den an Pakistan angrenzenden Regionen.   
 
Endziel Kriegsausweitung
Wie Gerd Schumann von der jungen Welt schreibt 5, sollte darüber debattiert werden, wie der Besatzungszustand unter NATO-Kommando perspektivisch beendet werden könnte. »Real behandelt wurde am Londoner Konferenztisch indessen lediglich eine Frage: Wie können die westlichen  Besatzerstaaten ihren seit über 8 Jahren am Hindukusch geführten Krieg doch noch gewinnen? Die Antwort aus London lautet: Mit noch mehr Soldaten und dem Einsatz von noch mehr Geld und Material.« Vorgesehen sind eine Aufstockung der Besatzertruppen weit über die derzeit stationierten 113.000 Soldaten hinaus. Das entspricht, wie Schumann ausführt, der US-Strategie, den Krieg gegen die Aufständischen in allen Regionen des Landes militärisch zu forcieren, darüber hinaus auch auf pakistanischem Gebiet. Hierfür will Washington über 30.000 weitere GIs schicken, die übrigen NATO-Staaten 9000. Die Präsenz der deutschen Bundeswehr wird um 850 Soldaten erweitert. Des weiteren soll die »Aufstandsbekämpfung zunehmend unter afghanische Führung« gestellt werden. Zielvorgabe ist demnach, dass Kabul bis Ende 2011 insgesamt über 171.600 Soldaten und 134.000 Polizisten verfügt. Jedenfalls war Anfang dieses Monats in der USA nicht über das ob, sondern nur über das wie der Kriegsausweitung diskutiert worden: Die von Joe Biden vertretene Linie bedeutet, den Bodenkrieg im Hinblick auf die hohen Verluste so zu belassen wie er ist und den Spielraum der Aufständischen verstärkt aus der Luft einzuengen. Stanley McChrystal will den Krieg am Boden eskalieren und den Taliban und anderen eine Niederlage beibringen, wozu eine Aufstockung der Truppen gehört. General David Petraeus möchte, dass der Bodenkrieg eskaliert und die Luftschläge intensiviert werden. Auf alle Fälle - dafür haben Biden, Gates, Hillary Clinton und andere bereits plädiert - werde man dauerhaft im Land bleiben. Auch in Pakistan. Angeblich geht es dabei um den Kampf gegen den Terror, namentlich al-Qaida, in Wirklichkeit um die Kontrolle der Region 6. Daneben, heisst es, werden Forderungen an die Verbündeten ergehen, u.a. auch was die Art ihres Kampfauftrags angeht. Der Weg nach Vietnam ist vorgezeichnet. So liest man beispielsweise auch in der Berliner Umschau 7: »Keiner weiss, wie viele Taliban, als Armee- oder Polizeiangehörige getarnt, sich derzeit von den Westmächten militärisch ausbilden lassen. Wer das ernsthaft ändern wollte, müsste auch sagen, was das hiesse: Vietnamisierung des Krieges mit weit mehr Toten als bisher, jahrelanger Dauer und unabsehbaren Folgen für die ganze Region« - aber auch für uns selbst und für alle uns Regierenden.
 
Aussenministerin Clinton stellte noch einmal Grundzüge der neuen Afghanistan-Strategie von Präsident Obama vor, die auf viel Zustimmung traf. Dabei ging es etwa um ein verstärktes Augenmerk auf Pakistan, den bereits vermerkten intensivierten Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte und eine Verstärkung der Wirtschaftshilfe. Karsai lobte die neue Strategie, in deren Gefolge für die die internationale Gemeinschaft konstituierenden Steuerzahler das Anwachsen ihrer eigenen Verschuldung sozusagen programmiert ist. Ferner würdigte er die Fortschritte in seinem Land, zu denen offensichtlich die ungehinderte Einnahme besagter Millionen durch seine Brüder gehört, und dankte eben dieser internationalen Gemeinschaft für ihre Opfer. Zu diesen Opfern zählt auch der von Thomas Pany verzeichnete Fakt 8, dass der Grossteil der Staatsausgaben mittels der von der internationalen Gemeinschaft erbrachten Subventionen und Zahlungen finanziert wird. »Genannt werden besonders Ausgaben im Polizei-, Justiz-, Gesundheits- und Bildungssektor. Für die Zuschüsse der internationalen Geber habe man eigens den zweiten externen Haushalt eingerichtet - dass vieles davon in die Hände derjenigen gelangt, die der Westen ansonsten bekämpft, militante Gruppen resp. die Taliban, darauf wird immer wieder hingewiesen. Nach Zeitungsberichten geben Unternehmen, die mit dem Aufbau in unsicheren Gebietenbetraut sind, bis zu 20 % der Vertragssummen an die Taliban ab.«
 
Laut dem kürzlich veröffentlichten Bericht des UNODC, des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, halten sich die Geschäftsvolumen des Korruptionsbusiness und des Drogenhandels in etwa die Waage: Gemäss Schätzungen des UNODC steckten die Afghanen 2009 insgesamt 2,5 Milliarden $ in Bestechungszahlungen. Antonio Maria Costa, Chef der UNODC, erklärte Mitte Januar, dass einer von zwei Afghanen mindestens einmal im Jahr Bakschisch an einen Behördenmitarbeiter zahle. Die Einnahmen aus dem Opiumhandel sollen bei etwa 2,8 Milliarden $ liegen. Wie Thomas Pany am 26. Januar ferner schreibt, haben Fahnder einer Spezialabteilung des britischen Finanzministeriums, US-Drogenfahnder und Ermittler beider Staaten, die auf das organisierte Verbrechen spezialisiert sind, bei einer 19tägigen Untersuchung des Transits am Flughafen Kabul mehrmals Koffer voller Geldbündel entdeckt - insgesamt wurden in diesem Zeitraum 119 Millionen $ bei der Ausreise erwischt, auf den einzelnen Tag umgerechnet also ungefähr 6 Millionen $. Das meiste Geld war für die Vereinigten Emirate bestimmt. Jedoch sei nicht alles Geld illegaler Herkunft, so die Ermittler, die der Finanzierung der militanten Gruppen auf der Spur sind. Einiges Geld stammt demnach aus Währungsspekulationen und manches gehört zu den Geldströmen des Hawala-Systems, das Banksystem der Armen, ein in islamischen Ländern gebräuchliches informelles Überweisungssystem, das immer wieder den Verdacht westlicher Ermittler weckt.
 
Karsai selbst veranschlagt den Zeitraum bis zum Abzug der internationalen Truppen auf weitere »zehn bis 15 Jahre« 9; als Grund nannte er »fehlende Mittel für die Finanzierung von Streitkräften und Polizei«. Ob wir angesichts des drohenden Bankrotts einiger EU-Staaten überhaupt noch in der Lage sein werden, über diesen in meinen Augen unverantwortlich  langen Zeitraum hinweg finanzielle Mittel bereitzustellen, wird immer fraglicher, worüber sich Karsai offenbar keine Gedanken macht. Im Prinzip wäre die bedingungslos einzuhaltende Forderung an unsere Regierungschefs zu richten, die von Karsais Brüdern und anderen im Lande »eingesammelten Pfründe« unverzüglich sicherzustellen. Allein - auch dies würde auf absolut taube Ohren stossen, hat sich doch die internationale Gemeinschaft bislang auf keiner Geberkonferenz je zur Wehr gesetzt, so dass die Dinge in dem inzwischen reibungslos eingeschliffenen Modus bis zum bitteren Ende, nämlich unser aller leerer Kassen, ihren Verlauf nehmen werden. Darüber hinaus ist Karsais Worten eindeutig zu entnehmen, dass die bislang in sein kriegszerstörtes Land geflossenen Milliarden, wovon bekanntlich Unsummen in dunklen Kanälen versickert sind, immer  noch nicht ausreichen. Aber letztlich ist er ja Präsident eines Landes, »dessen Regime sich in der Vergangenheit vor allem durch Korruption auszeichnete.« Als hochgradig bedenklich und uns als Gebern gegenüber kaum mehr vertretbar betrachte ich auch die in Karsais Anwesenheit am 27. Januar in Berlin erfolgte Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel: »Selbst wenn alle Soldaten ausgebildet sind, wird die internationale Gemeinschaft dafür Sorge tragen, dass Armee und Polizei auch überlebensfähig sind«; wenn man Afghanistan zu schnell alleine lasse, gefährde man das eigene Wiederaufbauwerk - das, wie wir wissen, immer wieder aufs neue vielfachen Zerstörungen ausgesetzt ist. Sie warnte auch vor einem schnellen Abzug aus Afghanistan. Die »Nennung eines Datums wäre verantwortungslos«, proklamierte sie und »nahm«, wie Gerd Schumann folgerte, »das Ergebnis der Londoner Konferenz vorweg: Der Krieg geht weiter und wird intensiviert
 
Somit befinden wir uns im 9. Jahr der bewaffneten Einmischung in afghanische Angelegenheiten. »Je stärker das Legitimationsbedürfnis der Invasoren«, so Werner Pirker 10, »desto deutlicher tritt der illegitime Charakter dieses Krieges zutage. Er ist als »war on terror« ebenso unbegründet wie als »Befreiungskrieg«. Der wirkliche Befreiungskrieg richtet sich gegen die »Befreier«, wobei das afghanische Volk sein legitimes Recht auf Widerstand gegen eine Besatzungsmacht wahrnimmt. ….. Zumal sich das »nation building programme«, die Zurichtung einer Nation nach westlichen Vorgaben, in Afghanistan nicht verwirklichen liess. Und noch ist Karsai, in Wahrheit ein belangloser Kollaborateur, der sich ohne NATO-Truppen kaum drei Tage in Kabul halten könnte, an der Macht. Da er jedoch offensichtlich keinen Rückhalt in der Bevölkerung findet, umgibt er sich zwecks Erhalt derselben  nicht nur mit einer ganzen Reihe von mächtigen Kriegsverbrechern, sondern auch mit aktiven Mafiabossen, denen er höchste Positionen im afghanischen Polizeiapparat verschafft. Laut dem britischen Guardian belegen Dokumente, dass z.B. der Tadschike Amanullah Guzar in Erpressungen und Landraub grossen Stils verwickelt und ausserdem für die Entführung von drei Mitarbeitern der UNO Ende 2004 verantwortlich ist. Ihn hat Karsai nun trotz des Protestes der NATO-Besatzungstruppen zum Polizeichef von Kabul gemacht. Zugleich hat Karsai zwölf weitere ehemalige Mudschaheddin-Feldkommandeure, die über illegale Privatarmeen verfügen und in Drogenschmuggel und organisierte Kriminalität verwickelt sind, in Spitzenpositionen der Polizei befördert. Nach seiner Amtszeit, erklärt Matin Baraki, »wird Karsai kaum in Afghanistan bleiben können, man würde Hackfleisch aus ihm machen. Er wird entweder nach Dubai, wohin er seine Gelder transferiert hat, oder in die USA gehen, wo ihm eine afghanische Restaurantkette, ein afghanisches McDonald gehört. Damit wären die Afghanen ihren Schah Schuja, wie er verächtlich nach dem britischen Statthalter Kabuls im 19. Jahrhundert genannt wird, endlich los.« Letzteres dürfte nicht nur der Wunsch der Afghanen sein, sondern unser aller Wunsch, da wir uns unausgesetzt gezwungen sehen, die im Gefolge dieses Krieges, mit dem wir in Wirklichkeit nichts zu tun haben, entstehenden exorbitanten Kosten zu schultern. Abzuklären wäre ferner, welcher Anteil seiner Gelder im eigentlichen unsere Gelder sind, unsere Steuern! Man darf sich durchaus als unter die Räuber gefallen wähnen! Die gesamten Vorgänge lassen sich somit auch indirekt als Zerstörer des Wohlstands der EU-Länder betrachten. Umso empörender muss folgende von Barack Obama Ende September 2009 abgegebene Erklärung empfunden werden: »Dies ist keine amerikanische Schlacht, dies ist auch eine Nato-Mission«. Sollen wir jetzt auch noch offiziell zu dem Glauben bewegt werden, dass es sich bei der Zermalmung Afghanistans um eine Mission handelt? Aussprüche dieser Art werden von unseren Volksvertretern leider kaum je hinterfragt, so dass der  NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sozusagen grünes Licht hatte, als er betonte, dass sich die NATO nicht aus der Verantwortung stehlen wolle.  
 
Auch die Worte des britischen Regierungschefs stellen in meinen Augen eine groteske Verdummung dar, sieht er doch in der Londoner Konferenz tatsächlich den Beginn einer neuen Phase: »Diese Konferenz zeigt, dass die Völker der Welt mit einer Stimme sprechen. Vereint und entschlossen werden wir den Kampf gegen den globalen Terrorismus gewinnen. Vereint, um die afghanische Regierung bei ihren Bemühungen um Sicherheit zu unterstützen. Vereint in ihrer Entschlossenheit, das Richtige zu tun, um ein Leben mit mehr Wohlstand zu schaffen, frei von Terrorismus.« Geradezu vorbildlich abgefasst: Auf zig Afghanistan-Konferenzen, die jeweils Unsummen kosten, haben wir diesen Kernsatz schon in den verschiedensten Variationen vernehmen müssen, so dass sich beim Lesen von Browns hehren Worten akute Ermüdungserscheinungen einstellen. Geändert hat sich dennoch nichts. Wie soll dies auch möglich sein, solange der Krieg fortgeführt wird, den die darunter zugrunde gehende Bevölkerung ihrerseits als reinen Terror verspüren muss. Hier wird mitnichten mit einer Stimme gesprochen. Abertausende in der EU sind gegen diesen Krieg und Abertausende wissen, dass nach dem Ende dieses Infernos das Wort Wohlstand für lange Zeit endgültig gestorben sein wird.

 
1 http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E3C3A1BC904DB43069DDC9592B63D4868~ATpl~Ecommon~Scontent.html  28. 1. 10
2http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=27012010ArtikelPolitikKling1   27.1.10 General Abdul Dostum nach zwei Jahren zurück - Von James Kling
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1329  27. 9. 09 »Die Nato bräuchte eine Million Soldaten« - Gespräch mit dem Afghanistan-Experten Matin Baraki
4 http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1214   9. 5. 2009 Karsais Sonne geht unter - Von Matin Baraki
5 http://www.jungewelt.de/2010/01-30/059.php  US-Aufmarsch bei Kundus
Von Gerd Schumann
6http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=06102009ArtikelKommentareKling1  6. 10. 09  Eskalation oder Eskalation oder Eskalation - Obama-Administration diskutiert Ausweitung des Afghanistan-Krieges Von James Kling 7http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=11112009ArtikelKommentarKneffel1  11.11.09  Statt »Klartext« mehr Realismus - Die Afghanistan-Katastrophe muß sofort beendet werden - Von Charly Kneffel
8 http://www.heise.de/tp/blogs/8/146967   26. 1. 2010 Eine neue Klasse von Superreichen in Afghanistan« - Von Thomas Pany
9 http://www.jungewelt.de/2010/01-29/063.php Mehr Soldaten, mehr Geld - Von Gerd Schumann
10 http://www.jungewelt.de/2010/01-29/046.php
Der »Afpak«-Krieg - Strategiedebatte in London - Von Werner Pirker
Siehe insbesondere http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1071
Die Zerstörung Afghanistans - Von Matin Baraki