Iran

d.a. Inmitten der ausufernden Drohungen gegen den Iran warnt wenigstens einer vor den Folgen:

Der russische Generalstabschef Nikolai Makarow hat sich am 17. 2. vor der Presse in Moskau sehr kritisch gegenüber der US-amerikanischen Aussen- und Militärpolitik geäussert. Konkret warnte der hohe Militär vor einem Militärschlag gegen den Iran. Dieser könne »schreckliche Folgen« haben. Alexander Lukojanow vom Institut für Orientalistik an der Akademie der Wissenschaften erklärte ergänzend, es gebe objektiv gesehen keine Gründe dafür, nicht mit dem Iran zu einer Einigung in Sachen Urananreicherung zu kommen. Das Problem sei nur das mangelnde Vertrauen zwischen dem Iran und den Westmächten. Der Iran bestehe im Prinzip darauf, dass er sofort, wenn er schwach angereichertes Iran abgibt, hochangereichertes bekomme. Man wolle nicht monatelang darauf warten. Ginge man darauf ein, bestünde wirklich kein Problem. Im Übrigen wisse er nicht, was an dem Atomprogramm des Irans so gefährlich sei, dass man dafür sogar mit einem Krieg drohe.
 
Am gleichen Tag veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Forderung des saudischen Aussenministers Saud al Faisal, der gegen den Iran eine schnellere Lösung wünscht, als sie durch Sanktionen gegeben ist 2. Nach einer Unterredung mit US- Aussenministerin Hillary Clinton, die ebenfalls für schärfere Sanktionen eintritt, die laut ihr von der Staatengemeinschaft mitgetragen werden, sagte er, Sanktionen wirkten langfristig. Die iranische Bedrohung verlange aber nach Lösungen, die schneller wirkten. Er bezweifle, dass Sanktionen den Iran von seinem Atomprogramm abbringen könnten. »Wir sehen sofortigen Handlungsbedarf, vielleicht weil die Bedrohung für uns näher ist«, sagte der Minister. Er ging nicht darauf ein, was er unter einer rascheren Lösung versteht. Daneben fügte Saud al Faisal hinzu, dass - wollten die Vereinigten Staaten den Nahen Osten von Atomwaffen befreien -  dies auch für Israel zu gelten habe. An einem Treffen Hillary Clintons mit dem saudischen König Abdullah nahmen neben Saud al Faisal auch Geheimdienstminister Muqrin Bin Abdalaziz und der saudische Botschafter in Washington, Adel al Dschubair, teil. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu warb in Moskau seinerseits für neue Sanktionen, die den Iran »paralysieren« würden. Als Beispiele nannte er ein Einfuhrverbot von Benzin nach dem Iran sowie ein Ausfuhrverbot von Erdöl aus dem Iran. Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew blieb aber bei der Sprachregelung, er schliesse neue Sanktionen nicht aus.
 
Wie Knut Mellenthin in der jungen Welt schreibt 3, will die US-Regierung im UN-Sicherheitsrat möglichst schon im März neue Strafmassnahmen gegen den Iran durchsetzen, die praktisch einer Wirtschaftsblockade gleichkommen würden. Auf der Liste stehen Hunderte von Unternehmen, darunter die gesamte Ölindustrie, aber auch Zentren der Infrastruktur wie der Flughafen von Teheran und der grösste Containerhafen des Landes, Bandar Abbas. Propagandistisch verkauft wird dieses gigantische Vorhaben als »smarte Sanktionen«, die angeblich genau gezielt nur die Machthaber, nicht aber die iranische Bevölkerung treffen sollen. Washington gibt sich siegessicher, die russische Zustimmung zu seinen Sanktionsplänen schon in der Tasche zu haben und in der noch verbleibenden Zeit auch China zumindest zu einer Stimmenthaltung im Sicherheitsrat veranlassen zu können. Peking könnte durch sein Vetorecht als eines der fünf ständigen Ratsmitglieder jede Resolution scheitern lassen. Ob Russland und China dazu überredet werden könnten,  qualitativ völlig anderen Strafmassnahmen, sogenannten »verkrüppelnden Sanktionen«, zuzustimmen, das ist, erklärt Mellenthin, trotz der selbstsicheren Töne aus Washington ungewiss. Die russische Regierung hat in letzter Zeit eine vage Bereitschaft angedeutet, über »zusätzliche Maßnahmen« gegen den Iran »nachzudenken«, während China bisher an seiner Ablehnung weiterer Sanktionen festgehalten hat.
 
Hillary Clinton hatte die neue Propagandakampagne am 15. Februar in Katar eingeläutet, wo sie in einer gelenkten Schaudiskussion mit Studentinnen und Studenten freihändig fabulierte, im Iran entwickle sich eine »Militärdiktatur« der sogenannten Revolutionswächter (IRGC), einer über 100.000 Mann starken paramilitärischen Organisation, die nach der »Islamischen Revolution« von 1979 geschaffen wurde. Auf erstaunte Nachfragen erklärte sie im Stil eines Glaubensbekenntnisses: »So sehen wir das. Wir sehen, dass die Regierung des Irans, der oberste Führer, der Präsident und das Parlament abgelöst werden, und dass sich der Iran auf eine Militärdiktatur zu bewegt. Das ist unsere Sichtweise.« Auf eine weitere Frage, ob die USA den Iran angreifen wolle, antwortete Clinton ausweichend: »Wir haben vor, die Weltgemeinschaft zusammenzuführen, um durch Sanktionen der Vereinten Nationen, die sich speziell gegen die von den Revolutionswächtern kontrollierten Unternehmen richten, Druck auf den Iran auszuüben.«
 
Zeitlich auf den Kampagnenauftakt der US-Regierung bestens abgestimmt, publizierten am 15. 2. zahlreiche Mainstreammedien weltweit lange Artikel über das »geheimnisumwitterte« (Spiegel online) Wirtschaftsimperium der IRGC. »Wie viele Firmen die Revolutionswächter inzwischen übernommen haben, vermag niemand zu sagen«, räumte der Spiegel ein. Auch die britische Tageszeitung The Guardian gab zu: »Es ist wegen des Privatisierungsprozesses unmöglich, die volle Ausdehnung der IRGC-Kontrolle zu beurteilen.« Zu einem Grossteil stützen sich die Spekulationen westlicher Medien daher auf Behauptungen der üblichen unzuverlässigen Zuträger - insbesondere die sogenannten Volksmudschaheddin - sowie offensichtlich auch auf ungenannte Geheimdienste. »Westliche Schätzungen« über den Anteil der Revolutionswächter am iranischen Bruttosozialprodukt lägen zwischen einem Drittel und fast zwei Dritteln, mutmasste der Guardian am 15. 2. Spiegel online behauptete unter ausdrücklicher Berufung auf die »Volksmudschaheddin«, die IRGC wickle »weit über die Hälfte des gesamten Importgeschäfts und fast ein Drittel des Exports« ab. Die Ölindustrie des Landes werde sogar vollständig von den Revolutionswächtern, persisch Pasdaran, beherrscht. Triumphierendes Fazit des Magazins: »Strafmassnahmen gegen Pasdaran-Firmen könnten die dringend notwendigen Investitionen in die Erdölindustrie zum Erliegen bringen, eine Sperrung von Banken womöglich das Land lähmen - schon jetzt räumen viele Iraner ihre Konten leer, die Inflation liegt wohl bei 25 %.«
 
Und was das Beste ist, schliesst Mellenthin, all das läuft, ohne der iranischen Bevölkerung zu schaden und sie gegen den Westen aufzubringen! Einfach smart eben.
 
 
1http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=17022010ArtikelPolitikMarcks2   17. 2. 10 Rußland warnt vor Schlag gegen den Iran - Generalstabschef Makarow sieht »schreckliche Folgen« - Von Beate Marcks
2 F.A.Z., 17.02.2010, Nr. 40 / Seite 5; Riad fordert »schnellere Lösung« gegen Iran als Sanktionen; Außenminister Faisal: Sofortiger Handlungsbedarf
3 http://www.jungewelt.de/2010/02-17/032.php
Smarte Sanktionen USA bereiten Strafmaßnahmen gegen Iran in qualitativ neuem Umfang vor - Von Knut Mellenthin