Griechenland - Vorschläge besonderer Art

d.a. Deutsche CDU- und FDP-Politiker haben die griechische Regierung jetzt aufgefordert, Staatseigentum zu verkaufen, so auch unbewohnte Inseln.

»Ein Bankrotteur muss alles, was er hat, zu Geld machen, um seine Gläubiger zu bedienen. Griechenland besitzt Gebäude, Firmen und unbewohnte Inseln, die für die Schuldentilgung eingesetzt werden können«, heisst es. Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, Giorgos Papandreou bei seinem Berlinbesuch keine Hoffnungen auf Finanzhilfen zu machen. Er mahnte zugleich den Verkauf von Staatseigentum an private Investoren an. »Der griechische Staat muss sich radikal von Beteiligungen an Firmen trennen, und auch Grundbesitz - zum Beispiel unbewohnte Inseln - verkaufen«, wird der FDP-Finanzexperte zitiert 1. Nun sind Privatisierungen von Staatseigentum schon an sich umstritten und bekanntlich werden bei derartigen unter Druck erfolgenden Verkäufen vielfach reine Schleuderpreise erzielt. Dies zum Schaden der Bürger, deren Eigentum veräussert wird. Insofern wäre ein solcher Schritt dem Auffüllen der griechischen Staatskasse nicht unbedingt dienlich, auch wäre dadurch keineswegs eine Verbesserung der Lage garantiert. Dies zeigt auch ein Blick auf Serbien, wo Mladjan Dinkic, der Wirtschaftsminister, für den totalen Ausverkauf des Landes, der anschliessend an den  vom Westen finanzierten Sturz der Regierung Slobodan Milosevic erfolgte, verantwortlich zeichnet und damit auch für die Verarmung der Bevölkerung im Zuge des sogenannten »demokratischen Wandels«. So ist einem Artikel von Cathrin Schütz zu entnehmen 2, dass z. B. die einzige serbische Stahlfabrik, Smederevo, für nur 20 Millionen US-$ an US Steel verkauft wurde und die einzige serbische Automobilfirma, Zastava, für lediglich 100 Million € an Fiat ging. Dinkic ist ein massgeblicher Gegner der Annäherung Serbiens an Russland. Indirekt macht er den Verkauf von 51 % der Anteile der Ölindustrie Nis an den russischen Staatskonzern Gasprom, den er im vergangenen Jahr vehement bekämpfte, dafür verantwortlich, dass von ihm 2009 versprochene Zahlungen an die Bürger nun weitaus niedriger ausfallen als vor der Wahl angegeben. Dinkic zufolge liegen die von Russland gezahlten 400 Millionen € weit unter dem Wert. Der Wirtschaftsminister hatte der  Bevölkerung vor der Parlamentswahl im Mai 2008 soziale Zuwendungen in Aussicht gestellt, die durch umfassende Privatisierungen finanziert werden sollten. Konkret hätte jeder Bürger eine Summe von 2000 € erhalten sollen, an was sich Dinkic in der Folge allerdings nicht mehr erinnerte. Statt dessen wurde nun zum orthodoxen Weihnachtsfest am 6. Januar dieses Jahres mit der Auszahlung von 1700 Dinar für jeden Bürger begonnen, das sind umgerechnet 17 Euro. Ausserdem soll jeder Aktienanteile an den privatisierten Konzernen im Wert von 2500 Dinar, also 25 €, erhalten. Nach Angaben des Ökonomen Miroslav Zdravkovic leben heute 5,5 Millionen Menschen in Serbien knapp über der Armutsgrenze von 8500 Dinar oder 85 €. Ausserhalb der beiden Grossstädte Belgrad und Novi Sad beträgt das durchschnittliche Monatseinkommen laut Press online umgerechnet zwischen 90 und 100 €, in Belgrad und Novi Sad durchschnittlich 210 € im Monat. Der gesamte Übergang zum Kapitalismus, so der Soziologe Srecko Mihajlovic, sei schmerzhafter als von vielen erwartet. Die Gesellschaft bestehe nun aus einer kleinen Zahl von Superreichen und einer grossen Zahl von Armen, während die Mittelschicht immer weiter schrumpfe.
 
Wie sich also die Lage der Griechen nach den angemahnten Verkäufen, sollten diese tatsächlich erfolgen, gestalten wird, ist schwer vorherzusagen. Jedenfalls schreibt die Basler Zeitung vom 6. März »Kein Geld aus Berlin«; wo sollte dieses aber auch herkommen, befindet sich Deutschland doch in einer Lage, in der die Nettokreditaufnahme des Bundes 2010 auf über 100 Milliarden Euro steigen wird.
 
Das Ende der Souveränität
Angesichts der Finanzkrise in Griechenland, schreibt German Foreign Policy, ziehen Regierungsberater in Berlin neue Einschränkungen der Souveränität von EU-Mitgliedstaaten in Betracht. Man müsse diskutieren, »ob und wie ein frühzeitigerer Durchgriff auf die nationale Fiskalpolitik möglich sein sollte«, fordert die Stiftung Wissenschaft und Politik [SWP] in einer aktuellen Analyse. Hintergrund sind die Schwierigkeiten, die Lage in Griechenland unter Kontrolle zu bekommen. Berlin zieht inzwischen in Betracht, das Land in den Staatsbankrott stürzen zu lassen. Die Auswirkungen seien wahrscheinlich »nur wenig gravierender« als die Folgen der Insolvenz von General Motors im vergangenen Jahr, schreibt die SWP. Gegen die deutsche Wirtschaftsdominanz werden in Griechenland bereits seit einiger Zeit Proteste laut. Medien warnen nun vor einer »absoluten Kontrolle der Deutschen« über die griechischen Staatsfinanzen.
 
Niedriglohnpolitik
Das Kürzungsdiktat für Griechenland - neue Einschnitte bei den Löhnen und weitere Steuererhöhungen - dient jedoch, wie German Foreign Policy im weiteren darlegt, vor allem der Lösung eines grundlegenderen Problems. Mit harter Niedriglohnpolitik hat sich die BRD in den vergangenen Jahren erhebliche Vorteile gegenüber ihren europäischen Konkurrenten verschafft und ihre Exporte drastisch gesteigert - u.a. auf Kosten der südeuropäischen Länder, deren Außenhandelsdefizit gegenüber Deutschland deutlich stieg. So nahm etwa das Außenhandelsdefizit Griechenlands gegenüber Deutschland von knapp 5,3 Milliarden € im Jahr 2006 auf mehr als 6,3 Milliarden € im Jahr 2008 zu. Man müsse »den krassen Unterschieden in der Wettbewerbsfähigkeit« innerhalb der Eurozone entgegenwirken, um der griechischen Schuldenspirale ein Ende zu setzen, schreibt die SWP. Das Aufzwingen einer Niedriglohnpolitik nach deutschem Vorbild, wie er gegenwärtig vollzogen wird, reiche nicht aus, heißt es dort weiter. Über die notwendigen zusätzlichen Schritte sind sich die Berliner Regierungsberater jedoch nicht einig.
 
Staatsbankrott
Einer der aktuellen Vorschläge läuft darauf hinaus, die Wirtschaft Griechenlands und womöglich auch diejenige weiterer »schwacher Länder« mit erhöhten Transferleistungen an Athen oder mit zusätzlichen Einfuhren anzukurbeln. Möglicherweise müsse man dies mit einer weiteren Einschränkung der Souveränität der jeweiligen Staaten verbinden: »Diskutiert werden muß, ob und wie ein frühzeitigerer Durchgriff auf die nationale Fiskalpolitik möglich sein sollte«, fordert die SWP. Manche Regierungsberater sprechen sich gegen ein solches Vorgehen aus. »Mittel- und langfristig« führe ein Rettungspaket für Griechenland zu einer Schwächung des Euros, heißt es; dies müsse unbedingt verhindert werden. Stürze Athen dagegen in den Staatsbankrott, dann werde sich sicher »die Erkenntnis durchsetzen, daß in der Eurozone ausufernde Defizite nicht mit der Notenpresse bekämpft werden. Dies würde den Außenwert des Euros sogar stärken.« Dabei hätte der Bankrott Griechenlands »vermutlich nur wenig gravierendere Folgen als etwa die Insolvenz des weltgrößten Automobilherstellers General Motors im Jahr 2009.« Eine Verhinderung des Staatsbankrotts könne sich durchaus als die »gefährlichere Alternative« erweisen 3.
 
Der Massenstreik in Europa dürfte sich ausweiten
Die erste große Streikwelle der Gewerkschaften in Spanien und Griechenland gegen die von der EU diktierten Sparmaßnahmen und Arbeitsmarktreformen kann sich durchaus zu einem europaweiten Massenstreik ausweiten. Bekanntlich hatte der Dachverband der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ADEDY) in Griechenland am 10. Februar, dem Tag vor dem EU-Gipfel, eine Streikaktion anberaumt. Der Chef der Gewerkschaft der Steuerbeamten, Jannis Grivas, hatte damals erklärt: »Das Spekulationsspiel wird auf Kosten der Arbeitnehmer gespielt.« Bei dem am 24. Februar von dem 2 Mio. Mitglieder starken Gewerkschaftsverband GSEE - dem sich auch der ADEDY angeschlossen hatte - durchgeführten eintägigen Streik, der das Land praktisch lahmlegte, zeigten Teilnehmer in Athen Banner mit Parolen wie »Die Krise muß von der Plutokratie bezahlt werden« und »Die Märkte sollten die Krise bezahlen«; es ertönten auch Rufe wie »Brennt die Banken nieder!« Nicht weit von der Demonstration entfernt hielten sich Inspektoren der EZB und des IWF in Athen auf, um der Regierung die Forderung der EU-Junta nach weiteren Kürzungen zu überbringen. Doch wie es in einem Editorial in der griechischen Tageszeitung Eleftherotypia hieß: »Das Inspektorenteam erhielt einen Eindruck von der dynamischen Reaktion der griechischen Arbeitnehmer auf den enormen Druck aus Brüssel.« »Das ist die rote Linie«, hatte der Chef der Gewerkschaft der Flughafenarbeiter Nikos Goulas am 25.2. gegenüber dem britischen Guardian erklärt. »Griechenland ist nicht Irland. Wenn die Regierung nicht nachgibt, wird es große Unruhen geben.« Bei diesen Worten stand er neben einem Banner mit der Aufschrift »Wieviel ihr uns auch terrorisiert, diese Maßnahmen kommen nicht durch«.
 
In Spanien hatten die großen Gewerkschaftsverbände UGT und CCOO am 23.2. eine  zweiwöchigen Streik- und Kundgebungskampagne gegen die Arbeitsreformen der Regierung Zapatero begonnen. Das Motto der gegenwärtigen Mobilisierung, die sich über 12 Tage und 57 Städte erstrecken soll, lautet: »Verteidigt die Renten! Nein zum höheren Renteneintrittsalter! Einschnitte in das soziale Netz sind keine Lösung«, da Spanien solche Maßnahmen, wie Strategic Alert festhält, über die EU-Bürokratie diktiert werden sollen. In Portugal kündigte der Gewerkschaftsverband inzwischen für März einen Generalstreik an und in der Tschechischen Republik drohte die Gewerkschaft der Transportarbeiter mit Streiks im landesweiten Eisenbahnnetz und dem Prager Nahverkehr. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann diese von den Gewerkschaften organisierten Generalstreiks zu sehr viel politischeren Massenstreiks werden, die weitere Kreise der Bevölkerung und der politischen Institutionen erfassen 4.
 
 
Quellen:
1 http://bazonline.ch/ausland/europa/Deutsche-Politiker-Griechen-sollen-Inseln-verkaufen/story/23000523   4. 4. 10
2 http://www.jungewelt.de/2010/01-15/005.php   15. 1. 2010
Serbien: Totalausverkauf der Reichtümer des Landes durch umfassende Privatisierungen. Ergebnis des »demokratischen Wandels«: grassierende Armut - Von Cathrin Schütz, Belgrad
3  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57751  2. 3. 10 auszugsweise
4 Strategic Alert, Jahrg. 24, Nr. 9 vom 3. März 2010
siehe auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1441
Verschuldung und Abtretung der Souveränität