Griechenland - Die Zahlen werden immer phantastischer - Von Doris Auerbach

Wie Strauss-Kahn, Direktor des IWF, bei einem Treffen mit BRD-Finanzminister Schäuble und dem Präsidenten der EZB, Jean-Claude Trichet, am 28. 4. bekanntgab,

wird Athen bis Ende 2012 eine Finanzhilfe von 100 bis zu 120 Milliarden € benötigen. »Es geht um die Stabilität des Euros als Ganzes«, sagte Schäuble nach dem Treffen. Man sei entschlossen, diese zu verteidigen. »Es ist nicht ein Problem Griechenlands, sondern ein Problem Europas, damit ist es ein Problem Deutschlands«, hob er hervor. Mit welcher Unverfrorenheit alles umgelagert wird, ist beispiellos. »Wir sind in der Lage«, so Schäuble  ferner, »dieser Spekulation entgegenzutreten, die Probleme zu lösen.«
 
Laut SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann geht es für Deutschland offenbar nicht nur um 8,4 Mrd., sondern um bis zu 25 Milliarden €. Nicht ein Cent dieser Milliarden ist vorhanden. Die sich daraus ergebenden Prognose ist wahrhaft entwaffnend: Die Situation sei »dramatisch, aber nicht unkontrollierbar.« Rückversicherungen dieser Art sind uns längst geläufig, niemand glaubt sie mehr, schon gar nicht, wenn Schäuble uns gleichzeitig erklärt, dass durch die Rettung Griechenlands die Eurozone dadurch als Ganzes stabilisiert werde. Wie kann eine Rettung, die auf der Grundlage horrender neu aufzunehmender Kredite basiert, eine Stabilisierung bewirken? Zur Bereitstellung der Kredite durch Deutschland erklärte er, dass die Bundesregierung insofern auch im Interesse Deutschlands handle. Weit gefehlt: Die Hilfen werden das deutsche Defizit weiter in die Höhe treiben. Aussagen wie die des Finanzministers zeugen in meinen Augen von der wachsenden Verantwortungslosigkeit der Regierenden gegenüber der eigenen Bevölkerung.
 
Was sonst noch zur Rettung Griechenlands vorgeschlagen wurde, liesse sich, würden die damit verbundenen Massnahmen umgesetzt, gewissermassen als Enteignung des Bürgers bezeichnen: Zu den Plänen für einen eventuellen Aufbau eines Europäischen Währungsfonds gehört offenbar die Erwägung, »die Goldbestände der Notenbanken aller Euroländerbuchhalterisch in einen Stabilisierungsfonds einzubringen.« In Anbetracht der Finanzwirtschaft der EU wäre zu befürchten, dass es nicht bei einer Buchhaltung bliebe, sondern dass das Gold der Bürger stetig aber sicher in sogenannte Finanzstützen für zahlreiche Länder, vor allem ausserhalb Europas, fliessen würde. Wenigstens kündigte der Vorstand der Bundesbank an 1, sich gegen eine Verwendung der deutschen Goldreserven für Rettungsaktionen zugunsten hoch verschuldeter Euroländer zu wehren. Man kann nur beten, dass er, träte ein die EU in den Abgrund stürzender Finanzkollaps ein, stark genug bliebe, um Ansinnen dieser Art ein für allemal abzuwehren. Laut Focus besitzt die griechische Notenbank etwa 112 Tonnen Gold, die Bundesbank dagegen 3407 Tonnen mit einem aktuellen Marktwert von 90 Milliarden €.
 
In diesem Zusammenhang sei es nicht versäumt, erneut anzumerken, wie die Demokratie in der EU gehandhabt wird; einer Mitteilung des deutschen Bundesfinanzministeriums von Anfang März zufolge hält dieses finanzielle Notfallhilfen für Griechenland trotz des Bail-out-Verbots im EU-Recht für möglich. Wie Focus berichtet, arbeiteten die Europarechtler des Hauses drei Möglichkeiten aus, wie rechtliche Ausnahmen legal genutzt werden könnten. Gegen entsprechende Beschlüsse der Regierung hätten normale Bürger keine Klagebefugnis. 2 Mit anderen Worten: Die Obrigkeit wäre vor solchen geschützt. Es fehlt nur noch der Zusatz, dass uns diese vom Himmel verordnet ist…..  
 
Was die Durchsetzung eines europäischen Stabilitätspakts betrifft, forderte Schäuble in der Zeit: »Wir brauchen bessere Instrumente, um den Stabilitätspakt durchzusetzen. Und wir brauchen mehr Koordinierung im Sinne einer Wirtschaftsregierung - auch wenn wir den Begriff nicht so sehr lieben. Das alles führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Europa.« Sehr gütig, aber an der jetzigen Form Europas haben die EU-Bürger mit Sicherheit schon mehr als genug! Vor allem an der stetig wachsenden Militarisierung und die dadurch zusätzlich entstehenden finanziellen Bürden. Schäuble ferner: »Ich bin nach wie vor der Meinung, daß die volle Integration der neuen Mitgliedstaaten in unserem Interesse ist. Wie wollen Sie denn die ostdeutschen Länder wirtschaftlich auf die Beine kriegen, wenn nicht durch das Aufwachsen einer neuen Zentralität?« Erstens erfolgte die Eingliederung dieser neuen Mitgliedstaaten nicht etwa auf Wunsch der EU-Bürger selbst, sondern vor allem auf Druck der USA hin, zweitens ist absolut infrage zu stellen, ob mehr Zentralität die dort vielfach grassierende Korruption ausräumen könnte. Man mag die Erwähnung der Korruption belächeln, bis man begreift, dass diese die westlichen Staaten eines Tages ins Armenhaus bringen kann. Aktuell wirkt das Gebilde der BRD immerhin noch wesentlich demokratischer als die EU-Strukturen. In welche Richtung soll sich also nach Schäubles Ansicht ein immer zentraler verwaltetes Europa entwickeln?  In eine fortschreitende Entmachtung der Mitgliedstaaten? Nach den Eindrücken seiner Amtszeit als Innenminister klingen solche Äußerungen nicht gerade positiv. Die Skepsis in der Bevölkerung hat er schon mitbekommen, aber er ist der Meinung, »daß es der Politik gelingen wird, ein bundesstaatliches Europa zu vermitteln.« 3 In der Person des hessischen Regierungschefs Koch findet sich bereits ein Unterstützer für Schäubles Vorstellungen: »Wir müssen verstehen, daß der Euro ein unermesslicher Vorteil ist, der einen Preis an Souveränität hat. Und der muß im laufenden Prozeß eingefordert werden.« Mit anderen Worten: Wir sollten uns darauf einrichten, dass diejenigen, die die Schulden machen, uns letztlich auch noch die Souveränität kosten. Es ist geradezu auffallend, wie viele der Politspitzen unausgesetzt danach streben, die Staaten zu entmachten.
 
Letzteres geht auch aus den Vorschlägen des inzwischen zurückgetretenen belgischen Premiers Yves Leterme hervor. Dieser forderte in einem  Gastbeitrag für die Financial Times Deutschland vom 5. 3. 10 ein gemeinsames EU-Finanzministerium oder eine EU-Schuldenagentur zu schaffen und die Nationalstaaten zu entmachten *.Womit auch er ein lang angestrebtes Ziel anspricht. »Dies hätte zur Folge, daß bedeutende nationale Macht auf eine Gemeinschaftseinrichtung übertragen würde.« Der Beitrag Letermes enthält u.a. folgenden Vorschlag: »Was die bestehenden Schulden betrifft, so würde die EDA [die Europäische Schuldenagentur: European Debt Agency] Unterschiede zwischen den Schuldnern machen: Die Mitgliedstaaten würden auch künftig unterschiedliche Zinssätze zahlen, die ihrem Kredit-Rating entsprechen. Neue Schuldtitel würden dagegen einem einheitlichen Zinssatz unterliegen. Wenn alte Schuldtitel auslaufen und durch neue ersetzt werden, würden die einzelnen Staatsschulden der Euro-Zone zu einer einheitlichen Schuld werden - was unterstellt, dass jeder Mitgliedstaat stillschweigend die Schulden aller anderen garantiert. 4
 
Hierzu heisst es in mmnews: »Leterme fragt nicht, er fordert. Seine Forderung: Ein EU-Finanzministerium. Er will eine EU-Schuldenagentur, damit sich kleine Länder leichter verschulden können. Wie kann es sein, daß eine solche Forderung unwidersprochen und unkommentiert in einem der größten Wirtschaftsblätter Deutschlands abgedruckt wird? Ist die Financial Times Deutschland das Presseorgan dieses Mannes? Die Absicht derForderungen ist gleichwohl klar: Direkter Zugriff auf die letzten Reserven der Netto-Einzahler. Entmachtung der Finanzhoheit der Staaten. So kann Brüssel endlich schalten und walten, wie es will. Und was die Schuldenagentur angeht: Schon mal was von solider Haushaltsführung gehört? Schon mal ausprobiert, nur Geld auszugeben, das man auch hat? Wie wäre es denn, wenn man Schulden in der EU ganz verbieten würde? Wir haben doch gesehen, wohin das führt. Die EDA ist nichts anderes als ein finales Vehikel, um die Gemeinschaft in den Untergang zu treiben. Sie dient dazu, das Ersparte aus den Netto-Einzahlerländern aufzuzehren - bis nichts mehr da ist. Und dann können auch keine Schulden mehr gemacht werden. Das ist dann das Ende der EU. Ist das der Plan, der hinter der orchestrierten Griechenland-Krise steckt? Dazu hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen, Monsieur Leterme!«
 
Ob der von Schäuble ins Auge gefasste Stabilitätspakt in der Lage wäre, die von Daniel Hannan, dem britischen Europaabgeordneten skizzierte Charakterisierung der EU als »korrupt, teuer, verschwenderisch und ineffizient« zu ändern, ist mehr als fraglich. Bereits 2007 konstatierte Hannan: »Das Budget der EU wird in diesem Jahr auf 140 Milliarden € anschwellen. Wo verschwinden diese Unsummen?« Hannans Bericht beschreibt die Verschwendung, Misswirtschaft und den sorglosen Umgang mit Geldern, der dort praktiziert wird. Zur Rechnungslegung führt er aus: »Wieder einmal lesen wir die vertraute Liste von Beschwerden: Mehrfachverbuchungen, getürkte Rechnungen, Unstimmigkeiten zwischen Agrarsubventionen und dem, was man auf Satellitenfotos sieht, kriminelle Absprachen zwischen Behörden und Betrügern in manchen Staaten. Wieder einmal werden die ERH-Prüfer vermelden, daß sich fast 90 % des Gemeinschaftsbudgets nicht zuverlässig zuordnen lassen. Und wieder einmal wird ihr Bericht mit kollektivem Achselzucken zur Kenntnis genommen werden.« Brüssel belastet den EU-Bürger im Schnitt immerhin mit nicht weniger als 3.000.- € pro Jahr. Besagte Misswirtschaft begleitet die EU seit es sie gibt. Schuld daran ist der immer dichter werdende Brüsseler Filz und fehlende Kontrollmöglichkeiten.Feststellungen dieser hochgradig beschämenden Art sind sozusagen im Dutzend veröffentlicht worden, ohne irgendeine manifeste Änderung zu erzielen.
 
Soeben hat Daniel Hannan im Daily Telegraph einen Artikel mit dem Titel: »Germans! Stop being ripped off!« Or, as we old Brussels hands say: »Hört auf euch, ausnehmen zu lassen!« veröffentlicht 6. Darin legt er u.a. folgendes dar: »Keinem Land in der EU geht es so schlecht wie Deutschland. Es zahlt mehr in das System ein als jedes andere, und hat dennoch die niedrigste Pro-Kopf-Vertretung in den Brüsseler Institutionen. Die Steuertransfers, die die deutschen Steuerzahler gemäß den Bestimmungen der gemeinsamen Agrarpolitik an die französischen Bauern leisten, übertreffen alles, was sich Clemenceau vorstellen konnte, als er in Versailles Kriegsreparationen forderte Der Kohäsionsfond, unter dem die Mittelmeeranrainer schon vor der Einführung des Euros Zuteilungen erhielten, wurde vom deutschen Finanzamt unterschrieben. So war es nur verständlich, daß sich beim Zusammenbruch Griechenlands die Augen der anderen EU-Länder in Erwartung eines weiteren Schecks auf Angela Merkel richteten. Natürlich haben die Deutschen beim Bail-out keine Möglichkeit zur Mitsprache, genauso wenig wie bei der Einführung des Euros. Die deutsche Verfassung verbietet Volksabstimmungen, was mehr oder weniger so eingerichtet wurde, um die Politiker vor der öffentlichen Meinung zu schützen. Eine am 26. April in Frankreich veröffentlichte Umfrage zeigt, daß die Idee eines Bail-outs innerhalb der Eurozone von 53 %  der französischen Wähler, 55 % der Spanier und 67 % der Italiener, aber nur von 24 %  der Deutschen unterstützt wird.«
 
Es ist das Ergebnis neoliberaler Wirtschaftstheologie, schreibt Rainer Rupp: Wie in den anderen EU-Staaten sind auch in Griechenland die Reichen reicher und die Armen ärmer geworden. Und jetzt sollen die Lohnabhängigen noch mehr für die Krise zahlen. Die Regierung Merkel engagiert sich nun plötzlich für die Rettung Griechenlands und des Euros. Finanzminister Schäuble drängt scheinbar zur Eile, weil sonst angeblich erneut ein Finanzdesaster wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers droht. Doch es sind nicht die griechischen Malocher und ihre Familien, denen mit den Milliarden deutscher Steuerzahler geholfen werden soll. Nein, das Herz der Kanzlerin schlägt für die wahren Opfer der Griechenland-Krise - unsere Großbanken und ihre Aktionäre. Am einfachsten wäre es daher, die deutsche Hilfe direkt an sie zu überweisen. 7 Wie bereits Anfang April einer Information der Analyseninstitution Lombard Street Research in London zu entnehmen war, sorgten vor allem Meldungen, »daß immer mehr Griechen ihr Geld aus dem Land schaffen und damit die heimischen Banken in Bedrängnis bringen«, für die Ausverkaufsstimmung. »Selbst die griechische Bevölkerung glaubt offenbar mittlerweile, daß es die eigene Regierung nicht mehr schafft. Sie wollten ihr Geld retten, bevor ihr Land sich aus der Euro-Zone verabschiede«, so der Stratege des Hauses, Gabriel Stein. Soviel für die dort herrschende Solidarität.   
  
 
* Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=881   8.3.08
Abschaffung der Nationalstaaten
1 http://www.welt.de/wirtschaft/article6759690/Bundesbank-will-ihr-Gold-nicht-fuer-den-EWF-opfern.html   13. 3. 10 
2 http://www.mmnews.de/index.php/201003135131/MM-News/Gold.html   13. 3. 10
Deutsche Goldreserven für EWF
3 http://www.krise-news.de/politik/schauble-fordert-zentrale-europaische-wirtschaftsregierung-und-ein-bundesstaatliches-europa/   30. 3. 10 resp. Die Zeit - Schäuble fordert Wirtschaftsregierung für Europa
4 http://www.mmnews.de/index.php/201003055076/MM-News/EU-Finanzministerium-Entmachtung-von-Nationalstaaten.html   5. 3. 10
5 http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1243 13.6.09
Unsere Strassburger Parlamentarier
6http://blogs.telegraph.co.uk/news/danielhannan/100031641/germans-stop-being-ripped-off/
27. 10. 10
7 http://www.jungewelt.de/2010/04-30/027.php
Ein Herz für Bankster - Deutschland »hilft« den Griechen - Von Rainer Rupp
8 http://www.welt.de/finanzen/article7102325/Anleger-stellen-sich-auf-Pleite-Griechenlands-ein.html   8. 4. 10