Briefe

d.a. Die Anzahl der offen in der Presse oder im Internet veröffentlichten Schreiben an die Politiker dieses Globus ist in stetem Wachsen begriffen.

Noch herrscht der Eindruck vor, dass diese von ihren Empfängern in der Mehrheit überhaupt nicht wahrgenommen werden, wodurch dem darin vorgetragenen Gedankengut keine  Rechnung getragen wird. Das kann sich jedoch rasch ändern, da Briefe dieser Art der Bevölkerung bewusst machen, dass sie mit dem Groll, den immer mehr Bürger hinsichtlich des Vorgehens der Regierenden hegen, nicht allein steht.
 
 
Offener Brief an Präsident Obama - Von Evelyn Hecht-Galinski
 
Dear Mr. President,
ist Ihre außenpolitische Bilanz nicht schon verheerend genug? Mußte Ihre Liebesoffensive gegenüber Israel wirklich in einer Einladung von einem Friedensnobelpreisträger zum anderen gipfeln? Nämlich von Ihnen, Mr. Obama, zu Elie Wiesel zum koscheren Lunch. Gut; Wiesel ist ein Holocaustüberlebender und wichtiger Lobbyist der AIPAC. Außerdem verfaßte er einen am 16. April publizierten offenen Brief an Sie mit dem Titel: Für Jerusalem. Dieser Brief steigert sich ins Unverträgliche. Zitat: Für mich als Juden steht Jerusalem jenseits der Politik. Oder er strotzt vor verdrehenden Formulierungen, wie im folgenden Zitat: In der Bibel wird die Stadt mehr als 600 Mal erwähnt - und im Koran kein einziges Mal.
 
Traurig genug, Mr. President, daß die Gehirnwäsche der AIPAC und anderer jüdischer Organisationen, wie ADL unter Foxman, oder der WJC unter R. Lauder, schon so gewirkt haben. Dieser offene Brief von Wiesel, der ihm als Belohnung die Einladung ins Weiße Haus eintrug, bestätigt nur einmal mehr in erschreckend gefährlicher Art und Weise die wissenschaftlich begleitende Propaganda Israels, die die Einmaligkeit des Jüdischen Staates, des Jerusalem Status und des Holocaust beweisen soll. Mit dieser Überhöhung einer Religionsgemeinschaft soll jede Israel-Kritik im Keime erstickt werden. Aus diesem Grund, dear Mr. President, sollten Sie sich auch nicht die indirekten oder direkten Friedensverhandlungen von Israel aufzwingen lassen. Israel hat es in kürzester Zeit geschafft, Sie und Mr. Mitchell zu Getriebenen und zu Marionetten von Israel zu machen.
 
Schön, sie wollen eine weltweite Atomabrüstung. Warum fangen Sie nicht bei Ihrem engsten Verbündeten, nämlich Israel an? Nicht der Iran bedroht die Welt mit Kriegen oder hat jemals einen begonnen, sondern Israel mit Hilfe auch Ihrer Waffen! Jetzt wollen Sie schon wieder 205 Millionen $ für den Ausbau eines weiteren israelischen Raketenabwehrsystems vom Kongreß freigegeben haben. Das dürfte Ihnen nicht allzu schwerfallen angesichts der 76 von 100 Senatoren und 333 von 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus, also gut drei Viertel aller Kongressmitglieder! * Aber wie wollen Sie das Ihrem US-Volk noch verständlich machen, den Normalwählern - keinen AIPAC Unterstützern und keinen Christlichen Zionisten - sondern Amerikanern, die nicht krankenversichert und nicht altersversichert sind, vielleicht wohnungslosen, von der Wall Street und der Finanzkrise gebeutelten Bürgern?   
 
Mr. President, darf ich nach meinem offenen Brief an Sie hoffen, auch eine Einladung ins Weiße Haus zu bekommen? Ich brauche auch keinen koschern Lunch, sondern nur einen guten Kaffee, und ich würde gerne meinen jüdischen Mann mitbringen. Auch ich bin ein Nachfahre von Holocaustüberlebenden. Sollte das aber noch nicht reichen, könnte ich auch noch einen echten Auschwitzüberlebenden, nämlich Hanjo Meier, ehemals aus Bielefeld, heute in den Niederlanden wohnhaft, mitbringen; außerdem noch den Holocaustüberlebenden (5 KZs), Mecin Langer und seine Frau Felicia Langer, alternative Nobelpreisträgerin und Menschenrechtsanwältin, ehemals wohnhaft in Israel, heute in Tübingen (deutsch-israelische Staatsangehörigkeit), die Ihnen auch noch viel über Israels Methoden und Menschenrechtsverletzungen berichten könnte. Zusätzlich könnte Hedy Epstein, die 85jährige amerikanisch-jüdische Friedensaktivistin dazukommen (ehemals deutsche emigrierte Jüdin). Sie hätte die kürzeste Anreise. Sollte Ihre Einladung erfolgen, garantieren Sie uns bitte freie Ein- und Ausreise.
 
Mit freundlichen Grüßen
Evelyn Hecht-Galinski
 
P.S.: Wir könnten dann auch noch über Gaza, Israels Menschrechtsverletzungen, die Nakba, die Teilung Jerusalems und das Rückkehrrecht der Palästinenser sprechen und vieles andere. Es wird bestimmt nicht langweilig mit uns!
 
 
 * Anmerkung politonline: In seiner Rede bei der Jahreskonferenz der ebenso traditions- wie einflußreichen Lobbyorganisation American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) rief der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den 8000 frenetisch jubelnden Zuhörern im Messezentrum zu: »Das jüdische Volk hat vor 3000 Jahren Jerusalem gebaut, und das jüdische Volk baut heute Jerusalem. Jerusalem ist keine Siedlung, es ist unsere Hauptstadt!«  Kurz nach der Abreise Netanjahus [dieser war am 23. 3. mit Obama zusammengetroffen] erreichte das Weiße Haus ein offener Brief von AIPAC, in dem es heißt, daß es im Verhältnis selbst eng verbündeter Staaten zwar immer Differenzen geben werde, daß man diese aber »am besten in Ruhe sowie in einer Atmosphäre von Vertrauen und Einvernehmen lösen kann.«  Unterzeichnet hatten das Schreiben 76 der 100 Senatoren und 333 der 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus - gut drei Viertel aller Kongreßmitglieder. Es folgten weitere offene Briefe wichtiger jüdischer Organisationen, die in ganzseitigen Anzeigen aller wichtigen Tageszeitungen veröffentlicht wurden. Die Anti-Defamation League (ADL) unter ihrem Vorsitzenden Foxman meldete sich ebenso zu Wort wie der von Ronald Lauder geführte Jüdische Weltkongress (WJC). Tenor der Schreiben: Man könne nicht verstehen, warum Washington vor allem Israel für den Stillstand bei den Friedensverhandlungen verantwortlich mache. »Nimmt man an, daß eine Verschlechterung der Beziehungen zu Israel die Beziehungen mit den Muslimen verbessern kann?«, heißt es im Schreiben des WJC. Schließlich verfaßt auch Wiesel einen am 16. April publizierten offenen Brief an Obama mit dem Titel Für Jerusalem, der ihm kurz darauf die Einladung ins Weiße Haus eintrug. Dazu passend bat Obama an Himmelfahrt [13. 5. 10] den Kongreß, 205 Millionen $ für den Aufbau eines weiteren israelischen Raketenabwehrsystems freizugeben. Mit dem System namens Iron Dome solle sich Israel vor Angriffen der islamistischen Terrorgruppen Hamas im Gazastreifen und Hizbullah im Libanon schützen können, hieß es aus dem Weißen Haus. Tags zuvor hatte Netanjahu anläßlich des Tages der Vereinigung, an dem Israel der Eroberung des arabischen Ostteil Jerusalems im Sechstagekrieg von 1967 gedenkt, den weiteren Ausbau der auf ewig vereinten Stadt bekräftigt. Einen Protest aus Washington zu Netanjahus Äußerungen gab es nicht.

 
Quelle: Frankfurter Allglemeinen Zeitung Nr. 111 vom  15. 5. 2010, Seite 12 - Momente der Spannung - Nach dem Streit über den Ausbau der Siedlungen repariert Amerika das Verhältnis zu Israel - Von Matthias Rüb
Der Brief von Frau Hecht-Galinksi ist auf
http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=8595&Itemid=129
sowie auf  http://www.palaestina-portal.eu/Stimmen_deutsch/hecht-galinski_offener_brief_barak_obama.htm einsehbar