Von neuen Abgaben, Steuern und Institutionen - Von Doris Auerbach

Wie dies die europäischen Staatschefs am 17. 6. beschlossen, sollen sich die Banken in Zukunft mit zusätzlichen Abgaben an den Kosten

von Finanzkrisen beteiligen. Bundeskanzlerin Merkel erklärte im Anschluss an den EU-Gipfel in Brüssel, dass die EU ein System für Abgaben und Steuern für Finanzinstitutionen einführen will. Die Abgabe werde notfalls auch ohne Partner eingeführt. Des weiteren sei auch die Erhebung einer globalen Finanzmarkttransaktionssteuer in die Schlussfolgerungen des Gipfels eingeflossen. Die EU werde sich für die Entwicklung und Erforschung einer solchen Steuer einsetzen, so Merkel; die EU-Vertreter werden daher Ende Juni einen entsprechenden Vorschlag beim G-20 Gipfel in Kanada unterbreiten.
 
Ausser neuen finanziellen Belastungen scheint kein Konzept vorhanden, um die jetzige desolate Situation zu lindern. Man könnte ja noch geneigt sein, Verständnis für Massnahmen dieser Art aufzubringen, würde mit solchen Vorhaben der Wille bekundet, die innerhalb der EU grassierende Korruption und die seit Jahren anhaltende Verschleuderung unserer Steuern in Brüssel zu beenden. Davon allerdings ist keine Rede. Wie zu erwarten, »begrüsste EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Einigung auf eine weltweite Bankenabgabe.« Dies dürfte er jedoch eher etwas zu voreilig konstatiert haben, da kaum anzunehmen ist, dass China oder andere asiatischen Länder auf eine solche eingehen werden. Denn unter den wichtigsten G-20 Nationen bestehen diesbezüglich beträchtliche Differenzen. Widerstand gegen eine globale Bankenabgabe kommt so u.a. von Kanada, Japan, Brasilien und Indien, deren Banken die Finanzkrise ohne Staatshilfen überstanden. In Toronto sollen nun zunächst einmal nur die Prinzipien festgelegt werden, an denen sich Länder bei der Einführung von Bankenabgaben zu orientieren hätten. Mit Recht und Fug darf davon ausgegangen werden, dass eine weltweite Abgabe, käme sie durch, letztlich nicht etwa die Banken treffen würde, sondern die Kunden, auf die sie mit sozusagen tödlicher Sicherheit abgewälzt werden würde. Bei Versicherungen gegenteiliger Art kann man bereits hören, wie sich die Balken biegen….. Für die EU-Bürger steht sie aber offensichtlich schon fest, denn: »Sollte es allerdings auf G-20-Ebene keine Einigung geben, werde die EU auch alleine vorangehen1 Wie es des weiteren hiess, erklärte die Kanzlerin: »Ich glaube, es muss gelingen, auf dem G-20-Treffen hier zu einer gemeinsamen Meinung zu kommen.« Natürlich, so Merkel ferner, könnten die einzelnen Länder unterschiedlich agieren. Es gehe aber um ein grundsätzliches Bekenntnis, dass die Bankenabgabe ein Mittel ist, um zu verhindern, dass Steuerzahler für Bankenkrisen eintreten müssen.« Das tun sie doch längst!
 
Somit stehen wir vor einem europaweit zu konzipierendem System von Steuern und Abgaben, mittels dessen die Verursacher von weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrisen an den Kosten für die Bewältigung der Folgen zu beteiligen wären. Zunächst hatten sich vor allem  Grossbritannien und Schweden gegen eine solche Steuer, die im Jahr 2012 eingeführt werden könnte, ausgesprochen. Was eine Finanztransaktionssteuer betrifft, so wird uns erklärt, dass die EU prüfen will, inwieweit eine solche auch allein in der EU eingeführt werden kann, sollte keine Einigung auf internationaler Ebene zu erzielen sein. Die britische Regierung hat sich allerdings bereits gegen europäische Alleingänge ausgesprochen. Sie will auch die Entscheidung über die Art der Bankenabgabe ausschliesslich in der nationalen Zuständigkeit belassen. Hinsichtlich der globalen Finanztransaktionssteuer ist strittig, wie mit den Einnahmen verfahren. werden soll. Einige Länder wollen die erwarteten Milliarden - wörtlich ! - zur Sanierung der überschuldeten Staatshaushalte verwenden, andere drängen darauf, das Geld in einem Fonds zu belassen, um bei künftigen Notfällen nicht wieder auf das Geld der Steuerzahler zurückgreifen zu müssen 2. Was sich der amerikanische Präsident soeben an Vorschlägen ausgedacht hat, liest sich wie folgt: In einem an die Staats- und Regierungschefs der G-20 gerichteten Schreiben warnt er vor »übertriebenen Sparmassnahmen«. »Die Kürzung öffentlicher Ausgaben könne die Erholung der Weltwirtschaft erheblich gefährden.« Von der nie mehr tilgbaren Verschuldung gerade der EU-Länder, die die weitaus grössere Gefahr darstellt, nämlich die der versiegenden Kassen, kein Ton. Wo substantielle finanzielle Mittel nicht mehr vorhanden sind, lässt sich schwerlich etwas ankurbeln. Man könnte annehmen, dass im Grunde genommen keiner der Verantwortlichen noch eine klare Vorstellung davon hat, wo hier der Ausweg liegt 3
 
Was nützen uns insofern die jetzt von EU-Kommissionspräsident Barroso bei einem Treffen mit Gewerkschaftsführern in Brüssel ausgesprochenen Warnungen, dass die Demokratie in Griechenland, Spanien und Portugal gefährdet sei, könnte die Verschuldung dieser Länder nicht bewältigt werden, wodurch diese einem Militärputsch zum Opfer fallen könnten oder schweren Unruhen ausgesetzt wären, sobald die öffentlichen Dienste infolge steigender Zinsen und fehlender Mittel zusammenbrechen. Der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbunds, John Monks, sagte, dass er vom Schweregrad der Warnungen Barrosos schockiert sei. Dieser hatte ihm in einen Gespräch erklärt, dass die drei Länder, sofern sie die Austeritätsprogramme nicht einhielten, in ihrer jetzigen demokratischen Staatsform regelrecht verschwinden könnten. Barroso schockierte die Gewerkschafter mit einer apokalyptischen Vision von EU-Staaten, die infolge ihrer Verschuldung zusammenbrechen könnten 4 . Offenbar fand keiner den Mut, ihn mit der Frage zu konfrontieren, wieso es das gemeinhin alles regelnde Brüssel bisher nicht fertiggebracht hat, eine besserer Politik zu betreiben. Die von Barroso erwähnte Gefahr drohender Bürgerkriege in der EU, die sich ergeben könnte, wenn die Kassen leer sind und die Bürger dennoch ihre gewohnten sozialen Leistungen einforderten, dient in meinen Augen zu nichts, denn Derartiges wäre mit allen Mitteln zu verhindern. Völlig unverständlich ist in meinen Augen, dass Barroso seine Besorgnis erst jetzt der Öffentlichkeit vorträgt. Nun weiss man ja, dass Aufstände in der Regel von diskret im Hintergrund bleibenden Akteuren geschürt, gezielt inszeniert und für ihre Zwecke gesteuert werden. Insofern täte er wirklich besser daran, derartige Vorhersagen zu unterlassen, da es hochgradig unwahrscheinlich ist, dass auch nur ein EU-Bürger an einem regelrechten Bürgerkrieg interessiert ist. Angesichts der von Barroso aufgezeigten Schuldenlage ist es für meine Begriffe doppelt unverständlich, wie man - wie jetzt erfolgt - dafür eintreten kann, Beitrittsverhandlungen mit Island zu befürworten, denn noch ist die Frage der Rückerstattung der britischen und niederländischern Anlegern geschuldeten 3,8 Milliarden € nicht definitiv abgehandelt. Vermutlich waren daher England und Holland auch zuerst gegen die Verhandlungen. Es könnte jedoch durchaus sein, dass die EU auf Grund der Fischereirechte grosses Interesse an einem Beitritt Islands hat.
 
Wirtschaftsregierung und EU-Währungsfonds
Neben besagten Abgaben ist nun auch die Forderung nach einer starken Wirtschaftsregierung für Europa offen ausgesprochen worden. Ob eine solche eine echte Verbesserung der Lage erzielen könnte, steht dahin. Beratungen hierzu erfolgten am 14. 6. in Berlin zwischen Merkel und Sarkozy. Paris hatte beabsichtigt, eine Wirtschaftsregierung speziell für die Euro-Zone einzurichten und dazu ein eigenes Sekretariat vorgeschlagen, was jedoch auf Ablehnung stiess, da Berlin um die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank fürchtet. Die Bundeskanzlerin betonte u.a.: »Es geht nicht um die Schaffung neuer Institutionen.« Da hätte man so seine Zweifel, denn schliesslich läge dies durchaus im Trend der in der EU zu konstatierenden Ämtervermehrung, hinsichtlich der man Brüsssel eine gewisse Findigkeit nicht absprechen kann. Schliesslich dürfen die EU-Bürger inzwischen gleich zwei neue Ämter finanzieren, den EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, für den ein Jahresgehalt von 300.000.- € vorgesehen war, sowie Catherine Ashton als hohe Vertreterin für die Aussen- und Sicherheitspolitik, deren Auswärtiger Dienst allein bis zu 8000 Diplomaten umfassen soll, was sich auf annähernd 1 Milliarde zusätzlicher Euro pro Jahr veranschlagen lässt. Aber letztlich hat sich Brüssel noch nie darin ausgezeichnet, eine Ausgabenbremse zu tätigen. Wie gedenkt man dort eigentlich zu verhindern, dass auch die EU-Kassen in absehbarer Zeit spürbar zur Neige gehen, werden sie doch ausschliesslich von den Mitgliedsstaaten gespeist?
 
Kurz vor dem EU-Gipfel in Brüssel am 17. 6. hatten sich sowohl Merkel als auch Sarkozy für eine Reform der EU- Wirtschafts- und Finanzpolitik ausgesprochen: »Wir sind uns einig, dass wir dafür eine Wirtschaftsregierung und eine verstärkte Koordinierung brauchen«, sagte der französische Präsident 5. Zunächst war die Kanzlerin mit ihrer Forderung nach einer Wirtschaftsregierung aller 27 EU-Staaten bei Sarkozy auf wenig Gegenliebe gestossen. Dennoch unterschrieb Sarkozy ein gemeinsames Papier mit diesem Vorschlag. Sie und Sarkozy vereinbarten darüber hinaus, sich dafür einzusetzen, dass in der Euro-Zone künftig schwere Verstösse gegen den Stabilitätspakt mit dem Entzug des Stimmrechts geahndet werden sollten. »Wir brauchen Verträge mit Zähnen«, sagte die Kanzlerin. Wie der FTD zu entnehmen war, würden Deutschland und Frankreich die Bankenabgabe gleichzeitig umsetzen und anwenden 6.
 
Vorläufer
Wie fast alle in der Politik vollzogenen Schritte, so hat auch die jetzt propagierte Wirtschaftsregierung gewisse Vorläufer. So schrieb der Megaspekulant George Soros in der Financial Times, Griechenland sei ein kleines Problem, das durch provisorische Hilfe zu handhaben sei, jedoch blieben Spanien, Italien, Portugal und Irland übrig, die die Zukunft des Euros in Frage stellten. Die Lösung: »Die Notwendigkeit ist klar: mehr eingreifende Überwachung und institutionelle Vorkehrungen für Hilfe mit Bedingungen. Ein gut organisierter Markt von Euro-Anleihen wäre wünschenswert.« Dafür brauche Europa laut Soros ein Finanzministerium, das zu Krisenzeiten von den Mitgliedsstaaten Steuern erheben könnte. Soros bedauert, dass es für die drastischen Massnahmen keine aus seiner Sicht ausreichenden politisch diktatorischen Instrumente gibt.« Joschka Fischer, mit dem George Soros seinerzeit den imperialen European Council of Foreign Relations gründete, hatte sich in der Süddeutschen Zeitung am 23. Februar ebenfalls für eine europäische Wirtschaftsregierung ausgesprochen, wobei er von Merkel und Sarkozy forderte, dass diese über Maastricht hinausgehen müsse. Thomas Meyer, neuer Chefvolkswirt der Deutschen Bank, und Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies, einer Denkfabrik der EU-Kommission, erklärten im Economist, dass die EU einen Europäischen Währungsfonds (EWF) benötige. Sehr offen heisst es hier: Dieser solle wie der Internationale Währungsfonds (IWF) unmittelbarer politischer Kontrolle entzogen sein; er würde sich die wirtschaftliche Überwachung der Mitgliedsstaaten vornehmen. Der EWF wäre befugt, an den Märkten Geld zu leihen, aber er könnte auch Strafgelder von jenen Mitgliedsstaaten erheben, die die Maastrichtkriterien der Staatsschulden und des jährlichen Haushaltsdefizits von jeweils 3 % oder 60 % des Bruttoinlandsprodukts überschritten.7
 
Wie auf http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1442 in EU-Gipfel: Vorstoß für eine europäische Diktaturbereits festgehalten, machte es Van Rompuy in der auf den Brüsseler EU-Gipfel vom Februar folgenden Pressekonferenz deutlich, dass die EU eine Diktatur schaffen will, in der der Europäische Rat als imperiale Junta dienen soll - mit zunehmender Macht über die Mitgliedsstaaten ausgestattet. In dem Schreiben, das er vor dem Zusammentreffen an die Regierungschefs gesandt hatte, legte er folgendes dar: »Ob man es Koordination der Politik oder Wirtschaftsregierung nennt, nur der Europäische Rat ist in der Lage, eine gemeinsame europäische Strategie für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze in Gang zu setzen und aufrechtzuerhalten.« Wie das im einzelnen zu bewerkstelligen wäre, wird nicht erläutert; insofern dürfte man es mit den üblichen Versprechungen zu tun haben. Inzwischen ist die Zahl der Arbeitsplätze weiter gesunken und die Asylantenflut kann auf Grund des anhaltenden Chaos im Irak und des mörderischen Kriegs in Afghanistan gar nicht zum Erliegen kommen. Van Rompuy ferner: »Jüngste Entwicklungen in der Eurozone werfen ein Schlaglicht auf die dringende Notwendigkeit, unsere Wirtschaftsregierung zu stärken. In unseren ineinander verflochtenen Volkswirtschaften müssen die Reformen koordiniert werden, um deren Wirkung zu maximieren. ….. Die Krise hat unsere Schwächen offenbart. Unsere strukturelle Wachstumsrate ist zu niedrig, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und unsere Sozialsysteme zu erhalten.« Späte Einsicht, kann man hier nur noch anfügen. Ganz ähnlich klingt eine Forderung von Finanzminister Wolfgang Schäuble in der ZEIT. Dort heisst es : »Wir brauchen bessere Instrumente, um den Stabilitätspakt durchzusetzen. Und wir brauchen mehr Koordinierung im Sinne einer Wirtschaftsregierung  - auch wenn wir den Begriff nicht so sehr lieben. Das alles führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Europa.« 8 Auch zu Schäubles Ideen gehört ein europäischer Währungsfonds. Hierzu erklärte Hessens Regierungschef Koch: »Ich meine auch, wir sollten in ruhigeren Zeiten auf die Idee Wolfgang Schäubles von einem europäischen Währungsfonds zurückkommen. Die Frage, ob der Sparkommissar von einer unabhängigen Behörde Währungsfonds oder von einer politischen Institution wie dem Europäischen Rat oder der Kommission entsandt wird, ist nämlich nicht trivial. Vieles spricht dafür, dass so ein Amt, [resp.] dass der künftige Rettungsmechanismus die Autorität und Neutralität brauchen, wie sie der IWF auch hat«, sagte Koch dem Handelsblatt vom 30. 4. 10 9. Ob ihm diese Feststellung wohl auch die Einladung zur diesjährigen Bilderberger-Konferenz einbrachte, nachdem er schon letztes Jahr an dem jährlichen Treffen teilgenommen hatte.
 
Geht man in die 50er Jahre zurück, zum Hauptarchitekten des europäischen Projekts, zu Jean Monnet, schreibt der britische EP-Abgeordnete Nigel Farage, so liest man, dass dieser 1951 über ein Phänomen schrieb, das er die nützliche Krise nannte. Wenn es eine Krise gibt, dann seien Politiker und Staatsführer wie gelähmt, starrten wie Hasen in die Scheinwerfer. Monnet: Das ist die Chance, um das europäische Projekt voranzutreiben. Und das passiert jetzt, erklärt Farage: Während sich die griechische Tragödie abspielt, benutzt die EU sie dazu, die zentrale Wirtschaftsregierung durchzusetzen 10. Ist im Moment also lediglich von einer europäischen Wirtschaftsregierung die Rede, so muss dennoch daran erinnert werden, dass das Konzept bestand, die G-20 zu einer eigentlichen Weltwirtschaftsregierung aufzuwerten; in eine solche Regierung wollte Calmy-Rey auch die Schweiz einbinden 11. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich am 25. 9. 09 bei ihrem Gipfel in Pittsburgh dahingehend verständigt, dass die G-20 die G-8 als massgebliches Gremium für globale Wirtschaftsfragen ablöst. »Es ist allgemein festgestellt worden«, so Bundeskanzlerin Merkel, »dass das G-20-Format sich in Zeiten der Krise bewährt hat und zu einem Format, das die ökonomische Regierung der Welt darstellen soll, weiterentwickelt werden soll.«  Ein Vorschlag dieser Art war auch von Seiten des vormaligen britischen Premiers Gordon Brown ergangen, indem er verlangt hatte, das Gremium der G-20 langfristig in eine globale Wirtschaftsregierung umzuformen. So könnten die Folgen der Krise besser bewältigt und künftige Probleme verhindert werden. Noch würden die G-20-Staaten nicht eng genug zusammenarbeiten. Ihm schwebe ein neuer Wegvor, um die »Weltwirtschaft global zu regieren«. Brown sagte gleichzeitig, dass die G-20 nur gemeinsam zu einer Lösung für Managergehälter, Steueroasen und der Überwachung des Bankensektors kommen könnten 12
 
In der Pressekonferenz zum EU-europäischen G-20-Vorbereitungsgipfel vom 22. 2. 2009 in Berlin hatte Brown, wie Karl Müller 13 festhielt, etwas gesagt, das aufhorchen liess: »Wir brauchen so etwas wie einen weltweiten New Deal […]«. Und konkret: »Wir sind uns auch bewusst, dass wir in Bereichen, in denen wir weltweite Finanzflüsse haben, nicht mit rein nationalen Behörden auskommen, sondern dass wir weltweite Aufsichtsbehörden bzw. Aufsichtsgremien brauchen, die dafür sorgen, dass uns alle Finanzinstitutionen, die im Markt tätig sind, voll und ganz enthüllen, was sie tun.« Gordon Brown sagte nicht, was genau er meinte. Aber was auf EU-Ebene damit gemeint ist, sagte schon am 11. Februar der Wirtschaftswissenschafter Wilhelm Hankel, einer der Kläger gegen die Einführung des Euros in Deutschland, in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau: »Politisch wäre es das Ende der Demokratie in den europäischen Staaten. Statt Verfassung und Parlamenten regierte eine mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Wirtschaftsregierung in Brüssel.« Im  Juni-Bericht von Strategic Alert 14 las man, »dass französische Synarchisten auf eine Wirtschaftsdiktatur in der EU drängten. In Reaktion auf den Zusammenbruch des Eurosystems riefen einige politische Berater in Frankreich nach staatsstreichartigen Veränderungen des demokratischen Systems, nach dem Vorbild der mit Pierre Laval verbundenen synarchistisch-faschistischen Massnahmen in den 30er Jahren. Der Chef des Wochenmagazins L'Express, Christophe Barbier, ging in der Ausgabe vom 12. 5. 10 so weit, einen legitimen Putsch zu fordern, um in Europa eine Wirtschaftsregierung zu erzwingen. Da die Politiker bisher nicht in der Lage gewesen seien, richtig mit der Krise umzugehen, bräuchte man neue Vertragsvereinbarungen, die über die von Maastricht hinausgingen, um die verflogenen Träume der Europäischen Verfassung von 2005 wiederzubeleben. ……. Lasst die Staatsoberhäupter die Macht ergreifen, die ihnen übertragen ist! Und innerhalb dieses Clubs der Staatsführer möge Sarkozy die Gelegenheit ergreifen, bei den Debatten die Führung zu übernehmen.« Wie man dem Bürger gegenüber in Wirklichkeit eingestellt ist, geht  auch aus einer Aussage von Alain Minc, Spitzenmann der Finanzwelt und Berater Sarkozys, ganz klar hervor. In einem Interview mit Le Point vom 13. 5. 10 wurde er gefragt, ob das Rettungspaket für den Euro nicht hinter dem Rücken der Bevölkerung beschlossen worden sei. Seine Antwort: »Demokratie ist keine auf 400 Mio. Menschen ausgedehnte Agora…... Sie in der Meinung zu wiegen, sie müssten bei jedem grösseren Schritt des europäischen Baus befragt werden, ist nicht nur demagogisch, sondern kriminell. Wir haben gesehen, was bei den verschiedenen Referenden über den Entwurf der Europäischen Verfassung geschah.« Jacques Attali, die graue Eminenz unter Mitterrand und einer der Architekten des Euros, plädiert ebenso eifrig für die Machtausweitung europäischer Stellen, um nationale Regierungen und deren Ausgabenpolitik zu gängeln und Deutschland zu kontrollieren. Im Nouvel Observateur meinte er offen, »bei einer europäischen Regierungsführung muß die Kommission die Kontrolle übernehmen, wenn ein Land den vereinbarten Pfad verläßt.« »Die Besitzer des grossen Geldes«, schreibt Müller ferner, »haben keine prinzipiellen Vorlieben für eine bestimmte Wirtschafts- oder Gesellschaftsordnung. Ihnen geht es darum, profitieren zu können. Was sie stört, sind souveräne Staaten und Völker, in denen die Bürger den Weg der Politik sowie des wirtschaftlichen und sozialen Lebens selbst bestimmen. So darf sich niemand wundern, wenn jetzt ein zentralistischer und dirigistischer, gewaltvoller, immer mehr Freiheitsrechte beschneidender und autoritärer Machtapparat entsteht, der staatliche Strukturen an sich reisst und missbraucht, um die Völker anzulügen, es gehe um ihre Interessen, während es in Tat und Wahrheit darum geht, den Interessen von ein paar wenigen zu dienen. Also das krasse Gegenteil eines verfassten freiheitlichen und demokratischen Rechts- und Sozialstaates.« 13
 
Gegnerische Stimmen
Auf die Frage, ob eine Wirtschaftsregierung die Probleme entschärfen könnte, antwortete Professor Hankel: »Nein, die Wirtschaftsregierung wäre nur ein Heftpflaster auf einem Beinbruch: ein Alibi für den fehlenden Bundesstaat. Der hätte am Anfang der Währungsunion stehen müssen. Dann wäre ein Finanzausgleich möglich gewesen. Heute wäre er unbezahlbar. Im übrigen: Die Wirtschaftsregierung kann keinen Finanzausgleich erzwingen.« 15
 
»Europa braucht keine Wirtschaftsregierung, wohl aber politische und marktwirtschaftliche Mechanismen, die die öffentliche und private Verschuldung in den Mitgliedstaaten wirksam begrenzen«, schreiben die vier wichtigsten deutschen  Ökonomen Clemens Fuest, Wolfgang Franz, Martin Hellwig und Hans-Werner Sinn in einem gemeinsamen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18. Juni veröffentlichten Appell an die Bundesregierung. Sie definieren 10 Punkte für die nun anstehenden Verhandlungen zur Neuordnung des Euroraums. Die Hilfspakete dürften in der jetzigen Form nicht über die vereinbarten Fristen hinaus verlängert werden. »Die Rettungspakete sehen den vollständigen Freikauf der Gläubiger vor«, kritisieren die Ökonomen und warnen, dass es zu erwarten ist, dass die deutsche Bevölkerung ein »pauschales Einstehen für andere Länder nicht lange akzeptieren würde.«  Siehe auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1534 Der Weg der Steuergelder
 
Spätestens hier erhebt sich eine weitere Frage, nämlich die, was die Bevölkerung überhaupt noch gegen ihre eigene Regierung, geschweige denn gegen die von Brüssel ausgehenden Verordnungen unternehmen kann. Die Forderung der genannten Wissenschaftler geht dahin, dass die Politik bis zum Auslaufen der Rettungspakete ein tragfähiges Konzept für die künftigen fiskalpolitischen Regeln in Europa entwickelt haben muss, das zwei Elemente umfasst: schärfere politische Schuldenschranken und vor allem ein Insolvenzverfahren für Staaten. »Für den Fall, dass alle Hilfs- und Kontrollsysteme versagen, müsse bei einer neuen Insolvenz der Austritt des betroffenen Landes aus dem Euro-Verbund durch mehrheitlichen Beschluss der Euro-Länder ermöglicht werden...….. Ein freiwilliger Austritt sollte jederzeit möglich sein.« 16  All diese Appelle in Ehren, dennoch möchte man einmal nachzählen, wie viele von ihnen ungehört verhallt sind, wozu auch unzählige beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Klagen zählen.
 
Die Einführung des Euros, legt Bruno Bandulet dar, war ein Fehler, aber mit den Bestimmungen des Maastrichter Vertrages und des Stabilitätspaktes hätte er zumindest eine Chance gehabt. Wenn Schäuble und Juncker mit einem Europäischen Währungsfonds und einer europäischen Wirtschaftsregierung liebäugeln, brechen sie die Verträge. Warum soll Griechenland nicht aus der Euro-Zone austreten, 30 % abwerten und die Drachme wieder einführen? Eine Katastrophe wäre das nicht. An die Adresse Berlins: Wer sich selbst eine Grube gräbt, hat immer die Option, mit dem Graben aufzuhören 17.
 
Zu dieser Wirtschaftsregierung stellte Jürgen Elsässer die Frage: Wer wird in einer solchen Wirtschaftsregierung drinsitzen? »Ich wette eine Flasche Schampus: Die Leute von Goldman Sachs, JP Morgan, Soros und der Deutschen Bank. Das ist auch keine Wirtschaftsregierung, denn sie ist nicht von einem Parlament gewählt, sondern das ist eine Finanzjunta. Darüber hinaus zitiert er Jacques Delors: Wir brauchen eine europäische Wirtschaftsregierung. Wir brauchen eine Instanz, die jetzt die Finanzpolitik koordiniert, die jetzt die Steuerpolitik koordiniert, die jetzt vor allem die Lohnpolitik koordiniert, sonst bricht der Euro auseinander. Auseinanderdriftende Lohnstückkosten, auseinanderdriftende ökonomische Entwicklungen brauchen Ausgleichmechanismen. Das ist der Sinn der europäischen Wirtschaftsregierung.« 18
 
 
Nun verzeichnen wir in meinen Augen inzwischen einen unsagbaren politischen Pfusch: wer möchte da noch annehmen, dass zusätzliche steuerliche Belastungen und zusätzlich zu finanzierende Institutionen die Lösung sein könnten, zumal es ersichtlich ist, dass mit  letzteren nicht ein Mehr sondern vielmehr ein drastisches Weniger an Demokratie und damit eine sich fortsetzende Entsouveränisierung der Staaten verbunden ist. Dennoch kann man sich bereits jetzt darauf einstellen, dass die angeführten Fakten von den Parlamentariern in ihrer Mehrheit wiederum nicht so gesehen werden, wie dies notwendig wäre, so dass auch diese Schritte widerstandslos abgesegnet werden dürften.  
   
 
1http://bazonline.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/EU-einigt-sich-auf-Bankensteuer/story/15480808    17. 6. 10
2http://www.sueddeutsche.de/geld/eu-gipfel-in-bruessel-die-fuenf-wichtigsten-punkte-1.961209
3http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~E081904B266C743EFB5368E8A081E9124~ATpl~Ecommon~Sspezial.html    18. 6. 10 
4http://www.dailymail.co.uk/news/worldnews/article-1286480/EU-chief-warns-democracy-disappear-Greece-Spain-Portugal.html   15. 6. 10
5http://bazonline.ch/ausland/europa/Merkel-und-Sarkozy-fordern-starke-Wirtschaftsregierung-fuer-Europa/story/13578271  14.6.10 Merkel und Sarkozy fordern starke Wirtschaftsregierung für Europa
6http://www.ftd.de/politik/europa/:europaeische-wirtschaftsregierung-merkel-setzt-sich-gegen-sarkozy-durch/50127711.html     14. 6. 10  
7 http://www.bueso.de/news/megaspekulant-soros-und-eu-kommission-gemeinsam-fur-euro-anleihen-und-diktatur   24. 2. 10  Soros und EU-Kommission gemeinsam für Euro-Anleihen und Wirtschaftsdiktatur
8http://www.krise-news.de/politik/schauble-fordert-zentrale-europaische-wirtschaftsregierung-und-ein-bundesstaatliches-europa/   30. 3. 10 
9http://www.mmnews.de/politik/5439-koch-unterstuetzt-schaeubles-ewf  30. 4. 2010
Koch unterstützt Schäubles EWF
10 http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2010/03/interview-mit-nigel-farage.html?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+SchallUndRauch+%28Schall+und+Rauch%29   14. 3. 10 Interview mit Nigel Farage, britischer Abgeordnete des Europaparlaments
11 http://bazonline.ch/ausland/amerika/G20-wird-Weltwirtschaftsregierung/story/21897181   25.9.09 G-20 wird Weltwirtschaftsregierung
12 http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,650429,00.html  22. 9. 09
Vorstoß vor Gipfeltreffen - Brown will aus G-20 eine Weltregierung machen
13 http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2009/nr9-vom-432009/die-schweiz-stoert-auf-merkels-weg-in-die-eu-finanzdiktatur/   Zeit-Fragen Nr. 9 vom 4. 3. 2009 Die Schweiz stört auf Merkels Weg in die EU-Finanzdiktatur - von Karl Müller
14 Strategic Alert, Jahrgang 24, Nr. 23 vom 9. Juni 2010
15 http://www.handelsblatt.com/politik/nachrichten/finanzhilfe-fuer-griechenland-wir-ziehen-wieder-nach-karlsruhe;2534327    22. 2. 10
16 http://www.mmnews.de/index.php/politik/5805-zehn-regeln-zur-rettung-des-euro
17. 6. 10  Zehn Regeln zur Rettung des Euro
17  Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 68 vom 22. 3. 2010, Seite 8; Leserzuschrift von Dr. Bruno Bandulet, Bad Kissingen: Wir haben schon genug für Europa getan zum Artikel Die Bundesbank fürchtet um ihre Goldreserven im F.A.Z.-Wirtschaftsteil vom 15. März
18 http://juergenelsaesser.wordpress.com/2010/05/16/oskar-und-der-euro-betrug/  16. 5. 0
Oskar und der Euro-Betrug - Von  Jürgen Elsässer
Siehe auch
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1518    15. 5. 10
Zum Thema Euro-Rettung
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1521    21. 5. 10
Europas Zockerbremse
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1333   27. 9. 09
Die G-20 und die Frage der Weltregierung
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1519  21. 5. 10
Die EU zerstört sich und den Euro - mit deutscher Hilfe - Von Prof. Wilhelm Hankel