Die Welt als Israels »Tanzbär am Nasenring« - Von Evelyn Hecht-Galinski

Verfolgt man die Chronologie der Ereignisse seit dem 31. Mai bis heute, kann man in erschreckender Weise feststellen,

wie gut die Hasbara, die israelische Propaganda, wieder Gehirnwäsche betrieben hat. Es waren 700 friedliche Aktivisten, die die Blockade des Gazastreifens durchbrechen wollten. Sie wollten darauf aufmerksam machen, daß diese unmenschliche und völkerrechtswidrige Blockade 1,5 Millionen unschuldige Menschen in kollektiver Kerkerhaft hält. Vergessen wir auch die unwahre Propaganda Israels über die Gefahr aus dem Gazastreifen durch die Hamas. Die bewußte Abschneidung des Gazastreifens vom Westjordanland ist eine gezielte Maßnahme zur Verhinderung eines Palästinenserstaates.
 
Schon im Jahr 1991, vor Beginn des Golfkriegs, wurde ein Trennzaun um den Gazastreifen gezogen, und die Bewohner konnten nicht mehr frei ein- und ausreisen. Vergessen wir nicht: das war vor dem sogenannten Oslo-Friedensprozeß und vor der Welle der ersten palästinensischen Anschläge. Als in einem Interimsabkommen die Einheit zwischen den besetzten Gebieten, also dem Westjordanland und dem Gazastreifen, 1993 festgelegt wurde, hat Israel auch das bewußt negiert. Nach Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 wurden die Übergänge zwischen dem Westjordanland und Gaza geschlossen. Seit damals - also seit 10 Jahren - ist der Gazastreifen von der Außenwelt hermetisch abgeriegelt. Familien wurden auseinandergerissen und Studenten, die im Westjordanland studierten, wurden deportiert. Man sollte also die Aufmerksamkeit nicht allein auf die Lieferung der Waren konzentrieren, sondern auch auf die Verweigerung des Rechts der Gaza Bewohner und die Vereitelung ihres Wunsches, ein aktiver, dauernder und natürlicher Teil der palästinensischen Gesellschaft zu sein, hinweisen. Diese Ausgrenzung des sozialen Miteinander, der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Rechts auf Bildung verfolgt die israelische Politik seit der Gründung des Staates Israel mit der Unterdrückung, Vertreibung und Ermordung des palästinensischen Volkes. Das ist Teil der unmenschlichen Apartheidpolitik Israels.
 
Daher ist es ja sehr erfreulich, wenn der Deutschen Bundestag endlich eine Aufhebung der Gaza Blockade fordert. Aber auf diese Aufforderung müssen Druck und Taten folgen, die Israel unter Zugzwang setzt. Dem kann ich nur skeptisch entgegensehen, da es mir scheint, daß nach dieser Erklärung der Bundestag überparteilich seine Pflicht getan hat und nun wieder zur Tagesordnung übergeht. Israel führt die Welt wie immer als ­­­›Nasenbär in seinem Zirkus vor. Da wird jetzt eine schwarze Liste für Gaza vorgelegt, die vorsieht, daß das Kontingent der Waren, die verwehrt werden, erweitert wird. D.h. Stahlkabel, Eisen und Beton dürfen weiterhin nicht unkontrolliert in den Gazastreifen - genau wie Jagdmesser, Nachtsichtgeräte, bestimmte Computertechnik und Düngemittel (man merke!), die zur Herstellung von Sprengstoffen genutzt werden können. Aber Limonade, Süßigkeiten und Ketchup zum Dickmachen sind erlaubt. Dank unserer aller Hilfe geht also die unmenschliche und verbrecherische israelische Willkür- und Strangulationspolitik weiter.   Immerhin dürfen wir nicht vergessen, daß die ganzen Hilfsgüter von uns allen, von internationalen Hilfsorganisationen und der UNO bezahlt werden. Ich vermisse also weiter den Aufschrei und den Protest gegen diese israelische Politik. Wir brauchen also anstatt unwirksamer Resolutionen wirksame Zeichen, d.h. die Verhinderung der Mitgliedschaft Israels in der OECD, Eureka. Und anstatt die Militärzusammenarbeit zu vertiefen, brauchen wir einen sofortigen Stopp aller Militärgeschäfte und Geschenke an und mit Israel.
 
Lieber Bundestag, liebe Parteien: Das wäre ein Zeichen! Auch unsere Medien sind ein unrühmlicher Teil in diesem Trauerspiel. War man nach der völkerrechtswidrigen Erstürmung der Gaza Flotte noch entsetzt und verurteilte die Tat Israels von 9 Ermordeten und über 48 Verletzten, änderte sich die Berichterstattung zusehends. Die 700 Aktivisten mutierten zu sogenannten Friedensaktivisten, nützlichen Idioten (Focus) und sind inzwischen, wie heute Morgen im DLF schon zur Hamas Flotte umbenannt worden. Diese erschreckende Gehirnwäsche hat die israelische Propaganda im Schatten der Fußball WM schon erreicht. Hoffen wir, daß wenigstens die Türkei standhaft bleibt und - solange Israel sich nicht für dieses Massaker entschuldigt und eine internationale Untersuchungskommission erlaubt, mit dem Abbruch der Kontakte zu Israel droht. Die Türkei sagte wenigstens schon eine geplante gemeinsame Seeübung ab. Der türkische Luftraum bleibt für israelische Militärflugzeuge gesperrt, und die Türkei hat ihren Botschafter aus Israel zurückgerufen.
 
Angesichts des Besuchs Netanjahus beim US-Präsidenten war Obama vor allen Dingen an der Sicherheit der 25.000 US-Soldaten im Nahen Osten, Mittleren Osten und der Golfregion gelegen. Da stört es natürlich, wenn das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel zerrüttet ist. Auch wenn die Obama Regierung so tut, als ob sie die Siedlungspolitik verurteilte, so sind die Palästinenser in Wirklichkeit doch außen vor, egal ob im amerikanisch-israelischen Terminus - gemäßigt oder terroristisch = Hamas. Machen wir uns nichts vor, was in der USA lediglich zählt, sind Israel - der Jüdische Staat und die einzige Demokratie im Nahen Osten -und die Israel Lobby im Senat und Kongreß. Es hilft nur Widerstand und das Boykottieren dieser unheilvollen Politik Israels mit der USA gegen den Rest der Welt, d.h. besonders natürlich gegen die muslimische Welt. Daher erscheint mir auch der Slogan »um Hoffnung kämpfen « ein falscher Ansatz. Kämpfen kann man nur für ein freies Palästina, darin liegt eine Hoffnung. Aber die Wirklichkeit ist alles andere als hoffnungsvoll. Laut Betselem kontrollieren die Siedler 42 % des Palästinensergebietes. Die Zahl der Siedler liegt heute lt. Haaretz bei über 300.000. Man plant nach dem Auslaufen des Moratoriums 2700 neue Wohneinheiten. Die Judaisierung, Vertreibung und Deportation aus Ost-Jerusalem schreitet täglich voran. Die Menschenrechtsgruppen und NGOs in Israel werden massiv angegriffen, d.h. sie sollen sogar z.T. verboten bzw. ihnen jeder legale Status genommen werden.
 
Wo bleibt da der Protest des Deutschen Bundestages? Solange das nicht geschieht und solange Israel hier weiterhin jeden Freibrief für seine mörderische Unterdrückungspolitik hat, habe ich keine Hoffnung auf Besserung. Zumal immer die gleichen Protagonisten gegen den Bundestag opponieren. Aus diesem Grund ist auch die Kritik des Zentralrats nur mit mildem Lächeln zu betrachten. Mit diesem Generalsekretär Stephan Kramer, der trotz seiner Rundumschläge gegen die Medien (antisemitisch!) immer wieder Platz für seine Tiraden bekommt. Wie sagt Kramer in der TAZ: weil für ihn das Judentum nach »einer Phase der Identitätssuche ein stückweit Heimat und Familie geboten hat.« Bedauerlich, daß er nicht katholisch wurde und im Vatikan gelandet ist – so einen Wadenbeißer hätte der Papst gebraucht. Aber Spaß beiseite - sagt Kramer nicht sehr richtig auch in diesem Interview, daß der Holocaust von einzelnen Mitgliedern der israelischen Regierung und Teilen der  israelischen Gesellschaft für politische Zwecke benutzt wird, und er bemängelt auch: »Es geht nicht«, daß Ahmadinedschad nicht vor dem Tor von Auschwitz gezeigt werden dürfte, um die atomare Bedrohung des armen kleinen Israels durch den Iran zu demonstrieren. Sehr schön, Herr Kramer, aber liest man Ihre letzten Propagandareden anläßlich von Demonstrationen gegen die Gaza-Flotte in Berlin, wird man eines Besseren belehrt. Sie und der Zentralrat machen bewußt Politik mit der falschen Angst mit Vergleichen mit dem Holocaust: Iran, Holocaust, Antisemitismus und Antizionismus, d.h. wieder mit der unsäglichen Vermischung und dem Totschlagen jeder Israelkritik. So sieht die traurige Wirklichkeit im Jahre 2010 aus. Da wird bewußt ein nicht erfolgter Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald durch eine iranische Delegation als antisemitisch aufgeputscht. Ich frage Sie: Würde eine deutsche Besucher-Delegation aus Weimar der 300.000 Getöteten aus den Kriegen im Iran gedenken? Und warum muß jeder Politiker bei jedem Israel Besuch nach Yad Vaschem? Das nenne ich eine gefährliche Instrumentalisierung des Holocaust durch Israel und den Zentralrat. Ebenso wird der bedauerliche Vorfall in Hannover gegen eine jüdische Tanzgruppe auf unsägliche Weise benutzt: d.h. Kinder, die Kieselsteine geworfen und dumme Parolen gerufen haben, werden als Antisemiten kriminalisiert. Ist nicht der wirkliche Hintergrund dieser Vorfälle die israelische Unrechtspolitik gegenüber den Palästinensern, die hier die Gemüter der Muslime erhitzt, zumal sich die Jüdische Gemeinde in Deutschland als Teil dieser israelischen Politik begreift: wenn sie z.B. die Hatikva, also die israelische Nationalhymne singen und Davidsternflaggen schwenken? Das ist eine Provokation, die genau dieses Klima erzeugt, das dann von israelischen und Zentralratskreisen dazu benutzt wird, Angst vor einem angeblichen neuen Antisemitismus zu erzeugen, der schon in der »Mitte der Gesellschaft « angekommen ist. In der Tat wird es immer wichtiger, auf folgendes hinzuweisen: Die heutigen Feindseligkeiten zwischen Muslimen und Juden, zwischen Israelkritikern und sogenannten Zionisten und Israelunterstützern dürfen nicht in die antisemitische Ecke gedrängt werden. Dagegen müssen wir uns alle gemeinsam als deutsche Demokraten wehren. Den wirklichen Antisemiten, die es natürlich immer gibt und geben wird, macht man es durch diese falsche Vermischung immer leichter. Die echten Antisemiten werden durch die inflationären Antisemitismusanschuldigungen immer sicherer in ihrem braunen Dreck.
 
Lassen wir es nicht mehr zu, daß Israel den Gazastreifen und das besetzte Palästina aus unserem Bewußtsein verdrängt. Die Gaza Flotte war nur ein Anfang. Sanktionen und Boykott sollten die Fortsetzung sein, solange die autistische israelische Gesellschaft Regierungen wählt, die alle - egal, ob Likud, Kadima, Arbeiterpartei oder rechtsradikale Splitterparteien - eine faschistische Unrechts- und Unterdrückungspolitik betreiben. Wie lange wollen wir uns durch Duldung und Hinnehmen dieser Politik noch schuldig machen? Schluß mit dem Zirkus und mit der Vorstellung des „Bären am Nasenring“, an der Leine und an der Kette von Israel. Genug ist genug!
 
Wenn Tausende Israelis mit einem Marsch für einen Soldaten nach Jerusalem unterwegs sind, wie viele Millionen Palästinenser müßten dann für ihre Zivilisten - die über 11.000 in Gefängnissen inhaftierten Männer, Frauen und Kinder - marschieren
 
 
Quelle: http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/Stimmen_deutsch/hecht-galinski_evelyn_die_welt_als_israels_baer_am_nasenring.htm   8. 7. 10