Wie man beim Raubzug der Banker Schmiere steht

beschreibt Leo Müller in seinem Buch »Bankräuber - Wie kriminelle Manager und unfähige Politiker uns in den Ruin treiben« auf eindringliche Art.

Müller legt dar, wie die Deals abliefen, wie die Öffentlichkeit getäuscht wurde und die Wahrheit über die riskanten Geschäfte in den Bankbilanzen verschwiegen wurden, woran liegt es, dass Schweizerische Kantonalbanken ihren Bürgen konstante Dividenden ablieferten, während die 4 großen deutschen Landesbanken den Steuerzahlern ein Milliardengrab hinterliessen, warum die grössten bad banks der Welt heute in Deutschland stehen und wie kommt es, dass die spanische Santander-Gruppe in den Krisenjahren 2007 und 2008 fast 18 Milliarden € verdiente, während die zehn grössten deutschen Banken im gleichen Zeitraum 23 Milliarden € Verluste schrieben.
 
Die nachfolgende Rezension des Buches verdanken wir Harald Schumann vom Tagesspiegel Berlin: Wenn Kanzlerin Merkel und ihr früherer Finanzminister Peer Steinbrück über die seit nunmehr drei Jahren laufende Finanzkrise sprechen, dann sind die Schuldigen immer weit weg. Mal sollen es gierige Spekulanten in Amerika gewesen sein, mal unfähige Bankmanager in Frankfurt und München oder aber die Regierung in Washington, die - unerhört - den Wall Street-Riesen Lehman Brothers pleitegehen ließ und damit eine weltweite Kettenreaktion auslöste. Welche Formel sie auch wählen, in einem Punkt sind sich Deutschlands Finanzpolitiker einig: Daß 8 deutsche Großbanken, davon 6 im Staatsbesitz, zum Schutz des Systems mit 3stelligen Milliardenbeträgen zulasten des Steuerzahlers saniert werden müssen, sei nicht vorhersehbar gewesen, versichern alle Beteiligten. Insofern, das ist die Kernbotschaft, treffe weder die Regierenden noch die ihnen unterstehenden Aufsichtbehörden irgendeine Schuld. Das war von Beginn an wenig glaubwürdig. Schließlich haben die Regierungen von Gerhard Schröder und Angela Merkel mit der Deregulierung der Finanzwirtschaft die gigantischen Fehlspekulationen überhaupt erst ermöglicht. Doch ihr Versagen geht weit über die Schwächung der Aufsicht hinaus. Denn schon lange vor Ausbruch der akuten Krise waren großen Teile des deutschen Bankensystems hochgradig mit faulen Krediten belastet. Und die Finanzminister in Bund und Ländern haben gemeinsam mit den Aufsehern bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und der Bundesbank die damit verbundenen Risiken noch vervielfacht und so lange verschleiert, bis es zu spät war. Das jedenfalls ist die Kernthese des Wirtschaftsjournalisten Leo Müller, der jetzt seine jahrelangen Recherchen über den Finanzplatz Deutschland in seinem fulminanten Buch über die „Bankräuber“ im Amt zusammengefaßt hat. Mit einer überwältigenden Fülle von Belegen führt Müller darin den Nachweis, daß der deutsche Anteil an der globalen Finanzkrise dem amerikanischen in nichts nachsteht, eine Lektüre, bei der selbst dem informierten Leser zuweilen der Atem stockt.
 
Ausgangspunkt ist ein Geheimtreffen im Berliner Wirtschaftsministerium im Februar 2003. Acht Spitzenmanager der Finanzbranche beraten damals mit Kanzler Schröder und Finanzminister Hans Eichel über ein gravierendes Problem: Mehrere Banken, darunter die Commerzbank, die Dresdner Bank und die Hypo-Vereinsbank haben notleidende Kredite von bis zu 100 Milliarden € in ihren Büchern stehen. Um eine Pleite abzuwehren, schlägt der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, die Einrichtung einer Auffanggesellschaft vor, einer bad bank, die die Last mit staatlicher Hilfe langfristig abtragen soll. Der Vorschlag hat keine Chance, weil die Sanierung auf Kosten der Steuerzahler den Wählern nicht zu vermitteln ist. Stattdessen verlegen sich alle deutschen Großbanken auf ein höchst undurchsichtiges Geschäft. In großem Umfang fassen sie Kredite zu Paketen zusammen und verbuchen diese Verbriefungen in sogenannten Conduits, Zweckgesellschaften, die sie in unregulierten Steueroasen - wie auf den Kanalinseln - anlegen. Formal sind diese Anlagevehikel unabhängig und ersparen den Ursprungsbanken so die eigentlich vorgeschriebene Unterlegung mit Eigenkapital. Über Liquiditätsgarantien haften jedoch letztlich die Mutterhäuser für alle Risiken. Denn nur so können diese Schattenbanken die Darlehen aufnehmen, mit denen sie die verbrieften Kreditpakete gegenfinanzieren. De facto handelt es sich also um eine groß angelegte Bilanzmanipulation. Doch Politiker und Aufseher feiern das als Innovation. Jörg Asmussen, damals Abteilungsleiter und bis heute Finanzstaatssekretär, lobt, daß die Eigenkapitalanforderungen für viele Kreditinstitute sinken.
 
Tatsächlich jedoch führten die Conduits geradewegs in die Katastrophe. Denn die Finanzstrategen stiegen mit ihren Zweckgesellschaften in den Folgejahren im großen Stil auch in den Kauf von US-Kreditverbriefungen ein und häuften unvorstellbare Risiken in ihren Tarnfirmen an. Akribisch und Bank für Bank schildert Müller, wie sie dabei jedes Maß verloren und sich selbst skrupellos bereicherten. Bis 2009 stieg so allein bei den Landesbanken das Volumen der Problemkredite auf ungeheuerliche 355 Milliarden €. Am Ende haftete selbst die sächsische Landesbank mit gerade einmal 1,6 Milliarden €  Eigenkapital für Risken in Höhe von 43 Milliarden €, mehr als selbst der US-Geldkonzern Citigroup in seinen Schattenbanken hielt. Nicht minder erschütternd liest sich die Schilderung, wie die Finanzpolitiker in Bund und Ländern beim großen Raubzug der Banker Schmiere standen. So hätten die riskanten Milliardenwetten gemäß EU-Recht eigentlich schon ab 2005 offengelegt werden müssen. Doch wohl wissend um die versteckten Risiken verschleppten die Finanzminister die Umsetzung der Bilanzvorschriften noch bis zum Mai 2009. Das ging mit einer grandiosen Selbsttäuschung einher. Noch am 25. September 2008, zehn Tage nach der Lehman-Pleite, verkündete Minister Steinbrück im Bundestag, das deutsche Bankensystem sei im internationalen Vergleich relativ robust, ein Bankenrettungsprogramm wie in den USA sei in Deutschland nicht notwendig. Nur einen Tag später begannen die Verhandlungen für den 100-Milliarden-Freikauf der Münchner Hypo Real Estate (HRE). 
 
Und bis heute, das ist der besonders bedrückende Teil des Buches, hält die Vertuschung an. Längst haben die Regierungen in den anderen Krisenstaaten ihre Banken gezwungen, sämtliche Risiken aufzudecken und dafür neues Eigenkapital auf dem Markt oder aber vom Staat aufzunehmen. Nur in Deutschland geht das Versteckspiel weiter. Die Operationen des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung unterliegen der strikten Geheimhaltung. Noch immer werden die auf die Staatsbank KfW übertragenen Altlasten der IKB und der Irland-Fonds der SachsenLB nicht offen bilanziert. Der tatsächliche Kapitalbedarf der Landesbanken und der HRE und die Folgen für die öffentlichen Haushalte sind völlig ungeklärt. Umso schwerer wiegt, daß der Bundestag bis heute keine umfassende Aufklärung betreibt, wie sie etwa der US-Kongreß mit seiner unabhängigen Untersuchungskommission leistet. Spätestens nach der Lektüre dieses Buches sollte auch den SPD-Abgeordneten im Bundestag klar sein, daß sie sich der Einsetzung einer solchen Wahrheitskommission, wie sie jüngst auch IG- Metall-Chef Berthold Huber forderte, nicht mehr verweigern dürfen. Andernfalls wird das Bankendesaster zu einem Dauerschaden für die Demokratie.
 
 
Leo Müller: Bankräuber. Wie kriminelle Manager und unfähige Politiker uns in den Ruin treiben. Econ Verlag, Berlin, März 2010, ISBN: 9783430200929 - 19,95 €
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/kultur/der-grosse-raubzug/1803948.html   19. 4. 2010
Politisches Buch: Der große Raubzug - Von Harald Schumann