Papier ist geduldig - Von Patrick Freudiger

»Wie uns die SVP schadet«, wusste die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT kürzlich zu berichten. Die Warnung vor der grössten Schweizer Partei

war für die »grosse Qualitätszeitung« mit extra Schweiz-Teil offenbar so wichtig, dass die Story sogar den Weg auf die Titelseite des Schweizer Teils fand.

Der Leser erhält beinahe den Eindruck, der Schweiz stehe ein parteipolitisches Fukushima bevor: Mit einer »millionenteuren Strategie der Diffamierung von Minderheiten« habe die SVP fast 30 % der Wähler für sich gewinnen können. »Mit ihrer Politik der Verweigerung und Verachtung aber gefährde die SVP das Wohlergehen des Landes«, werden wir aus Deutschland belehrt.

Gemach: Wenn ein Land bereits einen Ausländeranteil von bereits mehr als 20 % aufweist und im Wirtschaftskrisenjahr 2010 nochmals eine Nettoeinwanderung von über 68’000 Menschen verzeichnet, dürften sich die betroffenen Minderheiten weder diffamiert noch verachtet fühlen. Zum Vergleich: In Deutschland wird bereits bei einem Ausländeranteil von ca. 9 % über eine Selbst-Abschaffung des Landes diskutiert. Für manchen deutschen Steuerzahler wäre zudem etwas mehr Verweigerung gegenüber dem Brüsseler Polit-Biotop ganz angenehm, nachdem er derzeit den euro-geschädigten Kontinent sanieren muss.

Die Zeit hat zur Untermauerung ihres atemberaubenden Thesenjournalismus gegen die SVP sogar noch ein paar helvetische Kronzeugen aufbieten können: So etwa Walter Schmid, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, oder Nationalrätin Brigitta Gadient. Für ersteren als fleissiges Bienchen der helvetischen Sozialindustrie und letztere als

BDP-Mitglied ist die SVP sozusagen von Amts wegen Staatsfeind Nr. 1. Schmid und Gadient bestätigen denn auch brav die Lageanalyse aus dem Norden. Eine Plattform erhielt auch der Pädagoge Hans Zbinden, der über die SVP-Bildungspolitik herzog. Dass Zbinden für die SP 10 Jahre lang im Aargauer Kantonsrat und danach im Nationalrat sass, verschwieg die

»grosse Qualitätszeitung« dem Leser allerdings. Wir erkennen ein Grundsatzproblem des Ausland-Journalismus: Bei Auslandsberichterstattungen der Medien sind grundlegende Selbstregulierungsmechanismen ausser Kraft gesetzt; Zeitungsabonnemente werden in der Regel wegen einer solchen nicht gekündigt. Berichtet also eine Zeitung einseitig über Vorgänge im Ausland, droht ihr trotzdem kein Boykott von Seiten der Abonnenten. Papier ist eben im Auslandsteil besonders geduldig.

Man fühlt sich manchmal an den bösartigen Ausspruch des amerikanischen UN-Botschafters Adlai Stevenson erinnert: »Ein Journalist ist jemand, der die Spreu vom Weizen trennt und dann die Spreu druckt.«

Ausländer in Polizeiuniform?! Nein danke!

»Ey Mann, hesch Problem« - Bisher musste sich die Polizei mit solchen Sprüchen vorlauter Secondos herumschlagen.

Vielleicht hört man im Kanton Bern in Zukunft diesen Spruch auch von der Polizei selbst. Derzeit prüft die Berner Kantonspolizei nämlich, das Schweizerpass-Obligatorium bei der Zulassung zum (uniformierten) Polizeiberuf abzuschaffen. Das Anliegen ist nicht neu und wurde namentlich von linker Seite schon des öfteren vorgebracht. Bereits abgeschafft ist das Schweizerpass-Obligatorium für Polizisten in den Kantonen Basel-Stadt, Neuenburg, Schwyz und Jura. Nun soll auch der Kanton Bern folgen. Im Sommer 2007 wurde ein entsprechender Vorstoss der SP im Grossen Rat überwiesen. Der rot-grüne Regierungsrat äusserte sich damals positiv. Zur Diskussion steht, hier niedergelassenen Ausländern bereits nach 5 Jahren Aufenthalt den Zugang zum Polizeiberuf zu erlauben. Innerpolizeiliche Probleme aufgrund unterschiedlicher Mentalitäten im Polizeikorps wären absehbar. Die kurze Frist steht zudem quer zur ausländerpolitischen Realität: Integration ist heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr, selbst wenn ein Ausländer in der Schweiz geboren wurde, geschweige denn nach nur fünf Jahren.

Der Berner Regierungsrat hebt insbesondere die interkulturelle Vermittlungsfunktion ausländischer Polizisten hervor. Der Ansatz ist falsch: Polizisten sind keine Sozialarbeiter. Der Staat soll bei der Durchsetzung unserer Gesetze Polizisten nicht zu interkulturellen

Vermittlern degradieren. Wer hier lebt, hat unsere Regeln zu akzeptieren. Punkt. Begründet wird die Forderung nach Polizisten ohne Schweizerpass zudem mit den bestehenden Rekrutierungsproblemen der uniformierten Polizei.

Abgesehen davon, dass mit einer Öffnung des Polizeiberufes diese Probleme kaum gelöst würden, zeigt sich eine falsche Problemlösungsmentalität. Anstatt bestehende Probleme [z.B. die hohe Anzahl an Wochenendeinsätzen bei Demonstrationen und Sportanlässen in Bern] anzugehen, sucht man das Heil in einer Herabsetzung der Zulassungskriterien. Die Basis jedenfalls teilt die Problemlösungsstrategie der classe politique nicht. Die Delegierten des Berner Polizeiverbandes haben sich kürzlich mit 105 zu 14 Stimmen erfreulicherweise klar gegen die Abschaffung des Schweizerpass-Obligatoriums für den Polizeiberuf ausgesprochen. Letztlich geht es um eine staatspolitische Grundsatzfrage: Die Polizei repräsentiert wie keine andere Behörde den Staat selbst und übt zusammen mit der Armee das Gewaltmonopol aus. Die Polizei ist für die Erfüllung der ersten und wichtigsten Aufgabe des Staates verantwortlich: Den Schutz seiner Bürger. Die Verwandtschaft der Begriffe Politik und Polizei ist nicht zufällig. Genauso falsch wie eine Auslagerung polizeilicher Kernaufgaben

an Private ist die Übertragung der Polizeigewalt an Personen, welche sich (noch) nicht zu unserem Staat bekannt haben. Wer sich als Ausländer für den Polizeiberuf interessiert und die entsprechenden Fähigkeiten besitzt, kann sich einbürgern lassen und sich dann als Schweizer bei der Polizei bewerben. In diesem Fall haben sich die Kandidaten mit der Einbürgerung zum Staat Schweiz bekannt und bei gelungener Einbürgerung auch eine entsprechende Integrationsleistung an den Tag gelegt. Denn wer sich nicht vollständig integriert hat, dem soll auch nicht die Anwendung des Gewaltmonopols anvertraut werden. 1

1 Quelle: »BernAktuell« Ausgabe 172, April/Mai 2011

Patrick Freudiger ist Stadtrat in Langenthal