Prof. Dr. Wilhelm Hankel - »Ein Europäischer Marshall-Plan« 20.06.2011 00:15
Zurück zu nationalen Währungen und einem europäischen Wechselkursverbund
Die
Krisenlüge und andere volkswirtschaftliche Märchen: Wie es mit dem Euro
weitergeht
Ein Brief an Freunde,
Mitstreiter und kritische Bürger
Nicht nur
in die Krise kommt Bewegung, auch in das Krisenmanagement. Die offiziellen
Euro-›Retter‹ betreiben noch immer einen doppelten Etikettenschwindel. Nicht
der Euro steckt in der Krise, sondern die Staaten, die ihm schaden (wie
Griechenland, Portugal, Irland und demnächst noch andere). Und dieser Schaden
ist mit Geld und noch mehr Geld nicht zu
beheben. Denn erstens kommt dieses Geld bei den Staaten, die sich selber in die
Schuldenfalle manövriert haben, nicht an. Es bleibt bei den Banken hängen und soll diese vor ihren selbstverschuldeten
Verlusten ›retten‹. Und zweitens, selbst wenn dieses
Geld bei den Staaten ankäme und dazu beitrüge, daß sie ihre Rückzahlungen
strecken oder zeitweise aussetzen könnten (was unsere Bundesregierung für eine
faire Lösung hält), wäre auch dieser Heilsplan nur ein Schlag ins Wasser. Weder
garantiert er, daß sich nach der Entschuldung die Verhältnisse (und die
Politik) in diesen Ländern ändern. Noch setzt er am Kern des Problems an. Denn
letztlich können sich die auf Grund gelaufenen Euro-Staaten nur durch eines aus
der ihnen drohenden Havarie befreien: energische Selbst-Hilfe. Es muß mehr,
härter und effizienter gearbeitet werden, damit ein höheres Wirtschaftswachstum
und Exporterfolge erzielt werden können. Und die Finanzpolitiker dieser Länder müssen
lernen, daß Staatsausgaben aus Steuern
zu finanzieren sind und nicht aus wachsender Verschuldung, noch dazu
bei ausländischen Banken.
Doch
dieses Konzept läßt sich nicht durch das mit der Euro-›Rettung‹ verknüpfte Kaputt-Sparen
ihrer Volkswirtschaften erreichen. Die Länder und ihre Volkswirtschaften müssen
sich von Grund auf modernisieren. Hier offenbart sich das katastrophale
Versagen der EU, ihrer Organe und ihres ebenso rat- wie hilflosen Krisenmanagements.
Statt aus rückständigen Fast-Noch-Entwicklungsländern leistungsstarke
Industrie-, High-Tech- und Dienstleistungsgesellschaften zu machen, hat man
diese mit dem durch die Währungsunion für sie verbilligten Euro dazu verführt,
sich bis zur Halskrause und darüber zu verschulden. Statt der Währungsunion
hätte man diesen Ländern ›Hilfe zur
Selbsthilfe‹ anbieten müssen,
Anreize zu mehr Investitionen und weniger Konsum - und staatliche
Misswirtschaft, wo immer sie sich zeigte, bestrafen müssen. Ein ›Europäischer Marshall-Plan‹, eine Aufbau-, Investitions- und
Entwicklungs-Hilfe, wie sie die heutigen EU-Länder und auch wir Deutsche nach
1945 von der (damals großzügigen) USA erhalten haben, hätte den Europäern das
Desaster mit der Währungsunion erspart!
Aber auch
nachdem es eingetreten ist, ist es noch nicht zu spät. Die Hunderte von
Milliarden Euro, die jetzt der Finanzwirtschaft (zur Verschönerung von deren
Bilanzen!) zufließen und die letztlich beim Steuerzahler
eingetrieben werden müssen - spätestens dann, wenn sich zeigt, daß die
Schuldenstaaten ihre bereits gestreckten Schulden nicht zurückzahlen können -
könnten im Realsektor ihrer Volkswirtschaften wahre ›Wirtschaftswunder‹ auslösen,
so wie bei uns nach 1948, nach Einführung der D-Mark. Es gibt nur eine
konstruktive und auf Dauer angelegte Lösung der Euro-Krise: Die überschuldeten
Problemstaaten der Eurozone kehren zu ihren alten nationalen Währungen zurück,
werten diese im Ausmaß ihrer inflatorischen Binnenentwertung ab und erhalten
von den neugeschaffenen EU-Organen der Euro-›Rettung‹ (EFSF, ESM)
eine dem alten Marshall-Plan nachgebildete ›Reformhilfe‹: zinsgünstige Kredite für den Aufbau
leistungsfähiger Wirtschaftsstrukturen in Industrie, Infrastruktur und Dienstleistungssektor.
Beides: Abwertung der Währung und Investitionshilfe für die Wirtschaft machen
aus notleidenden und die Währung bedrohenden Sanierungsfällen
wettbewerbstüchtige Partner - und Konkurrenten. Mit nationaler Währung löst
sich auch das Problem der Um- und Entschuldung, nicht von selbst, aber durch
Verhandlung mit den Gläubigerbanken. Diese wissen aus Erfahrung mit früheren
Verhandlungen dieser Art: Schuldner mit eigener Währung haben die besseren
Karten. Sie können als monetär (wieder) souveräne Staaten ihren Gläubigern
entweder eine schiedlich-friedliche Vergleichslösung anbieten oder einen Stopp
für Auslandszahlungen androhen. Die lange Geschichte drohender Staatsbankrotte
zeigt, daß die Auslandsgläubiger - sogar freiwillig - die Vergleichslösung vorziehen,
und seit es sie gibt, dafür sogar auf die Moderation durch den IWF zählen
können.
Wirtschafts-
und Währungskrisen sind keine Naturkatastrophen. Mit Vernunft und Sachkunde
lassen sie sich lösen. Und was wird aus dem Euro? Als Geld im Portemonnaie und
auf der Bank ginge er uns zwar verloren,
bliebe uns jedoch in dem daraus entstehenden Wechselkursverbund der
europäischen Zentralbanken - analog zum EWS des Jahres 1979 - als neuer ECU
(Recheneinheit für Wechselkursberechnung und Inter-Zentralbankverkehr)
erhalten, als ein Erinnerungsposten an ein verfehltes, doch rechtzeitig
abgebrochenes Währungsexperiment.
Ihr Wilhelm
Hankel
Königswinter,
den 17. Juni 2011
Prof. Dr. Wilhelm Hankel
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