Keine transatlantische Einigung - die Titanic schwankt gewaltig

Als Antwort auf den katastrophalen Niedergang des globalen Finanzsystems reagieren die Zentralbanken mit einem historischen Fehler.


In den USA beschloß die Federal Reserve, die Probleme in einer gewaltigen Flut von Dollarnoten zu ertränken. Gemeinsam mit der EZB und den Zentralbanken Großbritanniens, Japans und der Schweiz verspricht die Fed allen Banken, unbegrenzt Dollarkredite zur Verfügung zu stellen, dies zunächst bis zum März 2012. Damit wiederholen die 5 wichtigsten Zentralbanken der Welt genau die Politik, die die Reichsbank in der Weimarer Republik in der zweiten Jahreshälfte 1923 verfolgte: Hyperinflationäres Gelddrucken! Nur mit dem Unterschied, daß es diesmal nicht auf ein Land beschränkt bleibt, sondern die gesamte transatlantische Region betrifft. Als wäre das nicht schon hyperinflationär genug, hatte US-Finanzminister Geithner laut der Nachrichtenagentur Reuters den EU-Finanzministern nahegelegt, die Gelder des EFSF von 440 Mrd. Euro mit einer Hebelwirkung von 10:1 auszustatten, um so einen Fonds von 4,4 Billionen Euro für die Rettung von insolventen Staaten bzw. deren Gläubigerbanken zur Verfügung zu haben. Vorbild soll dabei das amerikanische TALF-Programm sein (Term Asset-Backed Securities Loans Facility), das 2008 vom US-Finanzministerium und der Fed eingerichtet worden war, um den Verbriefungsmarkt zu reanimieren, und bei dem offiziell eine Billion Dollar an Krediten ausgegeben wurde - möglicherweise aber erheblich mehr, worauf Äußerungen von Neil Barofsky, dem Generalinspekteurs eines anderen Programms, des sogenannten TARP-Programms, hindeuten. Diese wunderbare Geldvermehrung soll den Zweck haben, notfalls auch Länder wie Spanien, Italien, Belgien und vielleicht auch noch Frankreich ›zu retten‹. Fakt ist, daß nach Geithners Scheitern kein neues transatlantisches Rettungspaket zustande kam; die einzige rationale Alternative ist das vom Schiller-Institut seit langem propagierte Trennbankensystem.

Wirtschaftswissenschaftlerin fordert ›Island-Lösung‹ für Italien
Seit Moody’s im Mai den Finanzkrieg gegen Italien einläutete, steht das Land unter Kuratel der EZB und läuft immer rascher in griechische Zustände hinein. Die Staatsführung ist gefangen, was sich in der ungeheuerlichen Formulierung von Regierungschef Silvio Berlusconi in Brüssel äußerte, nachdem er zuhause die Vertrauensabstimmung über das Sparprogramm von 131 Mrd. Euro gewonnen hatte: ›Der Euro ist unsere Flagge‹. Inoffiziell dagegen erklären italienische Politiker, ›es wäre besser, aus dem Euro auszusteigen, als 30 Jahre Not zu leiden‹, wie Martin Wolff am 13. 9. in der Financial Times schrieb. In diesem Kontext fordert die Ökonomin und Autorin Loretta Napoleoni eine ›Island-Lösung‹ für Italien mit einem Ausstieg aus dem Euro. Der Vorschlag ist Teil ihres soeben erschienenen Buches ›Contagio‹, das auch ins Englisch übersetzt wird. In einem Interview mit EIR, Executive Intelligence Review, erklärte Napoleoni, unter den Bedingungen der gegenwärtigen Deflationspolitik der EU ›ist es unvorstellbar, daß wir die Schulden zurückzahlen können. In der Praxis verwenden wir die Schulden aus dem sogenannten Rettungspaket, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, Renten und Gehälter auszuzahlen, weil das Land wirtschaftlich nicht wächst‹. Sie fuhr fort: ›Die Alternative zu dieser Politik ist, dem Beispiel Islands zu folgen und einen bewußten kontrollierten Konkurs zu betreiben, bei dem das Land die Schulden in zwei Teile teilt: Der Teil, der inländischen Banken geschuldet wird, ist garantiert, doch der andere Teil, der ausländischen Banken geschuldet wird, wird umgeschuldet; das bedeutet, daß ein bestimmter Prozentsatz über einen bestimmten Zeitraum zurückgezahlt wird‹. [Die Hälfte der 1,9 Bio. € betragenden italienischen Staatsschulden entfallen auf das Inland, die andere Hälfte auf das Ausland, davon wiederum 50 % auf französische Banken] Dies hätte den Vorteil, daß die Wirtschaft wieder wachsen und man aus dem Euro aussteigen könne. Dann könne Italien die Landeswährung abwerten und die Wirtschaft ankurbeln, so Napoleoni. Die Italiener dächten zwar nur ungern an die Lira zurück, weil sie eine hohe Inflationsrate hatte, aber eine gemäßigte Inflation sei immer noch besser als ein Wirtschaftskollaps.

Unter dem Euro-System hätten die Regierungen auch keine Möglichkeit, gegen die globale Finanzkrise einzugreifen. ›2008 wurden die Schulden einfach von den Banken auf die Staaten verlagert, weil man eine große Rezession verhindern wollte, und diese Schulden wurden seit 2008 nicht abgebaut - im Gegenteil, sie sind gestiegen‹. Die Lösung sei, das Finanzsystem gesund zu schrumpfen. ›Wir sollten zu der Glass-Steagall-Gesetzgebung, die nach 1929 eingeführt wurde, zurückkehren. Wir brauchen eine Trennung, wir müssen die Globalisierung zurückdrängen. Ich sage das schon seit Jahren, aber dafür brauchen wir eine politische Klasse, die nicht länger die Interessen einer sehr kleinen Elite vertritt‹. Es sei offensichtlich, daß die heutigen politischen Führungen im Westen nicht die Interessen der Nation und Bevölkerung vertreten. Die junge Generation, die in vielen Teilen der Welt gegen das System rebelliert, müsse Verantwortung für die nötige Veränderung übernehmen, erklärte die Ökonomin. ›Wenn uns jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte, die Ägypter würden Mubarak stürzen, hätten wir gesagt, das ist unmöglich, aber es ist geschehen‹. Die jungen Menschen könnten auch in den westlichen Ländern eine Veränderung bringen: ›Aber wir brauchen diese Bewegung jetzt‹.


Quelle: Strategic Alert Jahrgang 24, Nr. 38 vom 21. September 2011