Volksentscheid wird unterminiert - Von Ulrich Schlüer

Bundesrat und Bundesverwaltung arbeiten beharrlich daran, das von Volk und Ständen 2009 sehr deutlich beschlossene Minarettverbot

zu hintertreiben. An dem Tag, an dem das Minarettverbot in der Schweiz Tatsache wurde, erklärte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Abstimmungsausgang, dass die neue Verfassungsnorm ab sofort zur Anwendung komme. Für noch nicht bewilligte Minarette gelte das Minarettverbot ohne jede Einschränkung. In Langenthal war kurz vor der damaligen Abstimmung ein Gesuch für die Erstellung eines Minaretts eingereicht worden. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, damals Justizministerin, hielt am Abstimmungsabend fest, dass das Minarettverbot für noch nicht bewilligte Minarette vollumfänglich verbindlich sei. Sie bezog diese Stellungnahme ausdrücklich auch auf Langenthal.

 

Katz und Maus

Die dortige Muslimgemeinde, gegen aussen durch Anwalt Daniel Kettiger vertreten, spielt seither mit den Behörden Katz und Maus. Das Baugesuch, behauptet sie heute, habe nie ausdrücklich einem Minarett gegolten. Geplant sei lediglich eine «türmchenartige Dachaufbaute». Das heute sorgfältigst gemiedene Wort «Minarett» dürfte erst dann, wenn die «türmchenartige Dachaufbaute» gerichtlich bewilligt wäre  - am Zug ist gegenwärtig als Folge einer Einsprache das Berner Verwaltungsgericht -  zur Verwendung gelangen, dann aber als Triumph- Botschaft.

 

Strassburg

Die Einsprache eines Genfer Muslims gegen das Schweizer Minarettverbot beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg wurde zwar abgewiesen, allerdings nur deswegen, weil der Kläger keine persönliche Betroffenheit von einem konkret ergangenen negativen Entscheid zu einem Minarett-Baugesuch nachweisen konnte. Alarm aber löste eine vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ausdrücklich einverlangte Stellungnahme des Bundesrates zu dieser Beschwerde aus: Bisher, erklärte der Bundesrat, hätten «völkerrechtliche Verpflichtungen» zwar bereits schweizerisches Gesetzesrecht durchbrochen. Der Bundesrat rechne aber damit, dass sich in Bälde auch schweizerisches Verfassungsrecht internationalen Bestimmungen zu beugen habe. Das ist nichts anderes als eine ohne jede Legitimität ausgesprochene Ankündigung der Absetzung des Souveräns, also der schweizerischen Stimmbürgerschaft als oberste politische Instanz der Schweiz. Da kommt auch eine eigenmächtige «Korrektur» der Bundesverfassung zum Ausdruck: Dem Volk als bisher oberster rechtssetzender Gewalt im Land steht die Absetzung bevor. Internationale Gremien sollen künftig Volksentscheide korrigieren oder annullieren können.

 

Verfassungsbruch

Der Logik dieser eigenmächtig vorgenommenen Verfassungs-«Korrektur» folgend, glaubt der Bundesrat, in klarer Abweichung von seiner nach der Minarettverbotabstimmung geäusserten Stellungnahme und in nicht minder klaren Abweichung von der Verfassung, auch heute, den definitiven Entscheid über die Zulässigkeit eines Minaretts bzw. Minarettverbots ans Bundesgericht delegieren zu können.

 

Damit wird die Verfassung gebrochen. Parlament und Schweizervolk haben anlässlich der Nachführung der Verfassung vor zehn Jahren ausdrücklich bestätigt, dass kein Gericht einen Entscheid des Schweizervolks korrigieren oder aufheben kann. Das gilt auch fürs Minarettverbot.

Der Bundesrat möchte dieses Minarettverbot offensichtlich aushebeln. Dafür scheint er bereit, sich selbst über die Bundesverfassung hinwegzusetzen.

 

 

http://www.minarette.ch/bulletins/ausgaben2011/volksentscheid-wird-unterminiert.html

29. 9. 11  info@minarette.ch