Iran - Die gewissenlosen Scharfmacher

d.a. Ungeachtet der massiven Lügen, die zum Irakkrieg führten, wird offensichtlich auf demselben Pfad weitergeschritten. Man ist an die Worte von Mark Twain

erinnert, die www.antikrieg.com - gewissermassen als Einleitung zu ihrer website dienen: »Als nächstes wird der Staatsmann billige Lügen erfinden, die die Schuld der angegriffenen Nation zuschieben, und jeder Mensch wird über diese Täuschungen, die das Gewissen beruhigen, glücklich sein. Er wird sie eingehend studieren und sich weigern, Argumente der anderen Seite zu prüfen. So wird er sich Schritt für Schritt selbst davon überzeugen, dass der Krieg gerecht ist und Gott dafür danken, dass er nach diesem Prozeß grotesker Selbsttäuschung besser schlafen kann.« So erklärte der Generalsekretär der ›Organization of Islamic Cooperation OIC‹, Ekmeleddin Ihanoglu, in seiner Rede auf einer Konferenz in Doha am 12. 11., dass es ungeachtet des Geredes noch immer keinen Beweis dafür gebe, dass der Iran tatsächlich ein Programm betreibt, das die Entwicklung einer Atomwaffe zum Ziel hat. Ihanoglu, der die OIC derzeit leitet und auch als zukünftiger Präsident der Türkei betrachtet wird, sagte, dass die Berichte der IAEA nie konkrete Beweise enthalten haben und dass der Iran ein Recht auf zivile nukleare Technologie hätte. »Die Äußerungen«, liest man auf antikrieg ferner, »weisen darauf hin, daß das NATO-Mitglied Türkei weiterhin einen Störfaktor bei den Kriegsvorbereitungen spielen wird, also auch nachdem die Obama-Administration hinter den Kulissen verlangt hatte, daß Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zur Ruhe gebracht wird, nachdem er ähnliche Stellungnahmen über das Fehlen von Beweisen für die Anschuldigungen abgegeben hatte.« [1]

Damit steht Ihanoglu bekanntlich nicht allein, was allerdings den Bestrebungen, einen Krieg gegen den Iran ›herbeizuhetzen‹, keinen Abbruch tut. Unter dem Titel ›Ein Staat wird kriegsreif geredet‹ schreibt Roland Etzel, dass der Iran nicht nur von der USA und Israel, sondern auch von der EU und der BRD angegriffen wird: »Fast jede Partei verfügt über ein paar Leute fürs Grobe. Sie sollen politische Ungeheuerlichkeiten aussprechen, um deren Wirkung in der Öffentlichkeit messen zu können. Die CDU/CSU hat dafür zum Beispiel Philip Mißfelder. Einst als von humanitären Skrupeln unbelasteter Verkünder sozialpolitischer Grausamkeiten [›Warum für 80jährige noch künstliche Hüftgelenke?‹] bekannt geworden, bleibt er auch als außenpolitischer Sprecher der Union diesem Stil treu. Mißfelder gehört zu jenen Politikern der Regierungskoalition, die schon seit einiger Zeit bei der verbalen Mobilmachung für einen Krieg gegen den Iran in vorderster Reihe stehen. Die ›atlantische Fraktion‹ in der Union, der bereits die Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel, am Krieg gegen Libyen nicht aktiv teilzunehmen, ein Greuel war, will diese vermeintliche Scharte jetzt offenbar mit überlautem anti-iranischem Feldgeschrei auswetzen. Die Vertreter einer möglichst stromlinienförmigen Ausrichtung der deutschen an der US-Außenpolitik, man könnte sie in diesem Falle auch Bellizisten nennen, gibt es ebenso bei der SPD und den Grünen, wie der NATO-Krieg gegen Libyen zeigte. Doch die Union ist hörbar lauter. Die Zögerlichkeit des Westens, so Mißfelder im Deutschlandfunk, führe dazu, dass der Iran Zeit gewinne, sein Nuklearprogramm fortzuführen. Das Regime sei fest entschlossen, mit Atomwaffen ›das Existenzrecht Israels und auch unsere Sicherheit im Westen zu gefährden‹. Mißfelder hat kein Problem, die Behauptung, es existiere ein  Nuklearprogramm, als Gewissheit zu behandeln und setzt noch einen drauf, indem er dem Iran Angriffsabsichten unterstellt. …. Es ist nicht Mißfelder allein, der Iran den angriffsreif redet. Auch der für Scharfmachertum weniger bekannte Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages [und Teilnehmer der Bilderberger-Konferenz in Chantilly, Virginia, USA, Anfang Juni 2002; Anmerk. von politonline], erklärte am 2. 12. der Hallenser Mitteldeutschen Zeitung gegenüber, »es kann nicht schaden, wenn der Iran in Unsicherheit über weitere Gegenmaßnahmen lebt«. Zwar sieht Polenz einen Unterschied darin, »militärische Optionen nicht auszuschließen oder damit zu drohen«. Aber was immer das praktisch bedeutet - die Hemmschwelle zum heißen Krieg wird so erneut gesenkt

Dass ein Krieg gegen den Iran einem weiteren Verbrechen gleichkäme, dessen Folgen beide Redner selbst sowie die gesamte Nation treffen würden, soweit wird offensichtlich gar nicht gedacht. Mißfelder wäre im Ernstfall unmittelbar an die vorderste Kampffront zu verfrachten, damit ihm aufginge, was unter der von ihm in den Raum gestellten Zögerlichkeit zu verstehen ist. Nicht ein einziger, die Implikationen dieser verabscheuungswürdigen Aufstachelungen überblickender Bürger kann noch glauben, dass Abgeordnete dieser Art je einen Sinn für Verantwortung und Menschlichkeit entwickelt hätten.

Die von US-Senatoren Anfang Dezember vorgebrachten Behauptungen, der Iran unterstütze terroristische Gruppen, bewaffne die Mörder von US-Soldaten, lüge über sein Atomprogramm, verletze die Grundrechte seiner Bürger und bedrohe Israels Sicherheit, sind in der einen oder anderen Form bereits unzählige Male zu hören gewesen. Dennoch sind sie bei Bestrebungen zur Verschärfung von Sanktionen gegen das iranische Regime überaus dienlich. Dass nationale Befreiungsbewegungen wie die Hamas oder die Hisbollah auf den Terrorlisten Washingtons und Brüssels erscheinen, ist auch nichts Neues; schliesslich wird die Unterstützung des nationalen Widerstandes gegen Besatzerterror jeweils als antiamerikanisches Verbrechen gebrandmarkt. »Hätten von den Amerikanern aufgetischte Lügen zur Rechtfertigung ihrer Kriegspolitik jeweils internationale Strafaktionen zur Folge gehabt«, vermerkt Werner Pirker, »so stünde in der USA kein Stein mehr auf dem anderen. Die Behauptung, daß der Iran Israels Sicherheit bedrohe, stellt eine absurde Verkehrung der Realität in ihr Gegenteil dar. Es verging zuletzt kaum ein Tag, an dem die Israelis nicht mit einer Militäraktion zur Beendigung des Teheraner Atomprogramms drohten. Wessen der Iran verdächtigt wird, der Herstellung eines nuklearen Waffenarsenals, haben die Israelis längst vollendet. Die atomare Bedrohung in der Region geht somit von Israel aus, und der Iran ist das bevorzugte Zielobjekt. Die Gefahr, daß der Teheran unterstellte atomare Vernichtungswille zum Vorwand für einen vernichtenden atomaren Präventivschlag werden könnte, ist keineswegs von der Hand zu weisen.« [3] Am 1. Dezember hatten die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Brüssel ihre bereits bestehenden Sanktionen gegen den Iran verschärft: Es wurde beschlossen, weitere 143 Unternehmen und 37 Personen mit Einreiseverboten und der Beschlagnahmung ihrer Konten zu belegen. »Als Scharfmacher«, hält Knut Mellenthin fest, »betätigte sich auf dem Brüsseler Treffen Bundesaußenminister Guido Westerwelle: Er forderte, ›im Bereich der Energie und des Finanzsektors‹ anzusetzen, um ›die Quellen für das iranische Atomprogramm auszutrocknen‹. In der Realität käme das dem Versuch gleich, die gesamte iranische Wirtschaft auszutrocknen und die Bevölkerung auszuhungern.« [4]

Wie Strategic Alert am 14. Dezember schrieb, »hat die Regierung Obama indessen unter dem Druck des von Tom Donilon geleiteten Nationalen Sicherheitsrats ihre Kriterien für Maßnahmen gegen den Iran geändert. Die ›rote Linie‹ ist nun nicht mehr der Punkt, an dem das Land alle notwendigen Elemente für den Bau einer Kernwaffe und eines Trägersystems hat, sondern schon der Besitz der technischen Fähigkeit zum Bau einer Kernwaffe, was die Schwelle für ein militärisches Vorgehen der USA gegen den Iran senke. Diese Änderung ist nach Auffassung eines hochrangigen amerikanischen Geheimdienstangehörigen insofern bedeutend, als es der Atomwaffensperrvertrag nicht verbietet, die Fähigkeit zur Entwicklung solcher Waffen zu besitzen, eine Fähigkeit, die auch amerikanische Verbündete wie z.B. Japan besitzen. Während ein Militärschlag als Option offengehalten wird, läuft schon seit einiger Zeit ein geheimer Krieg. Nach Angaben des früheren CIA-Beamten Philip Giraldi wurden vor kurzem vom Weißen Haus unter Obama mehrere Erlasse an die Geheimdienste gerichtet, die sie zu einer Verstärkung der verdeckten Aktionen gegen Damaskus und Teheran autorisieren. Sieht man dies im Zusammenhang mit größeren Operationen der US-Geheimdienste im Libanon, so ›läuft dies auf einen geheimen Krieg gegen den Iran und seine Verbündeten im Nahen Osten hinaus ‹. Seit 2008, schreibt Giraldi in ›antiwar.com‹, betrachtet die USA die Iranischen Revolutionären Garden als eine terroristische Organisation, was die Tötung ihrer Mitglieder erlaubt. Ein Erlaß von George W. Bush aus dem Jahr 2007 autorisiert Anschläge auf die Nuklearwissenschaftler und -einrichtungen des Irans und die Zusammenarbeit mit den Israelis bei der Entwicklung von Computerviren. Ein Erlaß aus dem Jahr 2003 autorisiert den Einsatz von Geheimdienstagenten zur Störung der Aktivitäten der Revolutionären Garden in den Grenzgebieten. Giraldi erklärt, die aufgrund dieser Erlasse durchgeführten Mordanschläge würden nicht von Israel oder den Vereinigten Staaten selbst durchgeführt, sondern von den Volksmudschaheddin (MEK), den Balutsch Jundallah und der kurdischen PJAK. Obamas neuer Ukas gegen den Iran weitet die bereits bestehenden Initiativen aus und zielt darauf ab, neue Aufstände an allen Grenzen des Irans zu schüren, auch unter den Azeris im Nordwesten des Irans. In Syrien finden gegenwärtig trotz entschiedener Warnungen Rußlands und Chinas ausländische Interventionen statt, u.a. durch die Unterstützung des Aufstands durch die Türkei und mehrere europäische Staaten sowie durch die Ausrüstung der Aufständischen mit Waffen, die mit Flugzeugen der NATO aus Libyen herangeschafft werden. Dem Vernehmen nach wurden 600 libysche Kämpfer, die beim Sturz Gaddafis mithalfen, nach Syrien gebracht, wo sie zusammen mit französischen und britischen Spezialeinheiten eingesetzt werden. Gemäß Giraldi unterstützt die USA die Rebellen mit Kommunikationsgeräten und Geheimdienstinformationen, während Mitarbeiter des ›National Endowment for Democracy‹ das übliche ›Demokratie‹-Training vermitteln. Er warnt, daß diese Destabilisierungen unter dem Vorwand ›der Verantwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung‹ einen Bürgerkrieg und die Unterdrückung der syrischen Minderheiten provozieren könnten.« [5]


[1] http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=38979&title=OIC-Chef%3A+Es+gibt+keine+Beweise+f%FCr+ein+iranisches+Atomwaffenprogramm+&storyid=1001323850036 14. 11. 11 resp. http://www.antikrieg.com/aktuell/2011_12_13_oicchef.htm
OIC-Chef: Es gibt keine Beweise für ein iranisches Atomwaffenprogramm - Spitzendiplomat sagt, dass der Iran das Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie hat – Von Jason Ditz
[2] http://www.neues-deutschland.de/artikel/212565.ein-staat-wird-kriegsreif-geredet.html
3. 12. 11. Ein Staat wird kriegsreif geredet Von Roland Etzel - In Deutschland mehren sich Stimmen, die einen Waffengang gegen Iran nicht ausschließen wolle
[3] http://www.jungewelt.de/2011/12-03/031.php Kriegsvorwände - US-Senat verschärft Situation um Iran - Von Werner Pirker
[4] http://www.jungewelt.de/2011/12-02/028.php Westerwelle als Scharfmacher EU-Außenminister beschließen neue Sanktionen gegen Teheran - Von Knut Mellenthin
[5] Strategic Alert Jahrg. 24, Nr. 50 vom 14. Dezember 2011 - Schwelle für einen Militärschlag gegen den Iran gesenkt