Syrien

Heutigen Meldungen zufolge läuft die Volksabstimmung über eine neue Verfassung inmitten anhaltender Gewalt ab.

 

Die Reform sieht vor, die Monopolstellung der regierenden Baath-Partei abzuschaffen; die Opposition allerdings befürchtet, dass die Macht des Präsidenten damit kaum eingeschränkt werden wird. Die Entwicklung der Lage dürfe auch davon abhängen, ob die Versuche der Staatsführung, einen bürgerlichen Dialog zu beginnen, politische Reformen durchzuführen und dem bewaffneten Flügel der Opposition die Unterstützung zu entziehen, erfolgreich enden. Der Frieden in Syrien, merkt Alexej Pilko an [1], hängt aber auch davon ab, ob und wann die internationale Gemeinschaft die einfache Tatsache begreifen wird: Die Ereignisse in diesem Land entsprechen nicht unbedingt dem von den Medien gezeichneten Bild. Laut Syriens Vizepräsidentin Nadschah al-Attar und Vizeaußenminister Faisal Mekdad üben vor allem die Türkei, Katar, Israel und die USA den grössten Druck auf Syrien aus; in Damaskus wird insbesondere die USA als Strippenzieher hinter der Syrien-Krise gesehen. Dabei wird betont, dass Washington und Tel Aviv nicht Syrien, sondern vor allem den Iran ins Visier genommen haben: Syrien soll destabilisiert werden, damit der Iran bei einer Militäroperation seitens Israels oder der USA kein Gegenspiel im Nahen Osten aufziehen kann. Welche Rolle Israel bei den Ereignissen in Syrien wegen der Besetzung der Golanhöhen spielt, ist ein heikles Thema. So gibt es syrischen Spitzenbeamten zufolge Beweise für Verbindungen zwischen den syrischen Muslimbrüdern und der israelischen Regierung. [1]

 

Die USA und Al-Kaida: Seltsame Verbündete in Syrien

Laut Strategic Alert veröffentlichte der McClatchy News Service am 10. 2. einen Bericht des Washingtoner Korrespondenten Jonathan Landay, wonach Beamte der US-Nachrichtendienste bestätigten, dass die Bombenanschläge in Damaskus und Aleppo, die Hunderte ziviler Opfer forderten, vom irakischen Zweig der Al-Kaida ausgeführt wurden. Die Angaben der US-Dienste »bestätigen offenbar die Vorwürfe des syrischen Präsidenten Assad, daß Al-Kaida in den seit 11 Monaten andauernden Aufstand gegen seine Herrschaft verwickelt sei.« Das bedeutet, dass sich Barack Obama einerseits damit brüstet, unter seiner Präsidentschaft Bin Laden getötet zu haben, andererseits aber in Syrien im Tandem mit dem Terrornetzwerk, dem die Anschläge vom 11. 9. 2001 zur Last gelegt werden, arbeitet. Die US-Militärführung hat hier allerdings Skrupel. Nun hat jedoch EIR, die Executive Intelligence Review, die Allianz der anglo-saudisch kontrollierten  Al-Kaida-Terroristen mit der Regimewechseloperation von USA, Briten und EU schon lange vor diesen jüngsten Berichten identifiziert. Nach Meinung des US-Generalstabschef Martin Dempsey wäre es verfrüht, eine Entscheidung, die Oppositionsbewegung in Syrien zu bewaffnen, zu fällen: »Ich würde zuerst jeden auffordern, klar zu identifizieren, wer die Oppositionsbewegung in Syrien an diesem Punkt überhaupt ist.« Möglicherweise gebe es eine Auseinandersetzung zwischen Schiiten und Sunniten um die Vorherrschaft in der Region. »Es gibt Hinweise darauf, daß Al-Kaida daran beteiligt und daran interessiert ist, die Opposition zu unterstützen.« Dempsey betonte auch, dass die Lage in Syrien völlig anders sei als die in Libyen. Syrien verfüge über hochwirksame militärische Kapazitäten und über chemische und biologische Kampfstoffe. »Sie haben kein Interesse und keine Absicht bekundet, diese einzusetzen, aber militärisch gesehen ist dies ein ganz anderes Problem.« Auch der Geheimdienstkoordinator James Clapper räumte am 17. 2. vor dem Streitkräfteausschuss des US-Senats ein, dass Al-Kaida gegen Assad aktiv ist. Die Selbstmordanschläge richteten sich gegen Sicherheits- und Geheimdiensteinrichtungen und »trugen alle Merkmale eines Al-Kaida-artigen Anschlags. Daher denken wir, daß Al-Kaida im Irak ihren Aktionsradius auf Syrien ausdehnt.« [2] Wie einem Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. 2. zu entnehmen war, bezeichnete Leon Panetta bei einer Pressekonferenz mit Thomas de Maizière im Pentagon das Einsickern von Al-Kaida-Kämpfern in Syrien als besorgniserregend. Unklar sei aber noch, welche Rolle die Extremisten spielten. Der aus Ägypten stammende und vermutlich im Nordwesten Pakistans versteckte Al-Kaida-Chef Ayman al Zawahiri hatte am Wochenende [11. / 12. Februar] zur Unterstützung der Revolte in Syrien aufgerufen. [3]

 

Weiteren Berichten zufolge leisten ehemalige libysche Aufständische dem Westen in Syrien exklusive Dienste. Die österreichische Tageszeitung Die Presse bestätigt nun, was unterschiedliche Quellen bereits zuvor vermeldet hatten: Der libysche Islamist Abd al Hakim Belhaj, der mit seinen Truppen eine wichtige Rolle bei der Eroberung von Tripolis gespielt hatte und danach zum Militärchef der libyschen Hauptstadt ernannt worden war, kämpft zur Zeit offenkundig gegen das Regime Assad. Belhaj habe bereits im vergangenen Herbst über Ägypten Waffen nach Syrien geschmuggelt, berichtet das Blatt unter Berufung auf westliche Geheimdienste. Nun hätten gut 250 Milizionäre, mittlerweile möglicherweise sogar 600, unter seiner Führung vom türkisch-syrischen Grenzgebiet aus den Kampf gegen Assad aufgenommen. Sie würden immer wieder nach Syrien eindringen. Damit leistet der militante Islamist, der im Anti-Terror-Krieg von der CIA festgenommen und in libysche Folterhaft verschleppt worden war, seinen neuen westlichen Verbündeten nach der Eroberung von Tripolis einen zweiten militärischen Dienst. [4]

 

In einem mit Günter Meyer, dem Orientexperten der Universität Mainz, zur Situation in Syrien geführten Interview legt dieser folgendes dar: »Wir haben es mit einem massiven Eingreifen von außen zu tun.« Gerade das, was auch von westlichen Medien immer wieder hervorgehoben wird, daß es sich einzig und allein darum handelt, daß eine repressive Herrschaft der Alewiten friedliche Demonstranten niederschießt, stimmt überhaupt nicht. Es ist ganz offensichtlich, daß wir es mit einer bewaffneten terroristischen Organisation zu tun haben, die ebenfalls für einen sehr großen Teil der Toten im Lande verantwortlich ist. Das heißt, wir haben eine klare Anti-Sichtweise gegen das Regime, eine Sichtweise, die durch die Interessen - insbesondere der USA - aber auch durch die westlichen Verbündeten England, Frankreich, nicht zuletzt auch Deutschland, massiv gestärkt wird. Es geht in erster Linie darum, die Achse Iran-Syrien-Hisbollah auszuschalten. Wenn man Syrien ausschaltet, bedeutet es, daß keine Waffen mehr aus dem Iran über Syrien an die Hisbollah geliefert werden und dann gegen Israel eingesetzt werden können. Es ist ganz offensichtlich, daß Assad ein repressives Regime hat und daß er gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen ist. Nur hat sich der regional begrenzte Konflikt innerhalb kürzester Zeit in einen globalen Konflikt ausgeweitet, in dem nicht nur die westlichen Mächte ihre Interessen haben, sondern in dem die arabischen Staaten, allen voran Katar und Saudi-Arabien, ganz genauso ihre Interesse haben, um auf diese Art und Weise ebenfalls eine Schwächung des Irans erreichen zu können. Das heißt, wir haben es nicht mehr mit einem isolierten Konflikt zu tun, sondern mit einem massiven Eingreifen von außen. So haben wir nicht zuletzt Berichte darüber, daß  - von der CIA initiiert -  etwa 600 Mudschaheddin aus Libyen eingeflogen worden sind. CIA-Beamte, genauso Geheimdienstbeamte aus Frankreich und Großbritannien, bilden Oppositionelle aus und rüsten sie in der Nähe von Iskendria, nahe der syrischen Grenze, mit den Waffen aus, die aus den Arsenalen von Gaddafi herübergebracht werden, um hier einen Bürgerkrieg zu initiieren und das Land insgesamt zu schwächen. Was bei uns in den Medien nicht genannt wird, ist zum Beispiel die Tatsache, daß Assad nach wie vor die Mehrheit des syrischen Volkes hinter sich hat, und diese Untersuchung ist ausgerechnet von Katar durchgeführt worden, von der Katar-Stiftung, in der klar gezeigt worden ist, daß 55 % der syrischen Bevölkerung nicht die Ablösung von Assad wünschen. Das wird bei uns in den Medien überhaupt nicht dargestellt. Assad wird auf jeden Fall noch etliche Monate an der Macht bleiben. Viel wird davon abhängen, in welchem Maße ausländische Kräfte im Land intervenieren und dadurch die Situation noch wesentlich verschärfen, und zwar nicht nur begrenzt auf Syrien, sondern auf die gesamte Region. [5]

 

»Ausländische Kräfte unterstützen den Aufstand«

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer besucht Syrien so oft er kann, manchmal mehrmals im Jahr. Er hat ein Buch über Syrien und den Irak geschrieben, das auch in Arabisch übersetzt wurde. Es beginnt beim Hakawati, dem Märchenerzähler an der Omaijaden-Moschee in Damaskus. Wie er erklärt, ist Syrien die Wiege unserer Zivilisation und Damaskus eine der schönsten Städte Arabiens. In der Omaijaden-Moschee ist der Kopf von Johannes dem Täufer begraben, in Damaskus wurde Saulus zu Paulus. Vor einem Monat reiste er fast 4 Wochen lang durch das Land. Er konnte sich ungehindert bewegen. Er war in Damaskus, aber auch in Homs, Hama und Daraa, den Orten, die seit fast einem Jahr wegen blutiger Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften des Regimes und Aufständischen Schlagzeilen machen. Er hat sich auch mit Assad getroffen; der Autor plädiert für eine neutrale Sicht auf den Konflikt. Aus seinem mit Carolin Brühl von der Tageszeitung »Die Welt« geführten Interview geht u.a. folgendes hervor:

 

Carolin Brühl: Assad hat für März eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung angekündigt. Wie ernst ist diese Initiative zu nehmen? Lenkt Assad eigentlich selbst die Geschicke in seinem Land?

Jürgen Todenhöfer: Ich glaube, daß er der mächtigste Mann im Land ist. Und daß er durch die Krise stärker geworden ist. In einer Krise entscheidet sich, ob man die Dinge an sich ziehen kann oder eher anderen übergeben muß. Mir scheint, daß Assad die Richtung der Politik inzwischen klar vorgibt. Ich glaube, daß diese Volksabstimmung über eine demokratische Verfassung seine Idee ist. Assad hat, als er vor zehn Jahren an die Regierung kam, versucht, das Land zu modernisieren.  Er ist dabei auf viele Schwierigkeiten gestoßen. Im Westen wurde ja eine Zeitlang der Vorwurf erhoben, er habe etwas mit dem Mord an dem früheren libanesischen Ministerpräsidenten Hariri zu tun. Heute ist es erwiesen, daß es nicht so war. Assad ist jedenfalls mit dem Bemühen, das Land umzugestalten, nicht so weit gekommen, wie er es vorgehabt hatte. In Ländern wie Marokko, Saudi-Arabien oder Syrien gibt es starke beharrende Kräfte. Assad hatte nicht nur das Hariri-Problem, er mußte anschließend auch die syrischen Truppen aus Libanon abziehen. Das alles hat zu einer innenpolitischen Situation geführt, in der es schwer war, grundlegende Reformen gegen die beharrenden Kräfte durchzusetzen. Assad hat mir ausdrücklich gesagt, daß er Demokratie in Syrien für «zwingend» hält. Und daß die Erarbeitung einer demokratischen Verfassung dabei eine große Rolle spielen müsse.

 

C.B.: Will er auch auf das Primat seiner Baath-Partei verzichten?

J.T.: Er hat mir gegenüber betont, alle Parteien würden zugelassen. Die Volksabstimmung im März ist für ein autokratisches Land wie Syrien eine revolutionäre Entscheidung, weil Assad dadurch die Entscheidung über die Zukunft des Landes in die Hände des Volkes legt. Das Volk hat ja nicht nur die Möglichkeit, diese Verfassung anzunehmen, es kann sie auch ablehnen. Ich kenne nicht viele autokratische Herrscher, die eine solche Volksabstimmung wagen würden.

 

C.B.: Das heißt, Sie glauben an den Veränderungswillen Assads, und Sie glauben, daß das ein realistischer Weg für das Land sein kann?

J.T.: Je stärker der Westen auf ihn einprügelt, desto schwerer wird es für Assad. Mir hat ein marxistischer Oppositionspolitiker, der unter Assads Vater 14 Jahre im Gefängnis saß, gesagt, der einzige, der Syrien auf friedlichem Weg in die Demokratie führen könne, sei Assad. Auch weil die Mehrheit der Syrer noch immer einen großen Unterschied zwischen Assad und dem System mache. Die Lage in Syrien ist sehr komplex. Obwohl überraschenderweise nicht nur Assad-Gegner, sondern auch Assad-Anhänger lautstark Demokratie fordern. Demokratie ist in Syrien inzwischen weitgehend unstreitig. Die syrischen Aufständischen wollen natürlich auch Demokratie, allerdings ohne Assad. Es gibt also friedliche Demonstrationen für und gegen Assad, aber immer für Demokratie. Allerdings gibt es auf beiden Seiten auch bewaffnete Einheiten, die sich gnadenlose militärische Auseinandersetzungen liefern. Dabei werden immer wieder Zivilisten getötet. Das ist völlig inakzeptabel und wird zu Recht hart kritisiert. Das sind bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen. Wir bekommen im Westen immer nur zu hören, welche Untaten die staatlichen Sicherheitskräfte verüben. Aber die Untaten der anderen Seite werden totgeschwiegen. Die internationale Berichterstattung ist extrem einseitig.

 

C.B.: Warum läßt Assad dann keine Journalisten im Land zu, die ein objektiveres Bild zeichnen könnten?

J.T.: Das ist ein großer Fehler der Regierung. Ich habe den Wert des freien Journalismus noch nie so stark gespürt wie in Syrien. Zur Zeit hat die Opposition in Syrien ein Informationsmonopol, das sie über al-Jazira und al-Arabia gnadenlos ausübt. In Homs z.B. gibt es 4 Satellitenstationen, denen jeder Handyfotograf in Sekundenschnelle seine Bilder übermitteln kann. Das wird verständlicherweise auch genutzt.

 

C.B.: Wie sieht es mit dem freien Zugang ins Internet aus?

J.T.: In Sachen Internet ist Syrien eines der am weitesten entwickelten Länder der arabischen Welt. Das hat Assad übrigens persönlich angeordnet. Wenn Sie in ein Restaurant gehen, haben Sie fast überall sofort kostenlos Wireless-Lan und können Ihre e-mails empfangen. Vor ein paar Wochen ging trotzdem die Meldung durch die Welt-Presse, dass iPhones jetzt in Syrien verboten seien. Ich habe darauf in Damaskus angerufen und meinen Gesprächspartner danach gefragt. Er lachte: «Sie rufen mich doch gerade auf meinem iPhone an.» Die Hälfte der Meldungen zu Syrien sind falsch.

 

C.B.: Kennen Sie weitere Beispiele?

J.T.: In der Weltpresse wurde während meines Aufenthaltes in Damaskus gemeldet, daß das Hauptquartier der Baath-Partei angegriffen und schwer beschädigt worden sei. Es habe einen Toten gegeben. Mich hat das sehr beeindruckt. Bis dahin war Damaskus für mich eine sichere Stadt, in  der es sogar noch einige Touristen gab. Ich bin daher am nächsten Tag zu dem Gebäude hingefahren. Zwei freundliche Polizisten standen vor dem unversehrten Gebäude. Als ich fragte, wo denn die schweren Beschädigungen seien, haben sie mir zwei zerstörte Glasscheiben in der Eingangshalle gezeigt, in die jemand einen Knallkörper geworfen hatte. Bei meinem Besuch in Homs habe ich gesehen, daß die Marktstände mit Essen und Gemüse gefüllt waren. Auch ich habe da eingekauft. Ein paar Tage später las ich in der Weltpresse: «Humanitäre Katastrophe in Homs». Ich bin kurz danach noch ein zweites Mal in die Stadt gefahren und habe mich dort mit Rebellen getroffen. Ich treffe mich immer mit beiden Seiten. Ich habe sie nach der «humanitären Katastrophe» gefragt. Sie haben lachend zugegeben: «Das haben wir lanciert.» Sie waren ganz stolz. Wenige Tage später wurde in Homs ein Bus mit jungen Alawiten von Motorrädern gestoppt. Die jungen Männer wurden von den Angreifern aus wenigen Metern exekutiert. Nur einer hat überlebt. Er schilderte, daß die Täter bewaffnete Rebellen waren. Der Angriff war ein Signal an Assad, der auch Alawit ist. Am Abend hieß es trotzdem in den Nachrichten von al-Jazira, Assad habe in Homs wieder einmal unschuldige junge Männer umbringen lassen. Mich erinnert die Berichterstattung aus Syrien in erschreckender Weise an die Berichterstattung vor Beginn des Irak-Kriegs. Die Berichterstattung des syrischen Staatsfernsehens ist allerdings auch nicht besser.

 

C.B.: Woher bekommen denn die Rebellen ihre Unterstützung? Sind es feindlich gesinnte Nachbarländer wie Saudi-Arabien und Katar, die sich ja auch schon in Libyen engagiert haben? Ist dieser Konflikt auch ein inner­islamischer Konflikt?

J.T.: Ich war vier Wochen im Land. Trotzdem weiß ich, daß ich vieles nicht gesehen habe. Aber ich habe gesehen, daß dieser Aufstand nicht immer friedlich ist. Es gibt Kräfte im Ausland, die dem gewalttätigen Teil des Aufstands schwere Waffen zur Verfügung stellen. Da ist die heißeste Spur Katar. Katar war auch der große Waffenlieferant in Libyen. Die Amerikaner greifen nicht direkt ein, der bewaffnete Widerstand wird über arabische Nachbarstaaten organisiert, vor allem über Katar und Saudi-Arabien.

 

C.B.: Ist das dann so eine Art Stellvertreter-Krieg?

J.T.: Das weiß ich nicht. Ich bin auch kein Anhänger von Verschwörungstheorien. Aber im Hintergrund steht der Versuch der USA, einen «Greater Middle East» zu schaffen, in dem es nur noch linientreue, pro-amerikanische Staaten gibt. Die USA betrachtet die gesamte Region als ihr Revier. Von Kissinger stammt der Satz, daß Öl viel zu wertvoll sei, als daß man es den Arabern überlassen dürfe. Ich habe große Sympathien für das demokratische Amerika, aber im Nahen Osten geht es der USA nicht um Demokratie. Sonst müßten sie ja auch die Demonstrationen in Saudi-Arabien, Katar und Bahrain unterstützen, aber dort unterstützen sie die diktatorischen Regierungen.

 

C.B.: Wie wird es Ihrer Einschätzung nach weitergehen in Syrien?

J.T.: In Syrien wird es eine Demokratie geben - wie in der gesamten arabischen Welt. Gewalt gegen die dafür friedlich Demonstrierenden ist inakzeptabel. Aber als ich Assad fragte, warum nicht auch die Gewalt gegen die bewaffneten Rebellen wenigstens für eine bestimmte Zeit eingestellt werden könne, fragte er mich, ob ich ihm ein westliches Land nennen könnte, das es zuließe, daß jeden Tag 20 bis 30 seiner Soldaten getötet würden. Würde Frau Merkel das akzeptieren? Ich hatte darauf keine Antwort. Ich habe ihm gesagt, daß er dennoch einen Dialog führen müsse, auch mit den extremen Kräften. Nur über einen Dialog könne es einen Waffenstillstand geben. Er müsse sich an die Spitze der Demokratiebewegung stellen, um Frieden und Demokratie zu erreichen.

 

C.B.: Was hat er darauf geantwortet?

Das Wichtigste sei, daß eine wirklich demokratische Verfassung erarbeitet werde, und das Volk darüber entscheiden könne. [6]

 

 

»Hinter den hysterischen Reaktionen auf die russisch-chinesische Blockadepolitiksteht die Angst der Westmächte, die Oberhoheit über den arabischen Frühling wieder zu verlieren«, legt Werner Pirker in der jungen Welt dar und führt Christoph Prantner an: Dieser beklagt im Standard, der österreichischen Tageszeitung, daß Moskaus Starrsinn den arabischen Umbruch seine Richtung verlieren ließe. Go westhat die Richtung offenbar gelautet. Denn die vielen Initiativen, dem arabischen Übergang eine Richtung zu mehr Demokratie und Freiheit zu geben, fahren sich fest, so Prantner.

 

Hierzu Pirker: Wie die sich ihre Welt zurechtlügen! Die gleichen, die aus Angst vor der antiimperialistischenarabischen Straße über Jahrzehnte mit den reaktionärsten, demokratiefeindlichsten arabischen Regimes verbündet waren, spielen sich jetzt als Ideengeber und Schutzherren des arabischen Umbruchs auf. Und das nach wie vor im Bündnis mit den Todfeinden der arabischen Demokratie. Mit Saudi-Arabien, dessen Einmarsch in Bahrein die arabische Konterrevolution eingeleitet hat. Mit Katar, das sich an der Aggression gegen Libyen direkt beteiligt hat und nun am lautesten für eine Militärintervention in Syrien trommelt.«  [7]

  

 

[1]  http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=45070&title=Falsches+Bild+von+der+Syrien-Krise&storyid=1001330163682   25. 2. 12 Falsches Bild von der Syrien-Krise – Von Alexej Pilko

RIA Nowosti, de.rian.ru

[2]  Strategic Alert  Jahrg. 25, Nr. 8 vom 22. Februar 2012

[3]  http://www.faz.net/aktuell/politik/arabische-welt/amerikanische-geheimdienste-al-qaida-unterwandert-syrische-opposition-11653683.html   17. 2. 12

[4]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58274   22. 2. 11  Europas Wächter

[5]  Quelle: Interview auf Radio Bayern2 vom 19.1.2012

[6]  Quelle: Welt Online vom 10. 2. 2012

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jürgen Todenhöfer

Siehe http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=677   - auszugsweise -

«Ausländische Kräfte unterstützen den Aufstand»  Zeit-Fragen  2012  Nr.8 vom 20.2.2012 

Jürgen Todenhöfer studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten München, Paris, Bonn und Freiburg. Er promovierte an der Universität Freiburg. 1972 wurde er als Direktkandidat der CDU in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort war er Abgeordneter bis 1990 und entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Mehr Informationen über Jürgen Todenhöfer findet man auf seiner Internetseite  www.juergentodenhoefer.de

[7]  http://www.jungewelt.de/2012/02-11/003.php    11. 2. 12 

Der Schwarze Kanal  -  Demokratie-Kartell  -  Von Werner Pirker