Warnung an Obama

Ein weiterer nicht vom Kongress autorisierter Krieg - und du bist gefeuert! In einer Stellungnahme vom 12. März erklärte

der republikanische Kongressabgeordnete Walter Jones von North Carolina, der Hintergrund seiner Gesetzesvorlage H.R. 107 - Obama sei gewarnt seien die Aussagen von Verteidigungsminister Leon Panetta vor dem Verteidigungsausschuss zum Thema des Verteidigungshaushaltes 2013 (NDAA) gewesen. H.R. 107 bedroht den Präsidenten mit einem Amtsenthebungsverfahren, sollte dieser erneut ohne Zustimmung des Kongresses einen Krieg beginnen. »Das Problem, dass ein Präsident ohne Zustimmung des Kongresses das Land in einen Krieg verwickelt, erfüllt mich schon seit langem mit Sorge«, führt Jones in seiner Stellungnahme aus. »Gerade letzte Woche erklärte Obamas Verteidigungsminister Leon Panetta vor dem Senat, dass er nur die internationale Zustimmung benötige, um einen weiteren Krieg zu beginnen - dieses Mal gegen Syrien. Der Kongress brauche lediglich informiert zu werden. Dies wäre eine klare Verletzung von Artikel 1, Absatz 8 der Verfassung. Ich habe deshalb Präsident Obama vor kurzem verklagt, wie ich es schon früher gegenüber Präsident Clinton getan habe. Genug ist genug. Es ist Zeit, dass wir die Verfassung und die Prinzipen, auf denen dieses Land gründet, verteidigen.«

 

In der angesprochenen Sitzung des Senats kam es, wie CNN berichtet, zu folgendem Dialog zwischen Senator Jeff Sessions und Verteidigungsminister Panetta. Sessions sagte, Panetta habe den Kongress umgangen, als man sich an den NATO-Operationen gegen Libyen beteiligte und wollte von Panetta wissen, wie er gedenke, im Falle Syriens zu handeln. Sessions: »Wir verbrachten unsere Zeit mit Debatten über die Vereinten Nationen, die arabische Liga, NATO und viel zu wenig mit dem Vorgehen der gewählten Repräsentanten der Vereinigten Staaten. Wenn Sie jetzt weitermachen - werden Sie dieses Mal den Kongress der Vereinigten Staaten konsultieren?« Panetta: »Wie Sie wissen, ist es unser Ziel, eine internationale Erlaubnis zu bekommen. Und dann werden wir vor den Kongress treten und Sie informieren und uns dann überlegen, ob wir oder ob wir nicht, eine Genehmigung des Kongresses einholen wollen.« Sessions: »Nun, das beunruhigt mich, denn ich glaube, dass dies die Führungsfähigkeit der USA schwächt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie die legale Autorisierung der Vereinigten Staaten von Amerika benötigen und keine von irgendeiner exterritorialen Gruppierung, die sich irgendwo versammelt.« Auch der Ausschussvorsitzende, der demokratische Senator Carl Levin, meinte, dass das Wort Erlaubnis in diesem Zusammenhang nicht angemessen sei. Sessions sagte später in einem Interview, dass die Aussagen Panettas für die geistige Haltung der Administration gegenüber der Verfassung entlarvend seien. Während sich die überwältigende Mehrheit von Bürgern in Kommentaren zu Artikeln, die über Walter Jones Initiative berichten, klar zur Verteidigung der Verfassung aussprechen, lässt das Obama offensichtlich kalt. Er beschwörte gerade dieser Tage in der Washington Post in einem gemeinsamen Artikel mit dem britischen Premierminister David Cameron die Sonderbeziehung der USA zum britischen Empire. Diese special relationship sei genauso lebendig und aktiv wie zu Zeiten Winston Churchills, als dieser erklärte, dass die Welt vom britischen Geist und amerikanischen Muskeln regiert werden sollte.  [1]

 

Wir sind wieder soweit

So äussert sich der italienische Philosoph und Publizist Domenico Losurdo in seinem Internetblog über »die Industrie der Entrüstung und die Kriegsvorbereitungen« im Falle Syriens: Die ganze sogenannte Nachrichtenpresse ist heute voller schauerlicher Einzelheiten über Zivilpersonen, über Frauen und Kinder, die in Syrien vom Regime Baschar Al-Assads – so wird versichert – zerstückelt worden seien. Das Verschwinden der historischen Erinnerung ist der Vorbereitung des Krieges dienlich. Obama und seine Verbündeten haben es eilig, ihre Bombardements zu entfesseln und auch dem syrischen Präsidenten das Schicksal des Lynchens, der Folter und des Todes vorzubehalten, das schon Ghaddafi erlitten hat. Und die »Nachrichten«-Presse? Im Corriere della Sera vom 13. März kann man auf der ersten Seite lesen: »Grauenvoll, Präsident Baschar Al-Assad! Grauenvoll!« Der Autor des Artikels, Antonio Ferrari, täte gut daran, den Artikel eines Kollegen, Alex de Waal, zu lesen, der in der International Herald Tribune vom 10./11. März veröffentlicht worden ist: Welche Folgen haben die ständigen Appelle an eine militärische Intervention? »Bei den Rebellen erregt das einen perversen Anreiz, die ethnische Gewalt zu verschärfen, um eine internationale militärische Intervention auszulösen«. Dies ist natürlich gerade das Ziel, das die westlichen Regierungen und in erster Linie der Bewohner des Weissen Hauses, der durch die Verleihung des Friedensnobelpreises in seinem Zynismus übermütig geworden ist, verfolgen. Und diejenigen – Journalisten und andere – die wirklich an einer Vermeidung von Blutvergiessen interessiert sind, täten gut daran, zu bedenken: Die hysterischen Schreie zugunsten des humanitären Krieges tragen dazu bei, gerade die Massaker hervorzurufen, die sie angeblich verurteilen.  [2]

 

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau warnt Peter Scholl-Latour, dass sich die Syrer überlegen sollten, ob einem Umsturz etwas Besseres folgen würde. Ob sich Assad behaupten kann, stehe dahin: Syrien ist von Feinden umgeben, die geschworen haben, ihn zu Fall zu bringen. Es ist ja bezeichnend, dass die Hochburgen der Aufständischen in der Nähe der Grenzen liegen, über die Waffen ins Land kommen. »Das Regime in Damaskus«, so Scholl-Latour ferner, »ist eine abscheuliche Diktatur. Aber es ist auch nicht schlimmer als andere. Darum verstehe ich auch die Einseitigkeit im Westen nicht. Ist Saudi-Arabien denn ein demokratisches Regime? Ein Land, in dem jeden Freitag Köpfe abgeschlagen und Frauen gesteinigt werden, was in Syrien nicht passiert! Ähnliches gilt für andere Länder. Wer redet über die blutige Unterdrückung der Schiiten in Bahrain? Wer redet darüber, dass die Saudis die Freiheitsbewegung in Bahrain mit Panzern niedergewalzt haben? Kein Mensch! Diese Tugend-Attitüde gegenüber Syrien ist deshalb blanke Heuchelei.« Auf die Frage, ob es besser wäre, wenn das Regime Assad an der Macht bliebe, antwortet Scholl-Latour: »Es ist zumindest das letzte säkulare System in der islamischen Welt. Da sollten sich nicht nur die Syrer überlegen, ob sie nach einem etwaigen Umsturz etwas Besseres bekämen. 70 % der Syrer sind sunnitische Muslime, die sich seit langem gegen die Alleinherrschaft Assads auflehnen, der zur Minderheit der Alawiten gehört, einer bei den Muslimen verhassten und verketzerten Gemeinschaft. Trotzdem liegt ein Bürgerkrieg nicht im Interesse der meist recht gut situierten Sunniten. Und für die christliche Minderheit, sie macht 10 % aus, wäre ein solcher die Katastrophe. Viele müssten fliehen. Es wundert mich schon, dass sich die Christen im Westen offenbar keinen Deut um das Schicksal ihrer syrischen Schwestern und Brüder scheren. …..  Beim besorgten Blick auf Syrien allein verliert man leicht den geheimen Masterplan aus dem Auge: Der grosse Drahtzieher ist Saudi-Arabien. Es will das Regime der Alawiten, dieser abscheulichen Ketzer, zu Fall zu bringen. Den Türken, die die Alawiten früher massakriert haben, käme das auch zupass. Regionalstrategisch wollen die Saudis eine schiitische Achse vom Iran über die schiitisch dominierten Provinzen des Iraks bis zur Hisbollah im Libanon zerschlagen – und dem Iran so den Zugang zum Mittelmeer abschneiden. Diesem Ziel wären sie mit einem von ihnen gelenkten Salafisten-Regime in Damaskus sehr nahe. Letztlich geht es also gar nicht um Syrien selbst, sondern um den Konflikt mit dem Iran.«   [3]

 

Der Berliner Tagesspiegel führte Anfang März mit Gregorios III., der seit dem Jahr 2000 Patriarch von Antiochien und damit der höchste Vertreter von schätzungsweise 1,7 Millionen griechisch-melkitischen Katholiken im Nahen Osten ist und seinen Amtssitz in Damaskus hat, ein Interview. Wie dieser erklärte, sei die Lage inzwischen völlig unübersichtlich. Anfangs stand auf der einen Seite die Opposition, auf der anderen die Regierung. Und die Armee, da bin ich mir ganz sicher, hatte den Befehl, sich nur zu verteidigen, nicht anzugreifen. Aber vor einiger Zeit sind noch weitere Kräfte aktiv geworden. Wer konkret hinter diesen stecke, wisse er nicht. Aber es seien wohl zumeist Kriminelle, die das Chaos für ihre Zwecke ausnutzen. Es gebe Überfälle, Entführungen und Plünderungen und viele Christen hätten deshalb Angst.  [4]

 

Wie Rüdiger Göbel am 9. März berichtete, werden in Libyen offensichtlich Syrer für den nächsten gewaltsamen »Regime change« trainiert, worauf Russlands UNO-Botschafter Witali Tschurkin am 7. 3. im Weltsicherheitsrat verwiesen hatte. Ihm lägen Informationen über ein von den libyschen Behörden geduldetes Lager vor, in dem »syrische Aufständische« geschult und für Angriffe gegen die Regierung von Präsident Baschar Al-Assad nach Syrien geschickt würden, erklärte der Moskauer Spitzendiplomat. Dies sei »vollkommen inakzeptabel«. Sein Land sei ausserdem besorgt über die »unkontrollierte Verbreitung von libyschen Waffen in der Region«. Der medial wenig beachteten Sitzung des Sicherheitsrats wohnte auch der Chef der libyschen Übergangsregierung, Abdel Rahim Al-Kib, bei, der sich zu den russischen Vorwürfen allerdings ausschwieg. Indessen hatte er wenige Stunden zuvor in einer Rede am Internationalen Friedensinstitut in New York erklärt, sein Land unterstütze die syrische Opposition finanziell.  [5]

 

 

 

[1]  http://www.bueso.de/node/5509   14. 3. 12

[2]  http://www.jungewelt.de/2012/03-14/017.php  Wir sind wieder soweit - Ohne historische Erinnerung

[3] 

http://www.fr-online.de/aufruhr-in-arabien/peter-scholl-latour-ueber-syrien-und-saudi-arabien-assad-regime--ist-auch-nicht-schlimmer-als-andere-,7151782,11803188.html   14. 3. 12 

Peter Scholl-Latour  -  Assad-Regime ist auch nicht schlimmer als andere

[4]  http://www.jungewelt.de/2012/03-12/040.php   12. 3. 12

[5]  http://www.jungewelt.de/2012/03-09/053.php   9. 3.

Spezialcamp in Libyen  -  Von Rüdiger Göbel