Der Euro - Ein Kommentar

Die nachfolgende Leserzuschrift war von Prof. Ekkehard Wenger ursprünglich an die »Süddeutsche Zeitung«

gerichtet worden, die diese in der Folge jedoch nicht veröffentlichte, so dass wir sie unseren Lesern hiermit zur Kenntnis bringen möchten.

Sehr geehrte Damen und Herren,
es wird Sie nicht überraschen, wenn ich als Euro-Gegner der ersten Stunde feststelle, daß Ihre Berichterstattung zur Euro-Krise trotz vereinzelter Differenzierungen in ihrem Gesamtbild als gewaltiges Ärgernis daherkommt. Die Ausgaben vom 30. und 31. August haben bei mir das Faß zum Überlaufen gebracht, so daß ich mich dazu veranlaßt sehe, Ihnen diese Zeilen zu schreiben.

Wenn Herr Fuest unwidersprochen feststellen darf, der Euro sei eine gute Idee gewesen, sie sei nur schlecht umgesetzt worden, denke ich an die Anhänger des Sozialismus, denen für ihre Wahnideen auch keine bessere Verteidigung eingefallen ist. Der Euro ist einer Staatengruppe übergestülpt worden, in der die kulturellen und wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen von Anfang an so verschieden waren, daß es genau zu den massiven Verwerfungen kommen mußte, die wir heute beobachten. Da helfen kein Schuldenpakt und keine gemeinsame Finanzpolitik, weil es die dafür erforderlichen Gemeinsamkeiten eben nicht gibt. Angesichts der bekannten Neigung der Afrika-Anrainer, Funktionsdefiziten von Staat und Wirtschaft mit Schuldenmachen und der Notenpresse zu begegnen statt mit Strukturreformen, war der Euro von vornherein nur als das denkbar, was jetzt jeder sieht: Als Umverteilungsmechanismus zu Lasten des Nordens und zugunsten der para-afrikanischen Staaten. Wer diesen Umverteilungsmechanismus am Laufen halten will, muß den Euro natürlich retten.

Die nächsten Schritte hat Herr Fuest ja sehr treffend beschrieben. Er will die unheilige Verquickung zwischen Bankschulden und Staatsschulden auflösen und weiß sich zumindest insoweit mit dem französischen EU-Kommissar Barnier einig, der in diesem Zusammenhang davon spricht, man müsse einen »Teufelskreis durchbrechen«. Dafür braucht man dann eine einheitliche europäische Bankenaufsicht, und zwar auch noch für die letzte Genossenschaftsbank, die in einen einheitlichen europäischen Einlagensicherungsfonds einzahlen soll, damit Banken in Spanien mit Geldern aus dem Norden gerettet werden können. So kommt dann der arme spanische Staat aus dem Teufelskreis heraus und wird nicht mit der Rettung seines Bankensystems überfordert.

Die Forderung nach Durchbrechung des Teufelskreises, die ja so schön überzeugend klingt, ist in Wahrheit also nichts anderes als die Forderung, die in Südeuropa gedrehten Luftnummern mit Spareinlagen, aus denen die Banken Staatsanleihen und Bauruinen finanziert haben, mit Geld aus dem Norden zu unterfüttern, damit im Süden noch einmal verkonsumiert werden kann, was bereits verfrühstückt worden ist. Kommissar Barnier und Merkel-Berater Fuest unterscheiden sich in diesem Punkt offenbar nur dadurch, daß der Franzose es natürlich gerne sehen würde, wenn schon die para-afrikanischen Altlasten nach Norden entsorgt würden, während man bei Herrn Fuest vermuten muß, daß er den Teufelskreis nur mit Wirkung für die Zukunft außer Kraft setzen will. Bei Herrn Barnier braucht man über seine Motivation nicht lange zu rätseln: Frankreich wird angesichts seiner verfehlten Wirtschaftspolitik wohl bald in die Lage kommen, auch aus dem Teufelskreis ausbrechen zu wollen.

Bei Herrn Fuest ist die Lage etwas weniger durchsichtig. Er fordert, die Europäer sollten sich ein Beispiel an den US-Amerikanern nehmen, die angeblich ein zentralisiertes Bankensystem haben. Da kommt man nun doch sehr ins Staunen. Ohne mich hier über Einzelheiten des amerikanischen Bankensystems verbreiten zu wollen, sei für Anfänger nur das zitiert, was Wikipedia über Bank Regulation in the US schreibt: »Bank regulation in the US is highly fragmented compared with other G-10 countries, where most have only one bank regulator. In the US, banking is regulated at both the federal and the state level.«

Hinzugefügt sei dann nur noch, daß die mit dem hiesigen Volksbankensektor vergleichbaren credit unions nicht nur eine eigene Aufsichtsbehörde haben, sondern auch einen eigenen Einlagensicherungsfonds. Wenn Herr Barnier sich von den deutschen Volksbanken etwas abschneiden will und Herr Fuest dieses Ansinnen mit seiner Forderung nach einer Bankenunion letztlich unterstützt, läßt sich das jedenfalls nicht mit Verweis auf die Verhältnisse in den USA rechtfertigen. Solche Forderungen haben immerhin ein Gutes: Wenigstens wachen hierzulande jetzt die Volksbanken auf und erkennen, was die von der Nomenklatura angestrebte Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion für sie bedeuten würde.

Bevor wir uns darauf einlassen, sollen die Spanier und auch die anderen Südeuropäer ihre Bankensysteme selbst sanieren – gegebenenfalls, indem Bankkunden, die Einlagen abziehen wollen, eben keine Euros mehr bekommen, sondern ein Anrecht auf Staatsanleihen, die sie dann zum aktuellen Marktwert gegen Euro verkaufen können. Dann muß wenigstens nicht der deutsche Bankkunde in jene Solidarhaftung genommen werden, von der Herr Barnier so dreist und offenherzig träumt. Ob die Euro-Zone dann daran zerbricht oder nicht, sei dahingestellt. »Ein schwerer Schlag für die Finanzmärkte«, wie Herr Fuest vermutet, ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil die Finanzmärkte die Möglichkeit eines Euro-Austritts Spaniens ja eingepreist haben. Wer vier oder fünf Prozentpunkte mehr Zinsen will, als sie Deutschland zahlt, der muß damit rechnen, daß er nicht zu einhundert Prozent in Hartwährung bedient wird, sondern mit abgewerteten Neu-Peseten abgespeist wird.

Bleibt noch die Frage, ob ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone eine Katastrophe für die Jugend wäre, wie Ihre Überschrift über einen Bericht zu einer ILO-Studie lautet. Es wäre für Ihre Leser vielleicht ganz hilfreich gewesen, wenn Sie den Hintergrund ein wenig aufbereitet hätten, vor dem die ILO agiert. Die ILO ist ein Sprachrohr von Gewerkschaftsinteressen, und es sind gerade die Gewerkschaften, die mit ihrem Widerstand gegen Arbeitsmarktreformen – namentlich in Italien und Spanien – die dortige Jugendarbeitslosigkeit maßgeblich zu verantworten haben. Da braucht man sich nicht zu wundern, daß von dieser Seite nach einer raschen Lösung für die Euro-Krise gerufen wird, damit es den Gewerkschaften in Spanien und Italien erspart bleibt, ihren Mitgliedern lieb gewordene Errungenschaften notwendigen Arbeitsmarktreformen opfern zu müssen.

 

Prof. Dr. Ekkehard Wenger hat den Lehrstuhl für Bank- und Kreditwirtschaft der Universität Würzburg inne.

http://www.bwl.uni-wuerzburg.de/lehrstuehle/bwl4/team/lehrstuhlinhaber/  ekkehard.wenger@uni-wuerzburg.de

Hervorhebungen durch politonline
Quelle:
http://www.pi-news.net/2012/09/suddeutsche-veroffentlicht-euro-leserbrief-von-professor-wenger-nicht-hier-ist-er/     7. 9. 12

Siehe auch auf http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1491   25. 4. 10  Verfassungsklage gegen Griechen-Hilfe - Von Markus Zydra: »Hinsichtlich der Hilfe für Griechenland handeln die Euro-Staaten nach Meinung des Wirtschaftsprofessors an der Uni Würzburg, Ekkehard Wenger, jedoch gegen die ökonomische Vernunft, wie er in einem Interview mit dem Handelsblatt darlegt [3]. In dem Gespräch legt er Deutschland einen Ausstieg aus der Währungsgemeinschaft nahe.«
[3] http://www.handelsblatt.com/finanzen/devisen/interview-mit-ekkehard-wenger-in-zehn-jahren-existiert-die-euro-zone-nicht-mehr;2560203  12. 4. 10  »In zehn Jahren existiert die Euro-Zone nicht mehr « Interview mit Ekkehard Wenger, Professor an der Universität Würzburg. Seit über zwei Jahrzehnten leitet er dort den Lehrstuhl für BWL, Bank- und Kreditwirtschaft.  …… Aber auch als Kritiker des Euros und der Europäischen Zentralbank (EZB) ist er bekannt.