Syriens Opposition anerkannt

Wie inzwischen bekannt, hat die EU am 19. November die Nationale Koalition der Opposition

als legitimen Vertreter des syrischen Volkes anerkannt. Am 17. 11. hatte sich François Hollande als erster Regierungschef mit dem neuen syrischen Oppositionschef, Ahmed Muas al-Chatib, getroffen. Gleichzeitig tritt Frankreich für Waffenlieferungen an die Rebellen ein. Wie es heißt, will das Oppositionsbündnis für den Fall einer Regierungsübernahme alle ethnischen und religiösen Gruppen einbeziehen, also auch Christen und Alawiten.

Während das sinnlose Blutvergießen in Syrien weitergeht, schreibt  Strategic Alert, hatte die globale Kriegspolitik der Regierung Obama seltsame Blüten getrieben. Am 31.10. hatte Außenministerin Hillary Clinton in Kroatien erklärt, die nutzlose und veraltete syrische Opposition solle durch eine neue Gruppe ersetzt werden - quasi bis auf den letzten Mann von der USA handverlesen – und dieser wäre die Macht zu übertragen, ein Vorschlag, der international verurteilt wurde. Clinton befand sich auf dem Weg nach Katar, wo am ersten Novemberwochenende die Beratungen über die Bildung einer neuen Opposition stattfanden. Was die Medien nicht berichten, ist, daß Clinton damit in eine Falle der britischen Fraktion mit ihren Satrapen Katar und Saudi-Arabien für eine internationale Konfrontation mit Rußland und China getappt ist. Für die syrische Opposition wie auch für die syrische Regierung widerspricht die Forderung der USA allen politischen und moralischen Grundprinzipien. Daß die US-Regierung entscheiden sollte, welche Regierung das syrische Volk haben soll, widerspricht dem Völkerrecht, dem Willen des syrischen Volkes, der Opposition und dem gesunden Menschenverstand. Man fühlt sich an die irakischen Oppositionsfiguren aus dem Fünf-Sterne-Hotel erinnert, die von London aus in den Irak gebracht wurden, um nach der Invasion von 2003 das Land zu regieren. Das war jedoch nur möglich, weil die Bush-Administration und die britische Regierung unter Tony Blair 150.000 Soldaten einsetzten und Hunderttausende von Menschenleben opferten.

Der gefährlichste Aspekt des Vorschlags ist, daß dadurch eine Konfrontation mit Rußland geradezu herausgefordert wird. Das russische Außenministerium gab eine Erklärung heraus, in der es hieß, Clintons Äußerungen stünden im Widerspruch zu den Vereinbarungen, die die Weltmächte im Juni in Genf über den Konflikt erzielt hatten. »Wir hörten direkte Anweisungen, was die syrische Opposition tun sollte, um eine Exilregierung zu bilden und wer an einer solchen Regierung beteiligt sein sollte, bis hin zu konkreten Personen. Vertreter der USA sagen, daß sie nicht die Absicht haben, auf eine Veränderung der Position Rußlands und Chinas zu warten. Somit machen sie unverhohlen klar, daß sie den syrischen Konflikt ausschließlich zu ihren Bedingungen beigelegt haben wollen.« Außenminister Sergej Lawrow hatte nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius am 1. 11. gewarnt, daß ein Sturz von Präsident Assad den Bürgerkrieg in Syrien nicht etwa beenden, sondern ausweiten würde und deshalb falsch sei. »Darauf zu spekulieren, daß sich mit der Beseitigung der Regierung alles in eitel Sonnenschein auflösen würde, ist wie Tagträumerei«, sagte Lawrow.

Bemerkenswerterweise hat in der USA Zbigniew Brzezinski, der nationale Sicherheitsberater unter Carter, eine Gegenposition zur Regierung geäußert. Am 23. 10. hatte er sich vehement dagegen ausgesprochen, die syrischen Rebellen zu bewaffnen; er warnte, daß sich dies schnell zu einem regionalen Krieg ausweiten würde. Angesichts des Rückschlags für die USA in der ganzen Region bestand er darauf, daß man zur Lösung des Konflikts Rußland und China in Gespräche einbinden sollte. Brzezinski hatte einst selbst mitgeholfen, die Mudschaheddin in Afghanistan für den Kampf gegen die Sowjetunion aufzubauen; inzwischen hat er jedoch offenbar verstanden, daß die Folgen einer solchen Politik unkontrollierbar sind. Die Chinesen reagierten mit einem eigenen Vorschlag für einen Frieden in Syrien, den sie an den UNO-Beauftragten Lakhdar Brahimi richteten. Gegen Hillary Clintons Vorschlag protestierten auch Teile des Syrischen Nationalrats; diesen hatte Clinton als ungeeignet zur Führung der Opposition bezeichnet. Offenbar will die Regierung Obama nun einige Militärführer der syrischen Opposition heimlich aus Syrien nach Doha holen, sie dort zur Gegenregierung salben und sie dann wieder nach Syrien hineinschmuggeln. In der Region ist es inzwischen ein offenes Geheimnis, daß ein Sturz der syrischen Regierung auch mit den zahllosen ausländischen Extremisten und Terroristen, u.a. von Al Kaida, die auf Seiten der Rebellen kämpfen, unmöglich ist und nur mit einer ausgewachsenen Militärintervention der USA und der NATO von der Türkei aus zu schaffen wäre. Aber anders als beim Irak 2003 haben Rußland und China nicht die Absicht, tatenlos zuzusehen, wie die Welt in neue globale imperiale Kriege gestürzt wird.  [1]    

Am 19. 1. hatte sich der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière für einen Bundeswehreinsatz an der türkisch-syrischen Grenze durchaus aufgeschlossen gezeigt. Sollte die Türkei die Nato um die Stationierung des Raketenabwehrsystems Patriot bitten, dann werde die Bundesregierung eine Beteiligung schnell und solidarisch prüfen. Mit den Patriot-Raketensystemen an der türkisch-syrischen Grenze, die mit deutschen Soldaten bestückt werden würden, wird de facto eine Flugverbotszone in Syrien geschaffen und ein weiterer gefährlicher Schritt zur Eskalation getan. Dazu kommen die israelische Offensive gegen Gaza als mögliche Vorstufe für einen israelischen Angriff auf den Iran.  [2]

Wie German Foreign Policy darlegt, beziehen sich die Stationierungspläne von Patriot-Flugabwehrraketen weit im Südosten der Türkei nicht nur auf Gebiete, in denen seit geraumer Zeit die Konflikte mit kurdischen Separatisten eskalieren. Sie schaffen, wie bereits erwähnt, zudem die Voraussetzungen für die Einrichtung von Flugverbotszonen in Syrien, für die in der letzten Woche Berichten zufolge ranghohe Militärs aus der Türkei und der USA dem Weißen Haus konkrete Pläne vorgelegt haben. Hintergrund ist die Absicht der kürzlich in Katar neu gebildeten syrischen Exilführung, in wenigen Wochen ihr Exil zu verlassen und sich in Nordsyrien festzusetzen. Dazu benötigt sie Sicherheit vor Angriffen aus der Luft. Die Stationierung von Patriot-Raketen im Südosten der Türkei ist allerdings aus mehreren Gründen von erheblicher Brisanz, da die PKK ihre separatistischen Aktivitäten in den kurdischsprachigen Gebieten an der Grenze zu Syrien im vergangenen Jahr deutlich ausgeweitet hat. Hintergrund ist, daß Damaskus die Kontrolle über die kurdischsprachigen Gebiete Syriens schon lange nicht mehr aufrechterhalten kann, so daß dort inzwischen die PKK-nahe Partiya Yekitîya Demokrat [PYD, Partei der Demokratischen Union] dominiert. Im Juli hatte die PYD die Kontrolle über mehrere kurdisch geprägte Ortschaften im Norden Syriens nahe an der Grenze zur Türkei übernommen; seither wächst in Ankara die Befürchtung, die PKK könne ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten ausweiten und den kurdischen Separatismus unkontrollierbar eskalieren lassen. Dementsprechend geht das türkische Militär wieder deutlich aggressiver gegen die PKK vor. Das Gebiet, in dem die Patriot-Raketen stationiert würden, ist zumindest teilweise mit dem Konfliktgebiet identisch.  [3]

Den Amerikanern und der westlichen Seite, wiederholt Helga Zepp-LaRouche, geht es nicht oder nicht vorrangig darum, der bedauernswerten syrischen Bevölkerung zu helfen, sondern um die Einflußnahme auf die Neugestaltung des Landes nach einem voraussichtlichen Sturz des derzeitigen Regimes, obwohl man mit diesem bisher stets gut zusammenarbeiten konnte. Mehrere, seit längerem geplante, für den Westen wichtige Öl- und Gaspipelines stehen auf dem Spiel, die Saudi-Arabien und Katar mit dem östlichen Mittelmeerraum und der Türkei verbinden und deshalb partiell durch syrisches Gebiet führen sollen.

 

[1]  Strategic Alert Jahrgang 25  Nr. 45 vom 7. 11. 12    
[2]  http://www.bueso.de/node/6165   19. 11. 12   
[3]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58467  19. 11. 12
Flugabwehr für die Exilführung