Schweiz, hab keine Angst! Die KVP beschliesst Nein-Parole zur Ost-Personenfreizügigkeit

Der Bundesvorstand der KVP hat einstimmig die Nein-Parole zur Abstimmung vom 25. September 2005 über die Ost-Personenfreizügigkeit gefasst. Die Vorlage ist Ausdruck einer verfehlten Wirtschaftspolitik, die ihre Versprechungen weder bisher eingehalten hat noch in Zukunft wird einhalten können. Hauptanliegen der sozialen Marktwirtschaft und der christlichen Soziallehre bleiben auf der Strecke. Hauptleidtragende dieser Politik sind Demokratie, Gesundheit und Familie. Öffnung ja, aber nicht um diesen Preis! Die Angstmacherei der EU, des Bundesrates und der Wirtschaft mit Guillotinen und ähnlichen Instrumenten sind aus der EWR-Abstimmung 1992 bekannt und sollten daher nicht verfangen.

12 entscheidende Gründe im einzelnen, die für ein Nein zur Ost-Personenfreizügigkeit sprechen
 
Die nachfolgenden 12 Gründe sind hauptsächlich eine Entgegnung auf das Argumentarium von „facts der Wirtschaft“ Nr. 31, Juni 2005 - einer Propagandaschrift von Economiesuisse, die mit zwölf Argumenten für ein Ja zur Personenfreizügigkeit mit den Oststaaten wirbt. Die Argumentation wird, wo nötig, in den nächsten Wochen laufend ergänzt. 
  
Die Schweiz gestaltet ihre Beziehungen zu Staaten gemeinhin immer mittels bilateraler Verträge. Der bilaterale Weg ist der normale Weg zwischenstaatlicher Beziehungen. Über den Inhalt bilateraler Verträge kann immer diskutiert werden, ohne den Weg an sich in Frage zu stellen. 
   
1. Nein befreit das Land vom Neowirtschaftsliberalismus voller Guillotinen und öffnet den Weg zu einer sozialen Marktwirtschaft - Vorbild für ganz Europa
 
Aus den Bilateralen I folgen nicht zwangsläufig die Bilateralen II. Die Bilateralen I haben sich nicht bewährt. Der negative Wirtschaftstrend konnte mit den Bilateralen I nicht gebrochen werden. Hingegen haben sich Armut, Bürokratie, Drogenhandel und -konsum, Staatsausgaben, Reglementierungsdichte, Arbeitslosigkeit und Gesundheitsschäden (vergleiche zu den Gesundheitsschäden: www.kvp.ch / Familie / Die Stunde der christlichen Koalition hat geschlagen) mit enormem Anstieg der Sozialkosten weiter erhöht. Die Ich-AG ist zu einer gesellschaftspolitischen Option geworden. Das Bild der sozialen Verwüstung, welches die neoliberale Wirtschaft hinterlässt, muss bei der Abwägung der Vor- und Nachteile der bilateralen Abkommen mitberücksichtigt werden. Entgegen der landläufigen Meinung verursacht vor allem die Wirtschaft die steigenden Sozialkosten. Mehr Wirtschaftswachstum im bisherigen Sinne trägt daher nicht zur Sanierung der Sozialwerke bei, sondern zu deren weiteren Aushöhlung.
 


Die KVP sagt Nein zur Personenfreizügigkeit, weil die Bilateralen I sich nicht bewährt haben, und die Partei Armut, Drogenumschlag, Staatsausgaben, Reglementierungsdichte, Arbeitslosigkeit und Gesundheitsschäden reduzieren will. Mit einer solchen Politik fördert sie das Wirtschaftswachstum.
 
2. Nein heisst, sich nicht erpressen lassen und Würde bewahren
 
Das Ergebnis der Verhandlungen zu den Bilateralen II ist äusserst misslich und voller Stolperdrähte und Erpressungsmöglichkeiten. Obwohl am 25. September 2005 formell nur die Personenfreizügigkeit zur Diskussion steht, geht es angeblich plötzlich wieder ums Ganze. Entsprechend drohen EU, Bundesrat und Economiesuisse mit übelsten Weissagungen: Falls das Volk die Personenfreizügigkeit mit den Oststaaten nicht genehmigt, könne die EU die Personenfreizügigkeit aus den Bilateralen I kündigen. Mit der Kündigung dieses Teils der Bilateralen I würden automatisch auch die übrigen sechs Abkommen der Bilateralen I dahinfallen.
 
Nach neuesten Informationen aus Brüssel könnte mit der Ablehnung der Ost-Personenfreizügigkeit auch das Schengen-/Dublin-Abkommen dahinfallen.
 
Dass die EU ihre Drohungen wahr macht, erscheint eher unwahrscheinlich, ist doch die Schweiz nach den USA der zweitgrösste Handelspartner der EU, und steckt die EU in einer tiefen Krise. Ausserdem stünden der Schweiz Retorsionsmassnahmen zur Verfügung, welche die EU-Wirtschaft empfindlich treffen würden (Nichtratifizierung des Betrugsdossiers aus den Bilateralen II, Verteuerung des Transitverkehrs, keine Zahlungen in den EU-Kohäsionsfond, Aussetzen der Zinsbesteuerung, Schutzzölle usw.).
 
Die bilateralen Verträge sind also voller „Guillotinen“. Guillotinen gelten gemeinhin als Folterinstrumente von Diktaturen. Aus einem solchen System hat man sich klugerweise herauszuhalten. Dass der Bundesrat ein derartiges System ausgehandelt hat, stellt eine schlechte Leistung dar. Sollte dieses System Schule machen, wird die EU in Zukunft weiter mit Guillotinen drohen, wenn die Schweiz neues EU-Recht nicht annehmen will. 

Würde die EU ihre Drohungen wahr machen, würde sie sich entlarven als das, was sie ist: eine Direktorialbehörde ohne hinreichende demokratische Legitimation, und die Schweiz könnte sich der bilateralen Verträge entledigen und Neuverhandlungen auf dem Niveau gleichberechtigter Staaten einleiten. Retorsionsmassnahmen könnten diesen Prozess unterstützen. Das wäre mittel- und langfristig zum Vorteil der sozialen Marktwirtschaft der Schweiz.
 
3. Nein zu Täuschungen und Einbahnstrassen
 
Die Bilateralen II sind entgegen facts nicht der einzige politisch gangbare Weg, um das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union zu gestalten. Der Fortbestand des bilateralen Wegs mit der EU kann entgegen facts nicht an einer einzig möglichen Lösung aufgehängt werden und schon gar nicht wäre der bilaterale Weg bei einem Nein des Schweizer Volkes gescheitert. Ein Nein würde auch dem Image der Schweiz nicht schaden, im Gegenteil. Die Schweiz könnte Europa zeigen, dass es mit der bisherigen EU-Politik in dieser Art nicht weiter gehen kann. Sie hat dabei viele Verbündete in den Völkern Europas, neustens die Mehrheit der Franzosen und Niederländer.
 
Alle 26 Kantone sind sich einig, erklärt Dr. Josef Keller, Präsident der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren. Das stimmt nicht. Nur die Direktoren sind sich einig; viele Kantone haben beispielsweise gegen Schengen/Dublin gestimmt, obwohl auch dort die meisten kantonalen Justizdirektoren sich einig waren.
 
Der Bundesrat hat bei den Bilateralen I versprochen, das Schweizer Volk könne später frei über die Personenfreizügigkeit mit den Oststaaten entscheiden. Das wusste die EU. Wenn nun behauptet wird, die EU könne es nicht zulassen, dass ihre Bürger unterschiedlich behandelt werden, hätte man die Bilateralen I von der Voraussetzung abhängig machen müssen, dass die Personenfreizügigkeit der Bilateralen II vom Volk akzeptiert werden. Das hat man nicht gemacht. Also ist das Schweizer Volk frei in seinem Entscheid. Die Drohungen beschränken diese Freiheit. Von dieser Freiheit ist aber selbstbewusst Gebrauch zu machen.
 
Wenn mit der Ablehnung der Ost-Personenfreizügigkeit das Schengen-/Dublin-Abkommen gefährdet wäre, hätte über das Schengen-/Dublin-Abkommen zusammen mit der Ost-Personenfreizügigkeit abgestimmt werden müssen oder über die Ost-Personenfreizügigkeit hätte vor dem Votum über Schengen/Dublin abgestimmt werden müssen. Ein Nein zur Personenfreizügigkeit gibt der Schweiz immerhin nochmals die die Chance, sich vom Schengen / Dublin-Abkommen zu befreien, sollte die EU nachträglich eine Verbindung zwischen diesen beiden Dossiers herstellen.
 

Wir erkennen die Täuschungen auf allen Stufen und wollen die letzte Gelegenheit nutzen, damit uns nach dem kleinen Finger nicht die ganze Hand in die EU-Maschinerie hineingenommen wird.

 
 
4. Nein stellt eine hinterhältige Salamitaktik bloss
 
Die Personenfreizügigkeit bringt die Schweiz ein weiteres Stück dem EU-Beitritt näher. Die Taktik des Bundesrates ist gemäss facts, mit den Bilateralen weiterhin alle Optionen offen zu lassen. Er selbst will indes in die EU; daher zieht er das Beitrittsgesuch nicht zurück. Jeder Teilschritt begründet er mit dem vorangegangen; die Bilateralen II werden mit den Bilateralen I begründet. Am Schluss wird er den Beitritt mit all den vorangegangen Schritten begründen und aufzeigen, dass die Schweiz bereits derart viele Schritte gemacht hat, dass nur noch ein kleines Schrittchen zum Vollbeitritt nötig ist und die Schweiz ohne riesigen administrativen Aufwand und Pönalisierungen gar nicht mehr ausstiegen kann. Das Schengen-/Dublin-Abkommen und die Personenfreizügigkeit sind eben nicht bloss Handelsabkommen, sondern Integrationsabkommen, das heisst, sie bringen einen Souveränitätsverlust mit sich, und Partner der Verträge ist eine Behörde, die ihre Politik weitgehend ohne das Volk machen will.
 

Ein Nein zur Personenfreizügigkeit gibt – entgegen facts - nicht den Befürwortern für einen EU-Beitritt gewaltigen Auftrieb, sondern den Beitrittsgegnern.

 
 
5. Nein verhindert Fehler, die andere schon gemacht haben und nun die Zeche bezahlen
 
Die Schweiz hinkt der Entwicklung um mehr als zehn Jahre nach. Das hat den grossen Vorteil, dass Fehler, die andere gemacht haben, nicht kopiert werden müssen. Das in den bilateralen Verträgen vorgeschlagene, neoliberale Wirtschaftssystem hat sich, wie erwähnt, nicht bewährt. Dieses neoliberale Wirtschaftssystem existiert in der EU bereits seit dem Inkrafttreten des Binnenmarktprogramms im Jahre 1993. Mit dem EWR-Nein hat die Schweiz dieses Wirtschaftssystem abgelehnt, mit den Bilateralen I aber gleichwohl zu wesentlichen Teilen übernommen. Das französische und niederländische Nein zur EU-Verfassung ist ein Nein gegen das herrschende neoliberale Wirtschaftssystem, das den Bürgern nichts mehr gebracht hat ausser vermehrtes Elend, Arbeitslosigkeit und Armut. Die vier Freiheiten des EU-Binnenmarktes (freier Personenverkehr, freier Güterverkehr, freier Dienstleistungsverkehr und freie Kapitalverkehr) sind, weil exzessiv ausgestaltet, zu einer Plage geworden. Mit der Personenfreizügigkeit will die Schweiz die gleichen Fehler nun auch noch machen.
 

Wir wollen eine soziale Marktwirtschaft, das heisst eine Volks-Wirtschaft im besten Sinne des Wortes, gegründet auf dem Subsidiaritätsprinzip und den zukünftigen Bedürfnissen des Volkes, und aus den Fehlern anderer lernen.

 
 
6. Nein zu wirtschaftspolitischen Illusionen und weiterer Gefährdung der Sozialwerke
 
Dass die Schweizer Wirtschaft infolge der Bilateralen II um 0,2 bis 0,5 Prozent, entsprechend 1-2 Milliarden Franken, wachsen soll, ist eine Hypothese von facts und ein Linsengericht angesichts der Kosten, welche dieses Abkommen, wie bereits die Bilateralen I, verursacht. Ebenso ist es eine völlig unbewiesene Annahme, dass der Schweizer Wirtschaft wegen der bilateralen Verträge jährlich acht Milliarden Franken zufliessen sollen, einschliesslich Preissenkungen, von denen hiesige Konsumenten angeblich profitieren können.
 
Neue Arbeitsplätze werden entgegen facts per Saldo nicht geschaffen, genau so wenig wie die Bilateralen I per Saldo mehr Arbeitsplätze gebracht haben. Die Stellen haben im Jahre 2004 um 16'000 abgenommen.
 
Die Bilateralen I haben die Arbeitslosenzahlen unvermindert anwachsen lassen. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die Arbeitslosenzahlen infolge der Personenfreizügigkeit sinken. Ein neuerer Bericht des Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco) vom Juni 2005 will freilich wissen, dass die Arbeitslosigkeit wegen der Bilateralen I sich nicht erhöht hat. Die Argumentation ist gesamtwirtschaftlich jedoch kaum schlüssig. Entscheidend ist die Gesamtsozialbilanz über aller Kategorien von erwerbsfähigen Personen: teilzeitlich Angestellte, temporär Angestellte, Ausgesteuerte, Invalidisierte, Sozialhilfeempfänger und andere mehr. Und da spricht die SECO-Statistik „Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung“, Stand 06.06.2005 (vergleiche auch www.itin-project.ch), eine ganz andere Sprache: Hätte sich der Trend vor den Bilateralen I fortgesetzt, wären lediglich 35'599 Personen weiter ausgesteuert worden. Tatsächlich wurden jedoch 82'843 Personen ausgesteuert. Die Zahl der Arbeitslosen und Ausgesteuerten hat sich von Mitte 2002 bis März 2005 von 90'705 auf 202'925 erhöht, entsprechend 124 Prozent. Der Monatsdurchschnitt der Ausgesteuerten hat seit der Personenfreizügigkeit um 205 Prozent zugenommen! Eine Wende des verschärft negativen Trends ist nicht in Sicht. Wären die Bilateralen I so gut wie behauptet, hätten Arbeitslosigkeit und Aussteuerung nicht bloss nicht zunehmen, sondern abnehmen müssen.
 
Preissenkungen sollen ein weiterer Vorteil der Bilateralen sein. Preissenkungen und Preisdumping lassen mittel- und langfristig immer auch die Löhne sinken (vergleiche www.kvp.ch / Wirtschaft / Ora et labora in einer Familienwirtschaft). Die Billigkonkurrenz aus dem Osten schafft Arbeitslosigkeit, begünstigen Firmenzusammenschlüsse und die Erhöhung der Managersaläre. Der kapitalistische Teil der SVP spricht sich daher für die Personenfreizügigkeit aus, allen voran Bundesrat Christoph Blocher und der Unternehmer Peter Spuhler. Spuhler, geschieden, sitzt in der Entschädigungskommission des UBS-Verwaltungsrates und ist mitverantwortlich für das obszöne Salär von UBS-Konzernchef Ospel. Auf einem geschützt hohen Niveau befinden sich auch die Löhne der Staatsangestellten. Der Staat mit seinen Tarifen ist einer der Hauptpreistreiber. Die Kartellkommission, welche einen wirksamen Wettbewerb garantieren sollte, fristet trotz Kartellrechtsrevision weitgehend ein zahnloses Mauerblümchendasein. Nur die Bürokratie wuchert gleichwohl weiter (vergleiche www.kvp.ch / Wirtschaft / Ora et labora in einer Familienwirtschaft).
 
Der Lebensstandard der Oststaaten wird sich in absehbarer Zukunft mit jenem des Westens ausgeglichen haben. Dann sind die „Goldgräberstimmung“ und das grosse Geldmachen so oder anders vorbei. Schweizer Uhren oder Ferien in der Schweiz werden auch ohne Personenfreizügigkeit für immer mehr EU-Bürger möglich. Die Tourismusströme verlagern sich im Übrigen seit längerer Zeit nicht in die Schweiz, sondern in die asiatischen Billigländer. Daran kann nicht die Personenfreizügigkeit etwas ändern, sondern nur eine innovativere schweizerische Tourismusbranche. 

Wir wollen eine realistische Wirtschaftspolitik, welche dem Menschen dient.
 
7. Nein zur totalen Vermarktung des Menschen
Mit der Personenfreizügigkeit werde Arbeitsmarktflexibilität geschaffen, wird in facts behauptet, das heisst, Schweizer Arbeiternehmer müssten in den Schweizer Filialen im Osten arbeiten gehen. Solche Lösungen sind gemeinwohlunverträglich. Arbeitnehmer müssten ihre Familien und ihren angestammten Lebensraum, in dem sie verwurzelt sind, verlassen, könnten nicht mehr an der Demokratie mitwirken. Diese moderne Form der Sklaverei ist abzulehnen, weil familienfeindlich. Die internationale Flexibilisierung darf daher zu keinem Wettbewerbfaktor werden. „Weltoffenheit und internationale Geländegängigkeit“ (facts) sind böse Schlagworte. Die Arbeit im EU-Raum ist für einen Schweizer, der Verantwortung tragen will für Familie und Staat, entgegen facts keine Chance, sondern eine schlimme Vision. 

Wir wollen keine internationale Flexibilisierung des Arbeitsmarktes keine EU-Wirtschaftsfamilie, sondern eine Familienwirtschaft, die den täglichen Bedürfnissen des Menschen gerecht wird.
 
8. Nein zu betriebswirtschaftlichem Unverstand
 
Der Marktzugang werde ohne Personenfreizügigkeit behindert, wird behauptet. Der Marktzugang im Osten ist indes bereits heute ohne die Personenfreizügigkeit gewährleistet. Im Übrigen kann der Handel mit der restlichen Welt und den echten Wachstumsmärkten ausgebaut werden, damit die Schweiz nicht einseitig von der EU abhängt.
 
Die Personenfreizügigkeit hat entgegen facts auf die Abwanderung von Schweizer Unternehmen keinen entscheidenden Einfluss. Bereits die Bilateralen I vermochten die Abwanderung nicht zu stoppen. Dass Unternehmen der Massenproduktion abwandern, ist, solange das Lohngefälle zwischen der Schweiz und den Oststaaten besteht, nicht ganz zu verhindern; Deutschland leidet unter der Abwanderung trotz oder wegen der Personenfreizügigkeit, mit der Folge erhöhter Arbeitslosigkeit. Facts zitiert ein Gutachten von Professor Franz Jäger, Universität St. Gallen. Das Gutachten wurde im Auftrag des Arbeitgeberverbandes erstellt. Jäger attestiert, dass die Verlagerung von Standorten aus Kostengründen eine untergeordnete Rolle spiele. Mittlerweile ist aufgrund einer Studie der Hochschule für Wirtschaft in Luzern bekannt, dass ein Drittel der Unternehmen, die Auslagerungen vorgenommen haben, wieder Rückverlagerungen in die Schweiz vornehmen, weil sie sich verkalkuliert haben. 
 
9. Nein zu einer extrem unsozialen und widersprüchlichen Bevölkerungspolitik
 
Facts behauptet, die Personenfreizügigkeit bringe keine vermehrte Zuwanderung. Tatsache ist indes, dass die Zuwanderung infolge der Bilateralen I zugenommen hat. Seit Juni 2004 haben allein 11'992 Deutsche in der Schweiz die Arbeit aufgenommen; zusätzlich nahmen 31'513 Personen einen temporären Job an. Die Wanderungsbewegungen werden mit den Bilateralen II verstärkt, der Zuwanderungsstrom würde sich auf keinen Fall abschwächen. Die geht auch aus einem vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Juni publizierten Bericht hervor. Im Übrigen spekuliert Economiesuisse selbst mit der Zuwanderung, allerdings erst ab dem Jahre 2014, wenn alle Schutzklauseln dahingefallen sein werden: um die AHV zu finanzieren. Zuwanderung, um infolge einer verfehlten Familienpolitik den fehlenden Nachwuchs zu ersetzen, ist indes keine Lösung. Eine solche Lösung ist auch wegen des anerkanntermassen wachsenden Ausgleichs der Lebensstandards in Ost und West höchst unwahrscheinlich. Ausserdem: Zuwanderungstourismus und Missbrauch der Sozialwerke sind heute schon an der Tagesordnung. Die vorgesehene neue Regel, wonach Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nur hat, wer die Schweizer Mindestbeitragspflicht von zwölf Monaten erfüllt, vermag den Sozialmissbrauch nicht wesentlich zu stoppen.
 
Zuwandern sollen gemäss facts Personen, „die über genügend Geld verfügen“. Gemäss dem Gutachten Jäger wäre der typische Einwanderer eine Fachkraft, jung, männlich, gut gebildet und ledig, sodass keine Kettenmigration das Nachziehen von Familie und Freunden zur Folge hätte. Eine dergestalt kleine Einwanderung sei wegen der sinkenden Geburtenrate nötig und für die Schweizer Wirtschaft von existentieller Bedeutung. Die strukturelle Arbeitslosigkeit sinke um 0,3 Prozent. Die Argumentation Jägers überzeugt nicht. Der Schweizer Wirtschaft mangelt es infolge der verfehlten Familienpolitik mit Massenabtreibungen indes an Zehntausende junger, leistungsfähiger, integrierter Leute, die wiederum bereit wären, Familien zu gründen. Mit den wenigen Prototypen junger osteuropäischer Einwanderer kann dieses Problem weder abgeschwächt, geschweige denn gelöst werden. Die KVP hat dieses familienfeindliche Gutachten bereits anderswo als unbrauchbar kritisiert (vergleiche www.kvp.ch / Aussenpolitik / Schengen/Dublin – Wir brauchen Besseres!) Die vorgeschlagenen Ideen laufen auf eine chaotische Bevölkerungspolitik mit kriminellem Untergrund und auf eine marxistische Antifamilienpolitik hinaus.
 
Es ist höchst unsozial, den Staaten zuzumuten, dass sie Arbeitskräfte, in deren Ausbildung sie viel investiert haben, an andere Staaten abgeben.
 
Für die Rekrutierung von Ausländern in der Schweiz braucht es die Personenfreizügigkeit nicht; diese kann durch schweizerische Einreiseverordnungen, soweit das wünschbar ist, einseitig und nach Bedarf sichergestellt werden. 

Eine humane Bevölkerungspolitik verbietet das Herumschieben von Menschen allein um des Mammons willen.
 
10. Nein zu einer Aushöhlung der eigenen Bildungspolitik
 
Mittel- und Osteuropa zeichnen sich laut facts durch ein hohes Bildungsniveau aus. Das stimmt so nicht. Welche Vorteile sollte ein solches Bildungsniveau im Übrigen der Schweiz bringen? Der Austausch von Know-how ist in der informationstechnologisch vernetzten Welt ohne Personenfreizügigkeit möglich und auch kostengünstiger. Die Fachkräfte für Schweizer Firmen im Ausland sind sinnvollerweise vor Ort zu rekrutieren; ausserdem können sie zur Not aus andern EU-Ländern rekrutiert werden, welche die Personenfreizügigkeit kennen. Auch die Schulung von ausländischen Mitarbeitern kann und soll vor Ort gemacht werden.
 
Wenn Ausländer leichterdings rekrutiert werden können, vermindert das die Motivation des schweizerischen Bildungssystems, die Fachkräfte aus eigenen Beständen heranzubilden. Resultat einer solchen Entwicklung wäre, dass die gut bezahlten Eliten Ausländer sind, und die Schweizer die untergeordnete Arbeit verrichten (vergleiche das Beispiel der Fluggesellschaft Swiss). Das kann in keiner Hinsicht akzeptiert werden und birgt sozialpolitischen Sprengstoff. Ausserdem ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine Folge der verfehlten Familienpolitik, der ungenügenden Bildungspolitik und der Ausländerpolitik. Anzusetzen ist daher primär in diesen drei Bereichen. Das Phänomen mangelnden Nachwuchses ist ausserdem in allen europäischen Ländern zu beobachten. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal besteht überall. Die guten Arbeitskräfte werden daher an ihrem Standort alleweil einen Job finden und nicht ins Ausland gehen. Ins Ausland gehen nur weniger gut Qualifizierte. Davon hat die Schweiz indes bereits mehr als genug. 
 
Wir wollen nicht, dass die Schweiz auf Kosten ärmerer Länder ihren Wohlstand wahrt.
  
11. Nein zu flankierenden Überwachungssystemen
 
Die flankierenden Massnahmen greifen, wie die Bilateralen I gezeigt haben, zu wenig und führen zu einem Überwachungssystem der Betriebe durch bis zu 150 Inspektoren. Profiteurin ist einmal mehr die Bürokratie. Trotz Überwachungssystem sind Umgehungsmöglichkeiten an der Tagesordnung für treiben die Erosion der Löhne und Preise und damit die Arbeitslosigkeit unbemerkt voran. Wer es als Arbeitnehmer nicht schafft, kommt als Selbständigerwerbender mit Billigofferten. Die Preisunterschiede sind derart krass, dass die einheimischen KMU ihnen weitgehend ausgeliefert sind, massive Bestellungseingänge hinnehmen und Angestellte entlassen müssen. In Deutschland ist diese Entwicklung bereits voll im Gang. 
 
Wir wollen Arbeitsplätze und Betriebe ohne Betriebsvögte und zusätzliche Bürokratie.
  
12. Nein, um der sozialen Marktwirtschaft eine Chance zu geben
 
Facts behauptet, ein Nein würde zu einem “Rückfall in das Freihandelsabkommen-Regime“ von 1972 führen. Die Ära des Freihandelsabkommens war indes kein Regime, sondern ein frei vereinbarter Handelsvertrag, ohne Integrationsschritte. In der Ära des Freihandelsabkommens herrschte Vollbeschäftigung. Eine freihandelsrechtliche Struktur des Schweizerischen Aussenhandels, ergänzt mit Klauseln der sozialen Marktwirtschaft, bietet auch heute noch mehr Vorteile als integrationspolitische Modelle. 
 
Mit einem Nein zur Ost-Personenfreizügigkeit kann die Schweiz im schlechtesten Fall die extremsten Nachteile der bilateralen Verträge verhindern, im besseren Fall sich vom Schengen-/Dublin-Abkommen wieder lösen und im besten Fall ihr Verhältnis zur EU auf eine neue Basis der sozialen Marktwirtschaft stellen.