Mali aus der Sicht von Ben Schreiner

Den nachfolgenden Darlegungen des amerikanischen Politikwissenschaftlers Ben Schreiner sei am zweckmäßigsten dessen Aussage vorangestellt,

daß die angeblich so bedrohliche Al-Qaeda ein wertvolles Geschenk darstellt, das zu nützlich ist, um untergehen zu dürfen. Denn dies stützt die Erklärung von Jürgen Todenhöfer, daß sich der islamistische Terrorismus auch als nützlicher Vorwand zur Begründung offensiver Militäraktionen erwiesen hat und inzwischen zum wichtigsten Feindbild der USA avancierte. Wir veröffentlichen im folgenden Auszüge aus Schreiners ArtikelWas steckt hinter den US-Interventionen in Afrika? Unter dem Vorwand, Al-Qaeda zu bekämpfen, soll China zurückgedrängt werden.  [1]

Die geopolitische Ausuferung der französischen Intervention in Mali auf die ganze Region wird auch durch öffentliche Statements aus London und Washington unterstrichen. Der britische Premierminister David Cameron erklärte, die Krise in Mali erfordere eine Antwort, die eher Jahre, oder sogar Jahrzehnte, als Monate in Anspruch nehmen werde. Zur Untermauerung dieser Ankündigung soll Großbritannien die Franzosen bereits mit Spezialkommandos und einem Spionageflugzeug unterstützen. Auch in Washington wird schon von einem langen Krieg gesprochen, der sich auf die gesamte afrikanische Sahel-Zone ausweiten könnte. Ein US-Offizieller, der sich Ende Januar zur westlichen Intervention in Mali äußerte, warnte: Sie könnte lange dauern, und mit lange meine ich mehrere Jahre. Das wird wohl eine sehr ernste, lang andauernde Bedrohung werden, denn der Norden Malis ist sehr groß und besteht – was die Topografie angeht – nicht nur als Wüsten; dort gibt es auch viele Höhlenverstecke, die uns an Afghanistan erinnern, hatte Frau Clinton angemerkt. Wir stehen vor einem neuen Kampf, und das wird ein notwendiger Kampf sein. Das nördliche Mali darf nicht zu einem sicheren Hafen (für Terroristen, Anm. d. Red.) werden. Laut einem Bericht in der Los Angeles Times kursiert die Redensart vom sicheren Hafenauch schon wieder in den Fluren des Pentagons. Einige Spitzenleute und höhere Offiziere im Pentagon warnen davor, daß Mali ohne ein aggressiveres Eingreifen der USA für Extremisten zu einem sicheren Hafen werden könnte, wie Afghanistan vor den Terroranschlägen am 11. September 2001. Nachdem man die US-Öffentlichkeit mit solchen Behauptungen auf die Eröffnung einer neuen Front im Krieg gegen den Terror vorbereitet hat, kann die Intervention der USA in Afrika beschleunigt werden. Laut der New York Times erwägt diese, eine Drohnen-Basis in Nordwestafrika zu errichten, um die lokalen Al-Qaeda-Ableger und andere extremistische islamische Gruppierungen besser überwachen zu können.  [2]  Wie ein US-Offizieller dieser Zeitung mitteilte, stehe die Entscheidung, in Nordwestafrika eine permanente Basis für US-Drohnen einzurichten in direktem Zusammenhang mit dem Mali-Konflikt, diene aber gleichzeitig auch der Absicherung der Präsenz des Regionalkommandos der US-Streitkräfte für Afrika [AFRICOM].‹ 

Die Behauptung, die Al-Qaeda-Kämpfer in Mali seien eine Bedrohung für den Westen, beruht einzig und allein auf der ständig wiederholten Annahme, sie könnten das afrikanische Land, wenn nicht interveniert wird, als Ausgangsbasis für Anschläge in westlichen Ländern benutzen. Die Wochenzeitung The Economist meint, der Westen hoffe, in Mali möglichst viele fanatische Dschihadisten töten und die im Norden liegenden Städte mit Soldaten aus Mali und seinen Nachbarstaaten absichern zu können, bevor es den Aufständischen gelingt, sich neu zu gruppieren oder durch Rekruten zu verstärken. Redaktionsschreiber: Von Hoffnung wird nur geredet, um die Bevölkerung der westlichen Länder auf jahrzehntelange Kämpfe einzustimmen. Trotz gegenteiliger Bekundungen lag es nie in der Absicht der verschiedenen US-Regierungen, Al-Qaeda ernsthaft aus dem Verkehr zu ziehen. Wenn das Terrornetzwerk tatsächlich besiegt würde, wäre das ein strategischer Verlust für Washington. Die USA verlören damit die unersetzlichen Fußsoldaten, die sie für ihre Stellvertreterkriege brauchen und könnten ihre weltweiten Interventionen kaum noch rechtfertigen. Die angeblich so bedrohliche Al-Qaeda ist ein wertvolles Geschenk, das zu nützlich ist, um untergehen zu dürfen.  [3] 

Die Zurückdrängung Chinas 
Die mit der angeblich von Al-Qaeda ausgehenden Bedrohung begründete Intervention des Westens in Mali beginnt schon Früchte zu tragen. Die Bekämpfung der Terrorgruppe im Norden Malis ist eine perfekte Tarnung für die strategischen Intentionen der USA und ihrer Juniorpartner im Westen, die darauf abzielen, China aus ganz Afrika zu verdrängen. Weil China auf dem besten Weg ist, auf dem afrikanischen Kontinent zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten zu werden, versucht der Westen, Afrika zu rekolonialisieren. Nach Angaben von Razia Khan, Regionalchef der britischen Standard Chartered Bank, der für Recherchen in Afrika zuständig ist, nähert sich der bilaterale Handel zwischen Afrika und China einer Gesamtsumme von 200 Milliarden US-$ pro Jahr an und ist im letzten Jahrzehnt jährlich um durchschnittlich 33,6 % gewachsen. In den kommenden Jahren könnte China sogar zum größten Handelspartner Afrikas werden und sowohl die EU als auch die USA übertreffen. Das alles ist Washington natürlich nicht entgangen. Während seiner Anhörung vor dem US-Senat ließ John Kerry, kürzlich vereidigter US-Außenminister, durchblicken, daß sich die USA gegen diese Entwicklung im Hintergrund bereits zur Wehr setzt. Was China und Afrika  angeht: China ist in ganz Afrika präsent, wirklich überall. Es hat langfristige Verträge über den Abbau von Mineralien und sonstige Vereinbarungen abgeschlossen, erklärte Kerry. Und wir haben in einigen Staaten unsere Hände noch nicht im Spiel. Ich sage das nicht gern, aber da müssen wir mehr tun. In einer von WikiLeaks veröffentlichten Diplomatendepesche aus dem Jahr 2010 teilte Johnnie Carson, ein US-Staatssekretär für afrikanische Angelegenheiten, Kerrys Sorgen. Carson  ging sogar so weit, China als einen sehr aggressiven und bösartigen Wirtschaftskonkurrenten ohne Moral zu bezeichnen. Die Verärgerung der USA über die wachsenden chinesischen Investitionen in Afrika wurde auch während des Afrika-Besuchs der US-Außenministerin Clinton im August letzten Jahres deutlich. Während ihrer Reise erklärte Frau Clinton mit einem klaren Seitenhieb auf China: Anders als andere Staaten tritt die USA für Demokratie und die allgemeinen Menschenrechte ein, selbst wenn es leichter wäre, wegzusehen und Vorteile daraus zu ziehen.Die jüngsten Menschenrechtsverletzungen der von US-Ausbildern trainierten malischen Armee  beweisen hingegen wieder einmal, wie verlogen solche wohlfeilen Erklärungen sind. Als Antwort auf die Stichelei von Frau Clinton schoß die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua mit dem Kommentar zurück, Frau Clintons Reise sollte wohl vor allem dazu dienen, Chinas Engagement auf dem afrikanischen Kontinent zu diskreditieren und seinen wachsenden Einfluß einzudämmen. Weil Peking befürchten muß, daß es noch weitere Versuche zur Einschränkung seines Einflusses in Afrika geben wird, betrachtet es das Eingreifen Frankreichs in Mali nur als Auftakt für weitere Interventionen des Westens. He Wenping von der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften warnte: Mit der Einmischung französischer Streitkräfte in Mali soll ein neuer Interventionismus in Afrika legalisiert werden.‹ 

Durch die Einmischung des Westens in Libyen hat China bereits Investitionen in Höhe von 20 Milliarden US-$ verloren. Außerdem wurde damit der Weg für die gegenwärtige Intervention in Mali bereitet. Weil die USA vom dynamischen Wachstum in Asien – sprich in China – profitieren will, um ihr Pazifisches Jahrhundert abzusichern, muß sie auch das dynamische Wachstum in Afrika unter ihre Kontrolle bringen. Wenn die USA die Chinesen aufhalten will, muß sie sich auch um Afrika kümmern. Und ihre Interventionen in Afrika führt sie – wie üblich – unter dem Banner des Krieges gegen den Terror durch. 

 

[1]  http://www.hintergrund.de/201302132445/politik/welt/was-steckt-hinter-den-us-interventionen-in-afrika.html    13. 2. 13  Im Original erschien der Artikel am 29. Januar 2013 unter dem Titel Hidden Agenda behind America’s War on Africa: Containing China by “Fighting Al-Qaeda” bei Global Research 
[2]  http://www.nytimes.com/2013/01/29/us/us-plans-base-for-surveillance-drones-in-northwest-africa.html 
[3]  Siehe dazu: http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP01213_200113.pdf

Der Autor Ben Schreiner ist Politikwissenschaftler und freier Autor in Wisconsin. Er beschäftigt sich vor allem mit internationaler und US-Außenpolitik. Schreiner schreibt u.a. für die Asia Times online, Counterpunch und die englische Ausgabe von al-Akhbar

 

 

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