Vom gegenseitigen Ausspionieren 07.07.2013 20:44
da. Man sollte sich klarmachen, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst [BND] in der Überwachung
seiner
Bürger ebenso aktiv ist wie die Kollegen in der USA, Frankreich oder in anderen
Ländern, wobei die Spionage in der Regel einer strengen Geheimhaltung
unterworfen ist. Wie die ›Deutschen
WirtschaftsNachrichten‹ darlegen,
arbeitet die Bundesregierung auf diese Gebiet ›eng mit privaten Providern zusammen‹. Bei ihrer beabsichtigten Rückfrage in der USA zur Ausspionierung
der Europäer werden Merkel und Innenminister Friedrich wohl nichts anderes als
eine bereits erteilte Auskunft zu erwarten haben: »Einzelheiten
können in diesem Zusammenhang nicht öffentlich dargestellt werden. Aus ihrem
Bekanntwerden könnten sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure
wiederum Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Methoden der Behörde ziehen. Im
Ergebnis würde dadurch die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörde und mithin
die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.« Wobei
man seine Zweifel daran haben kann, ob diese der CIA, dem FBI oder der NSA wirklich
am Herzen liegt…… Der BND liest
offensichtlich seit langem alles, was sich im deutschen Internet bewegt. Bereits
2012 hatten der BND, der Militärische Abschirmdienst MAD, der Verfassungsschutz
und das Zollkriminalamt [ZKA] alle technischen Möglichkeiten, um sich bei den
Daten der Bürger zu bedienen. Ferner gibt die Bundesregierung zu, dass die
Nachrichtendienste ›grundsätzlich in
der Lage‹ sind, auch vermeintlich
sichere Kommunikationswege wie PGP und Secure Shell zu kontrollieren. Von den
Providern Utimaco, Ipoque und Trovicor heisst es, dass sie dem BND gegenüber
zur vollständigen Übergabe aller Daten verpflichtet sind. Die Provider müssen
die Informationen bei der ›Geheimschutzstelle
des Deutschen Bundestags‹
hinterlegen. Eine Prüfung der erhobenen Daten durch Anwälte ist nicht möglich.
Daneben gilt: Ist eine Unterlage einmal mit dem Stempel ›Geheim‹ versehen, tritt
der Auskunftsanspruch des Bundestags hinter das Geheimhaltungsinteresse des BND
zurück. Diplomaten, Journalisten, Abgeordnete und Anwälte können sich nicht
sicher sein, dass sie nicht kontrolliert werden. [1]
Dass der
BND nicht grundsätzlich anders operiert als die NSA oder als britische
Spionage-Organisationen, hat noch vor wenigen Tagen der ehemalige BND-Präsident
Hans-Georg Wieck bestätigt. ›Wir
machen das in Gestalt des Bundesnachrichtendienstes im Ausland selbst‹, erklärte er: ›Da ist nicht mehr Illegales drin als in anderen geheimdienstlichen
Tätigkeiten.‹ Konkret gestattet es
etwa das sogenannte G-10-Gesetz, bei ernsten Gefahren für die Bundesrepublik
den Datenverkehr mit dem Ausland zu kontrollieren, also die Auslandsknoten der
in Deutschland tätigen Telekommunikationsanbieter anzuzapfen. ›Bei den Netzbetreibern, die die
Verkehre ins Ausland leiten, hat der Bundesnachrichtendienst direkt seine
Leitungen angelegt‹, erklärt Klaus
Landefeld, ›Vorstand Infrastruktur
und Netze‹ beim ›Verband der deutschen Internetwirtschaft‹: ›Die deutschen
Behörden sollten sich also zum Thema ›Prism‹ nicht so weit aus dem Fenster hängen.‹ »Unmittelbar nach den Äußerungen von
Wieck, die Tätigkeit des BND unterscheide sich nicht grundsätzlich von
derjenigen der aktuell inkriminierten US-amerikanischen und britischen Stellen«, hält ›German Foreign Policy‹ [GFP] fest, »sind in
deutschen Medien mehrere Berichte erschienen, die dies zu relativieren
scheinen. Demnach könne man die angloamerikanischen Aktivitäten mit einem
Schleppnetz vergleichen, während der BND sehr gezielt operiere: Er fische nicht
wahllos im Datenmeer, sondern operiere mit Suchbegriffen, weshalb er in der
Lage sei, präzise zu treffen und unnötigen Beifang zu vermeiden. Als Beleg
wurden unter Berufung auf BND-Quellen sinkende Zahlen der gesammelten
Verkehrsdaten genannt. Selbst wenn dies zuträfe, bliebe festzuhalten, dass die
Suchbegriffe aus dem gesamten Telefon- und Internetverkehr herausgefiltert
werden müssen, also die Ausforschung nicht unterbleibt, sondern allenfalls
verlagert wird. Gänzlich unklar ist außerdem die internationale Arbeitsteilung
der westlichen Dienste und in ihr die besondere Rolle des BND, der sich
offenkundig auf die ›Schleppnetze‹ der befreundeten Dienste verlassen
kann.« [2]
Die Auslandsspionage
der USA Was nun
das Ausspionieren von Seiten der USA angeht, so hatte der BND, wie GFP berichtet,
»bereits vor 25
Jahren weitreichende Kenntnisse über umfassende Spionage-Aktivitäten der NSA in
der BRD. Dies geht aus einem in Teilen neu veröffentlichten Medienbericht des ›Spiegels‹ aus dem Jahr 1989 hervor
[Spiegel schon unten]. Insofern sind die deutschen Geheimdienste schon
damals von der NSA mit Informationen versorgt worden, die sie selbst zu
beschaffen nicht in der Lage waren. Mit
Blick auf breite Abhörmaßnahmen der NSA legte der ›Spiegel‹ dar: ›Westdeutsche Geheimdienstler wissen längst, daß das
Fernmeldegeheimnis (...) nichts gilt.‹
Ein hochrangiger bundesdeutscher Geheimdienstler wird mit den Worten zitiert,
er könne sich ›gut vorstellen‹, daß
die NSA ›abhört, was der
Hamburger Senat mit dem bayerischen Innenministerium zu besprechen hat.‹ Bereits damals haben allerdings
deutsche Behörden auch Nutzen daraus gezogen. So heißt es, daß immer wieder
NSA-Berichte in den bundesdeutschen Geheimdienstzentralen eingingen, die
Insider problemlos als Mitschrift abgehörter Telefongespräche identifizieren
könnten. Schon in der Amtszeit von Innenminister Hermann Höcherl (1961 bis
1965) sei dies gängige Praxis gewesen. Abhören ›hatten wir gar nicht nötig‹,
wird Höcherl zitiert; ›wenn wir was
wissen wollten, haben wir's den Amerikanern gesagt.‹ Mit Blick auf die im Laufe der Jahre ausgeweitete Tätigkeit des
BND rechtfertigte ein Vertreter der amerikanischen Seite die US-Spionagepraxis
1989 mit den Worten: ›Warum auch
nicht, ihr hört uns doch auch ab.‹
Dem Historiker Prof. Josef Foschepoth zufolge sind die gesetzlichen
Geheimgrundlagen der Spionage-Kooperation heute noch in
Kraft, d.h., daß ›die NSA trotz ›2+4-Vertrag‹ im vereinigten Deutschland bis heute frei schalten und walten‹ könne.
Auch
Recherchen der ›Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung‹ zufolge
›können sich die amerikanischen
Geheimdienste bei Ausspähaktionen in Deutschland auf Rechtsgrundlagen berufen,
die noch aus der alten Bundesrepublik stammen. Gemäß
Verwaltungsvereinbarungen von 1968 dürfen die Geheimdienste der Westalliierten den
BND und Verfassungsschutz um Aufklärungsmaßnahmen ersuchen; die deutschen
Dienste haben Rohdaten zu übergeben. Diese Vereinbarungen, die bis 2012 als
geheim eingestuft waren, sind nach Angaben der Bundesregierung weiterhin
in Kraft.‹ Wie die ›F.A.S‹ ferner darlegt, ist die Zusammenarbeit zwischen US-Geheimdiensten
und dem BND durch mehrere Absichtserklärungen geregelt, ›die jedoch als streng geheim‹
eingestuft seien. Darüber hinaus haben frühere Bundesregierungen den
Amerikanern das Recht zugesichert, sie dürften ›im Fall einer unmittelbaren Bedrohung‹ ihrer Streitkräfte ›angemessene
Schutzmaßnahmen‹ ergreifen. Das
schließt gemäß dem Truppenvertrag von 1952 und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut
von 1962 das Recht ein, eigene Nachrichten in Deutschland zu sammeln.« [3]
Der
ehemalige NSA-Agent Wayne Madsen erklärte in einem Interview mit der Organisation
›Privacy Surgeon‹, daß Deutschland zu einer
Zusammenarbeit mit der NSA verpflichtet sei. Die europäischen und
US-amerikanischen Geheimdienste hätten Übereinkünfte, die viel ›komplexer und weitreichender‹ seien, als es der Öffentlichkeit
bisher erklärt wurde. Madsen sagte, er wolle den Halbwahrheiten, wie sie von
den europäischen Politikern verbreitet werden, etwas entgegensetzen. Die
Empörung über die Abhöraktionen des NSA in politischen Botschaften Europas
nennt er ›scheinheilig‹. Der Schock sei nur ›vorgetäuscht‹. In einem offiziellen Dokument des EU-Parlaments sei die Zusammenarbeit
beim damaligen Echelon-Projekt vereinbart worden. Erstaunlicherweise habe sich
damals im Jahr 2001 und seither niemand über dieses mindestens so umfassende
Spionage-Programm aufgeregt. Diese ›Beziehungen‹ verpflichten Deutschland, sowie
Großbritannien, Dänemark, die Niederlande, Frankreich, Spanien und Italien
vertraglich dazu, Informationen über Telefonate und Emails sowie die Nutzung
von Websites dem US-Geheimdienst preiszugeben. Auch der BND sei in diese
Beziehungen verwickelt. Viele dieser Informationen seien nicht geheim oder neu,
sagte Madsen. Vielmehr hätten sich die ›Regierungen
dazu entschieden, die Öffentlichkeit darüber im Dunkeln zu lassen‹. Nachdem bekannt wurde, dass
amerikanische Geheimdienste Politiker im Visier haben und nahezu flächendeckend
überwachen, löste dies in Europa und in Deutschland eine Welle der Empörung aus,
wobei der normale Internet-Nutzer laut Madsen allerdings nicht das Ziel der
US-Behörden ist. Europas Eliten und Politiker sind durch diese Enthüllungen
viel härter getroffen und erpressbar geworden, seitdem bekannt
geworden ist, dass vermutlich auch die Regierungen von der NSA abgehört werden. [4]
In Berlin,
schreibt Sascha Lobo, »gibt man sich überrascht, zeigt mit dem Finger
aufeinander. Niemand will etwas gewußt haben.
Kann das sein? Natürlich nicht. Amerikas geheimster Geheimdienst, die National
Security Agency, lauscht weltweit und rund um die Uhr, ganz besonders in der
Bundesrepublik. Von alliierten Sonderrechten ermächtigt und durch Gesetze geschützt,
von […] elektronischen Schutzschilden umhüllt, hat sich die NSA zu einer
Monsterorganisation entwickelt, die in einem politischen Vakuum weitgehend nach
eigenem Gutdünken operiert. Wie in der Bundesrepublik […] unterliegt das
Nachrichtenimperium nirgendwo einer Kontrolle. Pläne und Aktionen bleiben
geheim, Namen der Mitarbeiter anonym. Wer immer zwischen Nordsee und Alpen zum
Telefonhörer greift, muß gewärtig sein, daß auch die NSA in der Verbindung ist - Freund hört
mit. [5]
»Die
Welt«,
schreiben die ›Deutschen WirtschaftsNachrichten‹, »lacht über die naiven EU-Führer……. Die
Herren Europas waren offenbar extrem naiv: Wie konnte es passieren, daß die USA eine Wanze mitten in der EU-Botschaft in
Washington installiert? Die NSA hat sich bei ihrer Überwachung der EU-Botschaft
in Washington vor allem für den Streit in der EU interessiert. Mit dem Codename
›Dropmire‹ wurde eine Wanze in das verschlüsselte Fax der EU-Botschaft
geschmuggelt und über dieses Fax lief die gesamte EU-Korrespondenz mit den
Mitgliedsländern. Dadurch konnten die Amerikaner antizipieren, in welchen
Punkten die Europäer gespalten sind und ihre eigene Politik darauf einstellen. Vor
allem bei geopolitischen Fragen wie den zahlreichen von den Amerikanern
betriebenen Kriegen ist es wichtig, zu wissen, wo mögliche Bruchlinien liegen –
um das Kriegsgeschäft so profitabel wie möglich zu halten. Ohne die EU beim
Namen zu nennen, sagte der ehemalige Geheimdienst-Koordinator Bernd Schmidbauer
im Hessischen Rundfunk: ›Wer zuläßt, daß seine Büros
verwanzt werden, der lebt in der Steinzeit.‹
Es gäbe in der internationalen Politik ›keine
Freunde‹. Schmidbauer sprach von Sorglosigkeit
und Nachlässigkeit der EU-Politiker, weil sie ihre Kommunikationssysteme nicht
mehr ausreichend sichern würden. Putin sagte bei einer Pressekonferenz, daß es ihn im Grunde nicht interessiere, was die
Amerikaner ausspionieren. Aber natürlich hat Putin ein Interesse daran, einen
Gedankenaustausch mit Snowden zu praktizieren. Es ist auch möglich, daß der ganze Coup zwischen Amerikanern und Russen
abgesprochen ist – nicht zuletzt, um im Wirtschaftskrimi der Euro-Krise die
Interessen der Finanz-Eliten wahren zu können. Diese Eliten werden von Moskau im
selben Maß gestützt wir von Washington. Die Herren Barroso, Rompuy und
Schulz spielen in dieser Liga nur als
Befehlsempfänger mit. Die ganze EU-Außenpolitik hat sich zunächst mit
Dilettantismus, Naivität und am Ende mit steinbrückscher Weinerlichkeit zum
Affen der Weltpolitik gemacht.«
[6]
Die ›Berliner Umschau‹ schreibt, dass sich die Zweifel an der
Ahnungslosigkeit deutscher Behörden mehren. Gert René Polli, heisst es dort,
bezweifelt, dass die deutschen Behörden nichts gewusst hätten. Polli war von
2002 bis 2008 Präsident des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz;
ihm sei das Programm ›Prism‹ unter anderem Namen bekannt gewesen. Darum sei es ›widersinnig und unnatürlich‹,
wenn die deutschen Behörden nichts davon gewusst hätten. Der ehemalige Bundesrichter
Wolfgang Neskovi, bis 2012 Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das
die Nachrichtendienste des Bundes überwachen soll, sagte der ›F.A.S.‹: ›So eng, wie die
Dienste zusammenarbeiten, kann es nicht sein, daß
man nichts wußte.‹ Die amerikanischen Dienste machten ›soviel wie sie wollen‹,
weil sie es könnten, und ›weil es
keine Kontrolle gibt.‹ Constanze Kurz, Sprecherin des ›Chaos Computer Clubs‹, erklärte in der ›F.A.S.‹, unter Hackern gelte es schon lange
als sicher, daß ausländische Geheimdienste in
Deutschland große Netzknoten wie De-Cix in Frankfurt anzapften. Dafür wendeten
sie sich an große amerikanische und deutsche Netzprovider, Hoster oder Dienste,
die Breitbandnetze zur Verfügung stellen.‹
Der SPD-Abgeordnete Fritz Rudolf Körper, ebenfalls Mitglied im Parlamentarischen
Kontrollgremium, zeigte sich ݟberrascht,
daß manche von den Enthüllungen überrascht
sind.‹ Nach seinem Informationsstand
hätten sich die Amerikaner ausschließlich amerikanischer Server bedient, und
damit die ›nationale Integrität
Deutschlands" nicht verletzt.‹ ›Wenn
wir eine geschützte Kommunikation wollen, müssen wir eine eigene, robuste Infrastruktur
aufbauen‹, sagte Körper. [7] Der
Auftrag an die NSA lautete verkürzt: »Spionage zugunsten der USA in allen
Fällen von nationalem Interesse - politisch, militärisch und wirtschaftlich.
Vier Jahre nachdem der englische Schriftsteller Eric Arthur Blair alias George
Orwell seine Vision ›1984‹ niedergeschrieben hatte, war in
Amerika eine geheime Organisation von Orwellschem Format entstanden. Heute […]
hat die NSA die Fähigkeiten von Orwells Großem Bruder teils erreicht, teils
erheblich übertrumpft.« [5]
Die Auslandsspionage
der BND »Dabei«, führt GFP ferner aus, »operiert der BND, wie Experten
bestätigen, heute keineswegs grundsätzlich anders als die NSA. Tatsächlich hat
der Dienst nicht nur wie die US-Behörde Vorrichtungen zum Anzapfen der
Telekommunikation direkt bei Netzbetreibern im eigenen Land angebracht, er
spioniert auch Regierungen souveräner Staaten aus. Das jetzt in Kraft getretene
neue Telekommunikationsgesetz eröffnet den Diensten auch den Zugang zu den
sogenannten Bestandsdaten deutscher Nutzer. Die parlamentarische Kontrolle der
Dienste wird von Fachleuten als völlig unzureichend eingestuft. Vor wenigen
Jahren hatte der heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble dennoch dafür
plädiert, sie abzuschaffen. Als Grund gab er an, daß es
bei ›befreundeten Diensten‹ häufig ›Zweifel‹ daran gebe, daß ihre Kooperation und ihr Informationsaustausch mit
dem BND sowie mit anderen deutschen Spionage-Organisationen ›tatsächlich vertraulich‹ blieben. Diesem Einwand, ließ
Schäuble erkennen, müsse Rechnung getragen werden.« [2]
Zu den
speziellen Arbeitsfeldern des BND gehört laut GFP dabei das Ausforschen
staatlicher Behörden via Internet in ausgewählten Zielstaaten. Bereits im Jahr
2009 hatte der stellvertretende BND-Präsident Arndt Freiherr Freytag von
Loringhoven bestätigt, der Dienst habe ›in
90 Fällen‹ mit Hilfe von Trojanern
Festplatten in fremden Staaten ausgespäht, unter anderem in Afghanistan und im
Kongo. Davon betroffen gewesen seien nicht nur Privatunternehmen, sondern auch
politische Institutionen und Behörden. In 2.500 nicht näher spezifizierten
Fällen habe man zudem versucht, in E-Mail-Konten einzudringen. Unlängst hat
BND-Präsident Gerhard Schindler die Praktiken des BND konkretisiert. Demnach
spioniert der BND die afghanische Regierung explizit auf Weisung des Bundeskanzleramts
aus. Schindler zufolge bezieht die BND-Internet-Spionage auch Syrien ein. Dies
stellt erneut die Frage nach dem Ausmaß der deutschen Kriegsbeteiligung; schließlich
ist bekannt, dass der Auslandsgeheimdienst seine Erkenntnisse mit befreundeten
Diensten und damit auch mit deren Kooperationspartnern teilt. [2]
»Beim
Ausspähen fremder Staaten«, vermerkt GFP, »geht es auch um Beobachtungseinsätze
der deutschen Bundeswehr, über die bereits im April 2011 berichtet wurde. Zu
diesem Zeitpunkt konnte das im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen
beheimatete ›Zentrum für Verifikationsaufgaben‹ der Bundeswehr [ZVBw] im zwanzigsten Jahr seines Bestehens auf mehr als
3.000
weltweite, wie gewohnt als Mission bezeichnete Einsätze
verweisen. Diese erstreckten sich über ein Gebiet von Vancouver bis Wladiwostok
und hatten offiziell das Ziel, die Waffenpotentiale anderer Staaten zu
erfassen. Zur Anwendung kamen hierbei mit umfangreicher Spionagetechnik
ausgestattete Flugzeuge - die Palette
reicht von Infrarotkameras bis zu neuartigen Radarsystemen [Synthetic Aperture
Radar/SAR]. Neben der Implementierung eines militär- und rüstungspolitischen
Kontrollregimes in Südosteuropa, insbesondere im ehemaligen Jugoslawien, befaßt sich das Zentrum für Verifikationsaufgaben zur
Zeit vorrangig mit dem Kampf gegen ›Terroristen
und Staaten, die sie unterstützen‹. Die
Tätigkeit der Einrichtung basiert auf dem ›Vertrag
über konventionelle Streitkräfte in Europa‹
[KSE-Vertrag], dem sogenannten Wiener Dokument und dem ›Vertrag über den Offenen Himmel‹ [Open Skies Treaty]. Letzterer gestattet dem deutschen Militär
Erkundungsflüge zur Erfassung von Rüstungsgütern im Gebiet ›von Vancouver bis Wladiwostok‹.
Bereits während der Beratungen über den ›Stabilitätspakt
für Südosteuropa‹ hatte Berlin den
Aufbau eines regionalen Verifikationszetrums in Kroatien nach dem Vorbild des
ZVBw angeregt; im Oktober 2000 wurde dieses unter der Bezeichnung ›Regional Arms Control Verification and
Implementation Assistance Centre‹
[RACVIAC] offiziell eröffnet. Heute treffen im RACVIAC regelmäßig hochrangige
Militärs, Staatsbeamte, Polizisten und Wissenschaftler der am ›Stabilitätspakt für Südosteuropa‹ beteiligten Länder zusammen. Dies
ließ die deutsche Seite die Hoffnung äußern, das RACVIAC könne ›als Leitbild für ähnliche Initiativen
in anderen Krisenherden dienen.‹ Zu den Aufgaben des ZVBw zählt nach eigener
Aussage zudem die ›globale Rüstungs-
und Proliferationskontrolle. Die diesbezüglichen Aktivitäten richteten sich in
erster Linie gegen Terroristen und Staaten, die sie unterstützen‹, heißt es; das Ziel bestehe darin,
die Verbreitung von Waffen sowie nuklearen, biologischen und chemischen
Kampfmitteln zu kontrollieren, damit diese nicht in die Hände von Terroristen
geraten.« [8]
Was nun Terroristen
unterstützende Staaten anbelangt, so liegt es auf der Hand, dass all
diejenigen, die die syrischen Rebellen mit Waffen ausrüsten, wozu auch Saudi-Arabien
und Katar gehören, sich ganz offensichtlich eines allseits geduldeten
Ausnahmestatus erfreuen.
Einem
Bericht von GFP vom Oktober l2012 zufolge »forcieren Deutsche
Entwicklungsagenturen den Export von Überwachungs- und Repressionstechnik in die
Länder des globalen Südens, was in den Abschluß
eines Kooperationsabkommens zwischen der Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (GIZ) und dem Siemens-Konzern mündete. Damit wolle man ›drängende Probleme‹ auf dem Gebiet der Sicherheit in den ›Megacities‹ der
sogenannten Dritten Welt besser in den Griff bekommen, erklären die
Verantwortlichen. Siemens produziert zu diesem Zweck ›Gefahrenmanagementsysteme‹,
die Zutrittskontrollen, Videoüberwachung und die Anleitung von Einsatzkräften
in städtischen Gebäudekomplexen umfassen. Unter der Bezeichnung ›Siveillance› wirbt Siemens für eine breite Produktpalette an Überwachungs- und
Repressionstechnik, die speziell auf urbane Ballungsräume zugeschnitten ist.« [9]
Bei
alledem ziehen Kritiker die Wirksamkeit der offiziellen Geheimdienst-Kontrolle,
die deutsche Stellen regelmäßig hervorheben, in Frage. Dies trifft nicht nur
auf die Inlandsgeheimdienste zu, die im aktuellen NSU-Skandal beispielsweise
zahlreiche Akten schredderten, bevor sie den zuständigen
Untersuchungsausschüssen und Gerichten zugestellt werden konnten. [2]
Wirtschaftsspionage Besonders gern, berichten Verfassungsschützer, sammeln
US-Dienste Zahlen und Daten aus der Wirtschaft. Mitunter verblüffen
amerikanische Kollegen, zu denen sie engen Kontakt
halten, sogar mit »hübschen Details aus dem Privatleben«
deutscher Prominenter: »Die heben alles auf, was sie hören.« [5] Da staatliche
Geheimdienste in vielen westlichen Ländern auch gezielt zur Wirtschaftsspionage
eingesetzt werden, was bekanntlich Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen
einschliesst, wird in der BRD nun die Forderung laut, in Sachen
Wirtschaftsspionage zum Gegenangriff anzusetzen. Es gehe jetzt um
Waffengleichheit, so dass der BND dieses Thema in Zukunft aktiver aufnehmen
soll als bisher. Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der ›Stiftung Familienunternehmen‹,
hat die Bedeutung von Abwehrmaßnahmen für die Wirtschaft betont: Unternehmen
müssen sich ›für den Schutz der von
ihnen gefundenen anspruchsvollen technologischen Lösungen auf den eigenen Staat
verlassen können. Das ist jetzt ein äußerst dringende Aufgabe für die
Bundesregierung‹. ›Der
bessere Ansatz‹, heisst es indessen
hierzu beim Maschinenbau-Verband VDMA, ›wäre
sicherlich ein generelles Verbot von gezielter und verdeckter
Wirtschafts- und Industriespionage durch staatliche Geheimdienste.‹ Auch wenn ein weltweites Verbot
unrealistisch erscheine, sollten entsprechende Regeln zumindest zwischen befreundeten
Staaten etabliert werden. [10]
Wolfgang
Schäuble, der seinem Volk diesen Mai erklärt hat, dass es den
Deutschen nicht sonderlich schwerfallen sollte, weitere Teile ihrer
Souveränität aufzugeben, genauer: auf Brüssel zu übertragen, »warnte jetzt vor zu großer Aufregung wegen des NSA-Abhörprogramms. Wie
er darlegt, wisse er aus seiner Zeit als Innenminister, ›daß wir terroristische Anschläge
in Deutschland auch deshalb verhindern konnten, weil wir Informationen der
Amerikaner bekommen haben‹.« Ob überhaupt
Absichten zu Anschlägen bestanden, wäre zunächst einmal auf ihren
Wahrheitsgehalt zu überprüfen; darüber hinaus wird eine Aussage dieser Art wohl
kaum noch zu überzeugen wissen, sind doch die überaus zahlreichen Fälle, in
denen der zu bekämpfende Terror durch eigene und befreundete Geheimdienste
verübt wurde, längst publik gemacht. Schäuble+ selbst hat offenbar keine Angst
davor, abgehört zu werden, er hätte wenig zu verbergen und jeder könne hören,
was er zu sagen habe. Immerhin räumt er ein: »Wenn es zutreffen sollte, daß die Amerikaner Institutionen und diplomatische
Vertretungen von Verbündeten abhören, dann wäre das natürlich nicht in Ordnung
und die Kanzlerin hätte völlig recht, daß dies
nicht ginge. Man sei schließlich ›nicht
mehr im Kalten Krieg‹.« [11]
»Der
NSA-Skandal kommt für den BND zu einem recht ungünstigen Zeitpunkt, da er
gegenwärtig seine Kapazitäten zum Ausspähen des Internets ausweiten will. Zu
diesem Zweck verlangt er innerhalb der nächsten fünf Jahre 100 Millionen €, von
denen die Regierung bereits 5 freigegeben hat. Einem Bericht zufolge soll die
Abteilung ›Technische Aufklärung‹ 100 neue Mitarbeiter erhalten;
außerdem sollen die Rechen- und die Speicherkapazitäten vergrößert werden. Günstig
fügt sich, daß das neue
Telekommunikationsgesetz am 1. Juli in Kraft getreten ist. Es erlaubt den
Behörden unter bestimmten Bedingungen, auf sogenannte Bestandsdaten
zuzugreifen, Daten, die Name, Adresse, IP-Adressen, persönliche Kennziffern
sowie Passwörter eines Anschluss-Inhabers umfassen. Konnten derlei Daten zuvor
nur bei schweren Straftaten abgerufen werden, genügt jetzt schon das Vorliegen
einer einfachen Ordnungswidrigkeit.« [2]
Gleich,
wie man das Ganze betrachtet: Für mich tut sich die Frage auf, wie krank
man eigentlich sein muss, um einem Datensammelwahnsinn, wie er sich im Gange
befindet, zu erliegen?
Quellen: [1] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/07/05/auch-deutschland-spioniert-merkel-liess-37-millionen-emails-kontrollieren/ 5. 7. 13 [2] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58637 3. 7. 2013 Befreundete
Dienste (II) [3] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13482&title=Bericht%3A+Vertr%E4ge+aus+den+60ern+regeln+US-Spionage+in+Deutschland&storyid=1373123966442 6. 7. 13 [4] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/07/02/ex-agent-deutschland-hat-selbst-daten-an-die-nsa-geliefert/ 2. 7. 13
Ex-Agent: Deutschland hat selbst Daten an die NSA geliefert [5] http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/spiegel-widmet-1989-der-nsa-seine-titelgeschichte-a-908858.html 2. 7. 13
NSA-Lauscher: Das konnte doch keiner ahnen! Oder? Von Sascha Lobo [6] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/07/02/nsa-spionage-die-welt-lacht-ueber-die-naiven-eu-fuehrer/ 2. 7. 13 Dilettantisch, wehleidig, ohne Macht [7] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13480&title=Zweifel+an+Ahnungslosigkeit+der+deutschen+Beh%F6rden&storyid=137312654973 6. 7. 13 [8] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58045 7. 4. 11 Von
Vancouver bis Wladiwostok [9] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58438 19. 10. 12
Urbane Entwicklung [10] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13465&title=Wirtschaftsspionage%3A+Experten+sehen+mangelndes+Engagement+des+BND&storyid=1373110953170 6. 7. 13 [11] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=13467&title=Sch%E4uble+mahnt+zur+Gelassenheit+im+NSA-Abh%F6rskandal&storyid=137311294938 6. 7. 13
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