Ein Dorn im Auge von J. P. Morgan

Was für die Finanzwelt ganz offensichtlich zu beseitigende Ärgernisse darstellt,

ist im folgenden festzustellen, wobei die damit verknüpften Zynismen nicht zu übersehen sind.

J.P. Morgan ärgert sich über die Verfassungen in Europa 
Ein Bericht der Bank J.P. Morgan vom 28. 5. 13 mit dem Titel Die Anpassung der Eurozone - ungefähr die Hälfte des Wegs erklärt die Staatsverfassungen in Europa, die nach dem über den Faschismus errungenen Sieg etabliert wurden, zu einem Hauptproblem für die Finanzmärkte. In dem Bericht beklagt sich die Bank über nationale Altlastenwie Demokratie, Bürgerrechte und   Souveränität. Offenbar meinen die Verfasser mit ungefähr die Hälfte des Wegs ungefähr die   Hälfte des Wegs zum finanziellen Faschismus. So heisst es in dem Artikel: »Die Verfassungen und politischen Vereinbarungen in der südlichen Peripherie, die nach dem Fall des Faschismus eingeführt wurden, weisen eine Anzahl von Charakteristika auf, die für eine weitere Integration der Region ungeeignet erscheinen..... Die politischen Systeme in der Peripherie entstanden nach der Diktatur und waren von dieser Erfahrung bestimmt... Die Verfassungen weisen tendentiell einen starken sozialistischen Einfluss auf, ein Ausdruck der politischen Stärke, die linke Parteien nach dem Sieg über den Faschismus gewannen. Politische Systeme der Peripherie weisen typischerweise mehrere der folgenden Merkmale auf: Schwache Exekutivorgane; im Vergleich zu den Regionen schwache Zentralstaaten; verfassungsmässigen Schutz von Arbeitnehmerrechten; konsensbildende Systeme, die politische Klientelwirtschaft begünstigen; und das Recht auf Protest, wenn es zu unwillkommenen Veränderungen des politischen Status quo kommt. Mit dem Bericht, der aus der Londoner Filiale von J.P. Morgan stammt, sollen offensichtlich die europäischen Regierungen zum Handeln gedrängt werden. Tatsächlich hat sich die EU ohnehin schon wiederholt über Verfassungsgarantien in verschiedenen Ländern hinweggesetzt und gleichzeitig Klauseln in EU-Verträgen ohne Zustimmung der nationalen Parlamente eigenmächtig missachtet oder geändert. So war die Gründung des Rettungsfonds EFSF 2010 ein klarer Verstoss gegen die No-Bailout-Klausel, das im Lissabon-Vertrag niedergelegte Verbot der Finanzierung von Schulden fremder Staaten. Das gilt umso mehr für dessen Nachfolger, den ESM, der rechtlich gesehen, noch dazu mit einer völligen Immunität ausgestattet ist. Obwohl der ESM ursprünglich nur Regierungen Kredite geben sollte [womit man die Beschränkungen für die EZB umgeht], gaben die Finanzminister der Eurozone am 20. Juni grünes Licht für direkte ESM-Hilfen an Banken im Umfang von ca. 60 Milliarden €. Auch die Verfassungen wurden für die Banken-/Euro-Rettung seit 2007 mehrfach gebrochen. Der frühere Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, hat sich öffentlich darüber beklagt, dass im deutschen Bundestag über alle Rettungspakete diskutiert und abgestimmt werden muss, ein Recht, das vom Bundesverfassungsgericht seit 2007 in mehreren Urteilen bestätigt wurde.  [1] 

Und das sagen dieselben Leute, die die Deregulierung der Finanzmärkte seit den 80er Jahren herbeigeführt und uns das heutige Desaster beschert haben! J.P. Morgan hatte 1984 in einem Papier mit dem Titel Glass-Steagall überdenkendie Aufhebung des von Roosevelt eingeführten Gesetzes und die Rückkehr zu den Megabanken gefordert, wo die Aktivitäten von Geschäftsbanken, Investmentbanken und Versicherungen unter einem Dach stattfinden. Man erinnere sich daran, dass der Mann, der nach dem Crash von 1987 die Flutung der Geldmärktedurchsetzte, nämlich FED-Chef Alan Greenspan, in seiner Zeit als Direktor der mit der britischen Finanzoligarchie eng verbundenen J.P. Morgan Bank gegen Glass-Steagall aktiv war. Greenspan hat nach seiner Ernennung zum FED-Vorsitzenden 1987 zielstrebig an der Verwirklichung dieses Vorhabens gearbeitet und der Welt damit die heutigen Probleme beschert.  [2] Im übrigen musste sich Morgan in den 30er Jahren vor Roosevelts Pecora-Kommission über die Verbrechen der Wall Street während der Grossen Depression verantworten.                                    

Es waren dann die Gegner von Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz und dem New Deal, nämlich »die anglophilen Wall Street-Finanzinteressen von Morgan, Mellon, Harriman und Montagu Norman von der Bank of England, die über Hjalmar Schacht oder den Bankier Kurt Freiherr von Schröder die Machtübernahme der Nazis erst ermöglichten. Die Antwort heißt: Wir brauchen jetzt global die Durchsetzung des Glass-Steagall-Standards, sowie staatliche, produktive Kreditschöpfung für die Realwirtschaft, statt für völlig bankrotte Finanzmärkte! Nur so können wir heute Demokratie und Gemeinwohl effektiv verteidigen. Der Schlüssel dafür liegt damals wie heute in der USA, wo die Rückkehr zum Glass-Steagall-Gesetz gegen den Widerstand von Präsident Obama im amerikanischen Kongreß auf der Tagesordnung steht und die Mobilisierung dafür im ganzen Land an Fahrt gewinnt.  [3]  

J.P. Morgan will Euro-Diktatur
Die obengenannte Morgan-Studie hat auch mmnews aufgegriffen [4]: Auch dort liest man, dass die US-Bank in ihrer neuen Analyse ein autoritäres Regime für die Eurozone verlangt und dass es um nichts Geringeres als die Beseitigung der bürgerlich-demokratischen Verfassungen in einigen europäischen Ländern geht. Der Grund: Einige Staaten würden die notwendigen Sparmassnahmen nicht durchsetzen. Bürger- und Arbeitnehmerrechte könnten zur Destabilisierung führen. Die Politik sei unfähig, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Euro zu retten.  Zwar hätte man auf finanzieller Seite schon einiges erreicht, aber man sei eben auf halben Weg steckengeblieben. Deshalb müssten politische Reformen durchgedrückt werden, mit dem Ziel, den Widerstand gegen die auf Geheiss der Banken durchgeführten, zutiefst unpopulären Sparmassnahmen zu unterdrücken. Insbesondere mahnt J.P. Morgan an, dass man mit der Umsetzung autoritärer Massnahmen viel zu spät begonnen hätte. Diese seien aber erforderlich, um die Sparmassnahmen durchzusetzen. Der Prozess einer solchen politischen Reform, stellt die Studie fest, hat noch nicht einmal begonnen. Die Autoren schreiben wörtlich: »In den frühen Tagen der Krise dachte man, dass diese nationalen Altlasten weitgehend wirtschaftlicher Natur seien«, aber »es hat sich gezeigt, dass es tiefsitzende politische Probleme in der Peripherie gibt, die sich aus unserer Sicht ändern müssen, wenn die Eurozone auf lange Sicht funktionieren soll«. Den Grund für die Misere sieht die Studie darin, dass die Regierungen in den betroffenen Ländern zu sozialistisch seien. Dies sei eine überschiessende direkte Folge der Tatsache, dass es sich zuvor um faschistische Diktaturen gehandelt habe: »Die politischen Systeme in den Peripherieländern wurden unmittelbar nach der Diktatur etabliert und durch diese Erfahrungen definiert. Die Verfassungen neigen dazu, einem starken sozialistischen Einfluss zu unterliegen, was die politische Kraft, die Linksparteien nach der Niederlage des Faschismus gewonnen haben, widerspiegelt.«

Ein besonderer Dorn im Auge sind den Bankern die Bürger- und Arbeitnehmerrechte in den Euro-Ländern 
Diese würden dazu führen, dass die Menschen auf die Strasse gingen und Politiker zu nachgiebig seien. Wörtlich heisst es in der  Studie: »Die politischen Systeme in den Peripherieländern weisen in der Regel mehrere der folgenden Merkmale auf: Schwache Führungskräfte; eine schwache Zentralregierung gegenüber Regionen; verfassungsrechtlicher Schutz der Arbeitnehmerrechte; Systeme zur Konsenserreichung, die politischen Klientelismus fördern; und das Recht zu protestieren, wenn unliebsame Änderungen am politischen Status quo vorgenommen werden. Die Mängel dieses politischen Erbes sind durch die Krise offensichtlich geworden.« Die Bank plädiert für radikales Durchgreifen für den Fall, dass sich soziale Unruhen in Zukunft verstärken sollten. Um eine soziale Revolution in der nächsten Zeit zu verhindern, müssen Regierungen in ganz Europa so schnell wie möglich diktatorische Herrschaftsformen einführen: So ist zwischen den Zeilen zu lesen. Falls nichts unternommen werde, drohe in Zukunft jedenfalls Ungemach. Die Autoren entwerfen am Ende der Studie eine Reihe von Szenarien, die ihrer Meinung nach eintreten, wenn die europäischen Regierungen es nicht schafften, strengere Regime einzuführen: 

-  Der Zusammenbruch mehrerer reformorientierter Regierungen im Süden Europas 
-  Ein Zusammenbruch der Unterstützung für den Euro oder die EU
-  Ein Wahlsieg für radikale, anti-europäische Parteien irgendwo in der Region  
-  Oder die tatsächliche Unregierbarkeit einiger Mitgliedstaaten, wenn die sozialen Kosten    [insbesondere die der Arbeitslosigkeit] einmal ein bestimmtes Niveau überschreiten.  

Was nun die angeführte politische Klientelwirtschaft betrifft, so sei angemerkt, dass es die Studie  offenbar versäumt, Vorgänge im eigenen Land mit einzubeziehen, was aus den von der Bürgerrechtsbewegung Solidarität festgehaltenen Fakten hervorgeht, denn »die Drehtür-Politik, nach der viele Banker in die Washingtoner Politik, dann wieder zurück zur Bank und dann wiederum nach Washington gehen, die exorbitanten Summen, die bestimmte Abgeordnete als Wahlkampfspenden von den Banken bekommen, das Heer von Wall-Street-Lobbyisten, das im Kongreß tagtäglich unterwegs ist, die Tatsache.« Nicht nur J.P. Morgan, so Helga Zepp-LaRouche, »fordert Lösungen wie in den 30er Jahren. Einer der Co-Autoren der berüchtigten Kampfschrift der Oligarchie, des vom Club of Rome verbreiteten Buches Die Grenzen des Wachstums, Joergen Randers, sagte kürzlich in einem mit dem Corriere della Sera geführten Interview, die EU-Kommission sei das beste ihm bekannte Beispiel für die Durchsetzung der seiner Meinung nach notwendigen Kürzungsmaßnahmen. Sie sei eine Elitokratie aus sehr kompetenten Menschen, die nicht vom Europäischen Parlament kontrolliert wird und der es gelungen sei, Resolutionen durchzusetzen, denen die einzelnen demokratisch gewählten nationalen Parlamente wahrscheinlich niemals zugestimmt hätten. Randers pries Italien als Modell für eine erfolgreiche Bevölkerungsreduktion, weil dort eine Gesellschaft geschaffen worden sei, die es Frauen nicht erlaube, gleichzeitig sowohl eine Arbeit als auch ein Kind zu haben, und deshalb mit 1,3 Kindern pro Frau die niedrigste Geburtenrate der Welt erreicht wurde.« 

»Die Zeichen stehen auf Sturm, es ist fünf Sekunden vor zwölf und allerhöchste Zeit, daß die Menschen aufwachen und sich wehren! Lösungen wie in den 30ern bedeutet Faschismus. Das globale Finanzsystem steht vor der Desintegration, und die Finanz-Elitokratien wissen, daß die Politik der Rettungspakete ausgereizt ist und daß selbst alle Einlagen der Konteninhaber nicht ausreichen, um die Gesamtverschuldung des Bankensystems zu finanzieren. Deshalb ist es das erklärte Ziel, die Kosten des Sozialstaates zu eliminieren und als Folge davon natürlich das Lebensalter zu senken.«  [5] 

Es dürfte durchaus seine Berechtigung haben, zwei Feststellungen des Autors Mathias Bröckers als Schlussgedanken hinzuzufügen. »Heute«, schreibt er, »darf unterdessen als naiv belächelt werden, wer angesichts der globalen Netzwerke des Finanzkapitals und der Megakonzerne noch an Metaphern wie freier Wettbewerb und Marktwirtschaft glaubt. Daß die Parteien und Vater Staat für Demokratie und Gerechtigkeit sorgen und die Polizei Dein Freund und Helfer ist: Derlei fromme Denkungsarten, wie wir sie noch auf der Schule lernten, müssen aus dieser Perspektive als hoffnungslos naiv gelten. Stattdessen zieht sich der Verdacht, von einer korrupten kriminellen Clique regiert zu werden, durch das gesamte politische Spektrum und alle Schichten, wodurch sich die Politiker und das Großkapital einem massiven Vertrauensschwund ausgesetzt sehen.«    

 

[1]  Strategic Alert Jahrgang 26, Nr. 27 vom 3. Juli 2013 
[2]  http://www.bueso.de/node/6539  19. 6. 13   
JP Morgan und Südeuropa: Wenn die Verfassung stört  
[3]  http://www.bueso.de/news/hintergrund-zur-pecora-kommission-fur-deutschland   2. 1. 2009  Hintergrund zur
Pecora-Kommissio für Deutschland  
[4]  http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/13637-jpmorgan-will-euro-diktatur   1. 7. 13  
JPMorgan will Euro-Diktatur  
Original auf  http://homment.com/JPMorgan-Euro  JPMorgan:
The Euro area adjustment: about halfway there. Veröffentlichung in Europe Economic Research vom 28. 6. 13 
[5]  http://www.bueso.de/node/6586  20. 7. 13 
Merkel auf der Seite des Überwachungsstaates, EU-Kommission auf der des Finanzfaschismus  -  Von Helga Zepp-LaRouche