Syrien - Ein Kompromiss mit unterlegter Drohung - Von Doris Auerbach

Die zwischen dem russischen und dem amerikanischen Aussenminister jetzt in Genf erzielte Vereinbarung

verpflichtet Assad dazu, innerhalb einer Woche eine komplette Liste seines Giftgas-Arsenals vorzulegen und den UN-Experten Zugang zu allen Lagerstätten zu gewähren. Diesbezüglich hatte der syrische Aussenminister Walid al-Muallimal bereits am 10. September erklärt, dass Syrien bereit sei, anzuzeigen, wo sich die Chemiewaffen befinden, die Produktion zu stoppen und die Anlagen Vertretern Russlands und anderer UNO-Staaten zugänglich zu machen. Bis Mitte nächsten Jahres sollen dann alle Waffen zerstört oder internationalen Kontrolleuren übergeben sein. Die Sicherung der syrischen C-Waffen soll dem Vorschlag Moskaus gemäss in drei Phasen unterteilt werden: In der ersten Phase soll die Assad-Regierung der Chemiewaffen-Konvention der UNO beitreten; ein entsprechender Antrag ist bereits gestellt. In der zweiten Phase sollen die Lagerorte der Waffen festgestellt werden, um in der dritten Phase geeignete Massnahmen zur Sicherung der Waffen vorzunehmen, berichtete BBC. Wie Aussenminister Kerry erklärte, bleibt die US-Drohung gegen Syrien, laut der es bei Zuwiderhandlungen Zwangsmassnahmen geben soll, bestehen. »Es gibt keinen Raum für Spielchen, es kann nur die volle Befolgung durch das Regime geben.« Hält sich Assad nicht an die Vereinbarung, kann ein gemeinsamer Militärschlag erfolgen. Wenn der Plan vollständig umgesetzt werde, so Kerry ferner, würden Chemiewaffen das syrische Volk und seine Nachbarn nicht mehr bedrohen. Der Plan gebe der Welt »mehr Schutz und Sicherheit«; allerdings auch nur dann, sei hinzugefügt, solange Chemiewaffen nicht von anderen Staaten eingesetzt werden.  

Indessen sollte auffallen, dass von eventuellen, sich im Besitz der Rebellen befindlichen Chemiewaffen keine Rede ist, dies trotz der Tatsache, dass Kerry am 16. 9. in Genf zugegeben hat, dass es möglich sei, dass sich ein Teil dieser Waffen in den Händen der Opposition befindet. Somit bleibt der Eindruck zurück, dass zu befürchten steht, dass die Zielsetzung noch immer darauf hinausläuft, den Einsatz dieser Waffen ausschliesslich Assads Truppen anzulasten. Nun führte Prof. Dr. Albert A. Stahel vom Institut für Strategische Studien in Wädenswil Ende August hierzu folgendes aus: Die Bilder aus Damaskus über die Einsätze von C-Waffen lassen erkennen, dass die dafür eingesetzten Waffensysteme regelrecht zusammengebastelt wurden. »C-Waffen-Kanister«, schreibt Stahel, »die vermutlich aus Regierungsbeständen stammen, sind auf umgelenkten Panzerabwehrraketen behelfsmässig aufgeschweisst und aufgenietet worden. Die ballistisch instabilen Waffen dürften von Behältern abgefeuert worden sein. Die Reichweite wird nicht mehr als 1?km betragen haben. Diese Konstrukte stammen mit Sicherheit nicht aus den Beständen der syrischen Armee, die mit sowjetischen Waffen aufgerüstet worden ist. Es sind Waffen von Amateuren. Vermutlich sind sie von oppositionellen Milizen hergestellt worden.«  [1]

Was die Bilder der Opfer des Angriffs vom 21. August auf Aussenbezirke von Damaskus betrifft, so erklärten verschiedene Redner am 10. September auf einer UNO-Menschenrechtskonferenz in Genf, dass diese manipuliert worden seien. Teile des Film- und Bildmaterials des mutmasslichen Chemiewaffenangriffs seien bereits vor dem Angriff erstellt worden. Nach Auffassung dieser Redner handelte es sich bei dem vermuteten Sarin-Giftgasangriff aller Wahrscheinlichkeit nach um eine gezielte Provokation der Rebellengruppen, eine Auffassung, die auch von anderer Seite vertreten worden ist. Ferner legten internationale Experten Material und Stellungnahmen vor, die in ihrer Gesamtheit die Ablehnung Russlands gegenüber einem US-Militärschlag untermauern. Auch innerhalb der US-Geheimdienste gibt es Zweifel, dass Assad für den Einsatz verantwortlich ist. Beweise, wurde am 8.9. erklärt, gäbe es nicht, lediglich eine Schlussfolgerung. Wie von Seiten der UNO am 14. 9. erklärt wurde, liegen ihr zwar stichhaltige Beweise für den Einsatz von C-Waffen vor, die Urheber des Angriffs seien jedoch noch nicht klar. Erwartungsgemäss erfolgte auch dort die ohne Unterlass wiederholte Anklage, dass Baschar al-Assad ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätte; der noch nicht veröffentlichte Sellström-Bericht soll diesen schwer belasten.  

Was sich Herr Westerwelle wohl so vorstellt ….
Auch wenn der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle die in Genf erzielte Einigung mit der Aussage begrüsst:
»Wenn den Worten jetzt Taten folgen, steigen die Chancen für eine politische Lösung erheblich«, so richtete er dennoch gleichzeitig die Forderung an Russland, auf Assad einzuwirken, damit das Regime nicht weiter auf Zeit spielt; von einem Aufruf an die Rebellen war auch in diesem Zusammenhang nichts zu vernehmen, geschweige denn, dass Westerwelle die Unterstützung derselben durch das eigene Land erwähnt hätte, oder etwa den Fakt, dass die CIA im Auftrag von Obama Ende August/Anfang September damit begonnen hat, die Rebellen mit leichten Waffen und Munition aufzurüsten. Wie die Washington Post schreibt, begann dies genau zu dem Zeitpunkt, als die Spannung auf Grund der von Obama angedrohten Militärschlägen ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die hieraus ersichtliche Einseitigkeit der Einstellung Westerwelles ist für meine Begriffe recht abwegig. So hatte Westerwelle Ende Mai Waffenlieferungen an das Assad-Regime als vollkommen falsch bezeichnet. Die Versorgung von Rebellen, die gegen die Regierung des eigenen Land kämpfen, scheint er hingegen als gerechtfertigt zu betrachten.  Unerwähnt blieb auch, dass Wolfgang Ischinger, Mitglied der Trilateralen Kommission und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik sowie Teilnehmer der Bilderberger-Konferenz des Jahres 2012, Anfang März darauf gedrungen hatte, dass deutsch-europäische Waffenlieferungen an die Aufständischen gelangen.  

Schon Ende Juni war bekanntgeworden, dass die USA Waffen aus geheimen Lagerhäusern nach Jordanien verlagerte und sich dadurch laut einem Bericht des Wall Street Journals vom 27. 6. erstmals auf eine aktive Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg vorbereitete. Am 14. Juni hatte die EU die Entscheidung von Obama, die syrischen Rebellen mit Waffen zu versorgen, begrüsst. »US-Präsident Barack Obama macht deutlich, dass die USA zu der von ihr gezogenen roten Linie steht«, hatte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz  - ausgerechnet von der CDU -  Mitte Juni erklärt. Die Befürchtung, dass die Waffen in die Hände islamistischer Kräfte gelangen könnten, teilt er nicht.  [2]   Und offenbar, hat er auch nicht weiter erwogen, dass die Auslegung der Überschreitung dieser Linie, zöge sie einen Angriff nach sich, zu weiteren Massenmorden führen würde. Vollends unverständlich ist, dass Polenz wie folgt argumentiert: »Obama wird die Kräfte unterstützen, die einem demokratischen, multi-ethnischen und religiös toleranten Syrien verpflichtet sind.« Nach solchen kann er unter den Rebellen bekanntlich lange erfolglos suchen ….

Es sei hier daran erinnert, dass das Auswärtige Amt der BRD seine fortdauernde Unterstützung für die Aufständischen in Syrien am 18. Juni bekräftigte, auch wenn es, anders als die USA, Grossbritannien und Frankreich, keine Waffen an die Rebellenmilizen liefert. Doch werde Deutschland, hiess es ferner, bei den bevorstehenden Gipfeltreffen einen engen Austausch darüber suchen, was verantwortungsvoll getan werden kann, um die syrische Opposition in dieser schwierigen Situation zu unterstützen.  [3]  Dass Europas Unterstützung bei Nothilfe und Wiederaufbau in den Rebellengebieten parteilichen politischen Zwecken dient, hatten EU-Diplomaten Ende Mai als zutreffend erklärt. Demnach zielen die dortigen Hilfsmassnahmen darauf ab, in der Bevölkerung Syriens Sympathien für die Aufständischen zu gewinnen, was der deutsche Aussenminister nachdrücklich bestätigte. Die Aufständischen könnten nur dann den Respekt der Bevölkerung gewinnen, wenn sie sichtbar dabei hälfen, die drängendsten Probleme in den befreiten Gebieten anzupacken. Entsprechende Schritte würden keineswegs über Damaskus abgewickelt; man gehe vielmehr grenzüberschreitend vor und operiere etwa aus der Türkei direkt in die von den Aufständischen kontrollierten Gebiete hinein. Dies geschehe auch gegen den Willen des Assad-Regimes, erläuterte der Regierungsbeauftragte für Humanitäre Hilfe, Markus Löning, das völkerrechtswidrige Vorgehen. Dem Auswärtigen Amt zufolge wurden dabei schon gut 22 Millionen € umgesetzt.  [4] Dies zeigt einmal mehr auf, wie die Steuergelder abfliessen, auch wenn in der BRD selbst etliche Gemeinden dem Bankrott entgegensteuern. Und gerade das Kapitel Wiederaufbau ist ein absolutes und trostloses Fass ohne Boden, das allein in Afghanistan Milliarden weitgehend erfolglos verschlungen hat. Auch diese Art der Handhabung unserer Steuern trägt dazu bei, dass die schon heute nie mehr tilgbare Verschuldung zu- anstatt abnimmt.

Warnungen und Widerstand gegen einen Angriff unverändert 
Die Warnungen vor einem Militärschlag gegen Syrien mehren sich nach wie vor. Jetzt hat auch der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, Udo di Fabio, die Bundesregierung vor einer Beteiligung an einem solchen gewarnt. Auf die Frage, ob eine Teilnahme zulässig sei, gab er eine klare Antwort: »Nein. Deutschland wird gewiss seine Bündnisverpflichtungen in der NATO erfüllen, falls die Türkei angegriffen wird. An einem Krieg gegen Assad ohne Mandat des Sicherheitsrats dürfen wir uns nicht beteiligen, auch wenn manche Juristen meinen, dass bei schweren Menschenrechtsverletzungen wie einem Giftgasangriff etwas anderes gelten sollteDer Widerstand im US-Kongress ist noch immer gross; die Front verläuft quer durch die Parteien. Den neuesten Umfragen zufolge sind Republikaner, Demokraten und Unabhängige gleichermassen gegen einen neuen Krieg, besonders da gegenwärtig die Wirtschaft schrumpft, die reale Arbeitslosigkeit wächst und die Infrastruktur zerfällt. Noch viel stärker jedoch ist der Widerstand in der Bevölkerung selbst. Nach wie vor möchte Aussenminister Kerry die Welt davon überzeugen, dass die Beweise für Assads Chemieeinsatz unverrückbar seien, doch bislang liegt nicht einmal eine vorläufige Einschätzung der UNO-Inspekteure vor. Einem hochrangigen US-Geheimdienstbeamten zufolge sind die Beweise bestenfalls Indizien und stützen sich auf eine Kombination von Gesprächen bzw. Kommunikation, die deutsche, israelische und US-Elektronikdienste abgehört haben. So war in einem Bericht der Basler Zeitung vom 8. 9. die Rede davon, dass von dem vor der Küste Syriens kreuzenden deutschen Spionageschiff Oker offenbar syrische Funksprüche aufgefangen wurden, denen zufolge Assads Offiziere schon lange einen Chemiewaffen-Einsatz forderten. Solche Abhörergebnisse lassen sich indessen mit Leichtigkeit fälschen. 

In den Streitkräften herrscht weiterhin hartnäckiger Widerstand gegen ein militärisches Vorgehen, von Generalstabschef Dempsey und den Vereinigten Stabschefs angefangen bis hin zu zahlreichen Offizieren ausser Dienst, die häufig für diejenigen sprechen, die sich noch im aktiven Dienst befinden. Bei der Anhörung im Aussenpolitischen Ausschuss von Senat und Repräsentantenhaus erklärte Dempsey, dass er die Mission hinter den Plänen für Militärschläge selbst nicht verstehe, während führende US-Strategen wiederholt dargelegt haben, eine Militäraktion gegen Syrien könne einen Weltkrieg auslösen. Der frühere CIA-Offizier und Terrorismusexperte im Aussenministerium, Larry Johnson, berichtete am 6. September, seine Freunde im Geheimdienst hätten ihn gewarnt: Sowohl die US-Dienste als auch die britischen wüssten, dass es Assad nicht war‹, dass aber die CIA unter John Brennan bewusst lüge und die Mitglieder des Kongresses irreführe. Prominente Juristen wie Francis Boyle, Bruce Fein und Paul Craig Roberts haben Obama gewarnt, dass eine Militäraktion ohne Zustimmung des Sicherheitsrats ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg wäre, ein Verbrechen gegen die  Menschlichkeit im Sinne des Nürnberger Tribunals und der UNO-Charta. 

Stets dieselben Behauptungen
Die Behauptungen, die vorgebracht werden, um Assad für schuldig zu erklären, reissen nicht ab. Auch wenn der Stabschef von US-Präsident Barack Obama, Denis McDonough, eingestanden hat, dass sein Land nicht über hundertprozentige Beweise für einen Chemiewaffeneinsatz durch den syrischen Präsidenten verfüge, so erläuterte er dennoch im Fernsehsender CNN, dass der gesunde Menschenverstand sage, dass für den Angriff mit Giftgas am 21. 8. Regierungstruppen verantwortlich gewesen seien. Wie einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu entnehmen war,
»hatte die Türkei den diplomatischen Vorstoss in der Syrien-Krise gar als kosmetisch bezeichnet. Dieser dürfe die internationale Entschlossenheit, Assad für den Einsatz chemischer Waffen zu bestrafen, nicht verwässern.« Nun übergeht Ankara ganz einfach, dass es sich hier keineswegs um eine international geschlossene Front handelt; im Gegenteil, die Anzahl der Staaten, die sich gegen einen derartigen Schritt wehren, ist beträchtlich. »Die Türkei«, heisst es ferner, »befürchtet, der Vorschlag, Syriens Chemiewaffen einer internationale Kontrolle zu unterstellen, könnte davon ablenken, dass das Assad-Regime ein schweres Verbrechen begangen habe, das  bestraft werden müsse.« Am bequemsten hat es sich der türkische Aussenminister Ahmet Davutoglu gemacht: »Er führte aus, dass ein solcher Einsatz [also von Giftgas durch Assads Truppen]  auch ohne UN-Untersuchungsbericht erwiesen ist. …. Der Chemieangriff wurde mit Raketen ausgeführt, die nur in den Händen des syrischen Regimes sind.Dass oppositionelle Kräfte den Angriff ausgeführt habe könnten, um ein Eingreifen der Amerikaner zu erwirken, wies er zurück. …. Jedenfalls forderte Davutoglu die USA am 10. 9. indirekt, aber unmissverständlich dazu auf, sich nicht von Angriffsplänen auf Syrien abbringen zu lassen.«  [5]    

Auf dem G-20-Gipfel in St. Petersburg hatte der russische Präsident Putin nochmals deutlich gemacht, dass Russland Syrien weiterhin beistehen wird, und dass die USA völkerrechtlich nicht befugt sei, ohne ausdrückliche Zustimmung des UNO-Sicherheitsrats Angriffe durchzuführen. Das US-Dossier stelle kein Beweis dar und wenn die USA Beweise hätte, sollte sie diese dem Sicherheitsrat vorlegen, so Putin. Er sagte des weiteren, eine Mehrheit der G-20-Staaten sei gegen eine US-Intervention, auch wenn 12 Regierungen auf dem Gipfel eine Unterstützungserklärung unterzeichnet hätten. In dieser wird zwar kein militärisches Vorgehen erwähnt, jedoch macht sie Syrien für den Chemiewaffen-Einsatz verantwortlich. Zu den Unterzeichnern gehören u.a. die USA, Grossbritannien, Frankreich, Italien, die Türkei, Japan und zuletzt auch die BRD. Darin heisst es, es müsse eine klare Botschaft ausgesendet werden, dass sich diese Art von Grausamkeit nie mehr wiederholen darf. Putin war bei diesem Anlass der einzige gewesen, der es wagte, Kerry der Lüge zu bezichtigen; auch liess er seinen Worten Taten folgen, indem er russische Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer in die Nähe der syrischen Küste entsandte. Indessen operiert die 6. US-Flotte seit Monaten vor der Küste Syriens und einige NATO-Staaten leisten vielfältige militärische Unterstützung für die Rebellen. Zuvor hatten die EU-Aussenminister bei ihrem Treffen in Vilnius am 7. 9. Assad
»geschlossen für den Einsatz von Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung verantwortlich gemacht. Alle derzeit verfügbaren Informationen wiesen auf die Verantwortung des Regimes hin, sagte Catherine Ashton nach den Beratungen und sprach namens der Aussenminister von einem ernsthaften Bruch des Völkerrechts, der eine angemessene Antwort erfordere.«  

Was Frankreich angeht, so bleibt es vorerst mobilisiert. Es gelte, die Führung in Damaskus von einem weiteren Giftgaseinsatz abzuschrecken, so Präsident Hollande am 11. 9., während sich sein Aussenminister in Vorhersagen erging: »Der Bericht der UNO-Inspekteure über den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien wird nach den Worten von Laurent Fabius wahrscheinlich am 16. 9. veröffentlicht. Fabius sagte im französischen Rundfunk, in dem Bericht werde von einem chemischen Massaker die Rede sein. Es werde sicherlich auch Hinweise auf die Hintergründe des am 21. August verübten Angriffs geben. Er scheint sich der Sache sicher: Das Assad-Regime hat den Befehl gegeben.  ….. Da nur das Regime über die Lager, die Träger und das Interesse an einem solchen Angriff verfügt, lässt sich diese Schlussfolgerung ziehen, erklärte er hinsichtlich der Verantwortlichkeit für das Massaker, die der Westen bei der Regierung von Präsident Bashar al-Assad sieht.«  [6]  Inzwischen hat Fabius die bei den Verhandlungen in Genf erzielte Einigung als einen wichtigen Fortschrittbezeichnet. Zugleich verwies er darauf, dass Frankreich den Bericht der UNO-Waffenexperten abwarten wolle, um seinen Standpunkt festzulegen. Wie Hollande indessen am 15. 9. erklärte, schliesst er einen Militärschlag auch nach der Einigung über die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen nicht aus. »Die militärische Option muss bestehen bleiben, ansonsten gibt es kein Druckmittel«, sagte er in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Am 14. September hatte Präsident Barack Obama in seiner wöchentlichen Rundfunkrede erklärt, die USA bleibe »bereit zum Handeln« und wollte sich nicht einfach auf Zusagen Russlands und Syriens verlassen. »Wir müssen konkrete Massnahmen sehen, die zeigen, dass Assad es mit der Aufgabe seiner Chemiewaffen ernst meint.«  

Die New York Timesveröffentlichte am 11. September Vladimir Putins an die US-amerikanische Bevölkerung sowie an die politischen Entscheidungsträger gerichteten Kommentar; dieser trägt den Titel Ein Plädoyer für Zurückhaltung - Was Putin den Amerikanern zu Syrien zu sagen hat:

»Die Beziehungen zwischen Russland und der USA«, beginnt Putin, haben verschiedene Stadien hinter sich gelassen. Im Kalten Krieg standen wir gegeneinander, aber wir waren auch einmal Verbündete, als wir gemeinsam die Nazis besiegten.« Danach sei die UNO gegründet worden, damit derartige Verwüstungen nie wieder passieren sollten. 

Gewaltanwendung ohne UNO-Zustimmung nicht zulässig 
»Niemand will, dass die UNO das Schicksal des Völkerbunds wiederholt, der auseinanderfiel, weil er keine Hebel zur Einwirkung auf die internationale Situation hatte. Dies ist aber möglich, wenn einflussreiche Länder ihre Gewaltaktionen an der UNO vorbei und ohne Zustimmung des Sicherheitsrats unternehmen. Ein potentieller Schlag der USA gegen Syrien, dies trotz der entschiedenen Gegnerschaft von Seiten vieler Länder und politischer wie religiöser Führungspersönlichkeiten, darunter der Papst, wird zu noch mehr unschuldigen Opfern und einer Eskalation führen«, so Putin. Eine Ausbreitung des Konflikts weit über die Grenzen Syriens sei wahrscheinlich, führt er aus.  

US-Schlag gegen Syrien bringt neue Welle des Terrors 
Eine militärische Einmischung in den Syrien-Konflikt erhöht dem Kreml-Chef zufolge das Ausmass der Gewalt und könnte eine neue Welle des Terrorismus losbrechen. Zudem könne eine Militäroperation in Syrien die Bemühungen um eine Nahost-Regelung und Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm zunichte machen, wodurch Recht und Ordnung in der ganzen Weltgemeinschaft aus dem Gleichgewicht zu geraten drohten. Der geplante Schlag »könnte die multilateralen Bemühungen zur Regulierung des iranischen Atomproblems und des israelisch-palästinensischen Konflikts unterwandern und zu einer weiteren Destabilisierung im Nahen Osten und in Nordafrika führen. Der Syrien-Schlag könnte das gesamte internationale Rechtssystem aus dem Lot bringen«, heisst es in Putins Kommentar.  

Mehr Extremisten als Kämpfer für Demokratie 
»In Syrien geht kein Kampf für die Demokratie vor sich, sondern eine bewaffnete Konfrontation zwischen der Regierung und der Opposition in einem multikonfessionellen Land. Dort gibt es zwar nicht viele Verfechter der Demokratie, aber es mangelt nicht an Extremisten aller Schattierungen und an Al-Qaida-Anhängern.« In diesem Zusammenhang weist Putin darauf hin, dass das US-Aussenministerium selbst die Dschabhat al-Nusra und den Islamischen Staat von Iran und Levante, die auf der Seite der Oppositionellen kämpfen, als terroristische Organisationen eingestuft hat. »Die innere Konfrontation, die von Anfang an durch die äusseren  Waffenlieferungen an die Opposition angeheizt wurde, artete in einen der blutigsten Konflikte der Welt aus«, so der russische Präsident. »Dort kämpfen Söldner aus den arabischen Ländern, Hunderte von Militanten aus dem Westen und sogar aus Russland, was für uns ein Grund zu grosser Sorge ist. Könnten diese nicht mit den in Syrien erworbenen Erfahrungen in unsere Länder zurückkehren? Nachdem sie in Libyen gekämpft hatten, zogen die Extremisten danach nach Mali weiter. Das ist eine Bedrohung für uns alle.«

Moskau schützt nicht Assad, sondern das Völkerrecht 
»Russland ist seinem Kurs der Unterstützung des friedlichen Dialogs, der darauf abzielt, dass die Syrier selbst ein Kompromissmodell für die künftige Entwicklung ihres Landes ausarbeiten, von   Anbeginn an treu geblieben. Dabei schützen wir nicht die syrische Regierung, sondern die Normen des Völkerrechts. Wir betonen ständig, dass alle Handlungsmöglichkeiten des UNO-Sicherheitsrates ausgeschöpft werden müssen. In der gegenwärtigen komplizierten und turbulenten Welt ist die Wahrung der Rechtsordnung einer der wenigen Hebel, die in der Lage sind, die internationalen Beziehungen vor einem Abgleiten ins Chaos zu bewahren. Gesetz ist Gesetz. Seine Befolgung ist immer verbindlich, unabhängig davon, ob es einem gefällt oder nicht. Das geltende Völkerrecht bietet nur in zwei Fällen die Möglichkeit, Gewalt anzuwenden – entweder zur Selbstverteidigung oder auf Beschluss des Sicherheitsrats. Alles andere ist laut UNO-Charta unzulässig und wird als Aggression ausgelegt.«  

Die Giftgas-Attacke war eine Provokation von Extremisten – Israel als nächstes Ziel  »Niemand stellt den Fakt in Zweifel, dass in Syrien chemische Kampfstoffe angewendet wurden. Allerdings besteht jeder Grund zur Annahme, dass das nicht die syrische Armee getan hat, sondern die Kräfte der Opposition - mit dem Ziel, eine Einmischung ihrer mächtigen Schirmherren aus dem Ausland zu provozieren, die sich in diesem Fall im Grunde genommen auf die Seite von Fundamentalisten geschlagen hätten. Man darf nicht ignorieren, dass Informationen vorliegen, dass  die Extremisten eine neue chemische Attacke planen – diesmal auf Israel«, unterstrich der russische Staatschef.

Gewaltanwendung durch USA beunruhigende Routine 
Die Tatsache, dass die gewaltsame Einmischung in innere Konflikte anderer Länder für die USA Routine geworden ist, ist beunruhigend, stellt Putin fest. » Gehört dies etwa zu den langfristigen Interessen Amerikas? Ich bezweifle das. Millionen Menschen in der ganzen Welt sehen in Amerika immer häufiger nicht ein Modell der Demokratie, sondern ein Land, das ausschliesslich auf grobe Gewalt setzt und Koalitionen unter dem Motto Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns schmiedet. Die Gewaltanwendung hat gezeigt, wie uneffektiv und sinnlos sie ist. Afghanistan fiebert, und niemand kann sagen, was dort nach dem Abzug der internationalen Kräfte geschieht. Libyen ist in Einflusszonen von Stämmen und Clans aufgeteilt. Im Irak dauert der Bürgerkrieg an, täglich kommen dort Dutzende von Menschen ums Leben. In der USA selbst sehen viele Menschen unmittelbare Ähnlichkeiten zwischen dem Irak und Syrien. Man fragt in diesem Zusammenhang: Wozu würde die Regierung frühere Fehler wiederholen wollen?« 

Unzuverlässiges Völkerrecht gefährdet die Non-Proliferation
Die bisherigen Gewaltaktionen, bei denen modernste Waffen eingesetzt wurden, hätten zugleich gezeigt, dass Opfer unter der Zivilbevölkerung unvermeidlich sind, egal wie selektiv diese Schläge sein mögen. »Die Leidtragenden sind dabei in erster Linie Greise und Kinder, deren Leben man mit solchen Schlägen angeblich schützen will«, betont Putin. »Solche Gewaltaktionen lösen in der Welt die folgerichtige Reaktion aus: Wenn man sich nicht auf das Völkerrecht stützen kann, so muss man nach anderen Varianten suchen, die die Gewährleistung der eigenen Sicherheit garantierten. Deshalb sind immer mehr Länder bestrebt, in den Besitz von   Massenvernichtungswaffen zu  kommen. Da wirkt die einfache Logik: Wenn du die Bombe hast, wird man dir nichts antun. So kommt es dazu, dass man zwar verbal die Notwendigkeit der Festigung der Non-Proliferation betont, während dieser Modus in Wirklichkeit unterwühlt wird. Die Anwendung der Sprache der Gewalt müsse beendet werden, um auf den Weg einer zivilisierten politisch-diplomatischen Regelung von Konflikten zurückzukehren, schreibt Putin. In den letzten Tagen habe sich eine neue Chance ergeben, ein militärisches Eingreifen zu verhindern. »Die USA, Russland und alle Mitglieder der Weltöffentlichkeit müssen die Bereitschaft der syrischen Regierung ausnützen, ihr chemisches Arsenal unter eine internationale Kontrolle zu stellen, um es anschliessend zu vernichten. Den Erklärungen von Präsident Obama zufolge sieht die USA dies als eine Alternative zu einer Militäroperation.«  »Wenn wir Gewalt gegen Syrien verhindern können, wird das die Atmosphäre in den internationalen Beziehungen verbessern und das gegenseitige Vertrauen stärken. Das wird unser gemeinsamer Erfolg sein und die Türen für die Zusammenarbeit bei anderen kritischen Themen öffnen«, betont Putin in seinem Kommentar.  

Gott schuf auch die Amerikaner gleich 
»Meine Zusammenarbeit mit Präsident Obama und meine persönliche Beziehung zu diesem sind von wachsendem Vertrauen gekennzeichnet, was ich zu schätzen weiss«, so Putin abschliessend in der New York Times. Wie der Kreml-Chef ausführt, hat er sich mit der Fernsehansprache Obamas vom 10. 9. sorgfältig auseinandergesetzt. Indessen fügt er hinzu: »Ich erlaube mir eine Polemik in Hinblick auf die amerikanische Einzigartigkeit. Die Exklusivität der eigenen Nation habe Obama in seiner Erklärung, Amerika sei dadurch einzigartig, dass sich die von der USA betriebene Politik von der anderer Nationen unterscheide, dargelegt. »Es ist sehr gefährlich, Menschen dazu zu inspirieren, dass sie sich für einzigartig halten, was auch immer die Begründung dafür sein mag«, schreibt Putin. Es gibt grosse und kleine Länder, reiche und arme, solche mit festen demokratischen Traditionen, sowie Länder, die noch nach ihrem Weg zur Demokratie suchen; auch ihre Politik unterscheidet sich. Wir sind alle unterschiedlich. Wenn wir aber den Herrn um Segen bitten, so dürfen wir nicht vergessen, dass Gott uns gleich geschaffen hat.«  [7]  

US-Senator John McCain fiel dazu offenbar kein anderer Kommentar ein als der, dass Putins Abhandlung eine Beleidigung für die Intelligenz eines jedes Amerikaners darstelle. McCain hatte Obama Ende Juli vorgeworfen, nicht zu führen, sondern sich im Mittleren Osten an der Nase herumführen zu lassen. Die USA müsste in Syrien aggressiver vorgehen als in Libyen: Der Sturz von Assad wäre der schwerste Schlag gegen den Iran in den letzten 25 Jahren.‹ 

Für eine friedliche Lösung des Konflikts steht die Allianz aus Russland, China, Indien, Brasilien, Südafrika, Indonesien und Italien. Hingegen hat sich die syrische Opposition über die getroffene Absprache nicht erfreut gezeigt. Die jetzige Einigung sei ein Schlag gegen die Bestrebungen, Assad zu stürzen, erklärte der Stabschef der Freien Syrischen Armee, Salim Idris. Die Initiative ziele nur darauf ab, Zeit zu gewinnen, kritisierte er auf einer Medienkonferenz in Istanbul und warf der Regierung von Präsident Assad vor, ihr Chemiewaffen-Arsenal ins Ausland zu schaffen. Die Armee habe in den vergangen Tagen damit begonnen, einige der Waffen in den Libanon und Irak zu bringen, sagte Idriss. Der Rebellenkommandeur Kassim Saadeddine gab die Erklärung ab, dass sie die Einigung nicht unterstützen werden: »Lavrov und Kerry sollen zur Hölle gehen mit ihrem Plan«, so Saaeddine. 

Was die auch in Bezug auf die jetzige Berichterstattung zu den Vorgängen in Syrien des öfteren in der Kritik stehende Presse angeht, so sei hier abschliessend ein kurzer Auszug aus einem Vortrag, den General ad Dr. Heinz Loquai, Stellvertretender OSZE-Bevollmächtigter für den Kosovo 1999, am 14. 2. 2003 im Eine Welt Haus in München gehalten hatte, angefügt: »Wir bekommen das Menüder Medienberichterstattung ja täglich serviert. Aus welchen Bestandteilen, aus welchen Gängen besteht ein solches Menü? Das verläuft bei allen Vorbereitungen zu einem Krieg in etwa immer gleich. Es gehört dazu, den Kriegsgegner zu bestialisieren. Hier haben die Medien im letzten Irakkrieg schon gute Vorarbeit geleistet. Saddam gleich Hitler, Stalin. Bildzeitung, Frankfurter Rundschau, alle fuhren sie auf dieser Schiene ab. Milosevic war dann laut der Bildzeitung der Schlächter.«

 

Quellen:   >
Strategic Alert Jahrgang 26, Nr. 37 vom 11. 9. 13 

[1]  http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1574  28. 8. 13   
Zusammengebastelte C-Waffensysteme weisen auf die Opposition als Täter hin 
[2]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=11838&storyid=1371197874150  14. 6. 13 
[3]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58625   18. 6. 13 
[4] 
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58605   23. 5. 13  Im Rebellengebiet (IV) [5]  http://www.faz.net/aktuell/politik/syrien-krise-die-tuerkei-beharrt-auf-einem-militaerschlag-gegen-assad-12568142.html  10. 9. 13 
[6]  http://www.bernerzeitung.ch/ausland/asien-und-ozeanien/Das-AssadRegime-hat-den-Befehl-gegeben/story/26962692   12. 9. 13 

[7]  http://www.nytimes.com/2013/09/12/opinion/putin-plea-for-caution-from-russia-on-syria.html?pagewanted=all&_r=1&   11. 9. 13  The Opinion Pages  -  A Plea for Caution From Russia  -  What Putin Has to Say to Americans About Syria - By Vladimir V. Putin
Die Übersetzung erfolgte durch RIA NOVOSTI 
http://de.ria.ru/opinion/20130912/266860928.html   12. 9. 13
NYT: Was Putin den Amerikanern zu Syrien zu sagen hat