Ukraine - Der Versuch einer Übernahme - Von Doris Auerbach

Am 27. 8. 2008 hatte der damalige britische Aussenminister David Miliband in Kiew

eine hochprovokante Rede gehalten, in der er sich nachdrücklich dafür aussprach, dass die Ukraine und Georgien der NATO und der EU beitreten. Zudem wiederholte er seinen zuvor schon in London erfolgten Aufruf füreine möglichst breite Koalition gegen russische Aggression, obwohl keine Anzeichen dafür vorlagen, dass eine solche von Russland ausging. Zu den Kräften, die für eine Konfrontation mit Russland um die Ukraine trommelten, gehörte auch der von George Soros gegründete European Council on Foreign Relations [ECFR], der die EU in einem provozierenden Bericht dazu aufforderte, die Beziehungen zur Ukraine und die Unterstützung für Moldawien zu verstärken, also gegen Russland zu agieren. Dies betreffe ein stärkeres Engagement für Demokratie, Wohlstand und Sicherheit in der Grossregion gegen Russland; auch solle man harte Massnahmen gegenüber Moskau auf dem Tisch haben, falls Russland sich dagegenstellen würde. Ferner solle die EU auf dem für den 9. September 2008 mit der Ukraine anberaumten Gipfel besondere Verpflichtungen für die Ukraine eingehen und das Recht auf eine zukünftige EU-Mitgliedschaft anerkennen; des weiteren sollte sie sich auf liberalere Visumvorschriften einigen, eine [militärische] Solidaritätsklausel zur Wahrung der territorialen Einheit der Ukraine anbieten und darauf hinarbeiten, die Ukraine in den Energiemarkt der EU einzubinden. Darüber hinaus hiess es, dass die EU auch Moldawien, das an die Ukraine grenzt, auf längere Sicht eine Mitgliedschaft in Aussicht stellen solle. Gleichzeitig erging die Forderung an die EU, Soldaten für eine neue Friedenstruppe in den beiden Gebieten bereitstellen. Zu jenem Zeitpunkt hatte Russland Abchasien und Südossetien noch nicht anerkannt. Zwar hiess es in dem Bericht, dass ein hartes Vorgehen gegenüber Russland kontraproduktiv wäre, doch tatsächlich, vermerkte hierzu Strategic Alert, ist das vorgeschlagene Vorgehen provokant resp. hinterhältig - in typischer Manier der britischen Empire-Politik in der EU.  [1] 

Der Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, einer der ersten Bundestagsabgeordneten türkischer Herkunft, Mitglied der Atlantik-Brücke und Gründungsmitglied von Soros' ECFR, hatte 2004 den gegen Putin gerichteten aggressiven offenen Brief, den die neokonservative Denkfabrik PNAC [Project for the New American Century] an die Staatsoberhäupter und Regierungschefs der NATO und der EU richtete, mit unterzeichnet, dies als Teil einer geopolitischen Destabilisierung Eurasiens. Soros hatte in den 1980er Jahren die polnische Solidarnosc-Bewegung sowie die tschechoslowakische Charta 77 unterstützt und in den vergangenen Jahren unter anderem prowestliche Umsturzbewegungen in den Ländern der GUS [Georgien 2003, Ukraine 2004] gestärkt. Mittels der Finanzierung des European Council on Foreign Relations bemüht er sich um Einfluss auf die Ausgestaltung der künftigen EU-Aussenpolitik.  

Seit dem inneren politischen Zusammenbruch der Sowjetunion vor nahezu zwei Jahrzehnten, schrieb der ehemalige stellvertretende US-Finanzminister Paul Craig Roberts im August 2008, gibt es keine Begründung mehr für die NATO. So wie das National Endowment for Democracy [NED] wurde auch die NATO von den Neokons zu einem weiteren Werkzeug für die US-Weltherrschaft umfunktioniert. Die auf Präsident Reagan folgenden US-Regierungen hatten die Übereinkommen, die Reagan mit Michail Gorbatschow, dem letzten Führer der Sowjetunion, getroffen hatte, verletzt und ehemalige Teile des sowjetischen Imperiums in die NATO aufgenommen. Es war Reagan, der das Ende des kalten Krieges mit Gorbatschow ausgehandelt hatte. Und es war Richard Holbrooke, damals stellvertretender Aussenminister und Botschafter der Clinton-Administration, der die NATO-Erweiterung durchsetzte und die Militärallianz im Gegensatz zu Reagans Versprechen gegenüber Gorbatschow an der russischen Grenze stationierte. Indessen vereitelten westeuropäische NATO-Mitglieder die Aufnahme Georgiens, da sie dies als provokativen Affront gegen Russland, von dessen Erdgas Westeuropa abhängig ist, begriffen. Die Neokonservativen waren von Reagan aus dem Amt entfernt worden; ihr Ziel jedoch, Russland mit einem feindlichen Militärgürtel einzukreisen, ist immer wieder proklamiert worden und das NED ist heute ein von den Neokons kontrollierter Akteur für die US-Weltherrschaft. 

Nun hat die Ukraine seit Ende des 18. Jahrhunderts einen wichtigen Teil Russlands und danach der Sowjetunion gebildet. Darüber hinaus ist die russische Schwarzmeerflotte, die im Schwarzen Meer und im Mittelmeer operiert, in Sewastopol auf der Halbinsel Krim stationiert, was auf einem Mietvertrag mit der Ukraine basiert. Die Krim mit ihrer überwiegend russischsprachigen Bevölkerung galt als eine Hochburg der Kritik am Westkurs von Viktor Juschtschenko, der 2004 lediglich dank der Soros-Millionen an die Macht gelangte und in seiner Regierungszeit die guten Beziehungen zwischen der Ukraine und der NATO bekräftigte. Fünf Jahre nach der Orangenen Revolution wurden dann Juschtschenkos Versäumnisse hervorgehoben: Der versprochene Wohlstand hatte trotz wirtschaftlichen Aufschwungs auf sich warten lassen, während einige Oligarchen unvorstellbar reich wurden. Die Mehrheit der Ukrainer blieb arm und auf ein marodes Gesundheits- und Rentensystem angewiesen. 

Die EU, Briten und Vertreter der Obama-Regierung, legt Rachel Douglas in ihrem Artikel in der Executive Intelligence Review dar, wollen die Machtprobe mit Russland. Schaut man sich die Aktivitäten von NGOs in der Ukraine seit der von George Soros im Dezember 2004 gesponserten Orangenen Revolution an, so tauchen mehrere neue Elemente auf, die nichts Gutes ahnen lassen. In diesem Zeitraum setzte die EU mit ihrem Projekt der Östlichen Partnerschaft alles Mögliche in Gang, um die Ukraine und fünf weitere frühere Sowjetrepubliken voll und ganz unter das Freihandelsdiktat der Troika - EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds - zu bringen, das Ausplünderungsschema, das die ukrainische Regierung jetzt zurückgewiesen hat. Die Östliche Partnerschaft war im Dezember 2008 in Gang gesetzt worden, kurz nachdem Russland den georgischen Angriff auf Südossetien zurückgeschlagen hatte. Für diesen Angriff zeichnete der damalige georgische Präsident Michail Saakaschwili verantwortlich; dieser tauchte jetzt in Kiew auf, um die Oppositionsdemonstrationen zu unterstützen. Von Anfang an war die Östliche Partnerschaft der EU-Kommission in den betroffenen Ländern mit den Aktivitäten von NGOs gekoppelt, mit einem Eastern Partnership Civil Society Forum als koordinierende Instanz.  [2]

Wie der Politikwissenschaftler Wolfgang Effenberger u.a. festhält, hat die graue Eminenz der demokratischen Präsidenten seit Carter und nunmehriger aussenpolitischer Berater Barack Obamas, der Grossmeister der Geostrategie Zbigniew Brzezinski, in seinem 2007 erschienenen Buch Second Chance den Regierungen Bush I, Clinton und Bush II vorgeworfen, dass es diesen nicht gelungen sei, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein System dauerhafter amerikanischer Vorherrschaft zu errichten. Nun sei es an der Zeit, verstärkt auf Kooperationen und Absprachen mit Europa und China zu setzen; Russland solle so isoliert und möglicherweise auch destabilisiert werden. Das Scheitern der von Brzezinski 1997 formulierten Pläne einer US-Vorherrschaft in Eurasien soll durch eine von Europa ausgehende Osterweiterung der NATO kompensiert werden: Die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wird befürwortet; dagegen wird das russische Bemühen, Einfluss in der Ukraine zu bewahren, als Imperialismus gebrandmarkt. So hatte auch US-Vizepräsident Joseph Biden schon im Juni 2009 die Bedeutung des Kosovos für die USA betont; Biden unterstrich die Unabhängigkeit des Landes als »unumkehrbar«. Die USA benötigen ein »unabhängiges« Kosovo, um dort ihren mit viel Geld aufgebauten Stützpunkt Camp Bondsteel langfristig zu nutzen.  [3]  

Seit der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch beim EU-Gipfeltreffen in Vilnius am 21. November erklärt hat, das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU, das das Land näher an die Europäische Union herangeführt hätte, nicht zu unterzeichnen, halten die Proteste nahezu unvermindert an. In einer merkwürdigen Demonstration von Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Landes, schreibt F. William Engdahl, reisten Victoria Nuland, die ehemalige US-Botschafterin bei der NATO, und mehrere EU-Politiker nach Kiew, wo sie mit öffentlichen Äusserungen versuchten, die Ukraine zum EU-Beitritt zu bewegen. Dahinter verbirgt sich ein riesiges, von Washington inszeniertes geopolitisches Spiel, die Ukraine aus ihrer historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bindung an das Nachbarland Russland zu lösen. Es sieht alles genauso aus wie die US-organisierte Orangene Revolution von 2004, durch die ein NATO- und EU-freundlicher Präsident ins Amt gebracht wurde. Nur kann Russland dieses Mal ganz andere Karten ausspielen.  [4] 

Laut German Foreign Policy geht die Bezeichnung Orangene Revolution offenbar auf Paul Rohrbach, ein im aussenpolitischen Establishment Berlins durchaus einflussreicher Publizist, zurück. Dieser verglich, wie sich einer seiner Mitarbeiter später erinnerte, Russland immer wieder mit einer Orange: »Wie diese Frucht aus einzelnen leicht voneinander lösbaren Teilen besteht, so besteht auch das russische Reich aus seinen verschiedenen Gebietsteilen: Baltische Provinzen, Ukraine, Polen usw.« Es genüge vollkommen, diese Gebietsteile »von einander abzulösen und ihnen eine gewisse Autonomie zu geben«, dann werde es »ein Leichtes sein, dem russischen Großreich ein Ende zu bereiten«. Als Rohrbach 1952 zum Ehrenpräsidenten der wieder gegründeten Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft ernannt wurde, schrieb er  - unter den Bedingungen der Systemkonfrontation -  man müsse, wolle man sich gegen die sozialistischen Staaten durchsetzen, die »Entbindung der zentrifugalen Kräfte innerhalb der Sowjetunion« fördern. »Die stärkste dieser zentrifugalen Kräfte sei das nationale Selbstbewußtsein des ukrainischen Volkes mit seinem Willen zur eigenen Staatlichkeit.« Durch Unterstützung des ukrainischen Nationalismus könne man perspektivisch »zu einer fortschreitenden inneren Erschütterung der Sowjetmacht gelangen und vielleicht eines Tages, wenn andere günstige Umstände hinzutreten, zu ihrem Zusammenbruch.« Dieser Zusammenbruch trat 1991 ein; seitdem arbeitet Berlin systematisch daran, die Ukraine dauerhaft und exklusiv in seine Hegemonialsphäre einzubinden. Das aktuelle geopolitische Spiel um das EU-Assoziierungsabkommen ist mit all seinem expansiven Ehrgeiz, so Theo Sommer, ehemaliger Leiter des Planungsstabs im Bundesministerium für Verteidigung und langjähriger Herausgeber der Zeit, der jüngste Schritt in dem alten Machtkampf um das Zwischenland Ukraine zwischen den Machtpolen Moskau und Berlin.  [5]  »Die Ukraine«, erklärt GFP, »ist traditionell stets von russischen Erdgaslieferungen abhängig gewesen; dies hat es Moskau ermöglicht, beträchtlichen Druck auf Kiew auszuüben. Unerwartet hat nun der Schiefergas-Boom in der USA Berlin und Brüssel neue Optionen eröffnet. Da die Vereinigten Staaten seit kurzem riesige Mengen Schiefergas auf den Markt werfen und gleichzeitig immer größere Volumina an Flüssiggas [etwa aus Katar] zur Verfügung stehen, kann Weltmarkt-Erdgas mittlerweile zu günstigen Preisen über Westeuropa in die Ukraine gepumpt werden: mit bestehenden Pipelines, durch die bislang Westeuropa russisches Erdgas erhielt. Das ist auch deswegen möglich, weil russische Lieferungen seit einigen Jahren auch durch die Nordsee geleitet werden [Ostsee-Pipeline/Nord Stream]. Unter Beteiligung deutscher Konzerne wird die Ukraine seit letztem Jahr tatsächlich mit Erdgas aus dem Westen versorgt, zunächst vor allem über polnische und ungarische Röhren. Jetzt steht zusätzlich eine Übereinkunft zwischen der Ukraine und der Slowakei bevor, die die Abhängigkeit der Ukraine von russischem Gas endgültig brechen soll. Bratislava hatte sich lange strikt geweigert, in die geostrategischen Machtkämpfe zwischen Berlin und Moskau hineingezogen zu werden, mußte nun jedoch auf Druck der EU hin nachgeben. Ab Mitte 2014, heißt es, werde der deutsche RWE-Konzern die Ukraine auch über slowakische Pipelines beliefern.«  [6] 

Auch Theo Sommer zufolge handelt es sich bei dem Machtkampf um Kiew, der dem westlichen Publikum mit grossem Gestus als Kampf um die Selbstbestimmung präsentiert wird  - wie dies auch F. William Engdahl erklärt hat -  in Wahrheit lediglich um ein grosses geopolitisches Spiel. Sommers Hinweis auf die Geopolitik ruft in Erinnerung, dass der Machtkampf um die Ukraine von Deutschland im Zuge seiner stets weiter voranschreitenden Ostexpansion seit mehr als hundert Jahren immer wieder geführt worden ist. Im Frühjahr und Sommer 1918 war es dem Deutschen Reich gelungen, die Ukraine in seine Hegemonialsphäre einzuverleiben. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg setzten deutsche Strategen ihre Bemühungen mit gleichem Ziel fort. Kontinuitäten reichen bis in die jetzige Bundesrepublik. »Es geht dabei um zwei grundsätzliche Fragen«, so Sommer: »Wo soll die östliche Grenze der EU liegen, wo die westliche Grenze des russischen Einflussgebiets? ..…  Soll die EU wirklich bis Armenien und Georgien reichen?«, fragt Sommer, der seine Skepsis gegenüber der offiziellen Berliner Politik nicht verhehlt: »Wären da nicht Freihandelsabkommen, denen kein expansiver Ehrgeiz aus allen Knopflöchern stinkt, der bessere Weg der Assoziierung?« Bei alledem sei »das Zwischenland der Ukraine (...) der größte Zankapfel«. Es wird sowohl von Russland als auch von Deutschland und der EU als ihr jeweiliges nahes Ausland betrachtet. Sommer spricht sich für einvernehmliche Einflussabsprachen zwischen der EU, Russland und der Ukraine aus - in klarem Gegensatz zur offiziellen Berliner Aussenpolitik.  [5]  Mitte Mai dieses Jahres hatten deutsche Regierungsberater vor einem geostrategischen Schwenk der Ukraine zurück zu einer engeren Anbindung an Russland gewarnt. Es mache sich die Befürchtung breit, das Land könne in die russische Hegemonie abdriften, hatte ein Experte der vom Kanzleramt finanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik [SWP] erläutert. Heute, erklärte unlängst der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, wolle man das Land, das sich 1991 zum wiederholten Male von Moskau getrennt hat, keinesfalls an Russland verlieren, »aus geopolitischen Gründen nicht, aus wirtschaftlichen nicht, und auch aus historischen Gründen nicht.«  [7]

Zu den Stimmen, die den Demonstrationen in der Ukraine geopolitische Gründe zuschreiben, zählt auch der US-Autor Peter Schwarz: Auch für ihn geht es nicht um einen Kampf um die Demokratie, wie die europäische Presse darzulegen bemüht ist, sondern um einen Konflikt geostrategischer Natur, mit dem Ziel, den russischen Einfluss zurückzudrängen und die Ukraine der Beherrschung durch die EU, Deutschland und die NATO zu unterwerfen. Es geht um den neuerlichen Versuch, die Kornkammer des russischen Empires der EU unterzuordnen. Ein Blick auf die politische Führung der Proteste enthüllt ihren reaktionären Charakter: Sie werden von drei Parteien angeführt, von denen zwei enge Beziehungen zum konservativen Lager der EU aufweisen, während die dritte Partei offen faschistisch ist. Während US-Aussenminister John Kerry die ukrainische Regierung dazu dränge, auf die Stimme des Volkes zu hören, verlange NATO-General Anders Fogh Rasmussen, dass diese die Versammlungsfreiheit sowie die freie Rede garantiere. Indessen verteidigt die deutsche Regierung, die gerade neue Verfahren gegen die NDP eingeleitet hat, das Demonstrationsrecht ukrainischer Faschisten.  [8]  Der bereits erwähnte Elmar Brok kam ebenfalls auf die Ukraine als Kornkammer zu sprechen. Bei einer Brüsseler Adenauer-Veranstaltung mit Vitali Klitschko im März dieses Jahres äusserte er sich recht offen darüber, wieso Berlin ein derart starkes Interesse an der Ukraine hat: Diese sei nun einmal ein Land mit grossen wirtschaftlichen Möglichkeiten, mit einer gut ausgebildeten Bevölkerung und mit guten landwirtschaftlichen Voraussetzungen. An Russland, das sich ebenfalls intensiv um die Ukraine bemühe, wolle man diesen zentralen Staat Osteuropas keinesfalls verlieren. Die Kornkammer Europas, so habe er das »in der Schule über die Ukraine gelernt«, gehöre »eben nach Europa«. Brok knüpft damit explizit an Begrifflichkeiten an, die die deutsche Ukraine-Politik schon im Ersten Weltkrieg prägten.  [9]  

Die militärische Seite der Integration 
Einem Bericht von GFPzufolge hatte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung bereits zu Beginn dieses Jahres gemeinsam mit dem Kiewer Center for Army, Conversion and Disarmament Studies eine ausführliche Analyse über eine künftige Security-Kooperation zwischen der EU und der Ukraine publiziert. Darin heisst es, dass es mit der Zeit immer offensichtlicher geworden sei, dass die Integration in die EU nicht nur bedeute, lediglich ökonomische und soziopolitische Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen, sondern dass es unzweifelhaft auch um die Integration der Ukraine in die Sicherheitskomponente der EU, genauer: in die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik [GSVP] gehe. Wie die Autoren der Analyse in Erinnerung rufen, ist die geplante Einbeziehung der Ukraine in die GSVP in der EU-Ukraine Association Agenda beschrieben worden; deren jüngste Fassung wurde am 24. Juni 2013 in Luxemburg verabschiedet. Das Dokument sieht regelmässige Konsultationen der EU und der Ukraine zum Krisenmanagement vor. Des weiteren sollen konkrete Aktivitäten zur Kooperation zwischen ukrainischen Institutionen und Einrichtungen der GSVP ermutigt werden, etwa Kooperationen mit dem European Security and Defence College oder auch der European Defence Agency. Auch müssten Gelegenheiten für die Ukraine gesucht werden, an laufenden oder künftigen GSVP-Interventionen teilzunehmen. Dazu sollten vergangene gemeinsame Operationen evaluiert werden, etwa die ukrainische Beteiligung an der European Union Police Mission in Bosnien-Herzegowina. Militärisch und militärpolitisch hat die Ukraine in der Vergangenheit regelmässig mit der NATO kooperiert, zu der sie seit 1991 offizielle Beziehungen unterhält. 1994 trat sie der NATO-Partnership for Peace bei; 1999 eröffnete das westliche Militärbündnis ein Verbindungsbüro in Kiew. In der Amtszeit von Viktor Juschtschenko strebte die Ukraine sogar den Beitritt zur NATO an, was jedoch nicht zuletzt an deutschem Widerstand scheiterte. Die Streitkräfte der Ukraine führen gemeinsam mit der NATO nicht nur Manöver durch  - wie etwa die Übung Sea Breeze, die seit 1997 regelmässig am Schwarzen Meer abgehalten wird -  sondern ukrainische Soldaten wurden, wie die Analyse der Adenauer-Stiftung festhält, auch in NATO-Einsätze entsandt, etwa in das Kosovo und nach Afghanistan, wo sie vorwiegend an der Seite litauischer und polnischer Militärs operieren. Seit 2007 beteiligt sich die Ukraine ausserdem an der NATO-Operation Active Endeavour, die der Kontrolle des Mittelmeers dient. Mittlerweile ist sie auch in die NATO-Anti-Piraterie-Operation Ocean Shield involviert. Jenseits des Nutzens für deutsch-europäische Kriege weisen US-Spezialisten darauf hin, dass die militärpolitische Anbindung der Ukraine an die EU und ihre Loslösung von Russland strategisch eine hohe Bedeutung hat: »Für Russland ist die Zukunft der Ukraine eng an seine eigene Zukunft gebunden«, urteilt der private US-Geheimdienst Stratfor. Die Ukraine sei »ein Gebiet, das tief im Herzen Russlands liegt«; im Falle eines »Verlusts der Ukraine aus seiner Einflusssphäre sei Russland nicht mehr zu verteidigen«. Zu den aktuellen Massendemonstrationen, die nicht nur von Berlin, sondern auch von Washington unterstützt werden, heisst es bei Stratfor: »Für die Vereinigten Staaten ist die Unterstützung politischer Kräfte in der Ukraine der wirksamste Weg, gegen Russland  zurückzuschlagen.« Moskau habe Washington in jüngster Zeit mehrere Niederlagen beschert, so in Syrien oder in der Affäre um Edward Snowden. »Die US-Unterstützung für die Protestbewegungen in der Ukraine ist daher ein Weg, Russland in seiner eigenen Region zu binden und von einer Offensive gegen die USA abzuhalten«, urteilt Stratfor.  [10]  

Nicht umsonst legt Helga Zepp-Larouche dar, dass es bei den langjährigen Anstrengungen der USA und der EU, die Ukraine baldmöglichst in die EU und ebenso in die NATO zu integrieren, darum geht, »die Einkreisungsstrategie gegenüber Rußland bis zu dem Punkt voranzutreiben, an dem Rußland praktisch wehrlos wird. Es geht bei der Ukraine um brutale Geopolitik. Durch das Wegbrechen der Ukraine von Rußland, mit dem es durch vielfältige wirtschaftliche Verflechtungen verbunden ist, soll eine wirtschaftliche Erholung Rußlands verhindert werden. Die Ukraine, die über beträchtliche industrielle und landwirtschaftliche Kapazitäten verfügt, soll zum Nutzen der Großkonzerne den gleichen Freihandelsmethoden unterworfen werden, wie dies auch für die geplante TAFTA anvisiert ist, d.h. die weitgehende Ausschaltung jeglicher Rolle des Staates beim Schutz des Gemeinwohls seiner Bürger zugunsten des maximalen Profits der großen Player der Kasino-Wirtschaft. Aus dem gleichen Grund hat das russische Militär wiederholt und unmißverständlich betont, daß die Installation des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Osteuropa nicht akzeptabel sei, weil es die strategische Zweitschlagskapazität, mit der Rußland auf einen atomaren Erstschlag der USA oder der NATO reagieren könnte, ausschalten würde. Wer jemals auf die Landkarte geschaut hat, wird ohnehin nicht geglaubt haben, daß diese Systeme in Polen und Tschechien gebaut werden, um die Gefahr von Raketen aus dem Iran abzuwehren, denn dann hätte die USA das Angebot Rußlands annehmen können, eine gemeinsame Raketenabwehr in Südrußland und Aserbaidschan aufzubauen. Als es deshalb bei den Genfer 5+1-Verhandlungen zu einer möglichen Einigung mit dem Iran kam, argumentierte der russische Außenminister Lawrow sofort, daß das Raketenabwehrsystem in Osteuropa ja nun nicht mehr notwendig sei und versäumte somit nicht die Gelegenheit, auf den Bluff hinzuweisen.  ….. Nicht als gleichberechtigter Partner ist die Ukraine im Umfeld der EU erwünscht, sondern als Rohstofflieferant auf Dritte-Welt-Niveau und als neues Terrain für die Heuschrecken. Und nicht nur für die französische Landwirtschaft wäre die Assoziierung der Ukraine ein Desaster. Wenn die ukrainische Regierung nun dem massiven Druck seitens der schon wieder einmal mit Sanktionen drohenden EU und USA nachgeben und dem Assoziierungsabkommen mit der EU doch noch beitreten sollte, dann bedeutete dies, daß es zu einem neuen Griechenland an der russischen Grenze zu werden droht, und zusätzlich in einen internen Krieg  - zwar nicht in einen Bürgerkrieg, sondern in irreguläre Kriegsszenarien -  gestürzt werden könnte.«  [11] 

Der amerikanische Staatsmann Lyndon LaRouche wies vor kurzem darauf hin, dass die gegenwärtige EU mit ihrer imperialen monetaristischen Politik nichts mehr anderes zu bieten habe als die Zerstörung der Realwirtschaft und des Lebensstandards der Bevölkerung. Er sehe daher die Möglichkeit, dass diese Realität Nationen wie Deutschland, aber auch Österreich und die Schweiz, dazu ermutigen werde, dem untergehenden EU-System den Rücken zu kehren und sich dahin zu orientieren, wo es für sie eine wirtschaftliche Zukunft gibt, nämlich nach Eurasien.   

 

[1]  http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1034   4. 10. 2008  
Nach Georgien: Vorstoß für eine Krise in der Ukraine

[2]  http://www.bueso.de/node/6904   11. 12. 13  »Ukraine: Briten, EU und Vertreter der Obama-Regierung wollen die Machtprobe mit Russland« – Von Rachel Douglas

[3]  http://info.kopp-verlag.de/news/und-morgen-ganz-eurasien-der-ausbau-der-us-brueckenkoepfe.html   18. 11. 09  Und morgen ganz Eurasien – der Ausbau der US-Brückenköpfe - Wolfgang Effenberger; Zbigniew Brzezinski, Second Chance. Three Presidents and the Crisis of American Superpower. New York 2007

[4]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/f-william-engdahl/sind-die-proteste-in-der-ukraine-eine-neuauflage-der-us-farbenrevolution-.html   10. 12. 13  Sind die Proteste in der Ukraine eine Neuauflage der US-Farbenrevolution? Von F. William Engdahl

[5]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58751   6. 12. 13  Expansiver Ehrgeiz

[6]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58744   27. 11. 13

[7]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58328   15. 5. 12  
Zwischen Moskau und Berlin (II)

[8]  http://www.globalresearch.ca/the-struggle-for-ukraine-protests-made-in-germany-america-and-the-eu/5360501    December 6, 2013  The Struggle for Ukraine – Protests Made in Germany, America and the EU by Peter Schwarz

[9]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58327   14. 5. 12  
Der Schlag des Boxers

[10]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58755   11. 12. 12 
Die militärische Seite der Integratio[11] 

http://www.bueso.de/node/6909  14. 12. 13  Merkels Spiel mit dem Dritten Weltkrieg: Worum es in der Ukraine wirklich geht – Von Helga Zepp-LaRouche