Die Europawahl 2014

d.a. Seit dem ersten europäischen Urnengang 1979 hat die Wahlbeteiligung

an den Wahlen zum Europäischen Parlament sukzessive abgenommen. »Kaum jemand«, hielt eigentümlich freiAnfang letzten Jahres fest »kennt den Namen seines Europaabgeordneten, der ihn in Brüssel zu vertreten vorgibt. Warum auch. Bei den Wahlen zum EP wird über nichts abgestimmt, was den Bürger konkret betreffen und interessieren würde. Er darf ankreuzen, hat aber nichts zu sagen. Auch dafür steht die Fahne mit den 12 Sternen. Wenn ein David Cameron ankündigt, das Volk über die Vereinsmitgliedschaft entscheiden zu lassen, empört sich die politische Klasse von Brüssel bis Berlin.«  [1]  Nach der Ankündigung Camerons, ein Referendum über den Verbleib in der EU abzuhalten, ging Martin Schulz zum Gegenangriff über: Wie er im März 2013 erklärte, wollte er sich in den Wahlkampf in Grossbritannien einmischen und den Briten die Vorzüge der EU direkt erklären: »Das würde uns allen dann ja auch die Gelegenheit geben, auf der Insel für die Vor- und Nachteile zu werben, und ich sage Ihnen voraus: am Ende würde es ein Ja für den Verbleib in der EU geben.«  Auch Henryk M. Broder vermerkt, dass die Beteiligung an der Europawahl seit Jahren sinkt: »Weil das nicht sein darf, beeilen sich die Volkserzieher aller Länder, die Wahl zu einem Volksentscheid über Krieg und Frieden hochzustilisieren. .…. Die Kanzlerin erinnert daran, daß Europa vor allem eine Friedensordnung ist, über die bei der Wahl auch abgestimmt wird. Allein das verpflichtet, zur Wahl zu gehen. Bei allem Verdruß über die oft zähflüssige Entscheidungsfindung. Bei der Wahl wird über die Friedensordnung abgestimmt? Es stehen also nicht Juncker und Schulz zur Wahl, sondern Krieg und Frieden? Das ist nicht mehr Desinformation, das ist schon Nötigung durch Propaganda. Je näher der Termin der Europawahl heranrückt, desto verzweifelter werden die Bemühungen, diesen Wahlen einen Sinn zu geben. Die Parolen und Versprechen der Parteien gleichen sich wie eine Pusteblume der anderen. Womit sich die Frage nach der Legitimation eines Apparates stellt, der den meisten Bürgern, nicht nur in Deutschland, egal ist.« »Noch weiter als die Kanzlerin«, führt Broder ferner aus, »geht die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms, die immer ein wenig so wirkt, als käme sie von einer Happy Hour mit ein paar Außerirdischen. Sie sagt: Wer nicht zur Wahl geht, der überläßt den Raum den neuen und alten Nationalisten; die reden über Anti-Euro, aber die wollen eben dieses Friedensprojekt Europa nicht.«  [2]  Frau Harms scheint offensichtlich zu ignorieren, an wie vielen Kriegen, den gegen Jugoslawien sogar auf eigenem Boden, das Friedensprojekt Europa bereits beteiligt war und gegenwärtig ist!

Der Kandidat der sozialdemokratischen Parteien des EU-Parlaments  
Diese haben Martin Schulz als Spitzenkandidat für die Barroso-Nachfolge nominiert, »auch wenn«, wie Pieter Cleppe vom Think Tank Open Europe dargelegt hat, »das Parlament unter seiner Leitung wenig zur Stärkung der Demokratie in Europa beigetragen hat.« Schulz sitzt seit 1994 für die SPD im EP, seit Januar 2012 ist er dessen Präsident. Zuvor war der Rheinländer 7 Jahre lang Fraktionschef der Europäischen Sozialdemokraten. Schulz ist zudem Mitglied des SPD-Parteivorstands und Europabeauftragter seiner Partei. »Früher war Schulz Bürgermeister in Würselen«, so Jan Fleischhauer im November 2013, »jetzt ist er ein mächtiger Mann. Wie ich in Henryk M. Broders unentbehrlichem Brüssel-Führer Die letzten Tage Europas gelesen habe, besteht sein Kabinettaus fast 40 Mitarbeitern, einem Chef des Kabinetts und einem Stellvertretenden Chef des Kabinetts, die ihrerseits über 8 Assistenten und Berater verfügen. Hinzu kommen 5 Berater und Assistenten, die für das Protokoll und den Terminkalender des Präsidenten zuständig sind, 5 Assistenten und Berater in der Abteilung Innere und 6 in der Abteilung Äußere Angelegenheiten. Außerdem hat Broder noch zwei Kammerdiener oder Zeremonienmeister gezählt, je nachdem wie man Usher übersetzt, einen Fahrer und einen Clerical Assistant. Nicht schlecht für den Vorsitzenden eines Parlaments, das die einzige Volksvertretung in der westlichen Welt ist, die kein Recht hat, Gesetze vorzuschlagen.«  [3]  Wie also müssen Intelligenz und Fähigkeit eines Mannes beschaffen sein, der einen derartigen Stab benötigt, um seinen politischen Pflichten nachzukommen?   

Wie dieser Tage bekannt wurde, hat Schulz 2013 an jedem Tag ein Sitzungsgeld in Höhe von 304.- Euro kassiert. Schulz ist damit der einzige Abgeordnete, der die Pauschale auch dann vererinnahmt, wenn er gar nicht im Parlament ist, berichtet Report Mainz. Zusätzlich zu seinem normalen Gehalt erhielt der SPD-Politiker damit 110.000.- Euro steuerfrei im Jahr. Schulz selbst hatte dies zunächst bestritten, später aber durch einen Sprecher bestätigen lassen. Demnach erhielt Schulz das Geld auch während mehrerer Wahlkampfauftritte. Bereits im März war Schulz Vorwürfen der Vetternwirtschaft ausgesetzt gewesen. Eigentlich ist die Tagespauschale dafür gedacht, dass die Abgeordneten ihre Ausgaben während der Parlamentsarbeit (Unterkunft und Verpflegung) decken können. Viele EU-Abgeordnete nutzen das Geld jedoch für private Zwecke. So räumte der britische Abgeordnete Chris Davies [Liberale ALDE-Fraktion] ein, von den Tagegeldern im Laufe von 15 Jahren eine Eigentumswohnung erworben zu haben. Was Schulz mit dem Geld gemacht hat, ist unklar. Heftige Kritik an Praxis kam vom Verwaltungsrechtler Hans-Herbert von Arnim: »Wenn man das Geld für private Zwecke oder für Feiern verwendet, zeigt dies, daß die Pauschale einfach überzogen ist. Das ist Mißbrauch, das ist öffentliche Verschwendung«, sagte er gegenüberReport Mainz.  [4]   

Man mag Schulz an einigen wenigen hier kommentarlos eingefügten Aussagen messen, die durchaus zu denken geben sollten: So vertrat er letzen Dezember die Auffassung, dass die Nationalstaaten zuviel Macht haben; er will daher mehr Macht für die EU-Kommission. Im Februar zeigte sich Schulz über die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die 3%-Hürde zur EU-Wahl aufzuheben, enttäuscht. Damit kann ein Stimmenanteil von weniger als 1 % für ein Mandat reichen. Das Gericht hatte im November 2011 die bisherige 5 %-Hürde bei Europawahlen gekippt. Was die Zuwanderung betrifft, so bekannte er sich im Oktober 2013 dazu, dass wir ein Einwanderungskontinent sind. »Wir sind das reichste und ein politisch starkes Land in der EU, unsere Regierung muß ihren Führungsanspruch wahrnehmen. ….. Wir können es uns leisten, finanziell  - und was die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen angeht.« Diesen April forderten sowohl Schulz als auch sein von der Union unterstützter Gegenkandidat Juncker von den Deutschen, mehr Afrikaner aufzunehmen, um Italien zu entlasten. Im Mai 2013 hatte Schulz die Bürger »zum europaweiten Kampf gegen rechts aufgerufen«, was immer er unter rechts verstehen mag. Der englische Euro-Skeptiker Godfrey Bloom hatte Schulz zu diesem Zeitpunkt als undemokratischen Faschisten bezeichnet. »Schulz ist ein EUdSSR-Apparatschik. Gerade jetzt will Europa nicht am deutschen Wesen genesen, dabei ist der Sozi Schulz natürlich für Eurobonds!« Am 13. 6. 13 stoppte das EU-Parlament die Verhandlungen mit den EU-Innenministern, wie dies der Parlamentspräsident bekanntgab. Grund für diesen Schritt waren deren Beschlüsse zu den Grenzkontrollen im Schengen-Raum, welche die Möglichkeit von vorübergehenden Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums vorsahen. Das EU-Parlament sollte laut Gesetzesentwurf keinerlei Mitspracherecht haben, da die einzelnen Mitgliedsstaaten diese Entscheidung selbst treffen sollten. Schulz bezeichnete das Verhalten der Minister als einen Schlag ins Gesicht der parlamentarischen Demokratie. Das Parlament habe in diesem Fall zwar zu einer scharfen Maßnahme gegriffen, doch diese sei nötig, da die Entscheidung nicht hinnehmbar sei. Eigenartigerweise hatte Schulz im März 2013 ausgesprochen, »daß er die EU-Kommission für eine undemokratische Einrichtung halte. Sie handle wie eine Regierung, sei aber nicht vom Volk legitimiert. Es gäbe keine Gewaltenteilung, wodurch die EU zu einem Frankenstein Europa werde. Es sei nicht hinnehmbar, daß die EU-Kommission das einzige Gremium in der EU sei, das Gesetze erlassen dürfe.« Das widerspricht augenfällig seiner obengenannten Forderung nach mehr Macht für die Kommission. Schulz: »Es gibt Entwicklungen in der Kommission, die die Leute befremden. Es gibt zwei Denkschulen in der EU-Kommission. Die eine ruht nicht, bis nicht der letzte Friedhof in Europa privatisiert ist. Und die andere ist nicht zufrieden, bis wir nicht eine EU-Regulierung für Begräbnisse haben.« Er wolle daher eine Fundamentalreform der EU, die die Rolle der Kommission und auch die der EU beschränke. Die EU solle sich auf die Themen Handel, Umwelt, Migration, Geldpolitik und Finanzregulierung beschränken. »Dafür«, so Schulz, »brauchen wir eine Regierung auf EU-Ebene, die vom EU-Parlament legitimiert ist. Andere Kompetenzen könnten den Nationalstaaten zurückgegeben werden.« »Der Hintergrund für Schulz‘ deutliche Worte«, vermerken hierzu die Deutschen Wirtschafts Nachrichten[DWN], »ist indessen nicht etwa, daß hier einer vom Saulus zum Paulus geworden ist. Schulz ist der sozialistische Top-Favorit auf den Job für die Barroso-Nachfolge als EU-Präsident. Seine Ausführungen sind der Auftakt zum Schaulaufen für den begehrtesten Posten in der EU. Schulz hat einen sehr ausgeprägten Instinkt, von woher gerade der Wind weht. Nicht nur die Briten drängen aus der EU. Die Wahlen in Italien sind allen Politikern in die Knochen gefahren, weshalb in den kommenden Monaten mehr auf nationale Befindlichkeiten Rücksicht genommen werden soll. Daher spricht Schulz die nationalen Regierungen an und will ihnen eine weniger mächtige EU-Kommission anpreisen. Zugleich richtet er sich ans EU-Parlament und verspricht den Abgeordneten mehr Macht. Auf diesem Weg erreicht Schulz all jene, die am Ende darüber entscheiden, ob der Posten bekommt oder nicht.«  [5]  »Einmal alle 5 Jahre vor einer Wahl zum EU-Parlament«, so die DWN, »erinnern sich realitätsferne Kandidaten scheinbar an die Demokratie und lassen sich auf Europas Plätzen und Straßen blicken. Sie mutieren plötzlich zu EU-Kritikern. So hört man von Martin Schulz und Jean-Claude Juncker, aber auch von jenen auf den nationalen Listen ganz vorne stehenden Politikern, die EU müsse entbürokratisiert und demokratischer werden. Tatsächlich ist der EU-Wahlkampf eine charakterlose Schaumschlägerei, bei der die Parteien - von rechts bis links - nur eines im Sinn haben: Sie wollen möglichst viele steuerfinanzierte Versorgungsposten für die kommenden 5 Jahre. Der Steuerzahler muß selbstredend auch den sinnlosen Wahlkampf finanzieren.«  [6]    

Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei EVP‹  
Dr. Werner Rügemer hat in seinem Artikel Meister der Hintertreppeaufgezeichnet, was an Wissenswertem über Jean-Claude Juncker, und daneben auch über Luxemburg selbst, darzulegen ist. Die nachfolgenden Einzelheiten sind Rügemers Artikel  [7]  entnommen: 

»2013 verlor Jean-Claude Juncker als langjähriger Ministerpräsident Luxemburgs wegen einer Geheimdienst»affäre« infolge von anberaumten Neuwahlen sein Amt. Bundeskanzlerin Merkel heftete ihm danach während einer Regierungsklausur in Schloß Meseberg das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an die Brust. Sie würdigte seine unschätzbaren Leistungen für Europa. Juncker bedankte sich unterwürfig: »Richtig und gut ist, daß Angela Merkel Deutschland und Europa führt.« Die Kanzlerin drückte ihn als EVP-Spitzenkandidaten bei den Europawahlen 2014 durch. Er soll neuer Präsident der Europäischen Kommission werden. Warum? In seinem politischen Leben reifte er schrittweise zum treuesten Diener seiner deutschen Herrschaft heran. Junckers Vater war von der nazideutschen Besatzungsmacht im 2. Weltkrieg zwangsrekrutiert und an die Ostfront geschickt worden. Der Ende 1954 geborene Sohn zog es später vor, sich dem Nachbarn freiwillig anzudienen. »Ich bin in der Angst vor russischen Raketen aufgewachsen«, erzählt er. Da erschien die ehemalige Besatzungsmacht als bester Schutz. Der strebsame Jungpolitiker von der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) wurde 1982 zum Staatssekretär für Arbeit und soziale Sicherheit ernannt. Wenige Jahre später übernahm er das zentrale Amt des Finanzministers. Er behielt es auch, als er 1995 Ministerpräsident wurde. Luxemburg, engstens mit der USA verbunden, hatte 1950 Soldaten in den Koreakrieg geschickt. Die größten Waffenhändler des Kalten Krieges, wie Adnan Kashoggi und Nadhmi Auchi, agierten über Luxemburg. 2010 ließ die Regierung unter Juncker ein Denkmal zu Ehren der Korea-Veteranen errichten. Verteidigungsminister Jean-Marie Halsdorf stellte bei dessen Einweihung die Verbindung zu den heutigen US-geführten Kriegen, z.B. in Afghanistan her, »die alle dem hehren Ziele dienen, die Welt friedlicher zu gestalten und auch fernen Völkern zu ermöglichen, den Traum vom besseren Leben zu träumen«. Gleichzeitig ließ Juncker in seiner Regierungszeit die Mahnmäler verkümmern, die für den erheblichen Luxemburger Widerstand gegen die Nazis errichtet worden waren. 

Der langjährige Regierungschef der größten Finanzoase des Kontinents, Luxemburg, vertritt wie kein anderer die Macht der Banken. Finanzprodukte, die der kleine Staat eingeführt oder als Lobby durchgesetzt hat, wurden durch EU-Richtlinien legitimiert. Das betrifft etwa den Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW, 1985). Luxemburg war auch Vorreiter bei der Anerkennung von Hedgefonds und Private-Equity-Fonds in der EU. Wenn eine Heuschrecke wie Fortress die 48.000 städtischen Wohnungen Dresdens kauft, dann errichtet sie in Luxemburg eine steuerbegünstigte Briefkastenfirma, die von anderen Spekulanten dort die Kredite für den Kauf aufnimmt und an der Luxemburger Börse ihre Aktien ausgibt. Bekanntlich hilft das großherzogliche Steuerparadies Weltkonzernen wie Amazon, Google, IKEA und Starbucks bei der Steuervermeidung in den Mitgliedsstaaten der EU sowie weltweit. Nehmen wir den Stahlkonzern ArcelorMittal. Er hat 300.000 Beschäftigte in gut zwei Dutzend Staaten: USA, Frankreich, Deutschland, Belgien, Saudi-Arabien, Südkorea, Indien, China usw. Ministerpräsident Juncker half mit, daß der traditionelle industrielle Kern Luxemburgs, das Stahlunternehmen ARBED, von internationalen Investoren und dem indischen Unternehmerclan Mittal aufgekauft und »verschlankt« wurde. Die Regierung unter Juncker unterstützte Mittal dabei, damit der Stahlgigant mit günstigen Krediten der Weltbank und der European Bank for Reconstruction and Development Unternehmen in Osteuropa, z.B. in Rumänien und in der Ukraine, zusammenkaufen konnte. Der großherzogliche Staat hält 2,5 % der Aktien, die Briefkastenfirmen Lumen und Nuavam des Ehepaars Mittal halten 45 %, den Rest teilen sich nichtgenannte Investoren. Der juristische Sitz von ArcelorMittal ist Luxemburg, das operative Geschäft wird von London aus geleitet. Steuerklagen gegen den Konzern laufen gegenwärtig in Brasilien, Frankreich und der Ukraine. Nach der EU-Zinsrichtlinie müssen ausländische Anleger ihre Gewinne aus Luxemburger Kapitalanlagen in ihrem Heimatland versteuern – so weit, so gut. Aber im Großherzogtum können individuelle Kapitalanlagen eine juristische Unternehmensform erhalten – und schon sind sie von der Besteuerung befreit. 300 Schiffsunternehmen haben in dem Ländchen an Mosel und Alzette, das ohne Meereszugang ist, ihren Sitz. Aber von hier aus gehen 205 Überseetanker auf Weltreise, jedenfalls juristisch. Alle großen Schweizer Banken nutzen als zusätzliches Refugium die großherzogliche Finanzoase. Der Möbelkonzern IKEA unterhält hier seine Bank Ikano, das Ikano Fund Management und die Rückversicherungsgesellschaft Insurance Unit Ikano Re. Diese wiederum sind mit weiteren solcher juristischen Konstrukte in der Schweiz, in Singapur, auf der Antilleninsel Curaçao und im US-Staat Delaware verbunden. Luxemburg ist Teil der globalen okkulten Finanzsysteme, die heute die internationale Wirtschaft durchziehen. 

1970 lancierte die Luxemburger Regierung den Plan einer gemeinsamen Währung [»Werner- Plan«]. Zu Junckers Zeiten waren die Umstände dann reif. Von 1989 bis 1995 war Juncker Finanzminister Luxemburgs. Zugleich war er Gouverneur der Weltbank in Washington. 1991 beschloß das luxemburgische Parlament das, was 1993 mit dem Vertragsabschluß in der  niederländischen Stadt die berüchtigten »Maastricht-Kriterien« für alle EU-Mitgliedsstaaten wurden: Schuldenabbau in den öffentlichen Haushalten, ohne dem Staat neue Einkommen zu verschaffen.

1995 wurde Juncker Gouverneur des Internationalen Währungsfonds, 2004 Chef der »Euro-Gruppe«. Die war zwar schon 1998 gegründet worden, hatte aber unter wechselndem Vorsitz vor sich hingedöst. Juncker wurde zum ersten ständigen Präsidenten. Die informelle Gruppe der Finanzminister der Euro-Staaten faßt keine rechtskräftigen Beschlüsse, ist aber als Hinterzimmer der EU umso wichtiger. Sie bereitet die Beschlüsse des Europäischen Rats vor. Hier zog Juncker 2007 den Lissabon-Vertrag durch: Dieser weist der Bürokratie in Brüssel weitere zentrale Aufgaben zu, zum Beispiel die alleinige Vertretung bei internationalen Verträgen wie dem Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Nach den Statuten darf der Euro-Gruppen-Präsident mit zweijähriger Amtszeit nur einmal wiedergewählt werden. Aber Juncker ließ sich gern und mit Rückendeckung durch die BRD-Kanzlerin gegen die Bestimmungen zweimal wiederwählen. Die eigenen Regularien grinsend und dauerhaft verletzen – das ist für den Biedermann Routine. Erst 2013 wurde er abgelöst, um ihn dann geschwind als Spitzenkandidaten der Europäischen Volksparteipräsentieren zu können. Wie selbstverständlich und ohne jeglichen parlamentarischen Beschluß holte Juncker den IWF für die Lösung der »Euro-Krise« hinzu. Seitdem ist der IWF »wie aus heiterem Himmel« mit der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission in der »Troika« aktiv. Juncker unterwarf Griechenland und die südlichen Krisenstaaten der EU nach dem Abwicklungsmodell der deutschen Treuhandanstalt. Dieser war 1990 das öffentliche und betriebliche Eigentum der Ex-DDR übergeben worden, um es möglichst schnell an Investoren zu verkaufen. Unter der Regie der Euro-Gruppe und der Troika werden seit 2009 Griechenland und andere Staaten vorgeblich »gerettet«, was nichts anderes bedeutet, als sie ins Unheil zu treiben, indem, wie einst im Osten Deutschlands, öffentliches Eigentum verscherbelt, staatliche Leistungen gekürzt und Löhne gesenkt werden. Armut und Arbeitslosigkeit breiten sich seither dramatisch aus.  

Juncker ist ein gnadenloser Opportunist: Wenn Kritik am deutschen Lohndumping aufkommt, setzt er sich für höhere Arbeitsrechtsstandards in Europa ein. Wenn die Finanztransaktionssteuer Rückenwind hat, fordert Juncker sie auch. Wenn von andern lautstark Euro-Bonds zur günstigeren Rettung der verschuldeten EU-Staaten verlangt werden – Juncker ist dabei. Wenn die Kritik abebbt, unterstützt er das Gegenteil. Der Langzeitchef des kleinen Großherzogtums ist kein Demokrat im eigentlichen Sinne. Das Satiremagazin Den neie Feierkrop (Die neue Feuerzange) nennt ihn unseren Bokassa. Nicht deswegen, weil natürlich auch dieser vom Westen gestützte afrikanische Diktator sein Raubgut dem Schutz der Finanzoase anvertrauen durfte, sondern wegen Junckers autoritärer Haltung. Experten liebt er mehr als Demokraten. Denn Experten werden nicht gewählt, jedenfalls nicht vom Volk. Juncker ist ein Meister der Hintertreppe. Seine langjährige Regierungspartei CSV ist Gründungsmitglied der Europäischen Volkspartei. Darin sind seit 1976 die wenigen sich noch christlich nennenden und die konservativenParteien versammelt. Angeführt werden diese Europafreunde von der deutschen CDU. Das Bündnis, das die europäischen Völker verarmen läßt, nimmt als Mitglieder auch gern faschistoide Organisationen auf, wie die kroatische HDZ, die ungarische Fidesz und Berlusconis Forza Italia. Die EVP arbeitet gern auch mit völkischen und antisemitischen Parteien zusammen, so mit Laikós Orthódoxos Synagermós (LA.O.S.) in Griechenland und mit Swoboda in der Ukraine.  

Es gibt keinen Politiker in Europa, der so viele Auszeichnungen bekommen hat wie Juncker. Hier deutet sich ein öffentlich kaum sichtbares Netzwerk aus Kirche und Kapital an. Darunter das Großkreuz des portugiesischen Christusordens, die St. Liborius-Medaille des Erzbistums Paderborn, der in Fulda vergebene Winfried-Preis, der Heinrich-Brauns-Preis des Erzbistums Essen, die Thomas-a-Kempis-Ehrenstele, das Großkreuz des Erlösers, der höchste Verdienstorden Griechenlands. Aus dem Bereich der Unternehmens- und Finanzwelt erhielt der Premier folgende Auszeichnungen: Den Vision for Europe Award der Edmond Israel Foundation, den Europapreis für politische Kultur der Ringier-Stiftung, den Herbert Batliner-Preis [Batliner, größter Steuerhinterzieher-Treuhänder Liechtensteins, enger Freund Helmut Kohls], die Auszeichnung European Banker of the Year, den Preis der Fasel-Stiftung Soziale Marktwirtschft, den Vordenker-Preis des Finanzforums Vordenken und des Finanzberaters Plansecur. Ferner wurden Juncker Ehrungen zuteil, die seinen politisch reaktionären Standort erhellen: Das 1960 gestiftete portugiesische Großkreuz des Infanten Dom Henrique, den Franz-Josef Strauß-Preis der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, den Hanns Martin Schleyer-Preis der gleichnamigen Stiftung des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbands der Deutschen Industrie, sowie den Hermann Ehlers-Preis der gleichnamigen CDU-nahen Stiftung in Schleswig-Holstein. Auch karnevalistische und kuriose Preise dürfen in dem Reigen nicht fehlen, so das Goldene Schlitzohr und den Tierschutzpreis »Neufundländer in Not«.  Zu den dunklen Seiten der luxemburgischen Politik gehört Junckers Rolle bei der »Bombenleger-Affäre«, deren juristische Aufarbeitung sich seit Jahren dahinschleppt. NATO-Stay-behind-Attentate sollten während der 1980er Jahre in Westeuropa Unsicherheit verbreiten, Linken sollte die Schuld zugeschoben werden. In Luxemburg wurden 1984 bis 86 etwa 20 Attentate auf Polizei- und Justizgebäude und Strommasten verübt. Wäre der einheimische Geheimdienst nicht beteiligt gewesen, hätte es kaum zu dieser bisher nicht aufgeklärten Serie kommen können. Im bisher letzten Gerichtsverfahren konnte Juncker seine Mitwisserschaft als Premierminister nicht glaubhaft abstreiten. Er konnte nach Neuwahlen das Amt 2013 nicht wieder antreten. Auch Luxemburg, in dem mehrere Billionen Euro verwaltet werden, ist notorisch hoch verschuldet. Banken und alle größeren Unternehmen gehören ausländischen Investoren. Das Eigentum des Staates ist ausverkauft. Er ist Dienstleister für meist anonyme Mächte. Die Einheimischen arbeiten vor allem im öffentlichen Dienst; deren obere Schicht kann als Mitglied in Aufsichtsräten der zahllosen Briefkastenfirmen mitverdienen. .……  Glückliches Luxemburg – über die häßlichen Seiten wird der Mantel des Schweigens ausgebreitet.«  

Die von vielen vertretene Auffassung, dass man die EP-Wahlen lediglich als eine Farce werten kann, wird durch Aussagen des nicht gewählten, sondern den Bürgern schlicht verordneten EU-Ratspräsidenen Herman Van Rompuy klar bestätigt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte er, wirklich entschieden werde anderswo und nicht im Parlament. »Eine solch offenherzige Diffamierung einer vorgeblich demokratischen Institution«, so die DWN, zeigt: »Die EU ist in ihrer aktuellen Struktur eine autoritäre Hinterzimmer-Veranstaltung - und will das auch bleiben.« »Zwar spiele das EP«, so Rompuy ferner, »spätestens seit der Lissabon-Vertrag gilt, eine wichtige Rolle. Aber die Bürger wissen auch, daß die großen Entscheidungen nicht nur im  Parlament fallen, sondern auch woanders.« Auf die Frage, wo, antwortet Van Rompuy: »Im Europäischen Rat, unter den Staats- und Regierungschefs. Dieser Unterschied zwischen dem Parlament und denen, die wirklich entscheiden, ist den Bürgern sehr klar.« Gerade letzteres dürfte indessen nicht derart bekannt sein, wie Rompuy das darzulegen versucht. Dafür bräuchte es gewissermassen eine überaus breit gestreute, ehrliche Presse. Zu den beiden Spitzenkandidaten erklärt Rompuy: »Ich bin kein begeisterter Anhänger dieser Idee mit den Spitzenkandidaten. Das wird, vorsichtig gesagt, das Verhalten der Wähler nicht groß beeinflussen. Der Wahlausgang hängt von vielen anderen Faktoren ab, von nationalen Sensibilitäten, die nichts mit Europa oder mit Spitzenkandidaten zu tun haben.« Bei der Ernennung seien ganz andere Kriterien wichtiger als die Frage, ob jemand eine Mehrheit bei den Wählern hat. Van Rompuy: »Es ist vollkommen egal, ob der Kandidat ein Deutscher ist. Es stellen sich ganz andere Fragen, etwa: Kann ein Politiker aus dem Süden  Kommissionschef werden? Oder aus einem Land, das den Euro-Rettungsschirm gerade verlassen hat? Kann es ein Kandidat aus einem Nicht-Euro-Land sein? Und vergessen Sie nicht, daß wir ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen wollen.« Hinsichtlich seiner Sicht auf die EU vermerkt Rompuy u.a.: »Die EU in ihrer gegenwärtigen Form ist nichts anderes als ein großer Lobbyverein für die international agierenden Parteienkonzerne. Deren Geschäftsmodell besteht darin, den Bürgern vorzugaukeln, sie selbst könnten über ihr Schicksal bestimmen. Um dies möglichst ohne Arbeit und Anstrengung zu bewerkstelligen, hat sich das Kartell der Parteien mit dem Kartell der Finanzindustrie zusammengeschlossen. Sie betreiben gemeinsam den Turbo-Vertrieb von Schulden: Die Parteien-Konzerne lassen sich ihre Schulden von den Banken finanzieren, dafür sind die Märkte  [bei Beschlüssen]  mit im Raum, wenn es hart auf hart kommt.« Die Offenheit, mit der hier zum Ausdruck kommt, wie der Bürger übergangen wird, ist erstaunlich. Hierzu die DWN: »Man muß Van Rompuy, den hölzernen Bürokraten, den in Europa niemals mehr als 1 % der Bürger wählen würde, dafür loben, daß er nicht um den heißen Brei herumredet. Das EU-Parlament dient nicht der demokratischen Willensbildung in Europa. Es ist ein zusätzliches Versorgungsreservoir für die Parteien-AGs (Mathew D. Rose). Denn um einen Wunsch an den Rat zu richten, braucht man keine 751 Abgeordneten.«  [8]  

»Mehr noch als in Kriegen oder vor Bundestagswahlen werden die Bürger vor anstehenden EU-Wahlen getäuscht und belogen«, so die DWN. »Obwohl es überall im morschen Gebälk der EU mächtig knirscht und Schulden, Korruption und Verschwendung von Steuergeldern [nicht nur in den Problemstaaten] nur eine Richtung kennen – nämlich nach oben, bewegt sich der Wohlstand in die entgegengesetzte Richtung. Und während in der Ukraine gezündelt wird und die Rechtssicherheit in der EU zu einem Fremdwort verkommt, wird den Bürgern von der gut geölten EU-Propaganda-Maschinerie und den ihr hörigen Medien eine heile Welt vorgegaukelt. Selbst die Rückkehr Griechenlands an den Kapitalmarkt wird meist kritiklos als Erfolg der EU gefeiert. Derweil vollziehen die Kandidaten für den EU-Kommissionspräsidenten eine 180-Grad-Wende und mutieren plötzlich zu EU-Kritikern. Sie, die selbst leiseste Kritik von EU-Skeptikern schnell als anti-europäisch bzw. populistisch diffamieren, die eine Vertiefung der EU fordern und noch mehr Hoheitsrechte an das EU-Imperium abtreten möchten, auch für noch mehr Solidarität, sprich Umverteilung unserer Vermögen und die Entmündigung bzw. Bevormundung der Bürger, eintreten und für all die Mißstände in Europa stehen, verleugnen sich selbst und schlüpfen in das Gewand von EU-Kritikern bzw. Anti-Europäern. Plötzlich hört man aus den Mündern von Martin Schulz und Jean-Claude Junker, aber auch von jenen auf den nationalen Listen ganz vorne stehenden nationalen Politikern, die EU müsse entbürokratisiert, müsse demokratischer und das Subsidiaritätsprinzip müsse ernst genommen werden; es dürfe nur noch das nach Brüssel gelangen, was dort auch hingehört. Zu solchen Werbesprüchen gehört schon eine ordentliche Portion Chuzpe.«  [9]  »Bedenkt man«, führen die DWN ferner aus, »daß Entscheidungen über Gesetze im sogenannten Trilogfallen, einem Gremium abseits der ohnehin nur rudimentären demokratischen Strukturen, und von dem kaum jemand etwas gehört hat, so sind die Wahlen zum EP eine rechte Farce, ist das EP doch keine Volksvertretung, die Gesetze macht; denn das alleinige Recht, solche vorzuschlagen, obliegt der Kommission, die, man muß es betonen, von niemandem gewählt ist, was allein schon als schwerwiegendes demokratische Defizit anzusehen ist. Martin Schulz und Jean-Claude Juncker können nur bedingt als lupenreine Demokraten angesehen werden: Schulz steht unter Beschuß, weil er ein Dokument manipuliert hat und weil er seine Mitarbeiter mit Beamtenposten versorgt; und Juncker hat gesagt, daß er es bevorzugen würde, wenn die wichtigen Entscheidungen in dunklen Räumen getroffen würden.«  [10]

Bereits im März 2009 befand der Nationalökonom Albrecht Müller: »Wir müßten wieder zu demokratischen Gewohnheiten zurückfinden. Davon sind wir weit entfernt. Heute entscheidet ein Konglomerat von Eliten aus Politik und Wirtschaft, aus Medien und Wissenschaft, wo es langgeht. Sie bestimmen die politischen Entscheidungen. Was die Mehrheit unseres Volkes will, spielt eine immer geringere Rolle.«  [11]

  

[1]  eigentümlich frei Nr. 130  Februar  2013

[2]  http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article127768802/Spiel-mir-das-Lied-von-der-Volksverdummung.html  8. 5. 14  Spiel mir das Lied von der Volksverdummung – Von Henryk M. Broder

[3]  http://www.spiegel.de/politik/ausland/jan-fleischhauer-ueber-das-leben-als-eu-abgeordneter-a-932353.html  7. 11. 13  Jan Fleischhauer  -  Wer zahlt, Sie oder ich?

[4]  http://jungefreiheit.de/politik/ausland/2014/trotz-wahlkampf-eu-parlamentspraesident-kassierte-sitzungsgelder/  29. 4. 15

[5]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/03/06/eu-ein-monster-praesident-schulz-warnt-vor-frankenstein-europa/   6. 3. 13

[6]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/04/21/eu-wahlkampf-wie-mit-dem-geschaeftsmodell-politik-die-demokratie-verspottet-wird/   21. 4. 14

[7]  http://www.jungewelt.de/2014/05-08/042.php  8. 5. 14  
Meister der Hintertreppe  -  Von Werner Rügemer  http://www.werner-ruegemer.de/

[8]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/04/23/van-rompuy-haelt-eu-wahl-fuer-ueberfluessig-entschieden-wird-woanders/   23. 4. 14   Van Rompuy hält EU-Wahl für überflüssig: Entschieden wird woanders

[9]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/04/19/vertragsbruch-eu-kommissare-kosten-steuerzahler-280-millionen-euro/  Vertragsbruch: EU-Kommissare kosten Steuerzahler 280 Millionen Euro

[10]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/04/05/trilog-schatten-gremium-beschliesst-eu-gesetze/   5. 4. 14  Trilog: Schatten-Gremium beschließt EU-Gesetze

[11]  Der Nationalökonom Albrecht Müller ist der Herausgeber der NachDenkSeiten‹   http://www.nachdenkseiten.de/?page_id=4