Prof. Dr. Eberhard Hamer: USA suchen Krieg mit der Energiewaffe

Energieboykott ist eine für die USA gewohnte Maßnahme zur Kriegsvorbereitung

und eigentlich wie alle Sanktionen bereits die Eröffnung eines Wirtschaftskriegs. Darin haben die USA größte Erfahrung: Im Zweiten Weltkrieg haben die USA durch eine Energieblockade die im eigenen Land ohne Energie lebenden Japaner praktisch in die militärische Auseinandersetzung gezwungen. Auch den Irakkrieg begannen die USA mit einem Boykott insbesondere der Öl­Ausfuhren. Ebenso ist es gegen den Iran zum Wirtschafts- und Ölboykott gekommen, was auch mehrfach zu einer militärischen Auseinandersetzung führen sollen hätte, was das US-Militär jedoch zum Glück abgelehnt hat. Daß der Ölboykott gegen den Iran nicht richtig funktioniert hat, lag daran, daß China sofort als Ersatzkunde eintrat und Rußland weiterhin Kunde blieb.

Nun wird im Fall der Ukraine die Energiewaffe gegen Rußland eingesetzt. Mit den Sanktionen der USA und ihrer Satelliten sind feindselige Kriegshandlungen praktisch bereits eröffnet, weil Rußland sich sperrt, die Ukraine der amerikanischen Industrie, der NATO und den amerikanischen Raketen zu überlassen. Es war deshalb kein Zufall, daß die Arbeiten an der South-Stream-Ölleitung von Rußland nach Österreich durch Bulgarien gestoppt worden sind, als der amerikanische Außenminister mit drei Senatoren dies dort nachdrücklich und mit Zusagen verlangte. Die South-Stream-Ölleitung hätte Südeuropa ebenso energiesicher mit russischem Öl und Gas gemacht wie der North Stream durch die Ostsee Nordeuropa durch Gazprom energiegesichert hat. Unsicher blieb die Hauptleitung von Rußland über die Ukraine und Polen nach Deutschland, weil die Ukraine diese mehrfach für sich angezapft hat und selbst nicht mehr zahlungsfähig ist, also nicht mehr beliefert wird. Gerade diese Leitung wurde nun auch von amerikanischen Spezialisten gesprengt, um den Europäern die Unsicherheit russischer Öllieferungen zu dokumentieren.

Der Kampf der US-Regierung gegen den Energiebezug Europas aus Rußland hat mehrere Beweggründe: Die USA sehen die engere wirtschaftliche Verbindung ihrer europäischen Satellitenprovinzen mit Rußland als Gefährdung ihrer eigenen Wirtschaftshoheit in Europa an und versuchen deshalb, jede positive Beziehung zwischen Europa und Rußland zu stören [Rapallo-Syndrom]. Nach der Brzezinski-Doktrin der Einschnürung Rußlands und gegen das 1990 im Zuge der Wiedervereinigung gegebene Versprechen, die NATO nicht über die Oder und Neisse hinaus nach Osten auszudehnen, haben die Amerikaner nicht nur Deutschland, sondern auch das Baltikum, Polen, Ungarn, Rumänien und die Türkei in die NATO einbezogen, also das Aufmarschgebiet der amerikanischen Raketen systematisch in Richtung Moskau verschoben. Mit der Ukraine sollte nicht nur ein weiterer Schritt zur Vergrößerung des amerikanischen Wirtschaftsraumes (EU) und der NATO (»Keep the USA in, the Russians out and the Germans down«) nach Osten erfolgen, sondern gleichzeitig auch Rußland entscheidend geschwächt werden. Der russische Staatshaushalt hat seine stärkste Exportstütze im Energieexport. Wer also Rußland schwächen will, muß den Energieexport verhindern. Deshalb hat Obama die Unzuverlässigkeit der russischen Öllieferungen beschworen und Europa umgekehrt zum Bezug von amerikanischem Öl und Gas aufgefordert - was kurzfristig gar nicht möglich ist. 

Parallel zum Energiekrieg wird auch ein Währungskrieg geführt. Die USA haben nicht nur Sanktionen gegen russische Firmen und Banken erlassen, sondern bedrohen auch die russischen Investments in der ganzen Welt. Als Gegenmaßnahme gegen die Sanktionen hat sich Rußland von seinen Dollar-Reserven (200 Milliarden) getrennt und mit China, Indien und dem Iran vereinbart, daß man den Außenhandel miteinander nicht mehr in Dollar, sondern in der Landeswährung abwickelt, was wiederum das Dollar-Imperium entscheidend schwächt, zumal die USA praktisch kein Gold mehr haben und ihre Dollar-Währung insofern eine Luftwährung ohne Deckung ist.

Bisher gibt es außer den amerikanischen Beschwörungen keine Hinweise, daß die Energieversorgung Europas unsicher wäre. Die Russen waren immer vertragstreu und sind auch selbst existentiell daran interessiert, das Gas weiterhin an Europa zu liefern. Eigentlich besteht also kein Grund zur Unruhe und noch weniger Grund zum Wechsel auf US-Gas. Wie aber die Sprengung der Ukraine-Pipeline zeigt, könnte die CIA auch die North-Stream-Pipeline in der Ostsee sprengen und dadurch tatsächlich Engpässe des Energiemarktes zwischen Rußland und Europa herbeiführen. Betrachtet man die Sanktionen der USA und ihrer Satelliten gegen Rußland, den bereits laufenden Währungskrieg und nun auch den Kampf der USA gegen die Ölversorgung Europas aus Rußland, und berücksichtigt man, daß der Aufstand auf dem Maidan-Platz in Kiew mit US-Geld, US-Agenten und jetzt sogar US-Söldnertruppen (Blackwater) geführt wird, und zählt man des weiteren hinzu, daß die NATO vom ursprünglichen Verteidigungsbündnis zur Söldnertruppe für USA-Angriffsziele in der ganzen Welt geworden ist, dann ist die Kriegsgefahr in Europa durch die unterschiedlichen Offensiven der USA gegen Rußland so groß wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir könnten wiederum in einen Krieg schlittern, den in Europa eigentlich keiner will.

Nicht aber Putin ist der Aggressor, sondern Obama beziehungsweise seine ihn lenkende   Finanzoligarchie. Atlantische Freundschaft müßte für uns jetzt heißen, die USA vor weiteren Abenteuern und Angriffszielen zurückzuhalten, statt ihnen blind und gehorsam zu folgen. Spätestens mit dem Ölkrieg sind wir jetzt direkt betroffen.   [1]  

Indessen hat Serbiens Premierminister Aleksandar Vucic im Rahmen seines zweitätigen offiziellen Besuchs in Moskau am 7. und 8. Juli betont, daß nichts die Serben davon abbringen könnte, ihre strategischen Beziehungen zu Moskau nicht zu verändern. Vucic betonte, sein Land wolle zwar Mitglied der EU werden, aber nicht auf Kosten seiner Beziehungen zu Rußland. Auch werde das Land am Bau der South-Stream-Erdgas-Pipeline festhalten, die vom russischen Gaskonzern Gazprom durch Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich gebaut werden soll. Noch am Abend des 8. Juli ist das South-Stream-Abkommen in Belgrad von Vertretern der beteiligten Firmen unterzeichnet worden. Nach dem Treffen erklärte Medwedjew, das South-Stream-Projekt sei eine Priorität sowohl für Europa als auch für Serbien und mit seiner Realisierung werde die Zusammenarbeit zwischen Rußland und Serbien auf ein neues Niveau gehoben. Das Projekt dürfe nicht politisiert werden.   In Wien unterzeichnete der Präsident der serbischen Handelskammer, Zeljko Sertic, gemeinsam mit den Präsidenten der Handelskammer Bulgariens und Ungarns eine Erklärung über die Gründung der Donau-Energie-Initiative, bei der auch ein Bezug zum South-Stream-Projekt existiert, da alle drei Länder an beiden Projekten beteiligt sind. Auch Rußlands Außenminister Sergej Lawrow ging in einem Interview mit der bulgarischen Nachrichtenagentur Focus auf das South-Stream-Projekt ein und sagte, es sei »offensichtlich, daß die South-Stream-Erdgas-Pipeline die komplexe Energiesicherheit Europas stärke und helfen werde, die Gaslieferwege zu diversifizieren. Das wird allen nützen - sowohl Rußland, als auch den europäischen Verbrauchern, einschließlich Bulgariens….. Wir sollten nicht zulassen, daß Europa im Interesse eines anderen benutzt und zur Geisel kurzsichtiger ideologischer Ansätze genommen wird.« Am 3. Juli hatte Bulgariens Außenminister Kristian Vigenin erklärt, Bulgarien hoffe, den Bau des South-Stream-Pipeline-Projekts durch sein Land in den kommenden Wochen fortsetzen zu können, wenn er entsprechende Erklärungen von der Europäischen Kommission erhalten habe. Im Zuge der Krimkrise hatte EU-Energiekommissar Günther Oettinger angekündigt, daß er für eine Verzögerung des South-Stream-Projekts sorgen werde, und hatte Bulgarien unter Druck gesetzt, den Bau einzustellen, weil er gegen EU-Recht verstoße.  [2]  Hier tritt wieder einmal krass zutage, wie förderlichmit Frieden und dem Wohlergehen der EU-Bevölkerung umgegangen wird!

Bereits Mitte April hatten Goßbritannien und die EU-Kommission europäische Länder, insbesondere Deutschland und Italien, gedrängt, ihre Energieabhängigkeit von Moskau zu verringern. Das britische Ziel ist klar: Europa soll von Öl und Gas aus Ländern, die unter der Kontrolle der City stehen, abhängig gemacht werden. Der ganze Plan ist jedoch völlig utopisch. Gazprom liefert jährlich 125 Mrd. m3 Erdgas, was mindestens auf viele Jahre hinaus von keiner anderen Stelle ersetzt werden kann. Eine begrenzte Menge könnte Norwegen über Pipelines liefern, aber der ganze Rest müßte als verflüssigtes Gas (LNG) mit Spezialschiffen aus Katar und/oder Saudi-Arabien hertransportiert werden. Die EU bräuchte zur Deckung ihres  gegenwärtigen Jahresbedarfs 1390 Tankerladungen zu je 150.000 m3 LNG. Der Bau einer ausreichenden Tankerflotte würde mindestens 5 Jahre dauern. Dazu bräuchte die EU 10 große LNG-Terminals wie Maasvlakte in Rotterdam, der 800 Mio.€ kostete und 12 Mrd. m3 jährlich umschlagen kann. In Italien gibt es vier LNG-Terminals, davon das größte bei Rovigo mit 8 Mrd. m3 Kapazität.

Insofern liegt die sinnvollste Lösung zur Deckung des künftiges Bedarfs im beschleunigten Bau  der South Stream-Pipeline, die jährlich 63 Mrd. m3 direkt von Rußland in die EU pumpen könnte, was Probleme mit Transitländern wie der Ukraine ausschließt. Die Südstrecke der Pipeline verliefe durch Bulgarien, Griechenland und Italien, die Nordstrecke durch Serbien, Slowenien und Österreich. Aber die Briten und die EU waren schon immer gegen South Stream und trachten danach, die Ukrainekrise zu benutzen, um das Projekt zu verhindern, auch wenn der Chef von Wintershall erklärt hat, South Stream sei nun wichtiger denn je.  [3] 

Wie die Deutschen Wirtschafts Nachrichten berichten, treibt jetzt die italienische EU-Ratspräsidentschaft die South-Stream-Pipeline mit Rußland voran, wodurch die Ukraine als Transitland für russisches Erdgas überflüssig wird. Die ukrainische Regierung wirft nun Italien vor, die Gegner der russischen Pipeline in der EU zu übergehen. »Wir denken, South Stream sollte freie Fahrt erhalten, denn es würde die Diversifikation der Gas-Linien nach Europa verbessern«, zitiert der EUobserver den italienischen Staatssekretär für EU-Fragen, Sandro Goz. Ähnlich hatte sich zuvor auch Italiens Außenministerin Federica Mogherini geäußert. Mogherini hatte am 9. 7. Moskau besucht und sich dort mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow getroffen. Für Oktober lud sie auch Präsident Putin zu einem Treffen asiatischer und europäischer Führer in Milano ein. Lawrow erklärte anschließend u.a., daß Italien und Rußland »unser Ziel bestätigen, das Bauprojekt der South-Stream-Gas-Pipeline fertigzustellen..….«  [4]  

 

[1]  http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1832    
Zeit-Fragen  Nr. 14 vom 1. 7. 2014      

[2]  http://www.bueso.de/node/7483  11. 7. 14 

[3]  Stragegic Alert Jahrgang 27, Nr. 16/17 vom 16. April 2014

[4]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/07/12/south-stream-italien-schert-aus-anti-russland-allianz-aus/   12. 7. 14