Amerikas Foulspiel

Die Internationalisierung des Kapitals zählt sicherlich zu den bedeutendsten Veränderungen

der letzten 30 Jahre in der Finanzwirtschaft. Eine wesentliche Rolle bei dem Globalisierungsprozess des Kapitals ist den Offshore-Finanzzentren (OFC) zuzuschreiben, welche heute ein wichtiges Element im internationalen Finanzsystem darstellen. Im Mittelpunkt der Diskussion über die Offshore-Zentren stehen stets Geldwäsche, Finanzmarktstabilität und Steuerflucht. Die Schätzungen über die wahre Höhe des in den OFCs verwalteten Vermögens reichen von fünf bis sechs Billionen US-$. Dies entspricht ca. einem Drittel der gegenwärtigen Weltproduktion und verdeutlicht die hohe ökonomische Macht der OFC für die Weltwirtschaft. Kein Wunder, dass die Vereinigten Staaten von Amerika grösster Nutzer der Offshore-Zentren sind und diese im eigenen Land unterhalten. 

Doch der grösste europäische Handelspartner arbeitet mit unlauteren Mitteln 
Das bezieht sich zum einen auf amerikanische Grosskonzerne, die mit unversteuerten Einnahmen auf Einkaufstour gehen. Aus Steuervorteilen verschaffen sich amerikanische Unternehmen bei Übernahmen einen erheblichen Vorteil gegenüber europäischen Konkurrenten, die den Kaufpreis aus versteuertem Gewinn tragen müssten. Als hierfür beispielhaft sei die Pharmabranche erwähnt, in der sich Übernahmeversuche durch amerikanische Konzerne in der Grössenordnung auch zweistelliger Milliardenbeträge häufen. Zum anderen bezieht sich dies auf die Praxis der US-Justiz und Bankenaufsicht, europäische Banken für angebliche Verstösse gegen amerikanische Vorschriften mit sehr hohen Beträgen zur  Rechenschaft zu ziehen. Wenn es um ausländische Banken geht, kennen die US-Behörden kein Pardon. Immer wieder verhängen US-Gerichte neue Rekordstrafen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder angeblicher Geldwäsche und treiben damit kleinere Banken resp. Unternehmen in den Konkurs. Und sollten sich die betroffenen Geldinstitute nicht kooperativ verhalten, wird schon mal mit dem Entzug der Banklizenz für die USA gedroht.

»Es kann nicht sein, dass Amerika das europäische Finanzsystem schwächt und anschliessend vielleicht die eine oder andere Bank kauft«, erklärt der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie [BDI], Ulrich Grillo. Da sei es von Nachteil, mit Ländern zu konkurrieren, in denen der Staat die Geschäfte weniger reguliere. »Wenn diese Länder europäische Banken zusätzlich mit Strafen aushungern, dann wird es kritisch«, sagte Grillo. Er gab damit dem Verdacht neue Nahrung, den Amerikanern gehe es um mehr als die Bestrafung potentieller Regelbrecher.  [1]  Aktuell verdächtigen amerikanische Aufsichtsbehörden die Commerzbank, Gelder für Unternehmen in den Iran und den Sudan transferiert zu haben. Es drohen angeblich Strafen von knapp 1 Milliarde Dollar. Auch die Deutsche Bank hat Rückstellungen für Prozesse in Milliardenhöhe gebildet. Unlängst war der französischen Bank BNP Paribas wegen Verstössen gegen ausschliesslich von der USA verhängte Sanktionen eine Busse von fast 9 Milliarden $ auferlegt. 

Wie kann mit diesem Wissen überhaupt der Gedanke an eine Freihandelszone erörtert werden! Die Erpressung und die Scheinheiligkeit der US-Regierung stösst zunehmend auch in der USA selbst auf Unverständnis: »Ich habe es satt, dass unsere Regierung andere Länder zu schärferen Vorschriften gegen die Steuerflucht bewegen will, aber im eigenen Land nichts unternimmt«, schimpft z.B. John Cassara, der 26 Jahre für das US-Finanzministerium und die CIA tätig war. 

Es ist völlig unverständlich, dass sich europäische Staaten, deren Politiker und Banken dem US-Diktat beugen, denn die USA praktiziert Steuerflucht begünstigende Geschäfte z.B. mittels ihrer Delaware LLCs selber in ausgefeilter Perfektion; unter dem Stichwort Delaware findet sich eine Vielzahl von Artikeln auf politonline, welche die mit den Offshore-Zentren verbundenen Vorgänge, und zwar nicht nur für Delaware, klar und deutlich offenlegen. Sichtbar ohne jegliche Wirkung auf unserer Volksvertreter, von denen man inzwischen  annehmen muss, dass sie sich in ihrer Mehrheit über nichts grundlegend informieren. Denn auch die Fakten, welche die durch die Offshore-Zentren unterhaltenen Trusts betreffen, sind zigfach beschrieben worden, ohne dass zu konstatieren gewesen wäre, dass sich das hochbezahlte Europäische Parlament oder die Abgeordneten der EU-Mitgliedstaaten einmal bereit gefunden hätten, diese grundlegend aufzugreifen.  

Die Firmenform Limited Liability Company LLC 
Nun ist Delaware nicht nur eine Steueroase, sondern bietet auch einzigartige Formen der Anonymität; Delaware ist einer der wenigen US-Bundesstaaten, die das sogenannte anonymous filing erlauben. Weder die Namen, Anschriften der Mitglieder und Manager, noch das Operating Agreement werden ins Handelsregister von Delaware eingetragen. Somit sind Delaware LLCs eine der wenigen Firmenformen weltweit, welche vollständig anonym  - also ohne Einsatz von Treuhändern -   betrieben werden können. Kein Wunder, dass im kleinen Ostküstenstaat rund 600'000 Firmen auf 875'000 Einwohner kommen. In den Neunzigerjahren soll Delaware bei der russischen Mafia sehr beliebt gewesen sein. Diesbezüglich scheint die US-Justiz blind zu sein, denn Delaware kann mit seinen nicht steuerpflichtigen, pass-through taxation LLC- Geschäften weltweit frank und frei zur Steuerhinterziehung ermuntern und einladen; hierzu ein kurzer Ausschnitt aus der Werbeanzeige der Firma Ayantra Consult Ltd für die Gründung einer LLC-Offshore-Firma in Delaware: »Die Delaware LLC ist die flexibelste und am einfachsten zu betreibende Gesellschaftsform in der USA. Eine LLC muss weder eine Bilanz einreichen, noch unterliegt sie der US- Körperschaftssteuer, wenn keiner der Firmeninhaber in der USA ansässig ist und keine Geschäftstätigkeit in der USA stattfindet. Die Delaware LLC bietet ausserdem ein Höchstmass an Anonymität. ….. Als Durchreichungsgesellschaft  - Pass-through entity - wird die Delaware LLC steuerlich nicht als Firma betrachtet. ……. Sie unterliegt keinerlei Besteuerung in Delaware, mit Ausnahme der pauschalen jährlichen Franchise Tax; bei dieser handelt es sich um eine pauschale Jahressteuer von 250.- USD, die an den Staat Delaware zu entrichten ist.  [2
]  Auch Colorado, Oregon und Arkansas werben für LLC-Geschäfte.  

Die LLC-Geschäfte sind auch Gegenstand des Artikels US-Steueroasen: Reserviert für die Finanz-Elite von Michael Brückner, der hierzu u.a. folgendes darlegt: »Nicht zuletzt auf Grund massiven Drucks aus der USA wurde das Bankgeheimnis in Europa abgeschafft. Doch Washington treibt ein doppeltes Spiel: Während man offiziell hart gegen ausländische Steueroasen vorgeht, blühen die diskreten LLC-Geschäfte in Delaware. Wenn es um ausländische Banken geht, kennen die US-Behörden kein Pardon. Immer wieder verhängen die Gerichte neue Rekordstrafen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder angeblicher Geldwäsche. Uncharmant könnte man dies als Erpressung bezeichnen. Während Großbanken diese Strafen zahlen können, ohne in größere Turbulenzen zu kommen, blieb dem kleinen, aber feinen Schweizer Bankhaus Wegelin & Co. im vergangenen Jahr keine andere Möglichkeit, als das Kreditinstitut faktisch aufzulösen. Seither gibt es die 1741 gegründete älteste Bank der Schweiz nicht mehr. Das rabiate Vorgehen der US-Behörden gegen Banken, die in den vergangenen Jahren Steueroptimierern hilfreich zur Seite standen, stößt bei der internationalen Gutmenschen-Fraktion durchaus auf Beifall. Schließlich geht es doch den angeblich asozialen Steuerhinterziehern und ihren Helfershelfern an den Kragen. 

Doch haben die US-Behörden wirklich die Förderung der weltweiten Steuerehrlichkeit im Blick? Wollen sie nur gezielt Geldwäsche und Terrorfinanzierung bekämpfen? Wohl kaum, schließlich wird in der USA mit zweierlei Maß gemessen. Und der Verdacht liegt nahe, daß Regierung und Behörden nicht grundsätzlich alle Steueroasen dieser Welt trockenlegen wollen, sondern nur jene außerhalb des eigenen Landes. Ziel dieser Strategie scheint zu sein, der USA quasi ein ›Oasen-Monopolzu sichern. Während die US-Behörden von ausländischen Staaten wie selbstverständlich Amtshilfe verlangen und gern schon mal mit ernsten Konsequenzen drohen, wenn sich ein Land nicht kooperativ zeigen sollte, stoßen ausländische Ermittler in der USA auf taube Ohren, sobald es um die Steueroase Delaware geht. »Wenn die Geldspuren von ausländischen Kriminellen nach Delaware oder ähnlichen US-Bundesstaaten führen, können wir wenig bis nichts unternehmen«, sagt John Cassara frustriert. Immerhin hat Delaware einen prominenten Fürsprecher, nämlich keinen Geringeren als US-Vizepräsident Joe Biden, der den Bundesstaat von 1973 bis 2009 im US-Senat vertrat. Zu den in Delaware registrierten Unternehmen zählen viele erste Adressen der Wall Street, aber auch zahlreiche deutsche Landesbanken halten Beteiligungen in Delaware. Also Geldinstitute, in denen führende Politiker sitzen, die immer härtere Strafen für Steuersünder fordern. Das britische Tax Justice Network bezeichnet Delaware als den undurchsichtigsten und verschwiegensten Finanzplatz.

Bezüglich der den Akteuren für ihr Engagement in der Steueroase Delaware zur Verfügung stehenden, absolute Anonymität garantieren LLCs dürfte sich nichts ändern, da die US-Regierung keine Anstalten macht, gegen die eigenen Steueroasen vorzugehen. Derzeit sind LLCs vor allem zum diskreten Erwerb von New Yorker Luxus-Apartments begehrt. US-Medien berichten, in exponierten Lagen von Manhattan würden seit einiger Zeit unglaubliche Summen umgesetzt, in US-Dollar, Rubel und Yuan. Die Geldwaschanlage läuft auf Hochtouren. Besonders interessiert sind die Käufer an Apartments zwischen Park und Fifth Avenue sowie zwischen der 49. und 70. Straße. Dort investieren jetzt die Superreichen dieser Welt, die früher Kunden bei Schweizer Privatbankiers waren. »Die globale Elite sucht nach einem neuen Bankschließfach«, konstatiert der Immobilienexperte Michael Stern. Woher das Geld kommt, interessiert weder die Anwälte, die ihre wohlhabenden Mandanten bei diesen Deals betreuen, noch die spezialisierten Immobilienmakler. New York sei die Stadt außerhalb Asiens, die das meiste Geld anziehe. »Vor zehn Jahren gab es hier nur eine überschaubare Anzahl von Elite-Investoren«, sagt Andrea Fiocchi von der internationalen Anwaltskanzlei Reinhardt LLP. Heute aber sei der Markt breit und unglaublich expansiv. Immobilienexperten schätzen, daß in New York 2013 hinter über einem Drittel der Objektkäufe ausländische Investoren standen, von denen die meisten aus Asien, aber auch aus Lateinamerika und Europa kamen. Eigentümerin der Luxus-Apartments in bester New Yorker Lage ist oft eine LLC in Delaware, die wiederum durch eine Briefkastenfirma auf den British Virgin Islands gemanagt wird und einem Trust auf der Isle of Man gehört. Jüngsten Berichten zufolge wird etwa ein Drittel aller Immobilienkäufe in Manhattan von Investoren mit Offshore-Adressen oder im Namen einer LLC-Firma abgewickelt. Die anonyme LLC-Konstruktion eignet sich aber nicht nur für den Immobilienerwerb. Auch für andere diskrete Geschäfte kommt diese Rechtsform infrage. Mit Ausnahme von Bankgeschäften sind alle rechtmäßigen Arten von Unternehmen im Rahmen von LLCs erlaubt. Schon umwirbt die in London ansässige Steuerkanzlei St. Matthew potentielle Klienten im deutschsprachigen Raum. Im Internet bietet die Kanzlei umfassende Dienstleistungen an: »Keine Anreise nötig. Sofortgründung durch einen Anwalt in nur 48 Stunden, Konto in der Schweiz, den USA oder auf Malta«.  [3]  

Macht man sich Brückners Aussage bewusst, dass auch in deutschen, in Delaware Beteiligungen haltenden Landesbanken führende Politiker mit einsitzen, die immer härtere Strafen für Steuersünder fordern, dann dürfte dem geschundenen Steuerzahler einmal mehr klar sein, wie der erbärmliche Filz hinter den Regierungskulissen beschaffen ist.  Und ganz generell: Die Steueroasen werden sich noch lange halten, denn sie haben die internationalen Grossbanken auf ihrer Seite.

 

[1]  http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bdi-praesident-grillo-wirft-amerika-foulspiel-vor-13038873.html   10. 7. 14   Europas Industrie wirft Amerika Foulspiel vor -  Konzerne kaufen mit unversteuerten Dollar Konkurrenten auf. Und Amerikas Justiz schüchtert Banken aus der EU ein. Die Industrie schlägt Alarm  -  Von Andreas Mihm  
[2] 
http://www.axantra.com/offshore-gesellschaften/usa-delaware
[3]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/michael-brueckner/us-steueroasen-reserviert-fuer-die-finanz-elite.html  8. 7. 14 US-Steueroasen: Reserviert für die Finanz-Elite von Michael Brückner; Brückner lebt und arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist, Autor und Kommunikationsberater und ist auf auf Finanz- und Europathemen spezialisiert