Amerikas Foulspiel 13.07.2014 22:43
Die Internationalisierung des Kapitals zählt sicherlich zu den bedeutendsten Veränderungen
der
letzten 30 Jahre in der Finanzwirtschaft. Eine wesentliche Rolle bei dem
Globalisierungsprozess des Kapitals ist den Offshore-Finanzzentren
(OFC)
zuzuschreiben, welche heute ein wichtiges Element im internationalen
Finanzsystem darstellen. Im Mittelpunkt der Diskussion über die Offshore-Zentren stehen stets Geldwäsche,
Finanzmarktstabilität und Steuerflucht. Die Schätzungen über die wahre Höhe des
in den OFCs verwalteten Vermögens reichen von fünf bis sechs Billionen US-$.
Dies entspricht ca. einem Drittel der gegenwärtigen Weltproduktion und
verdeutlicht die hohe ökonomische Macht der OFC für die Weltwirtschaft. Kein
Wunder, dass die Vereinigten Staaten von Amerika grösster Nutzer der Offshore-Zentren
sind und diese im eigenen Land unterhalten.
Doch der
grösste europäische Handelspartner arbeitet mit unlauteren Mitteln Das
bezieht sich zum einen auf amerikanische Grosskonzerne, die mit unversteuerten
Einnahmen auf Einkaufstour gehen. Aus Steuervorteilen verschaffen sich
amerikanische Unternehmen bei Übernahmen einen erheblichen Vorteil gegenüber
europäischen Konkurrenten, die den Kaufpreis aus versteuertem Gewinn tragen
müssten. Als hierfür beispielhaft sei die Pharmabranche erwähnt, in der sich
Übernahmeversuche durch amerikanische Konzerne in der Grössenordnung auch zweistelliger
Milliardenbeträge häufen. Zum anderen bezieht sich dies auf die Praxis der US-Justiz
und Bankenaufsicht, europäische Banken für angebliche Verstösse gegen
amerikanische Vorschriften mit sehr hohen Beträgen zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn es um
ausländische Banken geht, kennen die US-Behörden kein Pardon. Immer wieder
verhängen US-Gerichte neue Rekordstrafen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
oder angeblicher Geldwäsche und treiben damit kleinere Banken resp. Unternehmen
in den Konkurs. Und sollten sich die betroffenen Geldinstitute nicht ›kooperativ‹ verhalten, wird schon mal mit dem Entzug der Banklizenz für die
USA gedroht.
»Es kann nicht sein, dass Amerika das europäische
Finanzsystem schwächt und anschliessend vielleicht die eine oder andere Bank
kauft«, erklärt der Präsident des Bundesverbands der Deutschen
Industrie [BDI], Ulrich Grillo. Da sei es von Nachteil, mit Ländern zu
konkurrieren, in denen der Staat die Geschäfte weniger reguliere. »Wenn
diese Länder europäische Banken zusätzlich mit Strafen aushungern, dann wird es
kritisch«, sagte Grillo. Er gab damit dem Verdacht neue
Nahrung, den Amerikanern gehe es um mehr als die Bestrafung potentieller Regelbrecher.
[1]
Aktuell verdächtigen amerikanische Aufsichtsbehörden die Commerzbank,
Gelder für Unternehmen in den Iran und den Sudan transferiert zu haben. Es
drohen angeblich Strafen von knapp 1 Milliarde Dollar. Auch die Deutsche Bank
hat Rückstellungen für Prozesse in Milliardenhöhe gebildet. Unlängst war der
französischen Bank BNP Paribas wegen Verstössen gegen ausschliesslich von der
USA verhängte Sanktionen eine Busse von fast 9 Milliarden $ auferlegt.
Wie
kann mit diesem Wissen überhaupt der Gedanke an eine Freihandelszone erörtert
werden! Die Erpressung und die Scheinheiligkeit der US-Regierung stösst
zunehmend auch in der USA selbst auf Unverständnis: »Ich habe es satt, dass
unsere Regierung andere Länder zu schärferen Vorschriften gegen die
Steuerflucht bewegen will, aber im eigenen Land nichts unternimmt«, schimpft
z.B. John Cassara, der 26 Jahre für das US-Finanzministerium und die CIA tätig
war.
Es
ist völlig unverständlich, dass sich europäische Staaten, deren Politiker und
Banken dem US-Diktat
beugen, denn die USA praktiziert Steuerflucht begünstigende Geschäfte z.B.
mittels ihrer ›Delaware LLCs‹ selber in ausgefeilter Perfektion;
unter dem Stichwort ›Delaware‹ findet sich eine Vielzahl von
Artikeln auf politonline, welche die
mit den Offshore-Zentren verbundenen Vorgänge, und zwar nicht nur für Delaware,
klar und deutlich offenlegen. Sichtbar ohne jegliche Wirkung auf
unserer Volksvertreter, von denen man inzwischen annehmen muss, dass sie sich in ihrer
Mehrheit über nichts grundlegend informieren. Denn auch die Fakten, welche die
durch die Offshore-Zentren unterhaltenen Trusts betreffen, sind zigfach
beschrieben worden, ohne dass zu konstatieren gewesen wäre, dass sich das
hochbezahlte Europäische Parlament oder die Abgeordneten der EU-Mitgliedstaaten
einmal bereit gefunden hätten, diese grundlegend aufzugreifen.
Die Firmenform ›Limited Liability Company‹
LLC Nun
ist Delaware nicht nur eine Steueroase, sondern bietet auch einzigartige Formen
der Anonymität; Delaware ist einer der wenigen US-Bundesstaaten, die das
sogenannte ›anonymous filing‹ erlauben. Weder die Namen,
Anschriften der Mitglieder und Manager, noch das ›Operating Agreement‹
werden ins Handelsregister von Delaware eingetragen. Somit sind Delaware ›LLCs‹ eine der wenigen Firmenformen weltweit, welche vollständig
anonym - also ohne Einsatz von
Treuhändern - betrieben werden können.
Kein Wunder, dass im kleinen Ostküstenstaat rund 600'000 Firmen auf 875'000
Einwohner kommen. In den Neunzigerjahren soll Delaware bei der russischen Mafia
sehr beliebt gewesen sein. Diesbezüglich scheint die US-Justiz blind zu sein,
denn Delaware kann mit seinen ›nicht
steuerpflichtigen, pass-through taxation LLC- Geschäften‹ weltweit frank
und frei zur Steuerhinterziehung ermuntern und einladen; hierzu ein kurzer
Ausschnitt aus der Werbeanzeige der Firma Ayantra Consult Ltd für die Gründung
einer LLC-Offshore-Firma in Delaware: »Die
Delaware LLC ist die flexibelste und am einfachsten zu betreibende
Gesellschaftsform in der USA. Eine LLC muss weder eine Bilanz einreichen, noch
unterliegt sie der US- Körperschaftssteuer, wenn keiner der Firmeninhaber in
der USA ansässig ist und keine Geschäftstätigkeit in der USA stattfindet. Die
Delaware LLC bietet ausserdem ein Höchstmass an Anonymität. ….. Als Durchreichungsgesellschaft - ›Pass-through
entity‹ - wird die Delaware LLC
steuerlich nicht als Firma betrachtet. ……. Sie unterliegt keinerlei Besteuerung
in Delaware, mit Ausnahme der pauschalen jährlichen Franchise Tax; bei dieser
handelt es sich um eine pauschale Jahressteuer von 250.- USD, die an den Staat
Delaware zu entrichten ist. [2] Auch Colorado, Oregon und Arkansas werben für
LLC-Geschäfte.
Die
LLC-Geschäfte sind auch Gegenstand des Artikels ›US-Steueroasen: Reserviert für
die Finanz-Elite‹ von Michael Brückner, der hierzu u.a. folgendes
darlegt: »Nicht zuletzt auf Grund massiven Drucks aus der USA wurde
das Bankgeheimnis in Europa abgeschafft. Doch Washington treibt ein doppeltes
Spiel: Während man offiziell hart gegen ausländische Steueroasen vorgeht,
blühen die diskreten LLC-Geschäfte in Delaware. Wenn es um ausländische Banken
geht, kennen die US-Behörden kein Pardon. Immer wieder verhängen die Gerichte
neue Rekordstrafen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder angeblicher
Geldwäsche. Uncharmant könnte man dies als Erpressung bezeichnen. Während Großbanken diese Strafen zahlen können, ohne in größere Turbulenzen zu kommen, blieb dem kleinen, aber
feinen Schweizer Bankhaus Wegelin & Co. im vergangenen Jahr keine andere
Möglichkeit, als das Kreditinstitut faktisch aufzulösen. Seither gibt es die 1741
gegründete älteste Bank der Schweiz nicht mehr. Das rabiate Vorgehen der
US-Behörden gegen Banken, die in den vergangenen Jahren ›Steueroptimierern‹ hilfreich
zur Seite standen, stößt bei der internationalen
Gutmenschen-Fraktion durchaus auf Beifall. Schließlich geht es doch den angeblich asozialen
Steuerhinterziehern und ihren Helfershelfern an den Kragen.
Doch
haben die US-Behörden wirklich die Förderung der weltweiten Steuerehrlichkeit
im Blick? Wollen sie nur gezielt Geldwäsche und Terrorfinanzierung bekämpfen?
Wohl kaum, schließlich wird in der USA mit zweierlei Maß gemessen. Und der
Verdacht liegt nahe, daß Regierung und Behörden nicht grundsätzlich alle
Steueroasen dieser Welt trockenlegen wollen, sondern nur jene außerhalb des
eigenen Landes. Ziel dieser Strategie scheint zu sein, der USA quasi ein ›Oasen-Monopol‹ zu sichern. Während die US-Behörden von ausländischen Staaten
wie selbstverständlich Amtshilfe verlangen und gern schon mal mit ›ernsten Konsequenzen‹ drohen, wenn sich ein Land nicht
kooperativ zeigen sollte, stoßen ausländische Ermittler in der USA auf taube
Ohren, sobald es um die Steueroase Delaware geht. »Wenn die Geldspuren von
ausländischen Kriminellen nach Delaware oder ähnlichen US-Bundesstaaten führen,
können wir wenig bis nichts unternehmen«, sagt John Cassara frustriert.
Immerhin hat Delaware einen prominenten Fürsprecher, nämlich keinen Geringeren
als US-Vizepräsident Joe Biden, der den Bundesstaat von 1973 bis 2009 im
US-Senat vertrat. Zu den in Delaware registrierten Unternehmen zählen viele
erste Adressen der Wall Street, aber auch zahlreiche deutsche Landesbanken
halten Beteiligungen in Delaware. Also Geldinstitute, in denen führende
Politiker sitzen, die immer härtere Strafen für Steuersünder fordern.
Das britische ›Tax Justice Network‹ bezeichnet Delaware als den ›undurchsichtigsten und
verschwiegensten Finanzplatz‹.
Bezüglich
der den Akteuren für ihr Engagement in der Steueroase Delaware zur Verfügung
stehenden, absolute Anonymität garantieren LLCs dürfte sich nichts ändern, da
die US-Regierung keine Anstalten macht, gegen die eigenen Steueroasen
vorzugehen. Derzeit sind LLCs vor allem zum diskreten Erwerb von New Yorker
Luxus-Apartments begehrt. US-Medien berichten, in exponierten Lagen von
Manhattan würden seit einiger Zeit unglaubliche Summen umgesetzt, in US-Dollar,
Rubel und Yuan. Die Geldwaschanlage läuft auf Hochtouren. Besonders
interessiert sind die Käufer an Apartments zwischen Park und Fifth Avenue sowie
zwischen der 49. und 70. Straße. Dort investieren jetzt die Superreichen dieser
Welt, die früher Kunden bei Schweizer Privatbankiers waren. »Die globale Elite
sucht nach einem neuen Bankschließfach«, konstatiert der Immobilienexperte
Michael Stern. Woher das Geld kommt, interessiert weder die Anwälte, die ihre
wohlhabenden Mandanten bei diesen Deals betreuen, noch die spezialisierten
Immobilienmakler. New York sei die Stadt außerhalb Asiens, die das meiste Geld
anziehe. »Vor zehn Jahren gab es hier nur eine überschaubare Anzahl von
Elite-Investoren«, sagt Andrea Fiocchi von der internationalen Anwaltskanzlei
Reinhardt LLP. Heute aber sei der Markt breit und unglaublich expansiv.
Immobilienexperten schätzen, daß in New York 2013 hinter über einem Drittel der
Objektkäufe ausländische Investoren standen, von denen die meisten aus Asien, aber auch aus Lateinamerika und Europa kamen.
Eigentümerin der Luxus-Apartments in bester New Yorker Lage ist oft eine LLC in
Delaware, die wiederum durch eine Briefkastenfirma auf den British Virgin Islands
gemanagt wird und einem Trust auf der Isle of Man gehört.
Jüngsten Berichten zufolge wird etwa ein Drittel aller Immobilienkäufe in Manhattan
von Investoren mit Offshore-Adressen oder im Namen einer LLC-Firma abgewickelt.
Die anonyme LLC-Konstruktion eignet sich aber nicht nur für den
Immobilienerwerb. Auch für andere diskrete Geschäfte kommt diese Rechtsform
infrage. Mit Ausnahme von Bankgeschäften sind alle rechtmäßigen Arten von
Unternehmen im Rahmen von LLCs erlaubt. Schon umwirbt die in London ansässige
Steuerkanzlei St. Matthew potentielle Klienten im deutschsprachigen Raum. Im
Internet bietet die Kanzlei umfassende Dienstleistungen an: »Keine Anreise
nötig. Sofortgründung durch einen Anwalt in nur 48 Stunden, Konto in der
Schweiz, den USA oder auf Malta«. [3]
Macht
man sich Brückners Aussage bewusst, dass auch in deutschen, in Delaware
Beteiligungen haltenden Landesbanken führende Politiker mit einsitzen, die
immer härtere Strafen für Steuersünder fordern, dann dürfte dem geschundenen
Steuerzahler einmal mehr klar sein, wie der erbärmliche Filz hinter den
Regierungskulissen beschaffen ist. Und
ganz generell: Die Steueroasen werden sich noch lange halten, denn
sie haben die internationalen Grossbanken auf ihrer Seite.
[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bdi-praesident-grillo-wirft-amerika-foulspiel-vor-13038873.html 10. 7. 14
Europas Industrie wirft Amerika Foulspiel vor - Konzerne kaufen mit unversteuerten Dollar
Konkurrenten auf. Und Amerikas Justiz schüchtert Banken aus der EU ein. Die
Industrie schlägt Alarm - Von Andreas Mihm [2] http://www.axantra.com/offshore-gesellschaften/usa-delaware [3] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/michael-brueckner/us-steueroasen-reserviert-fuer-die-finanz-elite.html 8. 7. 14 ›US-Steueroasen:
Reserviert für die Finanz-Elite‹ von
Michael Brückner; Brückner lebt und arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist,
Autor und Kommunikationsberater und ist auf auf Finanz- und Europathemen
spezialisiert
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