3000 Syrer 16.03.2015 01:02
Roger Köppel - Eine restriktive Asylpolitik ist nicht unmenschlich. Sie ist eine Forderung der Ethik
Laut
NZZ hat der Bundesrat letzten Freitag entschieden, 3000 Syrer im
Schnellverfahren als Flüchtlinge in der Schweiz aufzunehmen. Das heisst: Die
Syrer dürfen für immer hierbleiben. Sie können ihre Familien nachziehen. Was
die Massnahme für die derzeit hängigen 7065 weiteren syrischen Asylgesuche
bedeutet, verschweigt die Regierung. Man will sich alle Möglichkeiten
offenhalten.
Letzte
Woche kam ausserdem heraus, dass die Schweiz gemäss einem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts bei Syrern Wehrdienstverweigerung als Asylgrund
anerkennt. Es ist mit einer steil steigenden Nachfragekurve zu rechnen.
Die Schweiz hat mit den Eritreern bereits einschlägige Erfahrung gesammelt. Sie
liess auch hier Dienstverweigerung als Asylgrund gelten. Die Zahl eritreischer
Asylsuchender schwoll daraufhin so massiv an, dass der entsprechende
Gesetzesparagraph wieder abgemildert werden musste. Die
Misere lässt sich an den Zahlen ablesen: Rund 90 % Prozent der eritreischen
Flüchtlinge leben heute in der Schweiz ausschliesslich von der Sozialhilfe.
Bei den Syrern bahnt sich jetzt mit bundesrätlichem Segen das gleiche Debakel
an.
Die
Schweiz hat eine humanitäre Flüchtlingstradition. Darauf ist sie stolz. Zu
Recht. Als Gralshüter dieser Tradition hat der Bundesrat dafür zu sorgen, dass
die Flüchtlingspraxis sorgfältig und korrekt gehandhabt wird. Er muss schauen,
dass die richtigen Personen Asyl gewährt bekommen. Er muss die Rechtsordnung
durchsetzen. Er muss die Bevölkerung ernst nehmen, wenn Zweifel an der
Glaubwürdigkeit des Asylwesens aufkommen. Eine falsche Politik produziert
Misstrauen, Unmut, Fremdenhass und in letzter, schlimmer Konsequenz, brennende
Asylantenheime wie in Frankreich oder Deutschland. Das Schweizer Asylwesen ist
ein Problemsumpf. Die Verfahren dauern zu lange. Abgelehnte Asylbewerber
bleiben trotzdem. Viele verweigern die Rückschaffung. Die Bleibequote liegt bei
60 %. In den Gemeinden explodieren die Sozialkosten, weil die Kontingente
zentralistisch zugewiesen werden, ohne Rücksicht auf Verkraftbarkeit. Den
brodelnden Groll verschärfen Asylsuchende selber, wenn sie ihr Gastrecht für
Straftaten und Randale missbrauchen. Das freilich ist nicht ihre Schuld.
Verantwortlich sind die Behörden, die an der Wurzel nichts dagegen unternehmen.
Die
Obrigkeit, die Linke und die ihr gewogenen Medien knüppeln Kritik mit der
Rassismuskeule weg. Sie diffamieren die Leute, die unter den Lasten der
falschen Asylpolitik leiden, als Fremdenfeinde. Die Politiker wollen die
Probleme nicht lösen, die sie selber verursachen. Justizministerin Simonetta Sommaruga gibt sich
gerne als Schulmeisterin dieser Hochmoral. Die Züchtigungen zielen darauf ab,
die Kritiker einzuschüchtern, damit niemand von den Misständen redet.
Jedoch:
Die Leute schlucken es nicht mehr. Die Schweizer sind nicht gegen Flüchtlinge,
aber immer mehr Leute sind empört, weil der Bund sich weigert, das eigene
Asylrecht ähnlich mitleidlos durchzusetzen wie das Steuerrecht oder das
Bussenregime im Strassenverkehr. Trotz unbewältigter Asylmisere sollen jetzt
Tausende von neuen Flüchtlingen kommen. Die Leute spüren es längst: Das
ist keine Massnahme zur Minderung des Elends, sondern eine PR-Aktion auf dem
Jahrmarkt der politischen Eitelkeiten.
Eine
Ethik formuliert taugliche Regeln für den Alltagsgebrauch. Ethisches Verhalten
muss sich somit immer an der konkreten Gemeinschaft ausrichten, die sich die
ethischen Verhaltensregeln gegeben hat. Der ethische Anspruch der Asylpolitik
hat sich in der Lebenswirklichkeit der hier lebenden Menschen, die sich dem
ethischen Anspruch unserer Flüchtlingspolitik verpflichtet fühlen, zu bewähren.
Die
Schweiz darf keine Flüchtlingspolitik betreiben, die von den Leuten nicht mehr
mitgetragen wird. Lässt der Bundesrat dies zu, gefährdet er die
humanitären Errungenschaften, die er zu pflegen vorgibt.
Der
Bundesrat handelt unethisch, wenn er willkürlich 3000 Syrer samt Anhang
aufnimmt. Er handelt unethisch, weil er die humanitäre Aufnahmebereitschaft der
Bevölkerung, die unter den Risiken und Nebenwirkungen seiner Politik leidet, strapaziert.
Er handelt auch unethisch in Bezug auf die Herkunftsländer, die beim
Wiederaufbau die dauerhaft in der Schweiz lebenden Flüchtlinge benötigen
würden. Und er handelt unethisch in Bezug auf die Flüchtlinge selber, von denen
die meisten, da kulturell fremd, als Dauer-«Klienten» in unserem Sozialstaat
enden werden. Was wiederum den Unmut unter den Schweizern verschärft.
Wäre
es dem Bundesrat wirklich um die Sache und nicht um die schein-ethische
Bewirtschaftung seines Images gegangen, hätte er die Syrer nur vorläufig
aufgenommen. Oder seine Hilfe weniger medienwirksam vor Ort intensiviert. Ein
Flüchtling ist eine Person, die daheim an Leib und Leben bedroht ist. Da der Syrienkrieg
nicht ewig dauern wird, ist es zumutbar, vernünftig und ethisch, Flüchtlingen
aus dieser Gegend regional zu helfen oder sie so lange aufzunehmen, bis sie
wieder nach Hause zurückkehren können. Tatsache ist allerdings, dass in der
Schweiz auch die vorläufig Aufgenommenen meistens für immer bleiben. Die
Behörden setzen die Gesetze nicht mehr durch. Die angeblich grosszügige Geste
gegenüber den Syrern entpuppt sich bei genauem Hinsehen als Schwächesymptom einer
Funktionsstörung des Rechtsstaats.
Eine
massvolle und damit restriktive Flüchtlingspolitik ist nicht unmenschlich. Sie
ist im Gegenteil eine Forderung der Ethik und der Vernunft. Humanitäres,
karitatives Handeln darf sich nicht überdehnen und überfordern. Sonst zerstört
es seine Grundlagen.
Quelle: http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2015-11/editorial-3000-syrer-die-weltwoche-ausgabe-112015.html Editorial:
3000 Syrer | Die Weltwoche, Ausgabe 11/2015 | Montag, 16. März 2015
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