Zum Eingreifen Russlands in Syrien

Den nachfolgenden Ausführungen ist voranzustellen, dass die Regierung Obama

und ihre regionalen Verbündeten wie die Türkei, Saudi-Arabien und Katar, wie dies aus einem Bericht der Bürgerrechtsbewegung Solidarität hervorgeht, weiter fanatisch darauf fixiert sind, Baschar al-Assad um jeden Preis zu stürzen. Es waren diese Länder, die den Aufstieg des ISIS, der al-Nusra und anderen Dschihad-Gruppen ermöglichten. Wie es vor kurzem hiess, hat der frühere CIA-Chef, General David Petraeus, der der Kommandeur der Koalitionsstreitkräfte im Irak und in Afghanistan war, vorgeschlagen, dass sich Washington mit Teilen der al-Nusra-Front verbünden sollte, um Assad zu stürzen. Die Idee beruht offenbar auf Petraeus’ Erfahrung im Irak 2007, als die Amerikaner einige sunnitische Milizen überzeugen konnten, mit ihnen statt mit al-Kaida zu kooperieren. Das Resultat dieses faulen Tricks ist bekannt: Noch mehr Krieg und Chaos. Die Entscheidung der NATO, im Südwesten der Türkei nahe der syrischen Grenze Patriot-Luftabwehrraketen zu stationieren, hat den Vormarsch der Dschihadisten massiv unterstützt. Ankara hatte behauptet, es müsse dadurch sein Territorium vor der syrischen Luftwaffe schützen, obwohl diese, wie die NATO-Militärführung wusste, keine ernsthafte Bedrohung für die Türkei darstellte. Faktisch lieferten die Patriot-Einheiten al-Nusra und anderen Rebellengruppen im Nordosten Syriens Deckung aus der Luft, weil die syrische Luftwaffe aus Furcht davor, abgeschossen zu werden, dort keine Angriffe wagte, worauf US-Geheimdienstexperten wie Pat Lang vor kurzem hingewiesen haben. Die NATO-Verteidigungsminister betonten zwar offiziell, die Abwehrraketenbatterien dienten nur dem Schutz der Türkei und nicht der Einrichtung einer Flugverbotszone. Aber der türkische Präsident Erdogan hatte schon immer andere Pläne, so dass Präsident Obama Anfang August dann mit Ankara aushandelte, Angriffe auf Syrien von Basen in der Türkei aus zu fliegen. Damit erhielt die Türkei praktisch grünes Licht, die Kurden zu bombardieren, obwohl diese vor Ort die effektivste Kraft am Boden sind, die gegen den IS kämpft.  [1]  

Nun ist Moskau bekanntlich einer der letzten Verbündeten Assads und hat auch bestätigt, dass sich an Bord von Hilfsflügen für Syrien auch neue Waffen für das Regime befanden. Gleichzeitig wurden aber Berichte über ein direktes militärisches Eingreifen dementiert. Aussenminister Sergej Lawrow erklärte zudem, dass russische Soldaten seit mehreren Jahren in Syrien stationiert seien und dass russische Militärexperten der syrischen Armee den Umgang mit den russischen Waffen zeigten. Auch betonte Kremlsprecher Dimitri Peskow, dass die Soldaten nicht an Kampfhandlungen teilnehmen würden. Zuvor hatte das NATO-Mitglied Bulgarien auf Druck der USA hin seinen Luftraum für russische Versorgungsflüge in das Bürgerkriegsland gesperrt. Russland hat sein Vorgehen, verteidigt: Die syrischen Regierungskräfte trügen die Hauptlast im Kampf gegen Terroristen wie den IS und andere Extremisten, sagte Lawrow. Wir werden der syrischen Regierung auch weiterhin helfen, die Armee mit der nötigen Ausrüstung zu versorgen.‹   [2]  

In zahlreichen Radio-Interviews  - so beispielsweise am 8. September im Rundfunk Berlin-Brandenburg RBB -  hat General a.D. Harald Kujat, der von 2002 bis 2005 Chef des Militärausschusses der NATO war, in Bezug auf Syrien ein Zusammengehen mit Russland gefordert: »Ich persönlich bin der Auffassung, daß man versuchen sollte, eine große Allianz zu schmieden, d.h., der Westen sollte hier in der Tat mit Rußland zusammenarbeiten.« Nach Kujats Einschätzung wollen die Briten und die Franzosen jetzt nur deshalb mit Luftangriffen in Syrien einschreiten, weil sie gehört haben, daß sich auch die Russen dort stärker engagieren wollen. Durch Luftschläge allein sei der Krieg jedoch nicht zu gewinnen, warnte Kujat. Als der RBB Kujat direkt auf die starken Besorgnisse der USA über die russische Militärpräsenz ansprach und wissen wollte, ob eine so große Allianz überhaupt realistisch sei, antwortete dieser: »Ob sie realistisch ist, weiß ich nicht, das hängt von der Bereitschaft der Vereinigten Staaten ab, hier tatsächlich zu einer langfristigen Lösung beizutragen oder nicht. Aber es ist nach meiner Auffassung aus politischen und militärischen Gründen geboten, eine solche Allianz zu schließen. Politisch hätte es den Vorteil, daß man z.B. ein UNO-Mandat für eine humanitäre Intervention bekommen könnte, und militärisch hätte es den großen Vorteil, daß es nicht zu Zusammenstößen zwischen westlichen Streitkräften und russischen Streitkräften käme. Was uns dabei trennt, sind unterschiedliche strategische Ziele. Rußland will natürlich das Assad-Regime erhalten und stärken, der Westen will das nicht. Indessen sollte jedoch allen ein überragendes Ziel gemeinsam sein, nämlich diesen Krieg zu einem Ende zu bringen.« Auch Kujat hat erklärt, dass die Flüchtlinge in Europa nur einen kleinen Teil der Flüchtlinge innerhalb Syriens und in den Nachbarstaaten ausmachen. Er wies auch darauf hin, dass Saudi-Arabien und der Iran zu einer regionalen Lösung hinzugezogen werden sollten. Man sollte mit den Russen kooperieren, wie diese es 2012 vorgeschlagen hatten, was aber zurückgewiesen wurde - und das war falsch, betonte Kujat.  [3]  

Wie Strategic Alert schreibt, »hat auch der deutsche Politikwissenschaftler Horst Teltschik eine dringende Warnung an das Kanzleramt gerichtet: »Dieses täte wohl daran, auf ihn zu hören. Als wichtigster außenpolitischer Berater Bundeskanzler Kohls zur Zeit der Wiedervereinigung war Teltschik an den Bemühungen Kohls beteiligt, Moskau verläßliche Sicherheitsgarantien gegenüber der NATO zu geben. Später war er von 1999 bis 2008 Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Seit Beginn der Ukrainekrise hat er den Westen wiederholt gemahnt, den Konfrontationskurs aufzugeben, so erneut im Focus vom 26. 8., in dem er warnt: Die Rußland-Strategie der NATO ist brandgefährlich. Die laufenden Militärmanöver seien als gegenseitige Drohgebärden zu verstehen. Rußland versucht die NATO einzuschüchtern - und umgekehrt. Daß die NATO den Dialog und die Kooperation mit Rußland eingestellt habe, sei ein riesiger Fehler, so Teltschik. Im Kalten Krieg hat die NATO eine klügere Politik gemacht als heute. Die westliche Allianz habe sehr viel von dem Vertrauen zerstört, das in den letzten Jahrzehnten zwischen der NATO und Rußland aufgebaut worden war. Sehr ähnlich warnt das European Leadership Network ELN, eine Gruppe hochrangiger früherer Regierungspolitiker, darunter ehemalige Außen- und Verteidigungsminister, in einem Notappell vom 26. 8. mit dem Titel Wie man das Risiko eines militärischen Zusammenstoßes zwischen Rußland und der NATO verringert. Sie rufen die NATO dazu auf, die offiziellen Gesprächskanäle wie den NATO-Rußland-Rat wieder zu öffnen, um über Maßnahmen zu sprechen, die verhindern, daß sich mögliche Zwischenfälle bei Manövern zu direkten Konflikten ausweiten. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören die früheren Verteidigungsminister Malcolm Rifkind [England], Paul Quilès [Frankreich] und Volker Rühe [Deutschland], ferner die früheren Außenminister Igor Iwanow [Rußland],  Ana Palacio [Spanien] sowie der Vizedirektor des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Alexej Gromyko. 

Eine weitere wichtige Initiative kam am 25. August vom Deutschen Freidenkerverband aus Berlin; dieser warnt in einem Offenen Brief: Nach Angriffskriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien wird ein Krieg gegen Rußland vorbereitet. Die Umzingelung Rußlands mit Militärbasen, das Vordringen der NATO nach Osten, der Aufbau eines US-Raketenabwehrschildes sowie westliche Operationen in der Ukraine sind Teil dieser Konfrontation. Diese Initiativen laufen parallel zur Petition des Schiller-Instituts Die akute Gefahr des Dritten Weltkriegs stoppen.«  [4]  

Anmerkung politonline d.a.  >
Als wäre dieser Sachverhalt nicht gegeben, warnte die
Bundesregierung am 7. 9. vor dem Eingreifen der Russen in Syrien; dies ausgerechnet unter dem Kassandraruf, dass dann Chaos und Anarchie drohten. Als ob sie ignorieren könnte, dass beide längst in Syrien toben und genau das ist, was Washington in diesem mit deutscher Unterstützung vom Zaun gebrochenen Krieg anstrebt. »Das ist ein übles Spiel«, schrieben hierzu die Deutschen Wirtschafts Nachrichten. »Wo bleibt der deutsche Appell an die Kriegstreiber in Washington? Die neueste Entwicklung in Syrien zeigt beispielhaft, welch unrühmliche Rolle die deutsche Außenpolitik unter Angela Merkel spielt. Merkel läßt sich als neues Idol der Flüchtlinge feiern. Es sei schön, daß Deutschland im Nahen Osten als begehrenswertes Objekt gesehen werde, sagte sie. Weniger schön ist allerdings die Tatsache, daß Merkels Außenpolitik die letzte Glaubwürdigkeit im Nahen Osten verspielt. Deutschland übernimmt eine geradezu avantgardistische Rolle für die NATO. Zu diesem Zweck wird nun Rußland als potentieller Verursacher der syrischen Tragödie aufgebaut.« Wie die DWN weiter darlegten, erklärte indessen ein Sprecher des Auswärtigen Amts am 7. 9. in Berlin, »der Konflikt werde sich sicherlich nicht militärisch lösen lassen. Alle Beteiligten, auch die Regierung in Moskau, wären gut beraten, ihre Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und Gespräche über die politische Zukunft des Landes aufzunehmen. Es müsse verhindert werden, daß das syrische Staatswesen vollkommen in den Strudel des Bürgerkrieges gerate.«   

Inzwischen scheinen sich die Falken in Washington der Sache anzunehmen. »Die Neocons«, so die DWN ferner, »deren Ziel möglichst viele globale Kriege zur Belebung der Konjunktur für die Rüstungsindustrie sind, lassen über Reuters wissen: In US-Regierungskreisen hatte es am Wochenende geheißen, die USA hätte besorgniserregende Vorbereitungen für einen russischen Militäreinsatz in Syrien entdeckt. So seien Wohncontainer für Hunderte von Menschen an einem syrischen Flugplatz aufgestellt worden. Dies könne darauf hinweisen, daß Rußland die Verlegung von schwerem Militärmaterial dorthin vorbereite.

Natürlich unterlässt es Merkel tunlichst, auszusprechen, dass der engste EU-Verbündete, die USA, das IS-Monster selbst geschaffen hat. »Im Kampf gegen den IS«, merken die DWN an, »haben sich die Russen bisher zurückgehalten. Deutschland verspielt mit Angela Merkels eilfertiger Verbreitung eines neuen Neocon-Spins die Chance, daß Deutschland eine Vermittlerrolle in Syrien übernimmt. Mit dieser devoten Haltung wäre zu überlegen, ob man dem deutschen Steuerzahler nicht viel Geld ersparen könnte, wenn man die Außenpolitik direkt aus dem NATO-Hauptquartier betreiben würde. Die freiwerdenden Ressourcen könnten dann zur Betreuung der Flüchtlinge verwendet werden, die Deutschland weiterhin obliegen wird.«  [5] 

Auch der deutsche Aussenminister hat sich laut German Foreign Policy gegen etwaige militärische Aktivitäten Russlands im Kampf gegen den Islamischen Staat in Syrien ausgesprochen. »Es kann nicht sein, dass jetzt wichtige Partner ... auf die militärische Karte setzen«, äusserte Frank-Walter Steinmeier zu Berichten, denen zufolge Moskau seine Lieferungen von Kriegsgerät an die syrische Regierung stark ausweite und womöglich eigene Militäroperationen gegen den IS plane, wobei Steinmeier die US-Operation, die Bombardierung Syriens, die jetzt begonnen hat, ebenso problemlos übergeht wie Merkel den Aufbau des IS durch die Vereinigten Staaten. Fakt ist, dass Steinmeiers militärische Karte seit Beginn des Syrienkriegs ausgespielt wird, und dass es Washington jetzt endlich gelungen ist, sein lange gehegtes Vorhaben, das Land unter Beschuss zu nehmen, zum Tragen zu bringen; was Frankreich und Grossbritannien angeht, so haben diese ihre Luftangriffe im Rahmen des Krieges gegen den IS vor wenigen Tagen auf Syrien ausgeweitet. 

Daher nochmals die Frage: Wer kann kontrollieren, ob das EU- und US-Militär den IS oder in Wirklichkeit lediglich Assads Territorium bombardieren?  

GFP zufolge »organisiert Russland seit Januar immer wieder Gespräche mit der syrischen Opposition, darunter zunächst vor allem mit Organisationen, die in Syrien selbst tätig sind, den bewaffneten Aufstand aber ablehnen. Inzwischen haben sich auch Vertreter der zerstrittenen Exilopposition, die bislang recht eng mit dem Westen kooperiert haben und den Bürgerkrieg befeuern, zu Verhandlungen in Moskau aufgehalten. Man versuche, alle einflussreichen Oppositionskräfte auf einer konstruktiven Basis zu konsolidieren, erläuterte Michail Bogdanow, Vizeaussenminister für den Nahen Osten und Afrika, diesen August. Ende August forderte Lawrow offiziell, das breite Spektrum der Opposition in Syrien und im Exil müsse sich endlich enger zusammenschliessen, um Friedensgespräche zu ermöglichen. Parallel dazu bemüht sich Moskau um Verhandlungen mit Saudi-Arabien sowie um einen wirkungsvollen Kampf gegen den Islamischen Staat; an ersteren soll die Regierung von Assad teilnehmen. Berichtet wird etwa von syrisch-saudischen Geheimdiensttreffen in Moskau; anschliessend, heisst es, sei der syrische nationale Sicherheitschef Ali Mamluk ….. vom wichtigsten Mann in Saudi-Arabien, Vizekronprinz Mohammed bin Salman, empfangen worden, und Mitte August hielt sich der Aussenminister Saudi-Arabiens, Adel al Jubeir, zu Gesprächen in Moskau auf. Man habe praktische Schritte abgesprochen, die darauf ausgerichtet sind, optimale Bedingungen für die Wiederaufnahme eines Dialogs zwischen der Regierung und der ganzen syrischen Opposition unter der Schirmherrschaft eines speziellen UNO-Vertreters zu schaffen, berichtete danach Aussenminister Lawrow.  [6]

Dem den Abschluss bildenden positiven Bericht zu den Gesprächen zwischen Russland und Syriens Opposition lässt sich nun die jetzt am Samstag, 12. September, bekanntgewordene, ebenfalls positive Nachricht hinzufügen, dass die BRD überraschend aus der Anti-Putin-Allianz der USA ausgebrochen ist und die Bereitschaft Moskaus, sich in Syrien zu engagieren, jetzt offiziell begrüsst. Wie die DWN schreiben [7], »hat Außenminister Steinmeier angekündigt, mit Lawrow und dem französischen Kollegen Laurent Fabius einen Vorstoß zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien zu starten. Sowohl Lawrow als auch Fabius werden am kommenden Samstag in Berlin erwartet. Lawrow hat inzwischen das US-Verteidigungsministerium zu einer Abstimmung mit dem russischen Militär aufgefordert. Da Kräfte beider Seiten in und um Syrien im Einsatz seien, ßte die USA die zuletzt eingestellte operative Koordination mit Rußland wieder aufnehmen, so Lawrow am 11. 9. in Moskau. Dadurch sollten nicht beabsichtigte Zwischenfälle verhindert werden. Russlands Militärmanöver im Mittelmeer seien im Einklang mit internationalem Recht. Lawrow erklärte zudem, die Moskauer Regierung werde auch weiterhin Waffen an die Truppen von al-Assad liefern, um sie in ihrem Kampf gegen den Islamischen Staat zu unterstützen.«

Wie es des weiteren heisst, hat Merkel diesen Samstag den Kurs ihres Aussenministers bestätigt und bekräftigt, dass eine Lösung des Syrien-Konflikts nur gemeinsam mit den Russen möglich sei.

Bleibt dieser Sinneswandel wie angekündigt bestehen, so verknüpft sich damit die Hoffnung, dass diese Wendung für die Syrer die Befreiung ihres Landes bringt. 

 

[1]  http://www.bueso.de/node/8214   8. 9. 15  
Absprache zwischen NATO und Türkei schützte Vormarsch des ISIS  
[2]  http://www.tagesschau.de/ausland/syrien-357.html   10. 9. 15  
[3]  http://www.bueso.de/node/8218    10. 9. 15
Syrien-Krieg: General Kujat fordert
große Allianz mit Rußland‹  
[4]  http://www.schillerinstitut.de/seiten/2015/gunsofaugust/kontaktformular.php 
Strategic Alert Jahrgang 28, Nr. 36 vom 2. 9. 15  

[5]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/09/07/uebles-spiel-merkel-warnt-vor-russen-in-syrien/  7. 9. 15  Übles Spiel: Merkel warnt vor Russen in Syrien  
[6]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59196   11. 9. 15  
Machtkampf in Nahost