Der ehemalige DIA-Chef drängt auf eine Koordination des Kampfes gegen den IS mit Rußland 21.12.2015 01:42
General Michael Flynn war bekanntlich auf Grund seiner unabhängigen und
wohlbegründeten
Analysen zum Krieg gegen den Terror -
diese hatten Generalstabschef Martin Dempsey dazu veranlaßt, den geplanten
US-Militärschlag gegen Syrien im September 2013 im letzten Moment abzublasen
- von Obama Mitte 2014 als Chef des US-Militärgeheimdienstes
DIA [Defense Intelligence Agency] entlassen worden. Mitte Dezember hat Flynn
nun eine alarmierende Einschätzung der Gefahr durch die vom Wahhabismus
beeinflußten Dschihadisten vorgelegt und nachdrücklich für eine umfassende
amerikanisch-russische Zusammenarbeit geworben. Er gehörte zu den Hauptrednern
einer internationalen Konferenz von ›RT‹, die anläßlich des 10. Jahrestags der
Gründung des internationalen russischen Nachrichtensenders am 10. 12. in Moskau
stattfand. Seine Teilnahme war ein deutliches Signal, daß wichtige
institutionelle Kreise in der USA entschlossen sind, den radikalen
Dschihadismus, der seiner Schätzung nach in Syrien und im Irak etwa 30.000
Kämpfer aus 80 Ländern zählt, zu besiegen. In dem Interview mit Sophie Schewardnadse von ›RT‹ betonte Flynn: »Wir
dürfen nicht zulassen, daß die Salafisten und die wahhabitischen Gruppen den
Rest von dem, was wir die moderate muslimische Welt nennen, und das ist ein
großes Kontingent, strangulieren und erwürgen.« Er widersprach ausdrücklich
Präsident Obamas Behauptung, der IS sei eingedämmt und wiederholte, daß das Weiße
Haus 2012 die Warnungen der DIA vor dem Aufstieg des IS in den Wind geschlagen
hatte, weil das nicht in Obamas ›Erfolgsbilanz‹ für den Wahlkampf um die Wiederwahl
paßte. Ein Jahr später sei in Washington intensiv darauf gedrängt worden, »daß
die Regierung mehr tue, nicht nur militärisch, sondern in dem Sinne, das ganze
existierende Wirtschaftssystem im Nahen Osten zu ändern«. Wie Flynn des
weiteren erklärte, seien von den etwa 450 Millionen Menschen in der arabischen
Welt 50 Millionen arbeitslos, was den Radikalismus unter jungen Menschen fördere.
Flynn verwarf die Vorstellung, die USA und Rußland könnten
aus irgendwelchen Gründen nicht zusammenarbeiten: »Ich denke, wir müssen
Abstand gewinnen, und wir müssen sagen: Okay, was sind die gemeinsamen Interessen
und was sind die gemeinsamen Ziele, die wir erreichen wollen? Das erste Ziel
ist, diese krebsartige Vorstellung, die innerhalb der islamischen Religion existiert,
auszumerzen.« Dies sei eine enorme Verantwortung für die Führung der Schiiten
und Sunniten. Das zweite Ziel sei dann, »ein gewisses Maß an Stabilität im
Nahen Osten zu erreichen, das ein neues Umfeld ökonomischer Bedingungen
schafft, damit - offen gesagt - eine Lösung für diese 15-30 Jahre alten
Männer gefunden wird.« Fakt ist, daß sich hochrangige Militärs und Diplomaten der
USA sich für eine Partnerschaft mit Rußland gegen den IS einsetzen. [1]
Bei seinem
Besuch in Moskau am 16. Dezember lautete die Aussage von US-Außenminister Kerry
nach dem Treffen mit Präsident Putin und Außenminister Lawrow: »Die USA und
unsere Partner sind nicht auf einen sogenannten Regimewechsel aus.« Kerry
wiederholte zwar die Formel, der syrische Präsident Assad könne Syrien keinen
Frieden bringen, betonte jedoch, der Schwerpunkt läge jetzt »nicht auf unseren
Unterschieden bezüglich dessen, was sofort mit Assad geschehen sollte oder auch
nicht«, sondern darauf, ein Friedensabkommen zu erreichen, in dem die »Syrer
Entscheidungen über die Zukunft Syriens treffen werden.« Auf diese Politik
Rußlands hatte man sich bereits bei den Wiener Syrien-Verhandlungen geeignet,
aber Obama hatte bei jeder Gelegenheit weiterhin provokativ verkündigt, ›Assad muß gehen‹. Kerry hat die Forderung syrischer Oppositionsgruppen, Assad
müsse sofort bei Beginn von Friedensverhandlungen abtreten, explizit als ungeeignet
für den Start der Verhandlungen bezeichnet. Mit seinen Äußerungen hob sich Kerry
deutlich von Obamas aggressiver Politik gegen Rußland ab. Kerry schlug auch in
der Ukraine-Frage eine deutliche andere Tonart an als Obama und betonte, es sei
nicht die Politik der USA, Rußland zu isolieren. Wenn der Friedensprozeß
weitere Fortschritte mache, sei ein Ende der Sanktionen möglich. Es ist
offensichtlich, daß Obamas aggressive Position gegen Rußland absolut inakzeptabel
ist, wenn eine wirkliche Lösung herbeigeführt werden soll. Je früher er seinen
Einfluß durch ein verfassungsmäßiges Amtsenthebungsverfahren, das in der USA
jetzt immer offener diskutiert wird, verliert, desto besser für den
Weltfrieden. [2]
Was steckt hinter der
saudischen ›Anti-Terror-Allianz‹? Saudi-Arabien
gab am 14. Dezember bekannt, es habe ein Bündnis von 35 islamischen Staaten
gegen den Terrorismus gebildet; das militärische Hauptquartier dieser Koalition
werde in Riad sein und vom stellv. Kronprinzen und Verteidigungsminister Mohammed
bin Salman geleitet werden; letzterer hatte erklärt, die Koalition werde »gegen
alle terroristischen Organisationen in der islamischen Welt kämpfen«.
Angesichts
der saudischen Rolle beim Aufbau extremistischer Islamistengruppen in den
letzten Jahrzehnten und der Rückendeckung durch die US- und die britische
Regierung muß man die Frage stellen, was die Saudis mit dieser Koalition,
der weder der Iran, noch der Irak noch Syrien angehören, tatsächlich bewirken
wollen. So schrieb Konstantin Kossatschew, der Vorsitzende des Ausschusses für
internationale Beziehungen des Russischen Föderationsrates, auf seiner Facebook-Seite:
»Nicht nur sunnitische, sondern auch schiitische Nationen wie der Jemen,
Libanon und Bahrain wurden zu dieser Koalition eingeladen, aber es fehlen noch
immer der Irak und der Iran, und ohne sie können wir jedenfalls nicht sagen,
daß diese Koalition effektiv sein wird.« Kossatschew zufolge könnte eine solche
Koalition funktionieren, wenn ihre Mitglieder ihre politischen Differenzen
beilegen. »Viel hängt von der Bereitschaft und Fähigkeit dieser Nationen ab,
gemeinsam für einen öffentlich erklärten Zweck zu handeln, anstatt verschiedene
›feindliche‹ Regimes zu stürzen.«
Tatsächlich
scheint die Islamische Front gegen den Terror, die Saudi-Arabien jetzt aufbaut,
eher eine
Fortsetzung der Sunnitischen Front zu sein, die bislang die syrische
Opposition und den Islamischen Staat unterstützt hat. Murat Yetkin schreibt auf
der Internetseite ›Hurriyet Daily
News‹ bezüglich der Sunnitischen
Front, sie sei im vergangenen März auf die Initiative des saudischen Königs
Salman hin als Front gegen den angeblichen ›vom
Iran unterstützten schiitischen Expansionismus‹ vorgeschlagen und von internationalen Führern - darunter auch dem
türkischen Präsidenten Erdogan - angepriesen worden. Sie bestand aus den 10
Staaten, die derzeit im Jemen intervenieren. Yetkin warnt, daß die Front ohne
die Beteiligung des Iraks in diesem Land gar nicht rechtmäßig tätig werden
dürfe. Es scheine sich daher mehr um einen weiteren Versuch der ›öffentlichen Diplomatie‹, sprich: Propaganda, zu handeln, als
um eine konstruktive Organisation. [Im übrigen haben angebliche Mitgliedstaaten
der neuen Koalition, wie Pakistan, Malaysia und der Libanon, offenbar erst aus
den Medienberichten von ihrer Mitgliedschaft erfahren; sie behaupten, sie
gehörten gar nicht dazu.]
»Aber
abgesehen davon«, so Yetkin ferner, »daß es eine schlechte Idee ist, eine neue
Front für den Kampf gegen den Terrorismus zu schaffen, ist das, was der Nahe
Osten nicht braucht, eine neue Betonung der religiösen Dimension der
bestehenden Unruhen. Warum zum Teufel fühlen sich die Vereinigten Staaten
genötigt, sich in der religiösen Spaltung des Islams auf eine Seite zu stellen?
Und warum rühmen sie die Rolle Saudi-Arabiens, das derzeit den wichtigsten Pool
an Human Ressources für den IS darstellt, das Land, aus dem viele radikale
Bewegungen - von den Wahhabiten bis
Al-Kaida - gekommen sind? Und warum in
aller Welt wird Ankara Teil dieser sinnlosen, aber gefährlichen Idee einer Sunnitischen
Front, während es gleichzeitig die Rhetorik wiederkäut, die Türkei stehe über
religiösen Differenzen?« Yetkin schließt mit den Worten, daß ein solches Bündnis
»entlang der Linien der bereits bestehenden, explosiven religiösen Spaltung
innerhalb des Islams wahrscheinlich nicht dazu verhelfen wird, die wachsenden
Spannungen in der Region zu beruhigen.«
Auch der
spanische Experte Ignacio Alvarez Ossorio bezeichnete den saudischen Vorschlag
einer ›Anti-Terror-Koalition‹ als Erweiterung der bisherigen von
Saudi-Arabien gebildeten Koalitionen in
einem Interview mit RT vom 16. 12. als eine ›schreckliche Idee‹.
Erstens, so Alvarez, spielten die Saudis selbst eine bedeutende Rolle beim
Aufbau der islamistischen Gruppen, deren Expansion erst durch die saudische
Unterstützung ermöglicht wurde. Aber nun hätten die Saudis offenbar selbst Angst
vor den Konsequenzen dieser Expansion. Wie es heißt, wird die saudische
Koalition ihr Vorgehen nicht mit anderen Koalitionen koordinieren. Was immer
die Saudis sagen, betont Alvarez, sie werden dabei ihre eigenen Ziele
verfolgen. Zweitens, so Ossorio des weiteren, werde der Kampf gegen den
Terrorismus oft als Vorwand genutzt, um die Zustimmung der internationalen
Gemeinschaft zu Bombenangriffen in verschiedenen Ländern zu erlangen - wie im
Jemen, in Syrien und im Irak geschehen. Das Ziel der Saudis sei es aber gar
nicht, den Terrorismus zu stoppen, sondern den Iran und die Schiiten
einzudämmen und die Regierungen im Irak und in Syrien zu stürzen - eine
Fortsetzung der saudischen Schritte in Bahrain, im Jemen und in Syrien.
Yetkins
Befürchtungen wurden im britischen ›Daily
Telegraph‹ bestätigt; dieser
berichtete, die britische Regierung bereite sich darauf vor, der neu zu
bildenden Landarmee der Sunnitischen Front volle Unterstützung zu geben. Man
erwarte, daß diese neue Front Sondereinsatztruppen nach Syrien entsenden wird,
um den Islamischen Staat zu bekämpfen. Der ›Telegraph‹ zitiert eine namentlich nicht
genannte Quelle, laut der »Großbritannien, die Vereinigten Staaten und andere
NATO-Staaten diesen Kräften Leitung und Aufsicht, Geheimdienstinformationen und
Luftunterstützung geben müßten. Das Büro des Premierministers habe sich jedoch ›geweigert‹, die militärischen Unterstützung zu kommentieren.«
Um dem
ganzen Spuk ein Ende zu machen, wäre vor allem ein Mittel effektiv: Die
Veröffentlichung der von Präsident Obama immer noch unter Verschluß gehaltenen
28 Seiten des 9/11-Kongreß-Berichtes, in dem es allen Ausführungen zufolge um
die saudische Verwicklung in den 9/11 auf höchster Regierungsebene geht. Darauf
haben alle Nationen der Welt ein Anrecht, bevor irgendwelche neuen ›Allianzen‹ zustande kommen, bei denen man wieder den Bock zum Gärtner macht.
Quellen:
[1] http://www.bueso.de/node/8376 16. 12. 15
[2] http://www.bueso.de/node/8375
16. 12. 15
[3] http://www.bueso.de/node/8381 18. 12. 15
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