EU - Was wir von Brüssel zu erwarten haben

Wie die EU-Kommission und das EU-Parlament allen EU-Mitgliedsstaaten vertragswidrig gesellschaftliche Vorstellungen aufzwingen wollen,

geht aus der nachfolgenden Zusammenfassung hervor. Mit einem neuen politischen Überwachungsmechanismus will das EU-Parlament in Zukunft diejenigen Staaten an den Pranger stellen, deren Bevölkerung sich durch Volksentscheide oder durch Parlamentswahlen einer Anpassung an Werte und Normen der EU widersetzt. Es kann sich auch um künftige Werte handeln, die vom EU-Parlament erst bestimmt werden. Damit umgeht das EU-Parlament die in Artikel 7 des EU-Vertrags vorgesehene Prozedur, die zum Entzug der Stimmrechte bei schwerwiegenden Verletzungen von Menschenrechten führen kann, und versucht, sich unmittelbar als Richter über die Mitgliedsstaaten zu erheben. Der Innenausschuß des EU-Parlaments hat dafür eine Initiative für einen integrierten Mechanismus für die systematische, objektive und vollständige Überwachung aller Mitgliedsstaaten der EU und ihrer Organe auf den Weg gebracht [Dokument 2015/2254 INL vom 5. April 2016].   

Er wirkt parallel zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs EuGH und besteht aus einem Anzeiger, einem Semester und länderspezifischen Regelungen. Ein 66-köpfiges Expertengremium unter der Leitung der EU-Grundrechteagentur verfolgt halbjährlich die Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten und teilt die Mitgliedsstaaten nach dem Ampelsystem in konform (grün) und Rebell (rot) ein; in der Folge diskutiert Brüssel mit den rebellischen Mitgliedsstaaten. Länderspezifische Empfehlungen sollen diesen zur EU Compliance-Kultur im Bereich Grundrechte und Rechtsstaatlichkeitverhelfen. Der Widerstand der Bevölkerung vor allem in zentraleuropäischen Mitgliedsstaaten gegen den Regulierungseifer der EU in Wertefragen soll also nicht durch ordentliche Vertragsverletzungsverfahren beim EuGH, sondern durch einen politisierten Parallelmechanismus gebrochen werden.

Diese neue Überwachungskultur illustriert die zunehmende Entfremdung zwischen der EU und den vormals kommunistischen Mitgliedsstaaten in angeblich nicht verhandelbaren ethischen Fragen. Allerdings fehlt der EU für letztere eine Basis. In manchen Ländern, zum Beispiel Deutschland, ist das die unantastbare Menschenwürde [Artikel 1 GG]. Solch eine Grundlage setzt ein gemeinsames Menschenbild voraus; die EU ist jedoch bei dem Versuch, sich auf ein gemeinsames Menschenbild zu einigen, gescheitert. Nicht die zentrale Bedeutung der Personalität des Menschen  - ein geistiges Erbe Europas, das übrigens in der Konvention für Menschenrechte des Europarates seinen Niederschlag gefunden hat -  ist heute das Fundament der EU, sondern der Konsument, der Markt und nicht näher definierte und empirisch nachweisbare Minderheiten. Ohne ein klar definiertes Menschenbild ergeben jedoch Antidiskriminierung,  Grundrechte, Demokratieverständnis und Werte keinen Sinn, was konkrete Auswirkungen auf die Definition von Ehe, Familie und Elternrechte, auf die Umsetzung der Gender-Ideologie, die Akzeptanz sexueller Orientierungen und Identitäten und den Schutz des menschlichen Lebens vom Beginn bis zum natürlichen Ende hat. Anders als bei Sachfragen sind in diesen Bereichen verbindliche Kompromisse zwischen den Mitgliedsstaaten nicht möglich, weil das Fundament fehlt. Den Staatschefs dürfte das bekannt sein. Sie wissen auch, daß    die ordentliche Prozedur für den Entzug der Stimmrechte im Ministerrat nach Artikel 7 EU-Vertrag sehr kompliziert ist und daß derzeit in keinem EU-Mitgliedsstaat schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen festgestellt werden können. Außerdem gilt bei Antidiskriminierungsfragen das Einstimmigkeitsprinzip im Rat. Daher versucht das EU-Parlament nun auf eigene Faust, eine institutionelle Steuerung von sozialen Werten und Normen festzulegen. Die Idee der immer weiteren Angleichung der Lebensbedingungen und Lebensvorstellungen von 500 Millionen Menschen ist bei vielen Brüsseler EU-Beamten nach wie vor wirkmächtig. Mit dem neuen Instrument könnte der zunehmende Widerstand in den zentraleuropäischen Mitgliedsstaaten gegen die ideologische Bevormundung der EU gebrochen werden.

Geht es nach dem EU-Parlament, so sollen sich alle Mitgliedsstaaten in gesellschaftlichen Wertefragen einem gemeinsamen Kompromiß anpassen, ebenso in wirtschaftlichen Sachfragen. Dafür finanziert die Kommission eine Reihe von LGBT- und Gender-Lobbyisten, die politische Konfliktfelder mit den Mitgliedsstaaten in Wertefragen aufzeigen und solche zum Teil auch selber konstruieren. Junckers erster Vizepräsident wünscht zum Beispiel für Polen dessen »Erlösung von der immerwährenden Unterdrückung der katholischen Kirche in Familienfragen«. Namens der Juncker-Kommission sagte Frans Timmermans im Juni 2015: »Ich glaube auch, daß die EU-Kommission weiter darauf bestehen sollte, daß alle EU-Mitgliedstaaten die Homo-Ehe vorbehaltlos anerkennen. Auch wenn manche Mitgliedsstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe in ihrem eigenen Land nicht eingeführt haben, sollten sie zumindest den Anstand haben, die Homo-Ehe anderer Länder anzuerkennen.« Eine mit der Politik der gegenseitigen diskriminierungsfreien Anerkennung von Personenstandsurkunden (beispielsweise standesamtliche Hochzeitsurkunden) kombinierte Arbeitnehmerfreizügigkeit ist für die Kommission wichtiger als das nationale Recht der Mitgliedsstaaten, eigenständig über die Anerkennung der Homo-Ehe in ihrem Land zu befinden.

Diese Einstellung berührt auch das Verständnis von Demokratie. Der Sozialdemokrat Timmermans beschreibt seines so: »Wir wollen unsere Sichtweise nicht denjenigen Europäern aufzwingen, die unsere Sichtweise nicht teilen. Aber wir glauben inbrünstig daran, daß das, was bereits in einigen Nationen Europas entdeckt wurde, allen anderen Nationen nicht vorenthalten werden darf.« Justiz-Kommissarin Vera Jourova legte daraufhin eine Liste der Vorhaben der EU Kommission zur Förderung der LGBTI-Rechte vor. Darin wird in 6 Kapiteln dargelegt, wie die EU-Kommission besondere Rechte für gleichgeschlechtlich lebende Menschen aller Altersgruppen, ganz besonders jedoch für Menschen mit wechselnden Geschlechtsidentitäten und Transgendermenschen, durchdrücken will. In dem Dokument wird auch dargelegt, daß die Juncker-Kommission bewußt auf den Gruppendruck im Ministerrat setzt: Mitgliedsstaaten, deren Bevölkerung weiterhin ein traditionelles Familienbild als beste Voraussetzung für die nachhaltige Entwicklung ansehen, sollen solange durch den Gruppendruck anderer Staaten eines Besseren belehrt werden, bis sie einknicken. Die christdemokratischen Kommissare Oettinger (CDU) und Hahn (ÖVP) schweigen bislang dazu.

Mit Volksentscheiden wollen manche zentraleuropäischen Mitgliedsstaaten den Einfluß der EU begrenzen. Volksentscheide oder Einzelgesetze für den Familienschutz gab es 2009 in Litauen, 2012 in Slowenien, 2013 in Kroatien, 2015 in Rumänien und in der Slowakei. Aber auch in Westeuropa regt sich Widerstand. Gegen die Einführung der Homo-Ehe gingen in Frankreich Millionen Familien auf die Straßen, die Familienschutz-Bewegung La Manif Pour Tous etablierte sich zum gesellschaftlichen Faktor in Frankreich. 2014 verschärfte die konservative Regierung in Spanien das Abtreibungsgesetz. Die EU-Bürgerinitiative zum Lebensrechtsschutz 1-von-uns erlangte 2013 einen überragenden Erfolg, doch die EU-Kommission zeigte den Bürgern die kalte Schulter und weigert sich, geltende Rechtsprechung des EuGH [C-34/10] anzuwenden und mithin Abtreibung und embryonale Stammzellenforschung nicht mehr aus dem EU-Haushalt zu finanzieren. Die Initiatoren ließen nicht locker, der Fall landete vor dem EuGH. Jetzt läuft eine offizielle EU-Bürgerinitiative zum Familienschutz Mutter, Vater, Kinder in allen Mitgliedsstaaten. Im Protokoll der Kommissions-Sitzung am Tage der Zulassung dieser Initiative ist die Verachtung der Kommissare für diese Bürger und ihr Engagement zu spüren.

Auch politische Stellungnahmen lassen aufhören. Der ungarische Parlamentspräsident, Laszlo Köver, gab 2015 zu Protokoll: »Wir lehnen die Gender-Ideologie ab. Wir wollen nicht, daß Ungarn ein Land wird, in dem feminisierte Männer die Frauen nachmachen, und Frauen ihre Kinder und Familie als Hindernisse der Selbstverwirklichung fürchten. Wir lehnen das ab, weil es zu einer Gesellschaft ohne Zukunft führt.« Ungarn und Polen blockierten gemeinsam eine Verordnung im Ministerrat zu Vermögensauswirkungen für eingetragene Partnerschaften. Diese Verordnung hätte über das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Zivilstands-Urkunden die Homo-Ehe EU-weit durch die Hintertür eingeführt. Nun versucht das EU-Parlament, die Selbstbestimmung der Mitgliedsstaaten in diesen gesellschaftspolitischen Bereichen durch den neuen Überwachungsmechanismus zu umgehen und auszuhöhlen.  

 

Quelle: 
Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.   
http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2016/05/27/artikel/das-diktat-wie-kommission-und-parlament-allen-eu-staaten-vertragswidrig-gesellschaftliche-vorstellu.html
27. 5. 2016