Steuern - Ein offenes Schreiben

d.a. Wie der Staat beständig danach trachtet, Möglichkeiten anzubahnen,

die ihm zu einer zusätzlichen Besteuerung verhelfen würden, belegt mein nachfolgendes an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten Malu Dreyer gerichtete offene Schreiben:

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, 

ich beziehe mich auf das von Ihnen am 26. Mai mit dem Südwestrundfunk geführte Interview  [1]. In diesem haben Sie sich dafür ausgesprochen, Kapitalerträge höher zu besteuern. Ich darf Ihnen hiermit meine Stellungnahme zu Ihrem Vorschlag übermitteln:

Wie in dem Bericht von SWR2 richtig vermerkt, wird auf Kapitalerträge wie Zinsen, Dividenden oder Kursgewinne die sogenannte Abgeltungssteuer erhoben. Sie beträgt pauschal 25 %.Arbeitseinkommen, heisst es ferner, werden hingegen mit bis zu 45 % besteuert. In diesem Zusammenhang erklären Sie, dass das Gefälle zwischen Arm und Reich etwas sei, was einen beschäftigen müsse. Daraus, so folgere ich, sollte offensichtlich der Eindruck gewonnen werden, dass es Ihnen einzig und allein um die Forderung geht, den Superreichen höhere Steuerzahlungen aufzubürden.

Weit gefehlt!

Denn Ihre Aussage geht komplett an der Realität vorbei. Nicht nur, dass Sie bei Ihren Vergleichszahlen Werte zitieren, die man gar nicht miteinander vergleichen kann  - worauf ich zurückkomme -  sie sind nicht einmal korrekt. 

Tatsache ist, dass seit 2015 auf die Erträgnisse aus Zinsen, Dividenden resp. Kursgewinnen nicht nur die Kapitalertragssteuer von 25 % zu entrichten ist, sondern darüber hinaus auch noch der Solidaritätszuschlag von 5,5 % sowie die Kirchensteuer von 8 bzw. 9 %, welche auf die 25 % der Abgeltungssteuer erhoben werden, womit wir  - bei einer Kirchensteuer von 9 % -  bereits eine Belastung von 27,99 % erreichen. 

Das Ansinnen einer Erhöhung der Besteuerung der Kapitalerträge betrachte ich allein schon in Anbetracht dessen, dass der Solidaritätszuschlag nun auch noch über das Jahr 2019 hinaus beibehalten werden soll, aber eigentlich gemäss den seinerzeitigen Regularien längstens beendet werden müssen hätte, als eine ungeheuerliche Dreistigkeit gegenüber dem Volk.

Von der von Ihnen in den Raum gestellten Erhöhung der Kapitalertragssteuer, die sich dann neu auf nahezu 28 % belaufen würde, von dem geringen Freibetrag einmal abgesehen, wären ganz klar restlos alle Bürger betroffen, gleich welchen Alters und welcher Einkommensklasse.

Aber weitaus schwerwiegender ist es, einen Vergleich zwischen der Kapitalertragssteuer und der Einkommensteuer zu ziehen. Zieht man Ihre Feststellung, Arbeitseinkommen hingegen werden mit bis zu 45 % besteuert, in Betracht, so zitieren Sie diesen Fakt gerade so, als fielen alle Bürger in diese Kategorie. Warum diese Verzerrung der Tatsachen?

Den Spitzensteuersatz von 45 %, der von der augenblicklichen Regierungskoalition eingeführt wurde und als sogenannte Reichensteuer bekannt ist, zahlt gerade einmal eine Handvoll von superreichen Bürgern, da er erst ab einem Jahreseinkommen von 254.447,00 Euro gilt. Und was den Spitzensteuersatz von 42 % betrifft, so kommt dieser erst ab einem Jahreseinkommen von 53.666,00 Euro zur Anrechnung.

Zum Vergleich:
Das Durchschnittsgehalt lag gemäss der Deutschen Rentenversicherung 2014 bei lediglich 34.857,00 Euro p.a., somit erreichen ca. 90 % der Erwerbstätigen den von Ihnen angeführten Höchststeuersatz erst gar nicht.

Wohlgemerkt:
Zu betonen ist hier das Durchschnittsgehalt, denn die Wirklichkeit der Einkommen deutscher Bürger sieht erschreckend aus: Gemäss Eurostat der Europäischen Kommission liegt Deutschland mit der Quote der Geringverdiener an 7. Stelle, und  - man bedenke! -  dies hinter Lettland, Litauen, Rumänien, Polen, Estland und Zypern! Beachten Sie bitte insbesondere, dass es sich hierbei um sehr arme Länder handelt, hinter die sich die BRD einreihen muss. Müssig zu erwähnen, dass Deutschland dennoch der grösste Nettozahler der EU ist.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kam in seinem aktuellen Report auf
eine Armutsquote von 15,5 % der Erwerbstätigen in Deutschland

Damit komme ich auf Ihren hinkenden Vergleich zwischen Kapitalertragssteuer und Einkommenssteuer zurück, der  - wie dies anhand des vorstehend dargelegten Sachverhalts belegt ist -  wohl absurder nicht sein könnte.

Was also wollten Sie mit Ihrem Vergleich erreichen? Diese Zahlen müssen Ihnen doch bekannt sein; insofern komme ich, wie bereits angedeutet, nicht umhin, Ihre Aussage als bewusste Irreführung auszulegen.

Ihre Vorstellung, Kapitalerträge höher zu besteuern, setzt dem Steuersystem vor allem deswegen die Krone auf, wenn man weiss, dass der deutsche Steuerzahler seit Jahren als regelrecht ausgebeutet zu betrachten ist; Fakt ist, dass Deutschland laut OECD in der EU an 3. Stelle mit der höchsten Steuerlast steht.

Das Einkommen aus Bund, Ländern und Gemeinden betrug 2015   600.000.000.000,00 €, also 600 Milliarden. Der deutsche Steuerzahler arbeitet längst ein halbes Jahr nur für den Staat. Würden seine Steuern sinnvoll für das Gemeinwohl eingesetzt, könnte man dafür noch Verständnis haben, jedoch sehe ich das erarbeitete Vermögen  - dies vor allem auch in Brüssel -  seit Jahren mit vollen Händen zum Fenster hinaus geworfen, während der Zustand der Strassen, Schulen und der Infrastruktur gerade in der BRD immer desaströser wird. Hochgradig bedenklich ist ferner, dass jeder 8. Deutsche laut Armutsbericht arm ist, und das im fünfreichsten Land der Welt. Diese Diskrepanz haben ausschliesslich die Politiker zu verantworten.

Es sind genau die hier vorgetragenen, für meinen Begriff konträr zu Ihrer Sicht der Dinge stehenden Fakten, auf die in Interviews unentwegt hinzuweisen wäre. Dazu gehört, dass der Sparer mit vollem Einverständnis der politischen Klasse und deren Unterstützung der EZB seit Jahren um die Zinsen aus seinem mühselig Ersparten betrogen wird. Dieser Raubzug dient einzig und allein dazu, die grossen Finanzinstitute und staatlichen Kreditnehmer finanziell zu unterstützen. So schrieb Die Welt bereits im April 2015: Nullzinspolitik kostet jeden Deutschen 1400 Euro. Seit 2010 haben die Deutschen durch die niedrigen Zinsen bereits rund 112 Milliarden € eingebüsst. 2015 kamen noch einmal 71 Milliarden € dazu.

Dies alles vorausgeschickt, müsste sich in meinen Augen jeder Politiker, der nach mehr Steuern ruft, zutiefst schämen! Es nimmt einem schier den Atem, wenn man lesen muss, was sich unsere Politiker so alles einfallen lassen, und nun würde sich der Staat gerne auch noch an den paar bereits kräftig besteuerten Ertragszinsen aus Kapitalerträgen, einer Anlageform, die vor allem wegen des Verlusts der Sparzinsen angeboten wurde, zusätzlich bereichern.   

Vor allem aber  - um dies nochmals hervorzuheben -  trifft es entgegen der in Ihrem Interview bewusst in den Fokus gestellten wohlhabenden Klasse eben nicht nur die Reichen, denn die Kapitalertragssteuer wird nicht, wie die Einkommensteuer, progressiv, also ertragsabhängig berechnet, sondern sie trifft, wie dargelegt, alle Bürger gleichermassen, egal, ob es um kleine, grössere oder extrem grosse Kapitalanlagen geht; wobei ich, wie gesagt, den minimalen Freibetrag hier ausser Acht gelassen habe. Wieder einmal würde bei der Durchführung einer solchen Erhöhung  - was für mich einem unverantwortlichen Irrsinn gleichkäme -  die breite Masse der Steuerzahler eindeutig von einem weiteren Verlust betroffen sein.

Es bleibt die Frage: Können Sie nach Darlegung dieser Gegebenheiten Ihr Ansinnen, für das sich, wie es heisst, vor kurzem auch Sigmar Gabriel stark gemacht hat, angesichts Ihrer Jahres-Diät von Euro 108.984,00 € noch vor sich selbst vertreten? Als noch empörender empfinde ich den Fakt, dass Sigmar Gabriel, der laut Focus online  [2]  sogar dreimal abkassiert, nämlich als Minister, Abgeordneter und Parteichef und bereits 2011 ein Jahresnettoeinkommen von 130.000,00 € auswies, mit Ihnen ins gleiche Horn zu blasen scheint. 

Der sozialdemokratischen Partei ist das Sozialwesen seit langem abhanden gekommen; kein Wunder, dass die ehemalige Partei der sozial Schwachen immer mehr Stimmen einbüsst. Und mit diesem neuerlichen Vorschlag gewinnen Sie ganz sicherlich keine zusätzlichen Wählerstimmen!

Insofern müssen mir die Worte Ihrer Regierungserklärung vom 3. Juni 2016 Wir sind für alle da. Wir werden in dieser Koalition sozial gerecht, wirtschaftlich stark und ökologisch verantwortlich regieren, leider zwangsläufig geradezu wie blanker Hohn erscheinen.

Für eine kurze Eingangsbestätigung meines Schreibens wäre ich Ihnen verbunden.

In Besorgnis

Doris Auerbach

d.auerbach@gmx.ch


cc: 
lv.rheinland-pfalz@svp.de

wolfgang.schaeuble.@bundestag.de   

[1]  http://www.swr.de/landesschau-aktuell/rp/schere-zwischen-arm-und-reich-dreyer-will-mehr-steuern-auf-kapitalertraege/-/id=1682/did=17495372/nid=1682/1ugov3/index.html   26. 5. 16
[2]  http://www.focus.de/politik/deutschland/d-d_id_3922240.html  15. 6. 14
Üppige Bezüge dank Triple-Einkommen - Minister, Abgeordneter, Parteichef: Sigmar Gabriel kassiert dreifach ab