Englands Brexit - Kommentare 03.07.2016 23:37
d.a. »Kein Szenarium«, hatte Markus Gärtner am 9. Mai geschrieben, »ist schwarz
genug, um es nicht an die Wand zu malen, damit die Briten vor einem möglichen EU-Ausstieg zurückschrecken. Premier David Cameron hatte sogar vor einem möglichen Dritten Weltkrieg gewarnt, sollte Großbritannien der EU den Rücken kehren. Neben allen düsteren Szenarien hatte dann Kulturminister John Whittingdale, einer von sechs Brexit-Befürwortern in Camerons Kabinett, die Brexit-Verteufler gewarnt, sie sollten die Kirche im Dorf lassen. Der Wohlstand des Landes sei größeren Bedrohungen ausgesetzt als einem EU-Ausstieg, zum Beispiel einer Implosion der chinesischen Wirtschaft, dem Konflikt im Nahen Osten, oder der Achterbahnfahrt der Ölpreise: ›Den Leuten vorzumachen, daß einem Abschied von der EU das
Armageddon folgt, ist falsch und gefährlich‹.«
[1] Geht man zurück ins
Jahr 2009, so hatte Cameron, nachdem ein Referendum zum Lissabon-Vertrag
ausgeschlossen worden war, im November desselben Jahres erklärt, dass in der
Folge keine britischen Rechte mehr ohne ein Referendum nach Brüssel
transferiert würden, und dass alle künftigen Verträge der Bevölkerung zur
Abstimmung vorgelegt würden. Am 29. Januar hatte der britische
Premier mit Jean-Claude Juncker und Martin Schulz
verhandelt; es ging um eine Verständigung
hinsichtlich von EU-Reformen, die Cameron dem britischen Wahlvolk als Erfolg
verkaufen können hätte. Zu den Ergebnissen des darauf folgenden EU-Gipfels vom
19. bis 20. Februar hielt ›Strategic Alert‹ in seiner Ausgabe Nr. 8 vom 24. 2. folgendes fest: »Wer den lang
erwarteten EU-Gipfel beobachtete, konnte nur feststellen, daß sich der Zerfall
der EU und der Eurozone als entropischer Prozeß ständig weiter beschleunigt. Da
ist es kein Wunder, wenn sich die Londoner City finanziell und politisch gegen
den Euro positioniert. Finanziell setzte Premierminister Cameron durch, daß die
City von neuen Regulierungen ausgenommen wird. Sie wird kein Teil der
Bankenunion. Außerdem wurde auf britisches Ersuchen hin die Formulierung ›immer engere Union‹ abgeschafft; London erhält ferner ein
Vetorecht bei allen weiteren Integrationsschritten.« Wie die ›FAZ online‹ vom 21. Januar berichtet hatte, wollten die grossen US-Banken
England in der EU halten; Insidern zufolge hatten sich Goldman
Sachs und JPMorgan mit beträchtlichen Summen an einer Kampagne beteiligt, die
den Austritt verhindern sollte.
Klagen von Seiten Martin Schulz’ konnten natürlich nicht
ausbleiben. Wegen der Euro- und Asylkrise, so der Präsident des EP Ende Mai,
sei für viele Bürger ein Scheitern der Staatengemeinschaft denkbar. Ferner - man stelle sich vor! - »gebe es heute eine Menge
Politiker, die dies propagieren und damit Wahlen gewinnen. Das ist furchtbar.«
Offensichtlich schwingt in Brüssel die Furcht vor national ausgerichteten
Parteien resp. Strömungen beständig mit, denn, so Schulz: »Die ungelöste Flüchtlingskrise ist ein willkommenes
Instrument für die Konjunkturritter der Angst.« Am 23. Februar hielt dann Markus Gärtner fest, dass die Transatlantiker, nachdem Cameron das
Datum für das Referendum bekanntgegeben hatte, »ihre
Sturmgeschütze ausfuhren, um die Briten so richtig einzuschüchtern«. Ein
Brexit wurde als Armageddon-Szenario für das Land beschrieben, der schlimmste
Fall, den sich die völlig verunsicherten Briten ausmalen könnten. »Für den
aufmerksamen Beobachter«, so Gärtner, »wird einmal mehr deutlich, mit welcher Wucht, Präzision und
Skrupellosigkeit, aber auch mit welchem Tempo die transatlantischen
Propaganda-Brigaden ihr Arsenal mobilisieren, wenn von irgendwoher eine Gefahr
für den Einigungsprozeß lauert, oder wenn es gilt, den unseligen, immer stärker gegen
Brüssel aufbegehrenden Volkswillen plattzumachen.« [2]
Das leidige Demokratiedefizit der EU Sicherlich
ist der ausgeprägte Mangel an Demokratie, der der EU anhaftet, in zahlreichen Artikeln
dokumentiert, ohne dass dies bislang zu irgendwelchen Änderungen geführt hätte.
Der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel hatte schon im April 2014 vor einem
europäischen Zentralstaat gewarnt und eine Verschlankung der Union gefordert: »Die
EU muß zurück zu den Wurzeln. Sie darf nur das entscheiden, was sie besser
machen kann als die Nationalstaaten.« Nichts hiervon ist je eingetreten.
Daneben hatte man sich an die Brüsseler Parolen ›Ohne EU kein Frieden, ohne EU keine Demokratie, keinen Wohlstand und
keine Reisefreiheit etc.‹, zu
gewöhnen, aber auch daran, dass man, kritisierte man das Erfolgsmodell EU,
damit rechnen musste, als Abweichler, Populist, nationaler Egoist, Demagoge,
reaktionärer Europagegner, Europaskeptiker, Souveränist, ja gar als Rassist diffamiert
zu werden, obwohl es durchaus berechtigt ist, die EU als ein selbstgerechtes
Imperium zu betrachten, verfügt sie doch nur über ein Pseudo-Parlament ohne
Vorschlagsrecht. Das EP kann auch
nicht, wie dies in einer wirklichen Demokratie üblich ist, Gesetze einbringen;
dieses Recht steht ausschliesslich der EU-Kommission zu, jener Kommission, die
kein Mandat der Bürger besitzt und die sich gegebenenfalls auch nicht an die Verträge
hält. Bereits im Februar 2012 hatte ein ›Infratest‹ des auf politische Meinungs- und Wahlforschung ausgerichteten
Berliner Umfrageinstituts ergeben, dass lediglich 2 % der EU-Bürger glauben, in
der EU eine Möglichkeit der politischen Beteiligung zu haben. So hatte auch Gregor
Gysi trotz der im Anschluss an den Lissabon-Vertrag eingebrachten
EU-Begleitgesetzen im August 2008 vor einem Europa der Eliten gewarnt. Er
beanstandete, dass auch die überarbeiteten Regelungen Parlamente und Bürger zu
wenig an der EU-Politik beteiligten: »Ein Europa der Eliten wird kaum Basis für
die Zukunft sein.«
Nach
Ansicht des ehemaligen EU-Juristen Hubert Dessloch wird die Politik der EU von
grauen Eminenzen diktatorisch gesteuert. Der Österreicher hatte jahrzehntelang
aktiv am Werden der EU mitgearbeitet. Dessloch zufolge sind die nationalen
Parlamente praktisch entmachtet. Ihre Tätigkeit, erklärt er, besteht mehr und
mehr nur noch darin, EU-Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Die
EU-Entscheidungen kommen in Brüssel wie folgt zustande: »Auf den Gipfeltreffen
der Regierungschefs werden den Staatschefs Papiere vorgelegt, deren Entwürfe
sie frühestens auf dem Flug zum Gipfeltreffen studieren können. Wer diese
Dokumente mit oft weitreichenden politischen Entscheidungen erarbeite, bleibt
im Dunkeln«. Die Regierungschefs bekämen dann in Reden, für die jeweils 5
Minuten vorgesehen sind, kurz Gelegenheit, zu den Dokumenten Stellung zu
nehmen. Danach würden über Nacht von nur wenigen EU-Chefbeamten Endfassungen
erarbeitet, an denen am nächsten Tag höchstens noch ein Satz verändert werden
dürfe. Diese Vorgehensweise, so Dessloch, zeige eine totalitäre Struktur, in
der jedem Anschein von Demokratie eine Absage erteilt wird. [3]
So hielt der
von Paul Craig Roberts als Washingtons Handlanger bezeichnete Herman Van Rompuy, vormals Vorsitzender des
Europarats, der Washingtoner Frontorganisation, die EU-Wahl für überflüssig. Denn:
›Entschieden wird woanders‹. Nicht, dass er hinzugefügt hätte, wo, aber man
geht nicht fehl, wenn man hier an die Trilaterale Kommission, das European
Council on Foreign Relations, die Atlantikbrücke und die zahlreichen Stiftungen
und NGOs denkt, die samt und sonders hinter den Kulissen aktiv sind. Wie Ex-Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine jetzt Ende Juni dargelegt
hat, »besteht einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa zufolge seit längerem
die Sorge in Brüssel, daß die Parlamente einzelner Staaten die Weiterentwicklung der
europäischen Handelspolitik blockieren
könnten.«
Diese Meldung hat Lafontaine wie folgt kommentiert: »Aus ›Sorge‹, die demokratischen Parlamente könnten die Zerschlagung
grundlegender Arbeitnehmerrechte und sozialer Standards ablehnen, wird die
Demokratie mit Tricks ausgehebelt. In der EU geht eben nicht alle Macht vom
Volke aus, sondern von Banken und Konzernen.« Die grössten Feinde eines Europas, in dem
Demokratie und Sozialstaat das Zusammenleben der Menschen bestimmen sollten,
sind Lafontaine zufolge die ›Tölpel in der EU-Kommission‹: »An der Spitze ein Präsident, der sich schon als ›Pate‹ der Steuervermeider und Steuerhinterzieher einen Namen gemacht
hat. So kann es nicht weitergehen‹, mahnte er. [4]
Noch am 1. Juni hatte Ratspräsident Donald
Tusk bei einer Versammlung europäischer Konservativer in Luxemburg gegenüber
den Politikern den Vorwurf erhoben, in einem Narrenparadies zu leben und mit
ihren utopischen Illusionen Europa durch überzogene und blinde
Einigungsbemühungen in Wahrheit auseinander zu reissen.
Nun
dürfte dieser Tatbestand der Mehrheit der Abgeordneten bekannt sein. Selbst
wenn man bedenkt, dass sie nicht im Rufe stehen, sich generell und speziell vor
Abstimmungen gründlich zu informieren, ist die Bestürzung, die hinsichtlich des
Abstimmungsergebnisses in nicht wenigen Stellungnahmen zum Ausdruck kommt,
dennoch als abstrus einzustufen. Die mancherorts herrschende Konsternierung hat
Ramin Peyman, der Autor des Buches ›Spukschloss Deutschland - Der Zeitgeist als Gespenst einer Generation‹, geradezu vortrefflich eingefangen: »Nie
zuvor«, schreibt er, »hat man die sogenannte politische Elite derart
konsterniert erlebt. Die Riege der Sonnenkönige hat sich nicht vorstellen
können, daß sich die Erde plötzlich wieder um die Sonne dreht und die älteste
Demokratie Europas ihr die Tür weist. Kalt erwischt wurde sie am frühen Freitagmorgen, der eine Zeitenwende
eingeläutet hat. Das Votum der Briten für den Austritt aus der Europäischen
Union sendet eine klare Botschaft in alle Welt: Die Herrschaften des Brüsseler
Politbüros haben abgewirtschaftet. Die Kanzlerin versucht sich derweil in
Gelassenheit, aber auch sie kann nicht verbergen, daß ihr der
plötzliche Demokratie-Anfall schwer zu schaffen macht. Da hilft die Flucht nach
vorne: Wie einst Merkel beim Euro, versuchen die Brüsseler Granden die Rettung
ihrer EU mit der Bewahrung des Friedens in Europa gleichzusetzen. Dies ist
natürlich ebenso grober Unfug wie das Euro-Mantra der Kanzlerin. Die
Gemeinschaftswährung hat zu nachhaltigen Verwerfungen auf dem Kontinent
geführt, die Bürger Europas gegeneinander aufgebracht und viele Millionen
Menschen ärmer gemacht. Niemand wird ernsthaft behaupten können, der Euro sei
ein friedenstiftendes Projekt.« [5]
Von daher gesehen sind auch die Worte von Boris Johnson, die dieser kurz vor
der Wahl ausgesprochen hat, völlig berechtigt: »Wir können für die Demokratie
aufstehen. Wenn wir die Demokratie wählen und die EU abwählen, dann geben wir
damit auch all den Hunderten von Millionen Europäern eine Stimme, die von ihrer
Regierung nicht gefragt werden, ob sie im antidemokratischen EU-Korsett
verbleiben wollen oder eine Freiheit in Demokratie vorziehen«. Am 28. Juni richtete dann Nigel Farage, einer der Streiter für den
Austritt Grossbritanniens aus der EU, im EP das Wort an Herrn Schulz: »Sie, als
politisches Projekt, verschließen die Augen vor der Wahrheit. Sie wollen nicht
wahrhaben, daß Ihre Währung scheitert. Nein, schauen Sie nur die
Mittelmeerländer an: In Form einer Politik, Griechenland und dem Rest des
Mittelmeerraums Armut aufzuerlegen, haben Sie gute Arbeit geleistet. Und Sie
wollen nicht wahrhaben, daß Frau Merkels Aufruf vom vergangenen Jahr, so viele Menschen
wie möglich das Mittelmeer hinein in die Europäische Union überqueren zu
lassen, zu massiven Zerwürfnissen zwischen den Ländern und auch innerhalb
dieser Länder geführt hat. Ihr größtes Problem jedoch - und der Hauptgrund, warum sich das Vereinigte
Königreich so entschieden hat - ist, daß
Sie durch List, durch Täuschung, und ohne
dem britischen Volk oder dem Rest der Völker Europas jemals die Wahrheit zu
sagen, diesen eine politische Union aufgedrängt haben. Und als sich die
Menschen in den Niederlanden und in Frankreich 2005 gegen diese politische
Union entschieden und die Verfassung zurückwiesen, da haben Sie sie einfach
ignoriert und haben den Vertrag von Lissabon durch die Hintertür eingebracht.« Im weiteren legte er Schulz
gegenüber dar, »daß hier – also bei der
Abstimmung - genau die Menschen
entscheidend waren, die in den vergangenen paar Jahren
unterdrückt wurden und die beobachten mußten, wie ihr Lebensstandard gefallen
ist: Diese haben sich gegen die Multinationalen, gegen die Geschäftsbanken
ausgesprochen. Sie haben sich gegen die große Politik ausgesprochen und gesagt:
Wir wollen unser Land zurück. Wir wollen unsere Fischereigewässer zurück. Wir
wollen unsere Grenzen zurück. Wir wollen eine unabhängige, selbstregierte,
noble Nation sein. Und auf diesem Weg bieten wir jetzt ein Zeichen der Hoffnung
für die Demokraten im Rest des europäischen Kontinents. Heute früh sage ich
eine Sache voraus: Das Vereinigte Königreich wird nicht der letzte
Mitgliedsstaat sein, der die Europäische Union verläßt.« Hierzu gehört auch der Brüssel gegenüber
gemachte Vorwurf von Cameron, wie ihn der ›Daily Express‹ von London am 29. 6. veröffentlichte: »Der Ausgang
der Brexit-Abstimmung ist insgesamt Ihr Fehler, nachdem Sie sich geweigert
haben, uns zu erlauben, die Massenimmigration zu kontrollieren.« Cameron
erklärte, er habe das Referendum verloren, weil es die EU verabsäumt habe, die
Sorgen der Bürger in Migrationsfragen ernst zu nehmen. Die zunehmenden
Spannungen in der Flüchtlingskrise unmittelbar vor dem Referendum hätten
letzten Endes den Ausschlag gegeben, sagte er der ›Financial Times‹ zufolge. Sie seien die ›treibende Kraft‹ für das Votum gewesen, weil sich die Bürger vor einer
Massen-Einwanderung gefürchtet hätten.
Man kann
sich ungefähr den Horizont der EP-Abgeordneten vorstellen, bedenkt man, dass eine
mögliche Folge des Brexits, wie sie Farage vortrug: »Falls Sie sich dazu
entschließen würden, jeden Gedanken an einem vernünftiges Handelsabkommen
abzulehnen, dann wären die Konsequenzen für Sie weitaus schlimmer, als sie es
für uns wären«, Gelächter erzeugte. Dass England durchaus auf festem Grund
stehen wird, dürfte absehbar sein, während die längst als US-Kolonie bezeichnete
EU, ändert sie die ihr von der USA aufgezwungene Handlungsweise in essentiellen
Bereichen nicht, nur noch tiefer sinken kann.
Was den Lissabon-Vertrag angeht, so
stand für Martin Schulz, der betonte, dass man nicht anfangen dürfe, ›die EU zu zerpflücken‹, Anfang Juni fest, dass die von Cameron
angeregten Änderungen der europäischen Verträge ›nicht auf der Tagesordnung stehen‹. So galt auch im Januar - wie
bereits vermerkt - eine Änderung der Europäischen
Verträge als ›derzeit ausgeschlossen‹. Interessant ist hier aber, dass, sobald Themen wie Enteignung und
Zugriff auf unsere Vermögenswerte ins Spiel treten, effektiv Änderungen ins
Auge gefasst werden; so hiess es im November 2013: »Die neueste Idee schafft die Möglichkeit, daß EU-Gläubiger Zugriff auf
nationale Vermögen erhalten können. Brüssel versucht, eine massive Enteignung
als partnerschaftliche Rettung zu tarnen.« Und: »Man mußte nur genau hinhören, wie positiv Angela Merkel
diesem ›Rettungsplan‹ gegenübersteht: Die Kanzlerin hat bereits angekündigt, für die neue Form
der Gemeinschaftshaftung auch bereit zu sein, die EU-Verträge zu ändern.« [6]
In ihrer Regierungserklärung vom 28. Juni kündigte
die Bundeskanzlerin einen ›harten
Kurs gegen Briten an‹. »Die Verhandlungen werden nicht nach dem Prinzip der
Rosinenpickerei geführt«, mahnte sie. Zunächst liege es an den Briten, deutlich zu machen, wie sie den Brexit
gestalten wollen. »Ich
kann unseren britischen Freunden nur raten, sich nichts vorzumachen.« Um es klipp und klar zu sagen,
betonte Merkel, »daß es keine formellen oder
informellen Gespräche mit den Briten geben werde, solange ihr Land nicht nach
Artikel 50 des EU-Vertrags einen Antrag auf Austritt gestellt hat. Die
Bundeskanzlerin warnte vor einer Spaltung der EU; trotzdem könne der
Staatenverbund den Austritt Großbritanniens verkraften. Dafür benötige er aber gemeinsame Entscheidungen
aller 27 EU-Staaten. [7]
Nach siebenstündigen Verhandlungen am EU-Gipfel vom
29. Juni sprach sich die Kanzlerin bekanntlich gegen eine Reform der Union, die
Vertragsänderungen erfordern würde, aus. Es werde keine Änderung der Verträge
geben. »Wir können mit den Verträgen arbeiten«, sagte Merkel
mit Blick auf den Lissabon-Vertrag. Offensichtlich jedoch nicht, wie oben
angemerkt, wenn es darum geht, sich unsere Steuergelder einzuverleiben; dann
werden Änderungen sehr wohl erwogen. Wie sie sagte, erwarte
sie, dass die Briten den Scheidungsantrag stellen:
»Das Referendum steht da als Realität.« Der Brexit
sei unumkehrbar. Alle täten gut daran, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen.
Sie erklärte ferner: »Ich will ganz offen sagen, daß ich an diesem Abend keinen Weg sehe,
das wieder umzukehren.« [8]
Natürlich gibt es zu jeder Zeit
Stimmen, die, man könnte sagen, genauer als die Briten wissen, wie das weitere
Vorgehen auszusehen hat:
So der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Axel Schäfer: »In einer solch
historischen Situation kann das Parlament nicht warten. Wir können das Haus
nicht heute brennen lassen und erst am Montag mit dem Löschen beginnen. 27
Staaten müssen jetzt zusammenhalten. Aus dem Brexit darf keine Katastrophe für
Europa werden.« Dietmar Bartsch von den Linken sieht in dem Votum der Briten
den »Ausdruck der schweren Krise der EU. Es sei erschreckend, daß die schrillen
Parolen der Brexit-Befürworter mehrheitsfähig wurden.« Er fügte jedoch hinzu, »daß
es sich um einen Bruch handle, der aber auch einen Auftrag an die Politik mit
sich bringe, weg von einem Europa der Eliten, Banken und Konzerne, hin zu einem
Europa der Menschen. Um das große europäische Projekt des Friedens, das große
kulturelle Projekt, das Projekt für soziale Gerechtigkeit wird die Linke entschlossen kämpfen.« Geradezu absonderlich
ist die Feststellung der Grünen-Politikerin Franziska Brantner: ›Jahrzehntelanges EU-bashing und Lügen
über die EU‹ habe man nicht in
wenigen Monaten aufwiegen können. Erstens stellen die Vorbehalte gegenüber der
EU, die von absolut kompetenten Autoren über die Jahre hinweg formuliert worden
sind, alles andere als ein EU-bashing dar, und zweitens kann von Lügen schon
gar nicht die Rede sein. Brantner des weiteren: »Wer mit dem Feuer zündelt,
brennt am Ende das Haus ab. Das sollte für alle Demokraten eine Warnung sein.«
Wieso für die Demokraten? Es hat nicht den Anschein, als wäre sie dem Begriff
Demokratie jemals auf den Grund gegangen. Ihre Forderung lautet daher: »Jetzt
darf es keinen langen Scheidungsprozeß geben, der der EU die Kraft raubt, die
sie gerade braucht.« Die britische Regierung sollte nun schnell das Artikel 50
Verfahren einleiten. Es dürfe ›keinen
Extrastatus‹ geben, Pflichten und
Rechte müßten immer im Gleichgewicht sein, ›also
kein Cherrypicking der Wirtschaftsbereiche, zu denen Großbritannien gerne
Zugang hätte‹. Letzteres klingt in
meinen Ohren reichlich makaber: Sieht ihr Demokratieverständnis etwa vor, die
Briten vom EU-Handel auszuschliessen? Für die EU sei das Votum »ein Aufruf, in
Ruhe und nicht in Panik zu prüfen, wo Verbesserungen notwendig sind.« Nun ja,
Worte dieser Art haben wir genügend oft vernommen, ohne dass sie in Brüssel je
beherzigt geworden wären. [9] SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann lastete dem britischen
Regierungschef an, »einen
riesigen politischen Scherbenhaufen hinterlassen« zu haben. Der Premierminister habe aus einer
gespaltenen Partei ein gespaltenes Land gemacht. Was noch zu beweisen wäre …..
Auch er findet, dass es für England keine Sonderbehandlung geben dürfe, »keine Prämie für Europafeindlichkeit.«
[10]
Wie die
vielfach als totalitär bezeichnete EU ihnen doch am Herzen liegt! Womöglich
haben sie sie noch nie durchschaut….
Den ›Science Files‹ war ein in der ›Süddeutschen
Zeitung‹ erschienener Kommentar von Stefan
Kornelius zu entnehmen. Vorausgeschickt wird dort: »Nun haben bestimmte
Typen von Persönlichkeiten ein Problem mit der Akzeptanz von Meinungen,
Aussagen und Verhaltensweisen, die dem widersprechen, was sie für richtig
halten. Wilhelm Heitmeyer hat diese Unfähigkeit,
andere Meinungen und andere Überzeugungen und Verhalten zu akzeptieren, als
mangelnde Ambiguitätstoleranz bezeichnet. Menschen, die mit diesem Mangel
geschlagen sind, reagieren wütend und in Teilen extrem, aggressiv oder gar
gewalttätig und in keinem Fall überlegt, besonnen und mit Abstand auf die
abweichenden Meinungen, die sie nicht zu tolerieren bereit sind.« »Der Brexit«, so Kornelius, »schrumpfe die Briten in
die Bedeutungslosigkeit. Den Briten fehle der Instinkt der eigenen Größe, stattdessen
frönten sie populistischen Ressentiments und Ängsten und ließen sich von Lügen
anfeuern. Voller ureigener Ängste seien die Briten, Rückzug ins Häusliche werde
der offensiven Veränderung vorgezogen. Die Gefahren der globalisierten Welt
würden sie in ihrer Provinzialität ignorieren und selbst in Syrien sei man
entsetzt ob dieser Weltabgewandtheit, ob diesem freiwilligen Verzicht auf das
gemeinsame Heil in der EU, das sich die Syrer so sehr wünschen. Die historische
Katastrophe ›Brexit‹, sie habe der EU das Schwächesiegel auf die Stirn
gestempelt. Sie wecke die historischen (vermutlich nationalen) Geister und die
Angst vor der deutschen Dominanz, deren Ziel doch nur darin besteht, zu geben,
anders als die Briten, die für sich behalten wollen, was sie erwirtschaften
…..Was für eine ›geschichtsfremde
britische Entscheidung‹.« Man fragt sich, wie die Redaktion der ›SZ‹ dazu
kommt, einen derartigen Verriss überhaupt abzudrucken! [11]
Angesichts
einer starken Anti-EU-Bewegung im eigenen Land sagte der niederländische
Ministerpräsident Mark Rutte: »Es sind nicht nur die britischen Wähler, die
Zweifel an der europäischen Zusammenarbeit haben. Es gibt in vielen anderen
EU-Ländern Skepsis.« Am 29. Juni erklärte
Baden-Württembergs AfD-Chef, Prof. Jörg Meuthen, er sei dankbar, dass das
britische Volk der EU ein ›No‹ entgegengeschmettert
habe. Auch er würde so abgestimmt haben. Gleichzeitig mahnte er zu Gelassenheit
im Umgang mit dem Votum der Briten. Nachdem Ministerpräsident Kretschmann nach dem
Brexit-Votum in seiner Regierungserklärung für einen neuen europäischen Geist
geworben hatte und sich bemühte, die Vorteile der EU gebührend in den
Vordergrund zu stellen, reagierte Meuthen wie folgt: »Dieser EU hätte auch ich, hätte ich mit abstimmen dürfen, den
Stecker gezogen. Nicht um sie zur Strecke zu bringen. Sondern um sie zu
zwingen, endlich erwachsen zu werden und das zu tun, weshalben es sie überhaupt
gibt.«
»Im
Gegensatz zum allgemeinen Tenor«, schreiben die beiden Ökonomen Matthias Weik
und Marc Friedrich u.a. auf ›mmnews‹, »der von einem traurigen und
schwarzen Tag für Europa spricht, sehen wir es positiv. Es ist ein guter Tag
für die Menschen, für die direkte Demokratie und - wir sind davon überzeugt - auch für Europa. Gerade wenn man die Bürger
Europas wieder in die demokratischen Entscheidungsprozesse mit aufnimmt,
entzieht man extremen Kräften ihren Nährboden, entgegnet der gefährlichen
Politikverdrossenheit und schafft ein Europa der Menschen, welche sich damit
besser identifizieren können. Nicht Europa ist gescheitert, sondern die EU mit
ihrer Fassadendemokratie. Das ist ein meilenweiter und wichtiger Unterschied. Eine
EU der Institutionen, Elfenbeintürme und Bürokratien, eine EU der feudalen
Kommissare, von denen sich viele Bürger Europas schon lange nicht mehr abgeholt
fühlen. Ein aufgeblähter bürokratischer Wasserkopf, der die Bürger Milliarden
kostet. Werden heute aus dieser Entscheidung des britischen Volkes nicht die
richtigen Konsequenzen gezogen, wird von
den Politikern nicht erkannt, daß der Euro unseren Wohlstand peu à peu auffrißt
und Europa trennt, anstatt es zu einen, und daß die irrsinnige Politik der
Europäischen Zentralbank sich gegen die Menschen richtet, dann wird die EU,
aber auch die europäische Idee, gnadenlos scheitern. Das gilt es zu verhindern
und das ist unsere bürgerliche Pflicht. Es ist mehr denn je Zeit für Realismus
und nicht für Pessimismus. Wir hoffen, daß der heilsame Schock nun die
wichtigen und überfälligen Veränderungen initiiert.« [12] Wie sich die Dinge für die Briten entwickeln
werden, bleibt abzuwarten. Zunächst sind sie sowohl den Vertrag von
Lissabon als auch die TTIP los, wodurch es ihnen freisteht, sich anderen
Bündnissen zuzuwenden, so etwa dem Projekt der ›Neuen Seidenstraße‹.
Die Schuldigen Wie könnte es auch anders sein: Soeben hat der französische
Ökonom Thomas Piketty der BRD die Hauptschuld am Brexit angelastet. Wie er
darlegt, hätten vor allem Deutschland und Angela Merkel versagt: Durch
Egoismus, Besserwisserei und Nationalismus. Auf die von der Tageszeitung ›Die Welt‹ gestellte Frage, was jetzt anstehe, meint er: »Wir müssen die Regierungschefs zur Verantwortung ziehen. Sie müssen
sich klarmachen, welche Gefahr droht: Wenn es jetzt Referenden regnet, dann hat
die Krise andere Dimensionen als das, was sie bislang kannten. Doch solange man
durch Finanzdumping prosperieren kann, wird keiner etwas ändern wollen. Wir
brauchen Sanktionen gegen die Verdunklungsstrategien
in der Finanzwirtschaft, gegen Steuerparadiese, gegen das Bankgeheimnis mitten
in Europa.« Worin man ihm allerdings
nicht folgen kann, ist sein Vorschlag: »Wir brauchen
ein Parlament der Euro-Zone, das über die Höhe der Defizite, die
Umstrukturierung der Schulden entscheiden müßte.« Nun finanzieren wir in Brüssel bereits ein
aufgeblähtes Bürokratiemonster, das mitunter nicht einmal in der Lage war, einwandfreie
Rechnungslegungen auszufertigen, und eine weitere Institution, wie sie Piketty
in den Raum stellt, dürfte allein schon angesichts der Vielzahl und Verschiedenheit
der Mitgliedsstaaten nicht in der Lage sein, Abhilfe zu schaffen. Ganz im
Gegenteil ist es längst unabdingbar, die Forderung des britischen
EU-Parlamentariers Daniel Hannan, die dieser bereits im Jahr 2007 vorbrachte,
umzusetzen und mit der Repatriierung
der finanziellen Hoheit an die Nationalstaaten zu beginnen. Der der EU
skeptisch gegenüber stehende Hannan sagte ferner: »Es heißt immer, die EU sei undemokratisch, ich würde mittlerweile
sagen: Nein, sie ist antidemokratisch.« Darüber hinaus ist der Gedanke einer Erweiterung der EU-Organe konträr zu
der von Sigmar Gabriel soeben ausgesprochenen
Forderung, den ganzen EU-Apparat zu verschlanken. Bereits
damals sprach Hannan in einem Interview mit der ›Jungen Freiheit‹ vom 29. 7. 2007 den mit hoher Wahrscheinlichkeit unverändert
gebliebenen Fakt aus, dass »wir zu unfaßbaren, fast 90 Prozent keine Kontrolle über die
EU-Ausgaben haben - weil enorme Geldbeträge in der EU verschwendet, abgezweigt
oder veruntreut werden. Wäre die EU eine Firma, säßen alle Kommissare längst im
Gefängnis!«
Zur Frage des
Souveränitätsverlusts Nun wäre ja anzunehmen gewesen, dass nach dieser
Wende, die Markus Gärtner ›als ein
Schlag ins Gesicht ausufernder EU-Bürokratie, galoppierender Verschuldung, wirtschaftlichem
Vandalismus in Südeuropa und extremer Wählerferne war‹ bezeichnet hat, in Brüssel ein erstes Umdenken
erfolgen würde, wofür bislang allerdings keine Anzeichen vorliegen. Im
Gegenteil: Juncker hatte offensichtlich nichts Eiligeres zu tun, als am Gipfeltreffen
vom 28. 6. zu erklären, dass das CETA-Abkommen in die alleinige Kompetenz der
Kommission fiele, im Klartext: Juncker will CETA als ein reines EU-Abkommen behandeln,
so dass die Parlamente der EU-Mitgliedsländern an der Entscheidung über das
bereits auf dem Tisch liegende Freihandelsabkommen mit Kanada nicht beteiligt
werden sollen, dies trotz starker Vorbehalte. »Damit«, so Gärtner, »hat die Kommission in Brüssel schon zweimal
bewiesen, daß sie von den
Bürgern der EU gar nichts anderes als eine Rote Karte verdient.« Junckers Absicht hat Gabriel am 29. Juni
dann doch zu einer geharnischten Replik veranlasst: Er nannte das Vorgehen ›unglaublich töricht‹. Ohne Parlamentsvotum werde er ›auf keinen Fall‹ im EU-Handelsministerrat über den Freihandelsdeal
abstimmen. Das ›dumme Durchdrücken von CETA‹ werde alle Verschwörungstheorien zu den geplanten weiteren
Freihandelsabkommen ›explodieren‹ lassen. Kein Mensch werde dann glauben, dass es bei dem
umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP mit der USA nicht genauso laufen werde. ›Wenn die EU-Kommission das bei CETA
macht, ist TTIP tot‹, warnte der Vizekanzler. Soweit Sigmar Gabriel.
Norbert Häring, dessen Ausführungen zum
Bargeld in unserer Gastkolumne vorgestellt sind: http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2545 »Der Weg in die totale Kontrolle« vom 12. 6. 16 legte indessen am 29. Juni unter
dem Titel: ›Wie Merkel und Gabriel mit Juncker gemeinsame Sache machen, um
CETA durchzuschummeln‹ - folgendes dar: http://norberthaering.de/de/27-german/news/649-merkel-gabriel-ceta 29. 6. 16 http://norberthaering.de/de
»Wir erleben gerade ein Schmierentheater erster
Güte, mit dem Sigmar Gabriel und seine SPD zusammen mit Angela Merkel und ihrer
CDU verbergen wollen, daß sie einen perfiden Plan der EU-Kommission unter dem ›Wenn-es-ernst-wird-mußt-du-lügen‹-Jean-Claude Juncker stützen. Dieser
will das von der Bevölkerung weithin abgelehnte Handels- und Investorenprivilegien-Abkommen
CETA EU-rechtswidrig an den Parlamenten vorbeischleusen.« Im weiteren
verweist Häring auf folgenden Artikel in der ›ZEIT online‹: »Bereits am 10. Juni war bekannt geworden, daß die Kommission
dieses Vorgehen erwägt. CETA soll als reines EU-Abkommen eingestuft werden,
berichtete damals die ›Frankfurter
Allgemeine Zeitung‹. In
Brüssel fürchtet die EU-Kommission schon länger, daß die nationalen
Parlamente die Weiterentwicklung der europäischen Handelspolitik lahmlegen
könnten, indem sie ihre Zustimmung verweigern [worauf, wie bereits vermerkt,
auch Lafontaine hingewiesen hat]. Um der kritischen Öffentlichkeit in
Deutschland das Gefühl zu geben, gehört zu werden, hält die deutsche Regierung
eine Einbeziehung von Bundestag und Bundesrat aber für unverzichtbar.« In einem weiteren Bericht
von ›ZEIT online‹ vom
28. 6. heisst es dann effektiv, dass die EU CETA ohne
nationale Parlamente ratifizieren will: »Die EU-Kommission befürchtet,
daß das Freihandelsabkommen am Widerstand der nationalen Parlamente
scheitern könnte, oder zumindest stark verzögert werden würde. Zudem sei es
falsch, davon auszugehen, daß nur nationale Parlamente demokratische Kontrolle gewähren
könnten, sagte Juncker bei dem Gipfel. Eine solche Vorstellung schwäche die
Grundidee der EU. Bei CETA handle es sich nach seiner Aussage um
das beste Handelsabkommen, das Europa jemals vereinbart habe. Die
Zukunft des bereits ausgehandelten Abkommens mit Kanada ist damit offen. Die
EU-Staaten könnten nun einstimmig festlegen, daß sie der Meinung der Kommission
nicht folgen wollen. Es ist denkbar, daß die Verabschiedung des Abkommens auf
unbestimmte Zeit blockiert wird.«
Zumindest legt das Verhalten Junckers nahe, dass er
dem EU-Ziel der Aushebelung der Nationalstaaten verhaftet bleibt. Schon Ex-Kanzler
Schröder hatte es mit Blick auf den Euro im April 2012 für notwendig gehalten, dass
›alle Länder auf nationale Souveränität
verzichten‹ müssen. Schliesslich hat auch Heiko Schrang auf ›mmnews‹ im Februar 2013 festgehalten, dass sich Mario Draghi in einem
Gastbeitrag für ›DIE ZEIT‹ vom 29. 8. 2012 für ein
Ende der Souveränität der Parlamente in Europa ausgesprochen hat. »Das«, so Schrang, »wäre dann mit dem Ende der alten demokratischen Ordnung verbunden und
käme einer Diktatur in Europa nah«. [13]
Einem
Bericht der ›Welt‹ vom 28. Juni zufolge hat Juncker seiner Behörde nach
eigenen Angaben sogar Gespräche mit den Briten verboten; bei letzteren sieht er
›klammheimliche‹
Bestrebungen zu Vorverhandlungen mit EU-Partnern, die noch vor der offiziellen
Austrittserklärung ›in
abgedunkelten Räumen‹ [!] zu
beginnen wären, um sich so etwa den künftigen Zugang zum EU-Binnenmarkt zu
sichern.
»Fast könnte man meinen«, so Michael Paulwitz, »Jean-Claude
Juncker freue sich über den Ausstieg der Briten aus dem EU-Zirkus: Endlich sind
sie weg, die Querulanten, die ständig mit so überholtem Zeug wie der
Souveränität der Nationalstaaten als Fundament der Demokratie daherkommen und
statt eines zentralistischen Regulierungsmonsters Europa lieber als
prosperierende Freihandelszone sehen wollten. Ohne die Bremser von der Insel
glaubt Juncker ganz offensichtlich, endlich freie Fahrt zum
europäischen Superstaat zu haben, den er und seine
Nomenklatura anstreben. Junckers erster Gedanke nach der Brexit-Nachricht:
Jetzt muß die Währungsunion „vollendet“
und auch die noch zögernden EU-Mitglieder in den Euro gezwungen werden.«
[14] Angesichts
der gegenwärtigen Kontroverse legte Christian Lindner von der FDP Juncker am
30. 6. den Rücktritt nahe. Er sei gegenwärtig ›eine Belastung für die Zukunft Europas‹ und ›alles andere als ein Garant europäischer Einheit.‹ In der ›aufgeladenen Situation‹ nach dem Brexit-Votum der Briten empfehle Juncker nicht
nur mehr Zentralismus in der EU, sondern erkläre CETA zu einer reinen Angelegenheit für Brüssel, so Lindner. Das sei angesichts
der gefühlten Entfremdung zwischen europäischen Institutionen und Bürgern ›genau das falsche Signal‹. Was nun den von Linder angesprochenen
Zentralismus angeht, so konnte sich Brüssel in den zurückliegenden Jahren auf
zahlreiche Befürworter stützen, die der Verlagerung von nationalen Befugnissen
an die Kommission das Wort redeten. So wollten die Grünen in Deutschland die
Abgabe deutscher Souveränität an Brüssel 2013 zum Wahlkampf-Thema machen und
der von dem Autor Bruno Bandulet als antideutsch bezeichnete Jürgen Trittin
verlangte im August desselben Jahres offen die Abgabe von Souveränität an
Brüssel. Da kommt man an der Frage nicht vorbei, ob seine Forderung nicht etwa
ein Nachwehen seiner Teilnahme an der Bilderberger-Konferenz im Mai 2012 in
Chantilly, USA, war. Was sich Politiker seines Schlags von der Abtretung
nationaler Rechte an Brüssel versprechen, steht dahin..... »Wenn Sie meinen«, hielt Dr.
Helmut Böttiger einmal auf seiner ›Spatzseite‹ fest, »es käme noch auf die viel zu
vielen Abgeordneten an, die Sie wählen dürfen, dann täuschen Sie sich. Die
dürfen abnicken, was die fürstlich bezahlten Herren in Brüssel fordern. Die Klimapolitik ist eines der Mittel, mit denen diese
Figuren die Souveränität der Nationalstaaten ausgehebelt und deren politische
Führung zu willigen Befehlsempfängern gemacht haben. Und diese Leute
sind es auch, die, in wessen Auftrag auch immer
- infrage kämen die Zentralen der Hochfinanz wie IWF, Weltbank, WTO etc.,
die Hinterzimmer der vereinigten supranationalen Konzerne, die Denkfabriken,
NGOs und Umweltverbände, sowie die großen US-Stiftungen - die Wirtschaft und
die Versorgung der Menschen in der EU gezielt ruinieren.«
Der Autor Wolfgang Effenberger hat bereits
festgehalten, dass Paul Craig Roberts am 24. Juni, keine 24 Stunden nach der
Abstimmung, auf der Website des von ihm gegründeten ›Institute
for Political Economy‹ die Frage
stellt: »The Brexit Vote – What does it mean?« In seinem sprengstoffgeladenen
Artikel gibt er eine eindeutige Antwort: »Hoffentlich ein Auseinanderbrechen
der EU und der NATO und damit die Vermeidung des Dritten Weltkriegs.« [15] Zu
letzterem sei an das 2007 erschienene Buch von Jürgen
Elsässer ›Angriff der Heuschrecken: Zerstörung der Nationen und globaler Krieg‹ erinnert,
in dem es heisst: »Die
US-amerikanischen Neokonservativen, die tonangebende Fraktion im Pentagon,
arbeiten seit 9/11 gezielt auf einen Weltkrieg hin«.
Nun hatte ja Herman Van Rompuy Anfang Januar 2013 erklärt, dass ›die Briten ohne Wenn und Aber
in der EU bleiben müssen‹. Zu diesem Zeitpunkt ging es um Bemühungen Grossbritanniens,
eine Vertiefung der europäischen Integration zu blockieren. Auch weigerte sich
die Regierung Cameron, Vertragsänderungen zu unterschreiben, die eine
Vergemeinschaftung der Schulden in Europa in Form einer Fiskalunion
vorantreiben würden. Jedenfalls ist diese ›Zwangsverordnung‹ nun fehlgeschlagen. In diesem Zusammenhang sei
erwähnt, dass es der ehemalige Ministerpräsident Bayerns und Mitglied der sogenannten ›High Level Group‹ der EU-Kommission, Edmund Stoiber, war, der uns, zusammen mit dem
Unternehmensberater Roland Berger wissen liess, was seit Jahrzehnten
anzunehmen ist: ›Regiert werden wir von Leuten, die wir gar nicht wählen
können.‹ Nun ist die Öffentlichkeit in
der Regel von dem, was hinter den Kulissen ausgebrütet wird, bis zum Eintreten sichtbarer
Folgen ausgeschlossen. Insofern hat jetzt auch das EP-Mitglied Cornelia Ernst erklärt, es könne nach der Volksabstimmung
in Grossbritannien kein ›Weiter so‹ in der EU geben, man
müsse jetzt weniger Politik in den Hinterzimmern machen. Im Hinblick auf
Berichte, die der USA die Absicht anlasten, Europas Niedergang zu bewirken,
wäre es daher durchaus nicht abwegig zu folgern, dass es die Hintergrundmächte
zum jetzigen Zeitpunkt in der Tat begrüssen, dass England für den Austritt aus
der EU gestimmt hat, um den engsten Verbündeten Washingtons nicht in den drohenden
wirtschaftlichen Abstieg der EU mit hineinzuziehen.
d.auerbach@gmx.ch
Siehe
hierzu:
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1570 10. 7. 2010 Barrosos
Ziel: Souveränität der europäischen Staaten brechen
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1954
21. 5. 2012 Die diesjährige Karlspreisverleihung –
Eine Absurdität? – Von
Doris Auerbach
[1] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/markus-gaertner/brexit-cameron-warnt-vor-einem-dritten-weltkrieg.html 9. 5. 16
[2] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/markus-gaertner/transatlantische-propaganda-brigaden-nehmen-britische-waehler-unter-beschuss.html 23. 2. 16
Brexit – Cameron warnt vor einem Dritten Weltkrieg -
Markus Gärtner
[3] Zeit-Fragen Nr. 51 vom 16. 12. 2002
[4]
http://de.sputniknews.com/politik/20160630/311039151/lafontaine-eu-kommission-juncker-feinde-europa.html 30. 6. 16
[5]
http://www.mmnews.de/index.php/politik/77321-eu-panik-im-politburo 30. 6. 16 EU: Panik im Politbüro - von Ramin
Peyman
[6] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/25/eu-will-zugriff-auf-nationale-staats-vermoegen-erhalten/ 25. 11. 13
Schuldenkrise: EU will Zugriff auf
nationale Vermögens-Werte
[7] https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2016/merkel-kuendigt-harten-kurs-gegen-briten-an/ 28. 6. 16
[8] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/06/29/merkel-lehnt-grosse-reform-der-eu-ab/ 29. 6. 16
[9] https://www.contra-magazin.com/2016/06/spd-verlangt-sofortige-regierungserklaerung-merkels/ 24. 6. 16
[10] https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2016/merkel-kuendigt-harten-kurs-gegen-briten-an/ 28. 6. 16
[11] https://sciencefiles.org/2016/06/24/die-sueddeutsche-deutsche-kleingeistigkeit-gepaart-mit-rechtem-extremismus/ 24. 6. 16
[12] http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/77130-der-anfang-vom-ende-der-eu-und-des-euros 28. 6. 16
Von Matthias Weik und Marc Friedrich
[13] http://www.mmnews.de/index.php/politik/11994-eu-und-euro-die-jahrhundertluege 7. 2. 13
EU und Euro: Die Jahrhundertlüge
- von Heiko Schrang
[14] https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2016/der-kapitaen-auf-dem-narrenschiff/ 29. 6. 16
Michael Paulwitz
[15] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/wolfgang-effenberger/die-eu-ein-transatlantischer-spaltpilz.html;jsessionid=C283F77F1B9616AD33FDCE75C9CB4F81 2. 7. 16
Die EU – ein transatlantischer Spaltpilz - Wolfgang Effenberger
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