Die Mär vom deutschen Exportüberschuss

d.a. »Deutschland«, schreibt German Foreign Policy am 8. 9., »wird 2016

seinen höchsten Exportüberschuß seit je erzielen und mit einem Plus im Außenhandel von mehr als einer Viertelbillion € sämtliche andere Länder der Welt weit in den Schatten stellen. Dies sagt das Münchner ifo-Institut voraus. Bereits im ersten Halbjahr 2016 konnten deutsche Firmen ein Außenhandelsplus von 142,6 Milliarden € verzeichnen, fast 10 % mehr als im Vergleichszeitraum 2015«.

»International werden die jüngsten deutschen Rekorde scharf kritisiert.  Dauerhafte Exportüberschüsse führen in den Abnehmerländern häufig zu dauerhaften Außenhandelsdefiziten, die die betroffenen Staaten häufig tief in die Verschuldung treiben; aktuelle Beispiele sind die südlichen Eurostaaten, etwa Griechenland. Weil die Exportüberschüsse jedoch deutschen Firmen Wohlstand und Einfluß in der Weltwirtschaft sichern, kümmert sich Berlin nicht darum. Mittlerweile warnen allerdings erste Think Tanks vor den Folgen. So rät beispielsweise die Bertelsmann-Stiftung zu einem vorsichtigen Kurswechsel: Ein Wachstumsmodell, das allzu stark auf Exporte fokussiere, gerate im Falle eines Absatzrückgangs in bedeutenden Abnehmerstaaten in die Krise.

Lohnverzicht für die Expansion  -  Mit dem neuen Rekord-Außenhandelsplus setzt die Bundesrepublik die Serie ihrer Überschüsse aus den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten fort. Die deutsche Wirtschaft verkauft seit 2001 mehr Waren ins Ausland, als sie selbst von dort beschafft. Ihre Überschüsse erreichten im Jahr 2012 bereits einen Wert von rund 170 Milliarden €; 2014 beliefen sie sich auf 220, 2015 schon auf 248 Milliarden. Insgesamt überstiegen die deutschen Exporte seit dem Jahr 2001 die Importe um gut 2 Billionen € - immense Reichtümer, die in Deutschland angehäuft wurden und dieses Jahr noch weiter wachsen. Möglich ist das, weil, wie dies die Bertelsmann-Stiftung in einer Ende 2015 publizierten Studie erläutert, die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik von 1995 bis 2011 nahezu konstant blieben, während sie in den meisten anderen Industriestaaten im selben Zeitraum um 30 bis 40 % stiegen. Das wiederum liegt, wie die Stiftung feststellt, nicht nur am technologischen Fortschritt, sondern vor allem auch an einer zurückhaltenden Lohnpolitik der Gewerkschaften: Lohnverzicht der abhängig Beschäftigten führt dazu, dass deutsche Unternehmen sich im Ausland zunehmend gegen ihre internationale Konkurrenz durchsetzen und profitable Geschäfte abschließen können. Im Endergebnis füllt der Lohnverzicht also nicht nur die Konzernkassen, er kommt auch einer Beihilfe für die deutsche Industrie zur Sicherung einer machtvollen Position in der Weltwirtschaft gleich. 

In die Schuldenfalle exportiert  -  Umgekehrt haben die anhaltenden deutschen Exportüberschüsse, wie die Bertelsmann-Stiftung in Erinnerung ruft, gravierende Nachteile für diejenigen Länder, die in ein dauerhaftes Handelsdefizit gegenüber der Bundesrepublik geraten. So müssen sich die betroffenen Volkswirtschaften zur Finanzierung ihrer Handelsdefizite in vielen Fällen im Ausland verschulden. Ausserdem stehen dem höheren Beschäftigungsniveau des Exportüberschusslandes Deutschland häufig geringere Beschäftigungsniveaus in den Ländern mit einem Importüberschuss gegenüber: So gesehen exportiert Deutschland seine Arbeitslosigkeit. In ein dauerhaftes Handelsdefizit gegenüber der Bundesrepublik sind unter anderem Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland geraten. Allein von 2010 bis 2015 flossen aus Italien und Spanien rund 60 Milliarden € nach Deutschland ab. Das in der Krise versinkende Griechenland zahlte im selben Zeitraum immerhin 19 Milliarden Euro netto in die Bundesrepublik. Aus Frankreich wurden von 2010 bis 2015 sogar über 210 Milliarden € netto an deutsche Unternehmen überwiesen - riesige Summen, deren Verlust in allen vier Ländern deutlich krisenverschärfend wirkt.«  [1]

Soweit der Auszug aus dem GFP-Bericht.


Mit anderen Worten: Es ist mal wieder nichts gut an Deutschland!

Eine derart anklagende und dem wahren Sachverhalt nicht standhaltende Skizzierung der Lage kann nicht unwidersprochen bleiben, selbst wenn man daran gewöhnt ist, dass sich die Presse hinsichtlich der Interpretation von Gegebenheiten nur allzu gerne das Recht anmasst, ihre eigene Sichtweise als veritablen Tatbestand darzulegen. Insofern folgt hier die im vorliegenden Fall absolut unerlässliche Berichtigung:

HURRA, Deutschland ist Exportweltmeister!

Ein Grund zum Jubeln?  N E I N  !

Zwar hat Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit im vergangenen Jahrzehnt in der Tat enorm gesteigert – dies aber auf Kosten seines Heimatmarktes. Dass Produkte Made in Germany günstiger wurden, ist vor allem der Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmer im Inland zu verdanken, und nicht dem Einfallsreichtum der Politiker.

Was die Aussage von GFP betrifft, »dass die jüngsten deutschen Rekorde international scharf kritisiert werden und dauerhafte Exportüberschüsse in den Abnehmerländern häufig zu dauerhaften Aussenhandelsdefiziten führten, die die betroffenen Staaten tief in die Verschuldung treiben«, so ist hier folgendes richtigzustellen:

Deutsche Exportüberschüsse als Grund für die zunehmende Verschuldung südeuropäischer Länder aufzuführen, ist mehr als irreführend. Der wahre Grund liegt in der Gleichschaltung völlig heterogener Wirtschaftszonen. Konnten die EU-Länder früher auf das Regularium Währungsabwertung zurückgreifen, um gegenzusteuern, ist ihnen diese Möglichkeit durch die Einheitswährung Euro genommen worden. Die Gründe für die Schulden in den Krisenländern sind vielfältig, diese allein auf deutsche Exporte zurückzuführen, ist mehr als töricht und dient einzig und allein dazu, von den tatsächlichen Gründen abzulenken. Vor der Einführung des Euros hatten die deutschen Konzerne das Abwertungsrisiko einzukalkulieren und zu tragen. Dieses Risiko besteht für sie nun nicht mehr; diese Abwertungen innerhalb der EU müssen die Steuerzahler der effizienteren Länder tragen, indem sie durch Einzahlungen in das EU-System bluten müssen.

Und Deutschland bzw. seine Steuerzahler sind das Opfer dieses Wahnsinns.

Doch der deutsche Steuerzahler muss noch mehr ertragen, denn die Exportüberschüsse werden heute zu einem grossen Teil im Ausland erwirtschaftet.

Die Grosskonzerne erzielen mit ihren im Ausland verkauften Produkten Erträge in den Landeswährungen. Blieb zu klären: Wohin mit dem fremden Geld? Diese Frage liess nur einen betriebswirtschaftlichen Schluss zu: Die Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland - und so schlug man zwei Fliegen mit einer Klappe: Durch geringere Löhne stiegen vice versa die Erträge und man wurde auf einfache Weise die fremde Währung über die Lohnzahlungen wieder los. Und so haben die so scharf kritisierten und uns immer wieder vor Augen geführten Exportgewinne vor allem zu eines geführt:

Zur Arbeitslosigkeit bei uns in Deutschland

Und mit der Verlagerung von Produktionen ins Ausland ist bei weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht: 47 % der deutschen Industriebetriebe wollen jenseits der Grenzen investieren. Das zeigt die aktuelle Umfrage Auslandsinvestitionen in der Industrie, die der DIHK Ende April 2016 vorlegte.   [2] 

Von den für Deutschland gebetsmühlenartig so positiv publizierten Exportüberschüssen bleibt nun nicht mehr viel übrig, denn zwei Drittel der Erlöse der deutschen Börsenkonzerne kommen mittlerweile aus dem Ausland. Das bedeutet, dass deutsche Unternehmen den grössten Anteil an Mitarbeitern im AUSLAND und NICHT IM INLAND haben. 

Hierzu zwei Beispiele:

Henkel beschäftigt inzwischen 82,4 % seiner Mitarbeiter im Ausland. Und auch die im Ausland erwirtschafteten Umsätze sprechen eine deutliche Sprache: Laut boerse.de wurden bereits 2013 folgende Auslandsumsätze gelistet:

Siemens-Konzern  85,9 %  
Linde  91,5 %
Adidas  95 %

Diese Beispiele liessen sich beliebig fortführen. Von den hierin enthaltenen Arbeitsstunden profitiert nicht ein einziger deutscher Arbeitnehmer!  Allerdings werden die Umsätze wegen der deutschen Stammhäuser hier erfasst und publiziert.

Wie verhält es sich nun mit den Exportprodukten, die im Inland hergestellt werden? Hier sei auf das Zahlungsverkehrssystem TARGET2 hingewiesen. Dieses nationale und grenzüberschreitende Zahlungssystem gleicht Salden der Lieferanten und Empfänger über die Nationalbanken aus.

Siehe hierzu auf politonline
Die unbekannte finanzielle Vernichtungswaffe: TARGET2 - Der Billionen-Solizuschlag für Krisenländer - Warum die EZB fortbestehen muss!
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2115

Laut der Deutschen Bundesbank betrug der TARGET2-Saldo am 31. 8. 2016 677.478.969.911,78 Euro.   [3]

Es handelt sich hier also um Geld, das mit immer grösserer Verzögerung und zum Teil gar nicht mehr nach Deutschland zurückfliesst, für das aber die Bundesbank und damit der Steuerzahler haftet.

Nicht nur, dass die Forderungen immer grösser werden und wir auf Grund der Auslandsproduktion immer mehr Arbeitsplätze streichen müssen, sondern wir verzeichnen auch seit Jahren eine schwerwiegende Investitionszurückhaltung im Inland, da die deutschen Konzerne vorzugsweise im Ausland investieren. Daran werden auch Draghis Zins-Machenschaften nichts ändern!

Und das Drama geht noch weiter: 
Mit dem Exportüberschuss geht ein hoher Kapitalexport einher. Allein 2014 flossen 240 Milliarden Euro Kapital aus Deutschland ins Ausland ab. Dies für Direktinvestitionen in die Produktionsverlagerung und in Wertpapieranlagen. Die Mittel hierfür wurden zwar in Deutschland erspart, aber nicht hier investiert. Anstatt den Deutschen diese Gewinne gutzuschreiben und anstatt sie um ihre Sparzinsen zu bringen, wird diese Mehrleistung des Volkes an andere Länder einfach verschenkt. So etwas nennt man auch Versklavung.

Und nicht nur, dass wir vom Ausland versklavt werden und unser Geld dorthin verschenken, darüber hinaus arbeiten die Deutschen auch noch für jeden Asylanten in Deutschland und für jeden Migranten oder Deutschen mit Migrationshintergrund, der Hartz IV bezieht, was hier nur nebenbei bemerkt sei!

Und unter Berücksichtigung all dieser nachweisbaren authentischen Zahlen  - die den Publizisten sehr wohl bekannt sein müssen, denn sonst hätten sie den falschen Job -  Deutschland wegen der Exportüberschüsse zu kritisieren, grenzt schon an Infamie.

Wenn uns nun die Exportgewinne vorgerechnet werden, die andere Länder angeblich in die Verschuldung treiben, dann erwarte ich von Berichterstattern wie German Foreign Policy die Antwort darauf, warum die Armut in Deutschland so hoch angestiegen ist und weiter zunimmt, und warum Tausende von Kindern über Tafeln versorgt werden müssen?

So las man denn auch im
Focus  [4] bereits am 27. 3. 2013: 

Die Armut in Deutschland ist grösser als in Slowenien

Deutschland soll eines der reichsten Länder der Europäischen Union sein  - auf den Riesenschuldenberg von 2,1 Billionen Euro wollen wir hier nicht näher eingehen -  warum sind dann hier Armut und Einkommensunterschiede grösser als in vielen Mitgliedsstaaten mit einer schwächeren Wirtschaft? Gemäss aktueller Zahlen vom Mai 2016 des Statistik-Portals  [5]  betrug der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffenen Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2014  20,6 % der Bevölkerung.

Ganz aktuell titelt die Badische Zeitung vom 13. September 2016:
1,9 Millionen Kinder in Hartz IV
»Trotz der guten Wirtschaftslage sind immer mehr Minderjährige auf Grundsicherung angewiesen.
Auch im prosperierenden Deutschland bleibt die Kinderarmut ein Problem. Fast 2 Millionen Kinder sind auf Hartz IV angewiesen und ihre Zahl ist trotz des Aufschwungs zuletzt gewachsen. Sozialleistungen zu bekommen, ist für viele ein Dauerzustand geworden, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.«  [6]  Man muss sich vor Augen führen, dass in Deutschland, das ja angeblich zu einem der reichsten Länder der Erde gehört, jeder 5. Einwohner von Armut betroffen ist! Dies ist eine Schande für das Land und seine Regierung!

Aber unsere mediengesteuerten Rechtsverdreher lassen nicht nach, Deutschland mit Fehlinformationen oder Halbwahrheiten bewusst und gezielt zu verunglimpfen. Ein schändlicher Artikel!

Fazit
Die Folgen der Exportüberschüsse haben für Deutschland weitaus verheerendere Folgen als für die bedauerten Abnehmerländer;
auch eine Überschrift im Focus vom 24. Oktober 2014 lautete bereits wie folgt: Reiche immer reicher - Deutschland ist das ungerechteste Land der Euro-Zone.  [7] 

Dass von dem immensen Reichtum knapp 10 % der Bevölkerung profitieren, verschweigt GFP und erweckt so den Eindruck, als würde die gesamte Bevölkerung im Geld schwimmen.


[1]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59436   8. 9. 16 
Riskante Überschüsse

[2]  http://www.dihk.de/branchen/industrie/auslandsinvestitionen/auslandsinvestitionen  Auslandsinvestitionen 

[3]  https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/target2_saldo.html   31. 8. 16  TARGET2-Saldo

[4]  http://www.focus.de/finanzen/news/wohlstand-in-europa-armut-in-deutschland-ist-groesser-als-in-slowenien_aid_949511.html   27. 3. 13
Wohlstand in Europa - Armut in Deutschland ist grösser als in Slowenien

[5]  http://de.statista.com/statistik/daten/studie/244865/umfrage/von-armut-oder-sozialer-ausgrenzung-betroffene-bevoelkerung-in-deutschland/   
Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffenen Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2014 

und https://de.statista.com/themen/120/armut-in-deutschland/ Fakten zum Thema: Armut in Deutschland

[6]  http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/1-9-millionen-kinder-in-hartz-iv--127146006.html   13. 9. 16
1,9 Millionen Kinder in Hartz IV  -  Von Ronny Gert Bürckholdt

[7]  http://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/reiche-immer-reicher-deutschland-ist-das-ungerechteste-land-der-euro-zone_id_4225150.html  
24. 10. 14 
Reiche immer reicher - Deutschland ist das ungerechteste Land der Euro-Zone – Von Clemens Schömann-Finck