Der Einfluß der USA und der NATO auf das Verhältnis der EU mit China - Von Manlio Dinucci

Als Teilnehmer an dem internationalen Forum »Der chinesische Weg und das internationale Umfeld« vom 15. Oktober in Rom

hat der italienische Geograph Manlio Dinucci seine Analyse über die Waffen, die die Vereinigten Staaten aufgebaut haben, um die ganze Welt zu beherrschen, wie folgt zusammengefaßt: 

Ich gehe direkt zum Kern der Sache über. Ich denke, daß man nicht von den Beziehungen zwischen der EU und China sprechen kann, ohne den direkten und den über die NATO ausgeübten Einfluß der Vereinigten Staaten auf die Europäische Union mit einzubeziehen.

Heute gehören 21 der 27 EU-Länder  [nach dem Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU]  der NATO an; diese wird durch die EU als Fundament der kollektiven Verteidigunganerkannt. Die NATO steht unter US-Kommando: Der alliierte Oberbefehlshaber in Europa wird immer durch den US-Präsidenten ernannt und alle anderen wichtigen Befehle sind ebenfalls in den Händen der USA. Die Außen- und Militärpolitik der Europäischen Union ist also grundsätzlich der US-Strategie, hinsichtlich der die europäischen Grossmächte übereinstimmen, untergeordnet.

Diese in offiziellen Dokumenten klar dargelegte Strategie wurde in einem historischen Moment geschrieben, als sich die Weltlage nach dem Zerfall der UdSSR änderte. Im Jahr 1991 erklärt das Weiße Haus in der National Security Strategy of the United States: »Die Vereinigten Staaten bleiben der einzige wirklich globale Staat mit einer Kraft, einem Umfang und einem Einfluß in allen Dimensionen - auf politischer, wirtschaftlicher und militärischer Ebene. Es gibt keinen Ersatz für die amerikanische Führung.« Im Jahr 1992 unterstreicht das Pentagon in der Defense Planning Guidance: »Unser erstes Ziel soll verhindern, daß irgendeine Macht eine Region dominiert, deren Ressourcen ausreichen könnten, um eine Weltmacht zu werden.« Diese Regionen sind Westeuropa, Ostasien, das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und das südwestliche Asien. Im Jahr 2001 kündigt das Pentagon im Quadrennial Defense Review-Bericht, der eine Woche vor dem USA/NATO Krieg in Afghanistan  - von erster geostrategischer Bedeutung in Bezug auf Rußland und China -  veröffentlicht wurde, folgendes an: »Es besteht die Möglichkeit, daß in der Region eine militärische Konkurrenz mit gewaltigen Ressourcen entsteht. Unsere Streitkräfte müssen die Fähigkeit behalten, jedem möglichen Gegner, auch Staaten und nichtstaatlichen Einheiten, den Willen der Vereinigten Staaten aufzuzwingen, das Regime eines gegnerischen Staates zu ändern oder fremdes Territorium zu besetzen, bis die amerikanischen strategischen Ziele erfüllt sind.«    

Auf der Grundlage dieser Strategie hat die NATO unter US-Kommando ihre Offensive an der Ostfront gestartet: Nachdem sie durch den Krieg die Föderation Jugoslawien zerstört hatte, bemächtigte sie sich von 1999 bis heute aller Staaten des Warschauer Paktes, dreier des ehemaligen Jugoslawiens, dreier der Ex-UdSSR, und wird in Kürze andere umfassen  [von Georgien bis zur Ukraine, wobei letztere de facto bereits in der NATO ist], indem sie Stützpunkte und Streitkräfte, selbst atomare, immer näher an Rußland in Stellung bringt. Zur gleichen Zeit hat die NATO unter US-Befehl den libyschen Staat durch Krieg zerstört und versucht gegenwärtig, das Gleiche mit Syrien zu tun.  

Die USA und die NATO haben unter der Beschuldigung von Rußland, die europäische Sicherheit zu destabilisieren, die ukrainische Krise entfesselt und haben Europa auf Kosten der europäischen Volkswirtschaften, die durch die Sanktionen und Gegensanktionen geschädigt werden, in einen neuen Kalten Krieg verwickelt, in einen vor allem von Washington gewünschten, um die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der EU und Rußland, die für die amerikanischen Interessen schädlich sind, zu zerschlagen. 

Es ist die gleiche Strategie, die bei der wachsenden Verlegung von US-Militärkräften in die Asien-Pazifik Region in einer anti-chinesischen Funktion auftritt. Die US-Navy hat angekündigt, daß sie 2020 ihren Schwerpunkt mit 60 % ihrer See- und Luftstreitkräfte in diesen Bereich verlegen wird. Die US-Strategie konzentriert sich auf das Südchinesische Meer, für das Admiral Harris, Chef des US Pacific Command, folgende Bedeutung hervorhebt: »Es ist da, wo sich der Seehandel mit einem jährlichen Wert über 5000 Milliarden US-Dollar abspielt, mit 25 % des Weltexports von Öl und 50 % von Erdgas.« Die USA wollen diesen Seeweg kontrollieren, im Namen jener Freiheit, die Admiral Harris für die grundlegende Schifffahrts-Freiheit für unser Lebenssystem hier in den Vereinigten Staaten hält, und indem sie China beschuldigen, »aggressive Aktionen im Südchinesischen Meer zu betreiben, ähnlich denen von Rußland auf der Krim.« Deshalb patrouilliert die US-Navy im Südchinesischen Meer.

Im Kielwasser der Vereinigten Staaten folgen die europäischen Großmächte: Im Juli letzten Jahres hat Frankreich die Europäische Union gebeten, »die chinesische Südsee-Marine-Patrouille zu koordinieren, um eine regelmäßige und sichtbare Präsenz in diesen von China illegal beanspruchten Gewässern« zu sichern, »aber auch darum, nukleare Raketen zu installieren, ähnlich wie die in Rumänien und Polen gegen Rußland installierten, zusätzlich zu denen, die auf Kriegsschiffen im Mittelmeer kreuzen.« Derart empfängt der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, den südkoreanischen Minister für auswärtige Angelegenheiten, Yun Byung-se, am 6. Oktober in Brüssel  -  zur Stärkung der Partnerschaft der NATO mit Seoul.  

Diese Tatsachen und andere zeigen, daß in Europa und in Asien die gleiche Strategie an der Arbeit ist. Es ist dies der extreme Versuch der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Mächte, die wirtschaftliche, politische und militärische Vormachtstellung in einer sich in starkem Wandel befindlichen Welt, in der neue staatliche und gesellschaftliche Einheiten aufkommen, beizubehalten. Die aus dem chinesisch-russischen strategischen Abkommen entstandene Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) verfügt über Ressourcen und Arbeitsfähigkeiten, die es ermöglichen, den größten integrierten Wirtschaftsraum der Welt zu schaffen. Die SCO und die BRICS-Staaten sind mit ihren Finanzinstitutionen in der Lage, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, die es für die USA und die großen westlichen Mächte seit mehr als 70 Jahren möglich machten, durch wuchernde Kredite an verschuldete Länder und mittels anderer Finanzinstrumente die Weltwirtschaft zu beherrschen, weitgehend zu verdrängen. Die neuen Organisationen können zur gleichen Zeit die Entdollarisierung des Handels erreichen, indem sie den Vereinigten Staaten die Möglichkeit entziehen, ihre Schulden weiterhin durch Drucken von Dollar-Papiergeld, das als internationale Währung fungiert, auf andere Länder abzuwälzen.

Um ihre immer mehr wankende Vormachtstellung zu erhalten, verwenden die Vereinigten Staaten nicht nur Waffengewalt, sondern oft auch wirksamere Waffen als die echten:

-   Die erste Waffe sind die sogenannten Free Trade Agreements wie TTIP und TPP [die Transpazifische Partnerschaft], deren Zweck nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geopolitisch und geostrategisch ist. Deshalb bezeichnet Hillary Clinton die USA-EU-Partnerschaft als das große strategische Ziel unserer transatlantischen Allianz, mit dem Ziel einer NATO-Wirtschaft, die die politische und militärische Allianz integriert. Das Projekt ist klar: Die Bildung eines politischen, wirtschaftlichen und militärischen USA-EU-Blocks, der immer unter amerikanischem Kommando steht, sich dem aufkommenden, auf der Zusammenarbeit zwischen China und Rußland basierenden eurasischen Raum widersetzen soll und sich auch den BRICS-Staaten, dem Iran sowie anderen Ländern, die sich der Vorherrschaft des Westens entziehen, widersetzt. Da die Verhandlungen über die TTIP wegen der unterschiedlichen Interessen und einer weit verbreiteten Opposition in Europa schwer vorankommen, wird das Hindernis mit dem umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA umgangen: Eine getarnte TTIP, da Kanada mit den Vereinigten Staaten Teil der NAFTA ist.

-   Die zweite Waffe besteht im Eindringen in das angezielte Land, um es von innen her auseinanderzunehmen, unter Zurückgreifen auf die schwachen Punkte, das jedes Land besitzt: Korruption, Geldgier und politischer Karrierismus; ferner durch von lokalen Gruppen geschürter Sezessionismus, religiösem Fanatismus und die Anfälligkeit der großen Massen für politische Demagogie. Dazu gehört auch, die Unzufriedenheit von Massen, die auf Grund der Führung ihrer Regierung gerechtfertigt ist, zu stützen. Instrumente der Penetration sind ferner die sogenannten NGOs, die eigentlich die Hand des State Departments und der CIA sind. Diejenigen, die enorme finanzielle Mittel besitzen, organisierten bekanntlich die farbigen Revolutionen in Osteuropa und versuchten ebenso, die sogenannte Regenschirm-Revolution in Hong Kong durchzuführen. Sie versuchten auch, ähnliche Bewegungen in anderen Bereichen von China, die von nationalen Minderheiten bewohnt sind, zu schüren. Die gleichen Organisationen operieren in Lateinamerika, mit dem Ziel, die demokratischen Institutionen von Brasilien auszuheben und die BRICS-Staaten von innen her zu unterwandern.  Instrumente der gleichen Strategie sind Terroristen  - wie die bewaffneten in Libyen und Syrien agierenden Gruppen -  um Chaos zu säen und so zur Zerstörung des gleichzeitig von außen angegriffenen Staats beizutragen.    

-   Die dritte Waffe stellen die Psyops, die psychologischen Operationen dar, die durch globale Medienketten, die vom Pentagon definiert werden, initiiert sind: Geplante Operationen, um mittels spezifischer Informationen die Emotionen und die Motivation zu beeinflussen und damit das Verhalten der Öffentlichkeit, der Organisationen und ausländischer Regierungen; damit soll eine verstärkte Haltung zugunsten der angestrebten Ziele erreicht werden. Mit diesen Operationen, die die Öffentlichkeit auf die Eskalation des Krieges vorbereiten, läßt man Rußland als das für die Spannungen in Europa verantwortliche Land erscheinen und China als für die Spannungen in Asien verantwortlich, mit dem gleichzeitigen Vorwurf, daß sie die Menschenrechte verletzen.   

Eine letzte Überlegung 
Da ich mit meiner Frau in den 60er Jahren in Peking gearbeitet habe und wir beide an der Veröffentlichung des ersten chinesischen Magazins in italienischer Sprache mitgewirkt haben, habe ich eine prägende, grundlegende Erfahrung zu einem Zeitpunkt miterlebt, als China  - kaum fünfzehn Jahre vom Kolonialsystem und halbfeudalen Staat befreit -  komplett isoliert war und weder vom Westen noch von den Vereinten Nationen als souveräner Staat anerkannt war. Von dieser Periode her bleiben mir immer noch  - wie aufgedruckt -  die Widerstandskraft und das Bewußtsein der Menschen, damals 600 Millionen, die unter der Führung der kommunistischen Partei zum Aufbau einer völlig neuen wirtschaftlichen und kulturellen Gesellschaft beitrugen, im Gedächtnis. Ich denke, daß diese Fähigkeit auch für das China von heute notwendig ist. Das Land entwickelt sein enormes Potential, um den neuen Plänen der imperialen Herrschaft zu widerstehen, damit der Kampf für eine Welt ohne Kriege, in der der Frieden, mit sozialer Gerechtigkeit verbunden, triumphiert, gewonnen wird.

 

Quelle:
http://www.voltairenet.org/article193915.html
   29. 10. 2016