ist es zu verdanken, dass der
Abstimmungskampf über erleichterte Einbürgerungen an Fahrt aufgenommen hat und
die längst überfälligen Diskussionen darüber, welchen Wert das Schweizer
Bürgerrecht hat, endlich geführt werden. Das ach so verschmähte Burka-Plakat
trifft eben doch ins Schwarze – und rückt die Grundsatzfrage ins Zentrum, wer
in unserem Land über Einbürgerungen entscheiden soll. Am 12. Februar 2017 stimmen wir über
die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der sogenannten
dritten Generation ab, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind. Diese
Verfassungsänderung geht auf einen Vorstoss der Linken zurück, deren Strategie
es seit Jahrzehnten ist, zwecks erhoffter Erschliessung von Neuwählern den
Zugang zum Schweizer Pass für Ausländer Schritt für Schritt zu vereinfachen. Im
Abstimmungsbüchlein führt der Bundesrat ziemlich dreist die Behauptung aus,
diese ›Terzos‹ seien allesamt gut integriert: »Sie machen im Sportclub mit,
singen im Chor oder engagieren sich in anderen Vereinen.« Welch ein durch die
rosarote Brille verfasstes Gesülze!
Schweizer Pass im Eilverfahren
Neu sollen Ausländer der dritten
Generation den Schweizer Pass im Eilverfahren und zum ›Discount-Preis‹ beantragen können: Dies, wenn sie in
der Schweiz geboren wurden, nicht älter als 25 Jahre sind und hierzulande
mindestens fünf Jahre die obligatorische Schule besucht haben. Während der
ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes dürfen sich zusätzlich auch
unter 35-Jährige erleichtert einbürgern lassen. Mindestens ein Grosselternteil
muss ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz besessen haben oder in der Schweiz
geboren sein, dann besteht ein Anrecht auf erleichterte Einbürgerung. Fehlen
die Beweis-Dokumente, müssen die Antragsteller deren Aufenthaltsrecht nur ›glaubhaft‹ machen - nicht beweisen
- schliesslich existiert das zentrale
Ausländerregister erst seit 1970.
Im Gegensatz zum ordentlichen
Einbürgerungsverfahren, bei dem in urföderalistischer Tradition von den
Gemeinden bestimmte Gremien, nämlich Einbürgerungskommission,
Gemeindeversammlung, Legislative oder Exekutive, über die Erteilung des
Bürgerrechts entscheiden, soll der Bund erleichterte Einbürgerungen von
Ausländern der dritten Generation zentral verfügen können. Es erfolgt dann keine Prüfung
mehr durch ein kommunales Einbürgerungsgremium: Das
Einbürgerungsverfahren verkommt so zum Verwaltungsakt. Die Gemeinden hätten
zwar noch ein Beschwerderecht, doch wer garantiert, dass der Informationsfluss
zwischen den Gemeinden und dem Bund lückenlos klappen wird?
Unkontrollierte Einbürgerungen
Es sollen zwar auch für die ›Drittgeneratiönler‹ angeblich ›weiterhin strenge Kriterien‹ gelten [Prüfung des Vorstrafenregisters, keine
Sozialhilfeschulden]. Es liegt aber auf der Hand, dass problematische Personen,
die im ordentlichen Verfahren in den Gemeinden mit ihrem Gesuch durchgefallen
wären, vom Bund im erleichterten Verfahren durchgewinkt werden. In der
Gemeinde, wo man einen näheren Bezug zum Einbürgerungswilligen hat, spricht es
sich indessen eher herum, wenn ein junger radikal-muslimischer Einbürgerungskandidat Frauen den Handschlag
verweigert, auch wenn dies in keinen Strafakten vermerkt ist. Beispiele aus
Frankreich haben gezeigt, dass besonders Ausländer der dritten Generation für
die islamistische Ideologie anfällig sind und auch durch terroristische
Aktivitäten auffielen. Da in Frankreich die Landespässe à gogo verteilt wurden,
agiert diese Problem-Klientel mit einem französischen Pass und kann nicht mehr
abgeschoben werden. Gerade in Zeiten akuter Terrorgefahr ist es fahrlässig, den
Schweizer Pass zu vergeben, ohne dass in den Gemeinden, dort wo die Menschen
leben und man sie kennt, eine genaue Kontrolle stattgefunden hat.
Keine stichhaltigen Lockerungsgründe
Die Befürworter argumentieren,
einbürgerungswillige ›Terzos‹ müssten »ein langes und oft sehr aufwendiges
Einbürgerungsverfahren durchlaufen« - dies
lt. Abstimmungsbüchlein - was nicht
zumutbar sei. Doch objektiv betrachtet spricht rein gar nichts dagegen, dass
sich Ausländer der dritten Generation über das ordentliche Verfahren, nämlich
bei den Gemeinden, um das Schweizer Bürgerrecht bewerben. Dieses sieht vor,
dass Ausländer mindestens zwölf Jahre in der Schweiz gelebt haben müssen, wobei
die Jahre zwischen dem 10. und dem 20. Lebensjahr doppelt zählen. Kriterien
also, welche gesetzestreue Drittgeneratiönler, die sich wirklich mit der
Schweiz identifizieren, in der Regel erfüllen dürften.
Auch das Argument, es seien ja derzeit
nur etwa 25.000 Personen, die von der erleichterten Einbürgerung für Ausländer
der dritten Generation profitieren könnten
- und fast 60 % von ihnen seien ›kulturnahe‹ Italiener - hinkt
gewaltig. Wir ändern die Verfassung schliesslich nicht für den Jetzt-Zustand,
sondern für die Zukunft. Und in zwanzig bis dreissig Jahren werden es
vermehrt die Nachkommen der kulturfremden Zuwanderer von heute sein, die ihren
Anspruch auf erleichterte Einbürgerung geltend machen dürften und deren
Integration alles andere als gesichert sein wird.
Von mehr als 35 % aller Einwohner der
Schweiz ist mindestens ein Elternteil im Ausland zur Welt gekommen. Die
Bevölkerung mit Migrationshintergrund (Schweizer und Ausländer) ist zwischen
2013 und 2014 sieben Mal stärker gewachsen (+3 %) als jene ohne ausländischen
Elternteil (+0,4 %). Nur schon deswegen wird der Anteil an Ausländern der
dritten Generation in den nächsten Jahren weiter ansteigen.
Worum es bei Einbürgerungen geht
Es ist in Erinnerung zu rufen, worum es
bei dem Akt der Einbürgerung überhaupt geht: Das Schweizer Bürgerrecht ist mit
vielen, weltweit einzigartigen Rechten, aber auch mit Pflichten verbunden.
Eingebürgerte erhalten einmalige demokratische Mitbestimmungsrechte: Wählen,
gewählt werden, Referenden und Initiativen starten. Mit einer Einbürgerung ›bürgen‹ die Schweizer Stimmbürger für jene Person, die neu in den Bund
der Eidgenossen eintritt. Auf der ganzen Welt sind die Messlatten für Einbürgerungen
sehr hoch. Es entspricht der Schweizerischen Historie, dass nie ein Rechtsanspruch auf
Einbürgerung bestanden hat, und genau dieses kluge und bewährte
Vertrauensprinzip soll mit der Verfassungsänderung vom 12. Februar 2017 über
den Haufen geworfen werden.
Zwischen 1990 und 2015 sind in der
Schweiz 775.000 Ausländer eingebürgert worden. Das ist mehr als die
Einwohnerzahl des drittbevölkerungsreichsten Schweizer Kantons, des Kantons
Waadt. Nach dem Allzeitrekord von 2006, als infolge der Masseneinwanderung aus
dem Balkan in den 90er Jahren fast 48.000 Personen eingebürgert worden sind,
schnellte dieser Wert 2015 wieder in die Höhe, auf 42.699 (+21 % gegenüber dem
Vorjahr!). Im Jahr 2013 ging von über 35.000 Einbürgerungen über ein Drittel
von Personen aus dem Balkan und der Türkei aus.
Dies zeigt, dass der Schweizer Pass vor
allem bei Personen, die nicht aus dem mitteleuropäischen Kulturkreis stammen,
sehr beliebt ist. Umso wichtiger ist es, jedes Einbürgerungsgesuch im
Einzelfall zu prüfen. Der Schweizer Pass darf nicht verschenkt werden. [1]
Darum ist am 12. Februar Nein zu stimmen.
Eine erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten
Ausländergeneration ist, wie Dr. iur Marianne Wüthrich in ›Zeit-Fragen‹ [2] ausführt, unnötig, bürokratisch und zentralistisch.
Der Abstimmungstext, über den wir am
12. Februar abstimmen werden, lautet:
»Die Bundesverfassung wird wie folgt
geändert:
- Art. 38 Abs. 3
-
Er [der Bund] erleichtert die Einbürgerung von:
-
a. Personen der dritten Ausländergeneration
-
b. staatenlosen Kindern«
wobei die erleichterte Einbürgerung für
staatenlose Kinder schon heute gilt.
Klingt vernünftig, oder? Wer soll etwas
dagegen haben, dass junge Leute, die in der Schweiz geboren wurden und deren
Familien schon lange hier leben, das Schweizer Bürgerrecht erhalten? Wer die
rechtlichen und politischen Hintergründe unter die Lupe nimmt, kommt allerdings
zu einem anderen Schluss.
Die ordentliche Einbürgerung
Das ordentliche Einbürgerungsverfahren
beruht - wie bereits oben dargelegt
- auf der föderalistischen
Staatsstruktur der Schweiz. Es beginnt mit dem Einbürgerungsgesuch in der
Wohngemeinde/dem Wohnkanton. Das Verfahren im Kanton und in der Gemeinde wird
durch das kantonale Recht geregelt (Art. 15 BüG). Erst wenn die zuständige
Behörde - in der Regel die
Gemeindeversammlung oder die Einbürgerungskommission - dem Gesuch zustimmt und auch vom Kanton her
keine Gründe dagegen sprechen, wird es an das Staatssekretariat für Migration
(SEM) weitergeleitet; dieses erteilt bei Erfüllung der gesetzlichen
Voraussetzungen die Einbürgerungsbewilligung (Art. 13 BüG). Bisher sind
ordentliche Einbürgerungen die Regel.
Das erleichterte Einbürgerungsverfahren
ist zentralistisch konzipiert: Der
Bundesrat regelt das Verfahren; das Staatssekretariat für Migration trifft den
Entscheid. Weil die einbürgerungswilligen Personen dem SEM kaum persönlich
bekannt sind, »hört es den Kanton an« (Art. 25 BüG). Dieser hat aber kein
Entscheidungsrecht, und die Gemeinde
wird gar nicht erwähnt. Weil das erleichterte Einbürgerungsverfahren
sich über die in der Schweiz übliche föderalistische Regelung hinwegsetzt, gilt
es bisher nur in Spezialfällen: Für Ausländer, die mit einem Schweizer
oder einer Schweizerin verheiratet sind
- weil deren Integration dank der engen Gemeinschaft mit dem Ehepartner
meist leichter ist und um die Einheit des Bürgerrechts in der Familie zu
unterstützen - sowie für minderjährige
staatenlose Kinder. Für diese Personen gilt eine kürzere Aufenthaltsdauer, aber
auch sie müssen die Integrationskriterien lt. Artikel 12 erfüllen.
Der erste und wichtigste Einwand gegen
die erleichterte Einbürgerung auch für ›Personen der dritten Ausländergeneration‹ ist der, dass sie unnötig ist: Die
jungen Ausländer, die seit ihrer Geburt in der Schweiz leben und hier in die
Schule gehen, brauchen diese Neuregelung nicht. Denn für sie zählen die Jahre
zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr ohnehin doppelt; wenn sie seit
mindestens sechs Jahren hier leben, können sie ihr Einbürgerungsgesuch in ihrer
Wohngemeinde stellen (Art. 9 Abs. 2 BüG). Von meinen zahlreichen Berufsschülern
ausländischer Herkunft, die ich in 30 Jahren unterrichtet habe - in vielen Klassen waren sie in der Mehrzahl
- waren bereits während der Berufslehre,
also mit 16 bis 20 Jahren, praktisch alle, die das wollten, eingebürgert.
Manche zusammen mit ihrer Familie, viele aber auf eigene Faust. Dies ist einer
der vielen Vorteile der dualen Berufslehre: Wer eine Lehrstelle findet und sich
dort und in der Berufsschule bewährt, ist praktisch ausnahmslos ›erfolgreich integriert‹ (Art. 11 a BüG). Falls zum Beispiel einer kriminell wird, verliert er in der Regel seine
Lehrstelle und erfüllt dann auch die Integrationskriterien nicht. So einfach
ist das.
Der zweite Einwand ist der, dass die
geplante Regelung - wie dies Ständerat
Stefan Engler (CVP GR) am 13. 6. 2016 im Ständerat erklärte - ein ›gesetzgeberischer
Murks‹ ist. Mit ihrer
parlamentarischen Initiative führten Nationalrätin Ada Marra (SP, VD) und ihre
Mitunterzeichner in Wirklichkeit etwas ganz anderes im Schilde, als nun im
Parlament herausgekommen ist: Nämlich das ›ius soli‹ - wer auf dem Gebiet eines
Staates geboren wird, erhält automatisch das Bürgerrecht - neu aufzugleisen, obwohl dieses 2004 von Volk und
Ständen deutlich abgelehnt worden ist. Einen solchen Automatismus hat
die Mehrheit im National- und im Ständerat seit Beginn der Beratungen
abgelehnt. Anstatt aber die ganze Vorlage zu versenken, versuchte das Parlament
- wenig überzeugend - zu gewährleisten, dass der in der Schweiz
geborene Antragsteller auch wirklich aus einer Familie stammt, die schon über
zwei Generationen hinweg hier gelebt hat. Gemäss dem künftigen Artikel 24?a BüG2 muss er ›glaubhaft machen‹, dass mindestens ein Grosselternteil ein Aufenthaltsrecht in der
Schweiz hatte, mindestens ein Elternteil ›eine Niederlassungsbewilligung erworben‹, ›sich mindestens zehn Jahre lang in der Schweiz aufgehalten‹ und ›mindestens fu?nf Jahre lang die obligatorische Schule in der
Schweiz besucht hat‹ (vgl. Bundesbüechli, Seite 6/7).
Viel Spass bei der Ahnenforschung!
Ich würde dem eher ›Bürokratie-Monster‹ als ›erleichterte Einbürgerung‹ sagen, abgesehen davon,
dass unter der ›dritten Generation‹ eigentlich Kinder verstanden werden, deren Eltern (oder
wenigstens ein Elternteil) ebenfalls in der Schweiz geboren wurden, hier gelebt
haben (und zwar nicht nur zehn Jahre) und hier zur Schule gegangen sind (nicht
nur fünf Jahre).
Dass vom Einbürgerungskandidaten selbst
lediglich
verlangt wird, dass er ›mindestens fünf Jahre lang die obligatorische Schule in der
Schweiz besucht‹ hat, ist besonders fragwürdig: Entweder gehört er zur dritten
Ausländergeneration - dann ist er hier geboren
und aufgewachsen und hat hier seine Schulausbildung gemacht - oder er gehört nicht dazu. Die einzigen, die
sich über dieses Konstrukt freuen, sitzen vermutlich im Staatssekretariat für
Migration: Dort müsste die Verwaltungsblase um viele weitere Stellen ausgebaut
werden … Die jungen Ausländer, die hier geboren und aufgewachsen sind,
sind mit der heutigen Regelung der doppelt zählenden Jugendjahre jedenfalls
besser bedient.
Dritter Einwand: Föderalismus stärken statt schwächen!
Der Föderalismus gewährleistet wie in
vielen anderen Bereichen auch hier viel feiner abgestimmte und von den Bürgern
getragene Regelungen. Denn die erleichterte Einbürgerung für in der Schweiz
geborene Ausländer gibt es bereits in 16 Kantonen, und zwar in vielfältiger
Ausgestaltung: ›Diese Vereinfachungen beziehen sich etwa auf den Verzicht auf
Sprach- und Staatskundetests, auf die Reduktion der Einbürgerungstarife, auf
kürzere Wohnsitzfristen oder generell auf vereinfachte Verfahren.‹ (Lt. Ständerat Stefan Engler, CVP GR).
Die Minderheit, die Engler im Ständerat vertrat, wollte deshalb anstatt einer ›erleichterten Einbürgerung‹ durch den Bund die ›vereinfachte Einbürgerung‹ durch die Kantone unterstützen: »Es
ist gescheiter, beim ordentlichen Verfahren zu bleiben und den Kantonen die
Möglichkeit zu geben, die Privilegierung solcher Einbürgerungen selber zu
bestimmen, oder aber im Bürgerrechtsgesetz einen Rahmen zu skizzieren, an dem
sich die Kantone in dieser Frage zu orientieren haben.« Mit einer solchen
Regelung blieben die Kompetenzen beim Kanton und bei den Gemeinden.
Kurz und bündig:
Es spricht nichts für die ›Erleichterte Einbürgerung von Personen
der dritten Ausländergeneration‹ in der Form, welche Volk und Ständen am 12. Februar 2017 zur
Abstimmung vorgelegt wird. Sowohl den jungen Ausländern als auch dem
Föderalismus ist mit der geltenden Regelung im Bürgerrechtsgesetz, welches
zudem erst vor zweieinhalb Jahren total revidiert wurde, weit mehr gedient.
[1]
Quelle:
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/keine_privilegien_verschenken-2986 20. 1. 17
Der
Freitags-Kommentar vom 20. Januar 2017 von Anian Liebrand, Redaktion ›Schweizerzeit‹
[2] Quelle – auszusweise -
http://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2017/nr-2-17-januar-2017/erleichterte-einbuergerung-von-personen-der-dritten-auslaendergeneration-unnoetig-buerokratisch-zentralistisch.html 17. 1. 17
Erleichterte
Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration – unnötig,
bürokratisch, zentralistisch - von Dr. iur Marianne Wüthrich